Hintergründe
Wir haben Gleichklang-Mitglieder zu sexuellen Übergriffen befragt. Wir fragten dabei sowohl nach erlittenen sexuellen Übergriffen wie auch nach selbst verübten Übergriffen. Die Umfrage bezog sich auf:
– sexuelle Übergriffe jemals im Leben
– sexuelle Übergriffe bei Gleichklang
Als sexueller Übergriff war jede sexuelle Handlung definiert, die gegen die Zustimmung einer Person durchgeführt wurde.
Wir haben ebenfalls nach der Art der sexuellen Übergriffe gefragt, die von körperlichen Berührungen außerhalb des Intimbereichs bis hin zu Vergewaltigungen reichten.
Außerdem haben wir unsere Mitglieder um eine Einschätzung gebeten, für wie groß sie das Problem mit sexuellen Übergriffen bei Gleichklang halten und ob sie akuten Handlungsbedarf sehen.
Am Schluss wurden die Mitglieder um Vorschläge gebeten, wie das das Risiko sexueller Übergriffe bei Gleichklang reduziert werden kann. Alle Vorschläge wurden ausgewertet und verschiedenen Kategorien zugewiesen.
An der Umfrage beteiligten sich 1379 Gleichklang-Mitglieder im Alter von 18 bis 78, unter ihnen 759 Frauen und 620 Männer. Die Umfrage wurde unter Zusicherung der Anonymität und bei Verzicht auf die Erfassung der IP-Adressen durchgeführt.
Im Folgenden werden zunächst die Ergebnisse dargestellt gemäß der Reihenfolge: (1) Erlittene sexuelle Übergriffe jemals im Leben, (2) Erlittene sexuelle Übergriffe bei Gleichklang, (3) Selbst verübte sexuelle Übergriffe, (4) Meinungen zu Problemausmaß und Handlungsbedarf.
Im Anschluss werden die Ergebnisse diskutiert, wobei auf gesellschaftliche Aspekte und auf die Bedeutsamkeit für Gleichklang eingegangen wird.
In einem weiteren Abschnitt stellen wir dar, was wir derzeit zur Prävention sexueller Übergriffe bei Gleichklang tun und was wir künftig noch zusätzlich tun werden.
Abschließend plädiert der Artikel dafür, dass sexuelle Übergriffe der Sexualität nicht ihren positiven Bezug nehmen sollten, da im Gegenteil eine positive und offene gesellschaftliche und individuelle Einstellung zur Sexualität als ein wichtiger Schutzfaktor gegen sexuelle Übergriffe zu bewerten ist.
Ergebnisse
Erlittene sexuelle Übergriffe jemals im Leben
– 67,2% oder zwei von drei befragten Frauen gaben an, bereits Opfer mindestens eines sexuellen Übergriffs in ihrem Leben geworden zu sein. 35,4% berichteten über mehrere Übergriffe durch verschiedene Personen, 26,7 über einen Übergriff einer Person und 5,3% über mehrere Übergriffe der gleichen Person. Bezüglich der Art der Übergriffe gaben 31% an, außerhalb des Intimbereichs berührt worden zu sein. 31% berichteten von Berührungen im Intimbereich. 21,7% gaben an, gegen ihren Willen geküsst worden zu sein. 8,7% berichteten über Versuche, sie zu entkleiden. 12% gaben an, zur Durchführung oder Duldung sexueller Handlungen durch Gewalt genötigt worden zu sein. 8,8% berichteten über eine erlittene Vergewaltigung durch erzwungenes Eindringen in den eigenen Körper. Insgesamt gab jede sechste Frau an (16,9%), Opfer eines schweren sexuellen Gewaltdelikts im Sinne einer Nötigung oder Vergewaltigung geworden zu sein.
– Sexuelle Übergriffe gegen Männer kamen erheblich seltener vor, waren aber nach den Ergebnissen der Umfrage ebenfalls durchaus weit verbreitet. So gab mehr als jeder vierte befragte Mann (28,1%) an, bereits Opfer mindestens eines sexuellen Übergriffs in seinem Leben geworden zu sein. 10,2% berichteten über mehrere Übergriffe durch verschiedene Personen, 15,2% über einen Übergriff einer Person und 2,7% über mehrere Übergriffe durch die gleiche Person. Bezüglich der Art der Übergriffe gaben 8,8% der befragten Männer an, außerhalb des Intimbereichs berührt worden zu sein. 11,0% berichteten von Berührungen im Intimbereich. 6,0% gaben an, gegen ihren Willen geküsst worden zu sein. 3,1% berichteten, dass jemand versucht habe, sie zu entkleiden. 2,1 % gaben an, durch Gewalt zur Durchführung oder zum Erdulden sexueller Handlungen genötigt worden zu sein. 2,1% berichteten, durch erzwungenes Eindringen in den eigenen Körper vergewaltigt worden zu sein. Insgesamt gab jeder fündfunzwanzigste der befragten Männer (3.9%) an, Opfer eines schweren sexuellen Gewaltdelikts im Sinne einer Nötigung oder Vergewaltigung geworden zu sein. Gerade besonders schwere Formen der sexuellen Gewalt werden demnach von Männern seltener erlitten als von Frauen.
Erlittene sexuelle Übergriffe bei Gleichklang
– Es gab ebenfalls, wenn auch sehr selten, Übergriffe während der Online-Dating bei Gleichklang. So gaben 40 oder 5,3% der befragten 759 weiblichen Gleichklang-Mitglieder an, durch ein anderes Mitglied einen Übergriff erlitten zu haben. 34 Mitglieder (4,5%) berichteten über einen einmaligen Übergriff eines anderen Mitgliedes. 4 Mitglieder (0,5%) gaben an, dass das gleiche Gleichklang-Mitglied mehrfach übergriffig geworden sei. 2 Mitglieder (0,3%) berichteten von mehreren Übergriffen mehrerer Gleichklang-Mitglieder. Sehr viel seltener berichteten männliche Gleichklang-Mitglieder von sexuellen Übergriffen durch andere Mitglieder. Aber auch 6 männliche Mitglieder (1%) gaben mindestens einen Übergriff durch ein andere Mitglied an. 5 Männer (0,8%) berichteten von einem Übergriff eines Mitgliedes, ein Mann (0,2%) gab mehrere Übergriffe mehrerer Mitglieder an. Die berichteten sexuellen Übergriffe bezogen sich vorwiegend auf Berührungen außerhalb und innerhalb des Intimbereichs, Küssen oder Entkleidungsversuche. Ein (weibliches) Mitglied berichtete aber, Opfer eines schweren Gewaltdelikts im Sinne einer Vergewaltigung geworden zu sein. Über sexuelle Nötigungen wurde nicht berichtet. Die berichtete Vergewaltigung wirkt authentisch, auch weil das entsprechende Mitglied bei der abschließenden freien Text-Frage noch einmal detaillierter schilderte, dass es nach der erlittenen Vergewaltigung Gleichklang verlassen habe.
Selbst verübte sexuelle Übergriffe
– 27,4% oder mehr als jeder vierte Mann gestand in der Umfrage ein, innerhalb seines Lebens bereits mindestens einmal selbst sexuell übergriffig geworden zu sein. Deutlich weniger, aber ebenfalls fast jede zehnte der befragten Frauen (10,9%) gab an, bereits selber sexuell übergriffig geworden zu sein. Es dominierten Berührungen außerhalb des Intimbereichs (Männer: 13,9%, Frauen: 4,9%) und Versuche, eine Person gegen ihren Willen zu küssen (Männer: 10,3%, Frauen: 2,2%). Ebenfalls wurden mehrfach Versuche berichtet, eine Person zu entkleiden (Männer: 4,2%, Frauen: 0,9%). Demgegenüber gab jeweils nur ein Mann und eine Frau an, eine andere Person mit Gewalt sexuell genötigt zu haben. Eine Frau berichtete in der Umfrage von einer verübten Vergewaltigung.
– Insgesamt gaben 11 Männer und 9 Frauen an, gegenüber einem Gleichklang-Mitglied sexuell übergriffig geworden zu sein. Bei den Übergriffen handelte es sich vorwiegend um Berührungen außerhalb und innerhalb des Intimbereichs, Küssen und versuchte Entkleidungen. Ein (weibliches) Mitglied berichtete aber ebenfalls, ein anderes Mitglied zu sexuellen Handlungen gewaltsam genötigt zu haben.
– Mehrere Männer und Frauen, die über selbst verübte sexuelle Übergriffe berichteten, gaben im freien Textfeld an, die Wünsche der anderen Person fehlinterpretiert zu haben. Deutlich wurde aus diesen Berichten insbesondere auch ein Fehlen einer verbalen Kommunikation über Sexualität. Derartige Kommunikationsstörungen können offenbar nach den Ergebnissen der Befragung im Einzelfall zu Missverständissen führen, die dann – auch durch die übergriffige Person selbst – als sexueller Übergriff erlebt werden können. Derartige Handlungsweisen betrafen übrigens vorwiegend Küssen wie auch Berührungen außerhalb des Intimbereichs.
Mitglieder-Meinungen zu Problemausmaß und Handlungsbedarf bei Gleichklang
74,4% der befragten Frauen und 85,95% der befragten Männer gaben an, dass es ihrer Ansicht nach kein Problem mit sexuellen Übergriffen bei Gleichklang gebe. Das Bestehen eines Problemes, was aber geringer sei als in der Gesellschaft, wurde von 10,8% der weiblichen Mitglieder und 6,2% der männlichen Mitglieder bejaht. 15,31% der weiblichen Mitglieder sahen ein ebenso großes Problem bei Gleichklang wie in der Gesellschaft, wobei der ebntsprechende Anteil der männlichen Mitglieder 7,79% betrug. 0,3% der befragten weiblichen Mitglieder und 0,2% der befragten männlichen Mitglieder sehen gar bei Gleichklang ein größeres Problem mit sexuellen Übergriffen als in der Gesellschaft im Allgemeinen.
Sollte Gleichklang mehr unternehmen, um sexuellen Übergriffen gegen seine Mitglieder entgegen zu wirken? 91,6% der befragten weiblichen Mitglieder verneinten, 8,4% bejahten bestehenden Handlungsbedarf. Bei den männlichen Mitgliedern verneinten 94,6% bestehenden Handlungsbedarf, während 5,4% Handlungsbedarf sahen.
Mitgliedervorschläge zu möglichen Maßnahmen
Fast 500 Mitglieder unterbreiteten eigenen Vorschläge, wie Gleichklang das Risiko von sexuellen Übergriffen vermindern könne. Wir haben diese Vorschläge gesichtet und sie folgenden Kategorien zugewiesen. Die Reiehnfolge enspricht der Häufigkeit der Nennung:
– Aufklärung und Bewusstmachung durch Community-Regeln, Rundschreiben und Umfragen. Bereitstellung von Informationen zu respektvollem Verhalten untereinander.
– Meldefunktion für Mitglieder, die sexuelle Übergriffe erlebten. Bereitstellung einer Ansprechpartnerin bei Gleichklang und Ermutigung, sich zu melden.
– Sperrung von Mitgliedern, gegen die Vorwürfe erhoben werden. Gleichzeitig betonten viele (weibliche und männliche) Mitglieder, dass es wichtig sei, beide Seiten anzuhören und wenn möglich eine Mediatorenfunktion zu übernehmen. Dabei solle auch zwischen dem Schweregrad der Vorfälle unterschieden werden. Manche Mitglieder betonten, es sollten lieber zu viele als zu wenige Mitglieder gesperrt werden, andere betonten wiederum, es dürfe zu keinen unberechtigten Sperrungen und zu keinem Klima der Denunziation kommen.
– Hinweise an die Mitglieder zu Verhaltensweisen, wie das individuelle Risiko reduziert werden kann, insbesondere auch zu Örtlichkeiten von Treffen (öffentliche Plätze, keine Privatwohnungen), expliziter Vorabkommunikation der eigenen Vorstellungen (z.B. ob Gespräche über Sexualität stattfinden sollen oder nicht, ob Sexualität zunächst ausgeschlossen ist oder stattfinden kann, wenn beide explizit Ja zueinander sagen), vorherigen Informationseinholung und Eindrucksgewinnung über den Nachrichtenaustausch und Telefonate, Sicherheitsmaßnahmen, wie Mitteilung von Treffen und Aufenthaltsort an Freunde mit Sicherheitsanruf, Bekanntmachung von Angeboten, wie dem Heimwegtelefon http://www.heimwegtelefon.de/, oder auch Übernahme von telefonischer Begleitung durch das Gleichklang-Team selbst.
– Bessere Sicherheitsüberprüfungen bei Gleichklang durch Einholung einer Kopie des Personalausweises.
– Stärkere Einschränkung des Mitgliederkreises durch eingebaute Fragen zu möglichem Problemverhalten und Verweigerung der Mitgliedschaft bei problematischem Anwortverhalten, Teilnahme an verpflichtendem Test zu angemessenem Dating-Verhalten vor dem Beginn der Mitgliedschaft.
– Bereitstellung von Informationen zu externen Therapeuten und Ansprechpartnern in den verschiedenen Städten und Regionen.
Bewertung der Ergebnisse durch Gleichklang
Gesellschaftliche Aspekte
– Die derzeitige Diskussion zu sexuellen Übergriffen in Anbetracht der Vorfälle in Köln läuft nach unserer Einschätzung in eine gefährlich falsche Richtung. Die Foklussierung von Medien und Politik auf Ausländer und Asylbewerber ist nämlich geeignet, die Allgegenwärtigkeit sexueller Übergriffe in der Gesellschaft auszublenden. Ausländer werden so zu klassischen Sündenböcke, um von einem Problem abzulenken, anstatt es zu lösen. Chancen für einen gesellschaftlichen Einstellungs- und Verhaltenswandel, die in einer Sensitivierung für die Thematik und dem gesellschaftlichen Einüben au fallen Ebenen (Schule, Ausbildung, Beruf, öffentliche Medien, spezifische Seminare) eines respektvollen Umgangs untereinander liegen, werden so verspielt. Damit aber droht die gegenwärtige einseitge und ausländerfeindliche Diskussion sexuelle Übergriffe eher zu fördern als diese zu bekämpfen. Sachlage ist, dass die Gleichklang Mitgliedschaft in ihrer überwältigenden Mehrheit aus Personen ohne Immigrationshintergrund besteht, dass aber dennoch mehr als jeder vierte Mann und jede zehnte Frau angegeben haben, selber mindestens einen sexuellen Übergriff begangen zu haben. Wer die Thematik der sexuellen Übergriffigkeit daher vorwiegend oder sogar nur in Bezug auf Ausländer oder Asylbewerber diskutiert, handelt damit selbstgerecht und trägt dazu bei, die Allgegenwärtigkeit sexueller Übergriffigkeit und Gewalt zu bagatellisieren. Die stürmerartige Berichterstattung einiger Medien, die visuell die “Beschmutzung” weißer Frauen durch dunkelhäutige Männer thematisierten, verbreiten so nicht nur Rassismus und Fremdenhass, sondern schaden ebenfalls den Opfern sexueller Gewalt und der erforderlichen gesellschaftlichen Diskussion über die Prävention sexueller Übergriffe.
– Die Ergebnisse bestätigen Befunde, dass sexuelle Übergriffe auf Frauen häufiger stattfinden als auf Männer, wobei aber gleichzeitig deutlich wird, dass sexuelle Übergriffe auf Männer ebenfalls rechthäufig stattfinden. Männer werden zwar deutlich häufiger übergriffig, aber auch jede zehnte befragte Frau gab in dieser Umfrage an, bereits sexuell übergriffig geworden zu sein.
– Ein Teil sexueller Übergriffigkeit scheint auch aus Missverständissen über die Wünsche der anderen Person zu resultieren – so berichteten es jedenfalls mehrere Frauen und Männer, die angaben, selbst übergriffig geworden zu sein. Ein Faktor scheint hier eine mangelnde Fähigkeit/Bereitschaft zur verbalen Kommunikation über Bedürfnisse nach Nähe und Sexualität zu sein, die eigentlich eine einfache Rückversicherung durch eine andere Person jederzeit möglich machen und dadurch Missverständnisse vermeiden kann. Offene Kommunikation über sexuelle Wünsche, Bedürfnisse und die mit ihr einhergehende Verschiedenheit kann gesellschaftlich angeleitet und trainiert, aber auch durch konservativ-sexualitätsfeindliche Haltungen gehemmt und blockiert werden. Ein Beispiel für einen solchen Blockadeprozesse, der letztlich sexuelle Übergriffe fördern kann, war der Proteststurm gegen den Sexualaufklärungsunterricht in Baden-Würtemberg, der bereits im Kindesalter offen über Sexualität und die menschliche Verschiedenheit sprechen wollte. Ein weiteres Beispiel sind Kampagnen gegen Sexualwissenschaftler, die wissenschaftlich fundierte Vorschläge für einen effektiven Sexualkundeunterricht in der Schule erarbeiten und publizieren. Dabei ist es gerade die frühe Vermittlung einer solchen kommunikativen Offenheit, die ein respektvolles menschliches Sexualverhalten fördern und dem Grundsatz “ein Nein ist ein Nein” zum Durchbruch verhelfen kann. Je früher und klarer Menschen lernen, über sexuelle Bedürfnisse zu sprechen, desto eher werden sie später mit einer anderen Person zunächst in einen Kommunikationsprozess eintreten, bevor sie sexuelle oder sexualitätsnahe Handlungen vornehmen.
Übergriffe bei Gleichklang
Bezüglich des Online-Dating zeigt sich nach unserer Einschätzung, dass eine gebührenpflichtige Plattform wie Gleichklang, die zudem ihren Mitgliedern klare Verhaltensregeln kommuniziert (Community-Regeln, Rundschreiben), das Problem sexueller Übergriffe deutlich begrenzen kann. Bei Gleichklang kommt hinzu, dass wir uns an Menschen mit hohem sozial-ökologischem Bewusstsein wenden, von denen davon auszugehen ist, dass sie in höherem Ausmaß respektivoll miteinander umgehen und stärker für die Thematik sensibilisiert sind als die Allgemeinbevölkerung. Außerdem gibt es bei Gleichklang keine kostenlose Teilnahme und es gibt keine Suchfunktion, mit der potentielle Täter explizit nach möglichen Opfern suchen können. Aus diesen Faktoren erklärt sich nach unserer Einschätzung maßgeblich, warum sexuelle Übergriffe bei Gleichklang selten vorkommen. Dennoch wird aus den Ergebnisse deutlich, dass sich auch bei Gleichklang sexuelle Übergriffe nicht vollkommen ausschließen lassen, bis hin zur in hohem Ausmaß authentisch wirkenden Schilderung einer Vergewaltigung, auch wenn die Übergriffe ansonsten nicht das Ausmaß einer sexuellen Nötigung oder Vergewaltigung erreichten. Wir sehen es daher als eine Verpflichtung von Gleichklang und von allen Dating-Anbietern an, Mitglieder für die Thematik zu sensibilisieren und so viel wie möglich zu tun, um die Gefahr sexueller Übergriffigkeit absenken zu können.
Sachlage ist, dass die große Mehrheit der Mitglieder kein Problem bei Gleichklang mit sexuellen Übergriffen und keinen Handlungsbedarf sieht. Dies begründet sich daraus, dass sexuelle Übergriffe tatsächlich bei Gleichklang nur sehr selten vorkommen. Da aber auch wenige sexuelle Übergriffe bereits zu viel sind, sehen wir Handlungsbedarf und werden uns dabei auch an den Vorschlägen der Mitglieder orientieren.
Derzeitige Maßnahmen
– Wir versuchen eine implizite Vorauswahl von Mitgliedern zu treffen, die die Risiken sexueller Übergriffigkeit minimieren soll. Entsprechend wenden wir uns nur an Mitglieder mit hoher sozial-ökologischer Verantwortlichkeit und erlauben zudem keine kostenlosen Mitgliedschaften, auch keine Test- oder Probeabos, die Personen mit unseriösen Absichten anlocken. Wir verzichten hier (im gegensatz zu allen anderen Dating-Plattformen) bewusst auf ein hochwirksames Werbeinstrument, um die positive Erfahrungen unserer Mitglieder zu maximieren und negative Erfahrungen, einschließlich sexueller Übergriffe, zu minimieren.
– Wir unternehmen verschiedene Strategien, um unsere Mitglieder für die für die Thematik zu sensitivieren. So haben wir Community-Regeln, die unsere Mitglieder vor Beginn der Mitgliedschaft bestätigen müssen und die wir sowohl im Teilnahmebereich als Link einblenden als auch auf der Startseite prominent mit Link zur entsprechenden Unterseite plazieren. Die Community-Regeln sind tatsächlich eine der meist gelesenen Unterseiten von Gleichklang. Ebenfalls weisen wir in Rundschreiben auf die Notwendigkeit eines respekvollen Umgangs hin. Auch diese Umfrage dient in der Tat ebenfalls dem Aspekt der Sensitivierung. Außerdem wenden wir uns immer persönlich an Mitglieder, über die Beschwerden vorliegen, und weisen diese auf die Grundprinzipien eines respektvollen Umganges und die Einhaltung der Community-Regeln hin, auch wenn die große Mehrheit der Beschwerden nicht sexuelle Übergriffe betrifft.
– Beim Matching berücksichtigen wir verschiedene Aspekte von Sexualität, die ansonsten auch durch Missverständisse – von solchen berichteten in den freien Textfeldern übrigens auch mehrere männliche und weibliche Gleichklang-Mitglieder- sexuelle Übergriffe fördern könnten. Speziell schlagen wir Mitglieder nicht einander vor, wenn eine Seite dezidiert nicht nach erotischen Begegnungen, die andere aber auch nach unverbindlicheren erotischen Begegnungen sucht. Wir schlagen ebenfalls Mitglieder nicht einander vor, wenn eine Seite ausschließlich platonsich und die andere nicht ausschließlich platonisch sucht. Ebenfalls berücksichtigen wir im Matching die gewünschte Geschwindigkeit einer auch erotischen Beziehungsgestaltung. Indem wir mögliche BDSM-Präferenzen oder deren Ablehnung miteinander abgleichen, reduzieren wir ebenfalls auf diese Ebene mögliche Unstimmigkeiten. Tatsächlich haben wir diese Matching-Prozesse schrittweise und als Reaktion auf Mitgliederanregungen und Vorkomnisse eingeführt. Wir haben durch diese Veränderungen des Matching eine deutliche Reduktion an uns berichteter Vorfälle verzeichnen können.
– Wenn schwere sexuelle Übergriffe im Sinne von Nötigung, nötigungsähnlichen, Vergewaltigung oder vergewaltigungsähnlichen Vorkomnissen gemeldet werden, werden die entsprechenden Mitglieder sofort gesperrt und es wird ihnen keine Kontaktaufnahme zu anderen Mitgliedern ermöglicht. Wir treten mit den Mitgliedern in Kontakt, machen sie auf die im Raum stehenden Vorwürfe aufmerksam und bitten um Stellungnahme. Melden sich die Mitglieder nicht, bleiben sie lebenslang gesperrt (wobei wir aber Neuanmeldungen mit anderen Daten nicht verhindern können). Bestätigt sich in der Stellungnahme die Schwere des Vorwurfs, bleiben die Personen gesperrt und werden von uns auf die Notwendigkeit hingewiesen, sich therapeutische Hilfe zu suchen. Die Opfer werden von uns ebenfalls hierauf sowie auf die Möglichkeit einer Anzeige hingewiesen, einschließlich hierfür bestehender Hilfsmöglichkeiten hingewiesen. Glücklicherweise haben wir in den Jahren seit unserem Bestehen 2006 nur eine äußerst gerintge Anzahl entsprechender Vorgänge gehabt. Unsere aktuelle Umfrage bestätigt, dass solche Vorfälle tatsächlich offenbar äußerst selten geschehen, auch wenn wir von einer Dunkelziffer ausgehen müssen.
– Werden uns sexuelle Übergriffe/unangemessenes Verhalten bei weitem unterhalb der Schwelle von Nötigung oder Vergewaltigung berichtet, treten wir mit den betreffenden Personen in Kontakt und wirken auf eine Klärung und sollten sich die Vorfälle bestätigen Verhaltensänderung hin. Auch hier erfolgen Sperrungen, wenn keine Bereitschaft zu Klärung oder Verhaltensänderung besteht. Ebenfalls weisen wir aber auch Mitglieder, die uns schreiben, darauf hin, wenn wir nach unserer Einschätzung keine Hinweise auf ein Fehlverhalten erkennen können.
– Wir haben uns bewusst gegen eine Zensur von Text- und Bildmaterial entscheiden, es sei denn, dieses verstößt gegen Gesetze. Solches Bild-und Textmaterial sagt oft bereits recht viel über die Bedürfnisse, Wünsche und den Lebensstil einer Person aus. Wem dies nicht gefällt, der wird sofort darauf hingewiesen und damit vor einer Kontaktaufnahme geschützt. Wir haben für diese Praxis bereits Kritik einstecken müssen mit Aufforderungen Bilder oder Texte von Mitgliedern zu entfernen, sind aber der Ansicht, dass hierdurch eine hochwirksame Form der selbstgesteuerten Auswahl möglich wird, die wir auch künftig erhalten wollen.
– Es gibt bei uns keine Möglichkeiten, gezielt nach alleinerziehenden Müttern oder Vätern minderjähriger Kinder zu suchen, obwohl diese Funktion durchaus oft aus vollkommen legitimen Gründen angefragt wird. Wir verzichten auf diese Funktion, um Personen mit pädophilen Motiven keinen Anreiz für eine Mitgliedschaft bei Gleichklang zu geben. Personen, die in ihren Nachrichten, freien Texten oder Bilder Hinweise auf pädophile Neigungen geben, werden bei uns sofort und lebenslang gesperrt. Hinweise auf Therapien werden gegeben. Glücklicherweise handelt es sich hier aber ebenfalls um äußerst selten auftretende Fälle bei Gleichklang.
– Wir raten unseren Mitglieder unbedingt, das erste Treffen an einem öffentlichen Ort durchzuführen. Wir raten davon ab, ein erstes Kennenlernen in Privatwohungen oder an einsamen Orten stattfinden zu lassen, wie es nach den Ergebnissen einer anderen Umfrage allerdings leider fast 10% der Mitglieder weiterhin tun. Hierdurch steigt die Gefahr an, Opfer sexueller Übergriffe und Gewalt zu werden. Übrigens halten es wir es für einen komplett falschen Ansatz, von Tipps für eigenes Verhalten abzusehen, um nicht in den Verdacht zu geraten, die Opfer anstatt die Täter für die Übergriffe verantwortlich zu machen. Schließlich werden beispielsweise auch bei allen anderen Straftaten polizeiliche Empfehlungen gegeben, wie das Risiko gesenkt werden kann, ohne dass jemand auf den Gedanken komme, dadurch Opfer zu Tätern zu machen oder Straftaten zu rechtfertigen. Dass diese Diskussion dennoch in Anbetracht der Ereignisse von Köln derzeit verstärkt geführt werde, zeigt nach unserer Einschätzung, dass die Gesellschaft sich derzeit nicht rational mit der zentralen Thematik sexueller Übergriffigkeit auseinandersetzt. Die Kommunikation von Schutzmaßnahmen durch Gleichklang bedeutet nicht, dass sexuelle Gewalt legitimiert oder die Opfer verantworltich gemacht werden, sondern entspringt allein dem berechtigten und dem notwendigen Anliegen, das Risiko dafür zu senken, dass Mitglieder im Verlauf des Dating bei Gleichklang Opfer sexueller Übergriffe werden.
Was wir verbessern wollen
– Wir werden eine einfachere Missbrauchs-Meldefunktion bei Gleichklang einführen, die die Schwelle zur Meldung von Übergriffen senken soll.
– Wir werden zusätzlich zu den Community-Regeln eine extra Seite erstellen, in der wir über das Problem sexueller Übergriffigkeit informieren und Ansprechpartner benennen. Wir wollen hier auch noch klarer herausarbeiten, was vor Missverständnissen schützen kann, wie sie uns bei körperlichen Berührungen sowohl durch männliche wie weibliche Gleichklang-Mitglieder gemeldet wurden. Ohne dass wir zwischenmenschliches Verhalten übermäßig reglementieren wollen, halten wir es für die beste Lösung, wenn Mitglieder im Kennenlernprozess vor dem Aufnahmen einer körperlichen Berührung sich verbal rückversichern, dass diese auch gewünscht ist (z.B. “Ich möchte dich gerne in den Arm nehmen – ist dir dies recht?”). Natürlich bilden sich im Beziehungsaufbau schließlich andere Formen der Wahrnehmung und Kommunikation heraus, die zwanglose Berührungen ermöglichen. Wir wissen aber aus den Mitteilungen unserer Mitglieder, dass es in den Anfangsphase hier zu Missverständnissen kommen kann, die ganz leicht durch eine zwanglose sprachliche Rückversicherung vermeidbar wären. Es ist nicht ausgeschlossen, dass sich wiederum einzelne Mitglieder durch so eine Frage belästigt oder unter Druck gesetzt fühlen, wir halten dies aberfür allemal besser, als sofort zur Handlung zu schreiten. Zudem können so Mitglieder auch in einen Lernprozess eintreten, eigene Bedürfnisse, auch nach körperlicher Zuwendung, angemessen und sensitiv zu formulieren wie auch geäußerte Bedürfnisse angemessen zurückzuweisen.
Positiven Bezug zur Sexualität erhalten
Wichtig ist, dass die Diskussion um sexuelle Übergriffe nicht mit negativen und restriktiven Haltungen zur Sexualität vermischt wird. Bei der Sexualität zwischen erwachsenen, zustimmungsfähigen Personen gilt vielmehr, dass typischerweise alles erlaubt und angemessen ist, was von beiden gewollt und begehrt wird. Offene Gespräche und Austausch über Sexualität sind wünschenswert. Sie erlauben, Hemmungen und Blockaden zu überwinden, die eigene Bedürftigkeit zu erkennen und Sexualität gemeinsam mit einem anderen Menschen positiv erleben zu können. Offene Kommunikation ist ein Schutzfaktor gegenüber sexuellen Übergriffen. So können Missverständnisse vermieden werden. Tatsächlich werden sexuelle Übergriffe nicht immer, aber durchaus auch nicht selten von Personen begangen werden, denen es an sexualkommunikativen Kompetenzen fehlt.
Sachlage ist, dass vorherige Umfragen eindrucksvoll aufgezeigt haben, dass seelische und körperliche Nähe, einschließlich Sexualität, bereits früh im Kennenlernprozess entstehen können und sich dann positiv auf den Beziehungsaufbau auswirken. Es kann also nicht darum gehen, vor Sexualität zu warnen, um sexuelle Übergriffe zu verhindern, sondern wir möchten stattdessen unsere Mitglieder ermutigen, offen über ihre sexuellen Wünsche und Bedürfnisse (einschließlich deren möglichem Fehlen – Asexualität) zu sprechen. Es ist wichtig, Erlebniswünsche und Grenzen klar darzustellen und bereit zu sein für einen sensitiven Annäherungsprozess an den anderen Menschen, der – auch mit Hilfe verbaler Rückversicherungen – Grenzverletzungen vermeiden kann.
Hinweis zur Repräsentativität unserer Umfrage
An der Untersuchung beteiligten sich ausschließlich Gleichklang-Mitglieder und die Untersuchung kann daher keine Repräsentativität für sich beanspruchen. Der Befund, dass jede sechste befragte Frau bereits Opfer eines schweren Sexdualdeliktes in ihrem Leben geworden ist, entspricht aber dem wissenschaftlichen Forschungsstand. Es ist daher wahrscheinlich, dass auch die anderen Ergebnisse auf die Gesamtgesellschaft im Wesentlichen übertragen werden können.