Warum wir Nähe fürchten und vor Liebe fliehen
In meinem 12-minütigen Video zeige ich ein wirksames Schema auf, wie Sie Ihre Partnersuche zum Erfolg bringen können – und zwar völlig unabhängig davon, wie lange Sie bereits auf Partnersuche sind.
Allerdings gibt es manchmal auch tiefergehende Themen, die einer neuen Beziehung im Wege stehen können, und nicht immer ist uns dies klar. In meinem heutigen Artikel beschäftige ich mich damit, warum wir manchmal Nähe fürchten und vor Liebe fliehen.
Ich rate dazu, den ganzen Artikel zu lesen. Aber wenn Zeit und Muße fehlen, können Sie auch 95 % des Artikels überspringen und direkt zum kurzen Resümee wechseln.
Sehnsucht und Angst
Denken wir an die Liebe, setzen wir die rosarote Brille auf und schweben auf Wolke sieben. Oder aber wir schrecken zurück und denken an die vielen toxischen Beziehungen – an all das Leid, das in Partnerschaften auftreten kann. Liebe kann sogar zu Hass werden. Beziehungen können glücklich und unglücklich machen. Beide Reaktionen – Sehnsucht und Angst – sind also berechtigt. Oft treten sie sogar gleichzeitig auf oder wechseln sich ab.
Die Partnersuche wird so leicht zu einem Appetenz-Aversion-Konflikt:
- Wir wünschen uns eine Beziehung und fühlen uns vom Gedanken an Partnerschaft angezogen. Gleichzeitig fürchten wir uns vor Nähe und möglichen Verletzungen – dieser Gedanke stößt uns wieder ab. Die Stärke beider Tendenzen kann schwanken.
Dieser Konflikt ist nicht irrational, schließlich zeigen Studien, dass – in Abhängigkeit von Beziehungsqualität – Partnerschaften nicht nur unsere Lebenszufriedenheit erhöhen, sondern auch erniedrigen können. Singles sind glücklicher als Personen in unglücklichen und sogar in neutralen Beziehungen. Nur wenn die Beziehungszufriedenheit hoch ist, fördern Partnerschaften unser Lebensglück. Wenn wir eine Partnerschaft suchen, sollte diese also glücklich werden; alles andere lohnt sich nicht!
In den 30er Jahren des letzten Jahrhunderts postulierte Kurz Lewin eine zentrale Theorie der Lern- und Motivationspsychologie:
- Je weiter wir von einem angestrebten Ziel entfernt sind, desto stärker werden wir von den positiven Aspekten dieses Ziels angezogen – von all dem, was wir uns davon erhoffen. Kommen wir dem Ziel jedoch näher, nehmen plötzlich unsere Befürchtungen zu; die aversive Tendenz gewinnt die Oberhand.
So erklärt es sich, dass nicht wenige Menschen bei der Partnersuche Angst vor der eigenen Courage bekommen und den Rückwärtsgang einlegen:
- Verabredungen kommen dann nicht zustande, werden verschoben oder abgesagt. Oder wir treffen zwar jemanden, aber plötzlich scheint nichts mehr zu passen.
Nun hält uns die Aversion fest im Griff:
- Erst wenn wir uns von der Möglichkeit einer echten Beziehung wieder weit genug entfernt haben, flammt – aus der Sicherheit dieser Distanz – der Wunsch nach Liebe erneut auf.
- Wieder nähern wir uns an, bis uns die Nähe erneut erschreckt und wir wiederum zurückweichen. So kann es ewig weitergehen.
Wer in einem solchen Appetenz-Aversion-Konflikt gefangen ist, wird die Liebe möglicherweise nie erreichen – egal, wie lange man nach ihr sucht.
Ergänzt sei, dass neuere Untersuchungen das Grundpostulat von Lewin bestätigt, aber in einem entscheidenden Aspekt erweitert haben:
Förster und Kolleg:innen untersuchten in einer experimentellen Studie den Appetenz-Aversions-Mechanismus beim Menschen, wobei sie in drei Versuchen die Intensität von Annäherungs- vs. Vermeidungsreaktionen erfassten, während ihre Probanden den definierten Zielen näherkamen. Sie fanden einen allgemeinen „goal looms larger“-Effekt:
- Je näher das Ziel rückte, desto stärker wurden alle motivationalen Kräfte insgesamt.
Wie aber entwickelten sich die Annäherungs- und Vermeidungstendenzen?
- Unter einem Promotionsfokus (Gewinnorientierung) stieg der Annäherungsgradient besonders stark an, wohingegen unter einem Präventionsfokus (Verlustvermeidung) der Vermeidungsgradient überwog.
In Übereinstimmung mit der klassischen Theorie von Lewin können also in Zielnähe die Vermeidungs-Motivationen die Annäherungs-Motivationen übertreffen, wodurch es kurz vor dem Ziel zu einer Verhaltensblockade kommt.
Aber – und dies ist die Erweiterung – dies braucht nicht immer der Fall zu sein:
- Bei einer Haltung, die sich vorwiegend auf das erhoffte Positive bezieht, setzt sich die Annäherung durch.
- Bei einer Haltung aber, die eher Risiken oder Schäden vermeiden möchte, setzt sich die Aversion durch und das Ziel wird nicht erreicht.
Genau dies letztere Muster kann ich auch im Video-Coaching mit Klient:innen bei der Online-Partnersuche regelmäßig beobachten:
- Dabei tarnt sich das eigentliche Problem gerne hinter allerlei oberflächlichen Ausflüchten: etwa angeblich unpassenden Vorschlägen, unüberbrückbaren Entfernungen, anderen Verpflichtungen und vielen weiteren möglichen Bedenken. Deren Natur liegt jedoch – falls das Kernproblem tatsächlich dieser innere Konflikt ist – genau darin, dass immer etwas Negatives gefunden wird, egal welcher Mensch uns begegnet – nicht wegen des anderen Menschen, sondern weil wir im Präventionsmodus sind und uns an das Ziel annähern und dies wiederum bei uns Vermeidung aktiviert.
Wie berechtigt ist diese Angst vor dem Vorangehen nun wirklich? Und können wir etwas dafür tun, dass im Falle der Liebe eher ihre romantische und beglückende Seite das Ruder übernimmt und nicht ihre schmerzhafte, destruktive?
In meinem heutigen Artikel gehe ich auf diese Fragen ein:
- Zunächst folgt eine kurze Rekapitulation dessen, was die psychologische Forschung über Konflikte in Liebesbeziehungen weiß – welche Verlaufstypen es gibt und welche Auswirkungen diese auf die Zufriedenheit in der Partnerschaft haben.
- Im Anschluss geht es darum herauszufinden, was wir womöglich bereits vorab – also vor einer Beziehung und bei der Partnersuche – unternehmen können, um die Aussicht auf eine wertvolle Partnerschaft zu maximieren und damit indirekt auch unsere Ängste zu mindern. Auf diese Weise können nämlich bestehende Appetenz-Aversion-Konflikte aufgelöst werden, sodass wir nicht mehr immer genau dann zurückschrecken müssen, wenn die Möglichkeit der Liebe in unser Leben tritt.
Konflikte in Beziehungen und ihre Auswirkungen auf die Zufriedenheit
Psychologische Studien der letzten Jahre zeigen eindrücklich, dass Konflikt nicht gleich Konflikt ist. Verschiedene Paare entwickeln unterschiedliche Konfliktmuster, die teils erstaunlich stabil bleiben:
- Eine Langzeituntersuchung mit ca. 2.000 US-amerikanischen Paaren untersuchte vier typische Konflikt-Verlaufstypen. Diese reichten von validierend (einfühlsam und kompromissbereit), konfliktvermeidend („Avoider“), volatil (häufige, intensive, aber nicht zerstörerische Auseinandersetzungen) bis hin zu einem destruktiv-feindseligen und eskalierenden Stil.
- Der validierende Konfliktstil war mit der höchsten Beziehungszufriedenheit verbunden, in der Mitte lagen der vermeidende und der volatile Stil, während der destruktiv- feindselige Stil mit der geringsten Beziehungszufriedenheit verbunden war.
Auch in anderen Kulturen lassen sich vergleichbare Konfliktmuster beobachten:
- Die Psychologen Cao und Kolleg:innen analysierten 144 chinesische frisch verheiratete Paare in Videoaufzeichnungen und identifizierten dabei drei verschiedene Kommunikationsprofile. Einige Paare verhielten sich in mehreren Diskussionen konsistent unterstützend und positiv gegenüber dem Partner, andere gerieten bei verschiedenen Themen immer wieder in Streit, und wieder andere pflegten einen eher traditionell zurückhaltenden Umgangston.
- Die Paare mit dem unterstützenden oder dem gemäßigt-traditionalistischen Stil berichteten eine deutlich höhere Zufriedenheit als jene, die ständig stritten, wobei der unterstützende Stil deskriptiv den höchsten Wert in der Beziehungszufriedenheit erreichte.
Eine ähnliche Beobachtung machte eine brasilianische Studie von Delatorre & Wagner, die die Konfliktstile von 750 Paaren analysierte. Mithilfe einer Latenten Klassenanalyse (LCA) wurden vier Gruppen identifiziert:
- Validierende Paare, die Konflikte konstruktiv und respektvoll lösten, zeigten die höchste Zufriedenheit.
- Volatile Paare, die intensive, aber nicht destruktive Streitgespräche führten, lagen im Mittelfeld.
- Vermeidende Paare, die sich Konflikten eher entzogen, zeigten mittlere Zufriedenheit – jedoch signifikant weniger als die validierenden Paare.
- Feindselige Paare, die eskalierende und destruktive Streitkultur zeigten, waren die am wenigsten zufriedene Gruppe.
Erneut war der feindselige Stil mit der geringsten Beziehungszufriedenheit verbunden. Vermeidung war zwar weniger schädlich als Feindseligkeit, aber der validierende Stil ging auch hier mit der höchsten Beziehungszufriedenheit einher, während der volatile und vermeidende Stil beide im Mittelbereich lagen.
Wie entwickeln sich aber solche Konfliktmuster typischerweise im jahrelangen Verlauf?
Dush & Taylor identifizierten in einer 20-jährigen Längsschnittstudie Paare mit geringer, mittlerer und hoher Konfliktspannung:
- Hochkonflikthafte Gruppe (23 % der Stichprobe): Hohe und stabile Konflikthäufigkeit mit einem leichten Anstieg in den ersten Jahren, der später wieder abnahm.
- Mittlere Konfliktgruppe (61 % der Stichprobe): Durchschnittliche Konflikthäufigkeit, die über die Zeit hinweg weitgehend stabil blieb.
- Niedrige Konfliktgruppe (16 % der Stichprobe): Sehr geringe Konflikthäufigkeit, mit kaum auftretenden Auseinandersetzungen und ebenfalls hoher zeitlicher Stabilität.
Erneut zeigten sich Zusammenhänge zur Beziehungszufriedenheit:
- Personen in der hochkonflikthaften Gruppe hatten die niedrigste Beziehungszufriedenheit. Teilnehmende in der niedrigen Konfliktgruppe zeigten die höchste Zufriedenheit mit ihrer Ehe. Die mittlere Konfliktgruppe lag zwischen diesen beiden Extremen.
Teilnehmende, die sich während der Studienzeit scheiden ließen, hatten übrigens eine um 40 % höhere Wahrscheinlichkeit, der hochkonflikthaften Gruppe anzugehören. Die Wahrscheinlichkeit, in der niedrigen Konfliktgruppe zu sein, war demgegenüber für Personen, die sich scheiden ließen, um 25 % reduziert.
Hochinteressant zeigte sich zudem eine Auswirkung des nur einmal am Anfang der Studie erfassten „Glaubens an die lebenslange Ehe“:
- Teilnehmende, die an die lebenslange Ehe glaubten, fanden sich später mit erhöhter Wahrscheinlichkeit in der Gruppe mit geringer Konfliktspannung wieder.
Auch die Praktizierung einer gleichberechtigten Entscheidungsfindung reduzierte die Konfliktspannung:
- Dies konvergiert mit einem Befund aus einer Umfrage von uns, dass diejenigen am glücklichsten in ihren Beziehungen sind, die ihre Partnerschaft nach der Metapher der Demokratie gestalten. Validierende Kommunikation erleichtert es uns dabei, Liebe als Gleichberechtigung und wechselseitige Abstimmung miteinander zu leben, in der Entscheidungen gemeinsam besprochen oder in Übereinstimmung untereinander aufgeteilt werden.
Deutlich machen die Befunde auch, dass es Grund für Sorgen, aber genauso für Hoffnung gibt:
- Nur eine Minderheit von Paaren zeigt eine hohe Konfliktspannung und selbst bei diesen sinkt die Spannung im Verlauf etwas ab – wenn sie sich nicht trennen.
- Allerdings ist der Anteil der Paare der glücklichsten Gruppe mit niedriger Konfliktspannung sogar noch etwas geringer. Erreichen wir aber solch ein Kommunikationsniveau, bleibt es meistens dauerhaft erhalten, was wiederum Mut macht.
- Die Mehrheit der Paare bewegt sich in der mittleren Gruppe – Verbesserungsbedarf ist also erkennbar.
Beziehungsglück ist nicht selbstverständlich
Es ist also keineswegs selbstverständlich, in einer Beziehung zur höchsten Zufriedenheit zu gelangen. Jedoch können wir etwas dafür tun:
- Kulturübergreifend zeigen die Studien, dass die beste Voraussetzung für eine glückliche Beziehung eine konstruktive, offene und wohlwollende Kommunikation ist.
Diese kulturübergreifenden Muster machen es nachvollziehbar, dass eine Megastudie über 70 Länder und 9 Kulturbereiche belegen konnte, dass die weltweiten Grundkonzepte zur Liebe sich nicht vorwiegend durch Unterschiede, sondern durch Ähnlichkeit zwischen allen Kulturen kennzeichnen.
Mithilfe einer offenen und wohlwollenden Kommunikation gelingt es uns auch am besten, die anfänglichen Turbulenzen und Irritationen, die gerade in der Phase des Beziehungsaufbaus besonders oft auftreten, positiv zu bewältigen und ein Mehr an Verbundenheit zu ermöglichen.
Was können Partnersuchende tun?
Was folgt nun daraus für Menschen, die auf der Suche nach einer glücklichen Partnerschaft sind? Die vielleicht genau jene Angst verspüren, die sie immer wieder zurückschrecken lässt? Oder die Angst nicht verspüren, weil ihre Vermeidungsmuster so automatisiert sind, dass die Angst ihnen nicht bewusst wird, aber eine Beziehung wegen der Vermeidung nicht entstehen kann.
Die wichtigste Einsicht ist:
- Konfliktmuster entstehen nicht erst in der Beziehung, sondern oft schon vorher. Wer in früheren Partnerschaften häufig destruktiv gestritten oder Konflikte grundsätzlich gemieden hat, läuft Gefahr, genau diese Muster in neuen Beziehungen unbewusst zu wiederholen.
Doch das bedeutet auch:
- Wir können bereits vor einer Beziehung an diesen Mustern arbeiten.
Indem wir unsere bisherigen Beziehungen reflektieren, erkennen wir, wo wir destruktive Dynamiken wiederholt haben. Wer beispielsweise dazu neigt, Probleme auszusitzen oder sich in Konflikten zurückzuziehen, kann lernen, Gespräche aktiver und konstruktiver zu führen. Wer Streitigkeiten eskalieren lässt, kann Techniken erlernen, um ruhiger zu bleiben und auf den Partner einzugehen.
Diese Veränderungen erfordern Übung – doch sie ermöglichen, dass zukünftige Beziehungen sich nicht nach den alten Mustern entwickeln.
Unsere Beziehungsdynamik entsteht nicht erst in der Partnerschaft – sie existiert in Teilen bereits vor der Beziehung und ist in unseren individuellen Verhaltensmustern verankert. Menschen neigen dazu, sich immer wieder in ähnliche Muster zu begeben, sodass selbst neue Konstellationen alte Beziehungsdynamiken reproduzieren. Für viele kann dies beunruhigend sein, denn die meisten, die aktuell eine Beziehung suchen, haben vorher eine Trennung erlebt und stammen aus Partnerschaften, die letztlich nicht glücklich endeten. Doch gleichzeitig liegt in dieser Erkenntnis auch eine Chance:
- Wenn wir Muster wiederholen, können wir sie auch verändern.
Es gibt also einen Weg, bereits vor der Beziehung aktiv zu werden und die Chancen auf eine glückliche Partnerschaft zu erhöhen. Dafür lohnt es sich, frühere Beziehungen zu reflektieren und nach sogenannten roten Flaggen zu suchen:
- Wo haben wir nicht offen kommuniziert?
- Wo sind wir in destruktive Muster gefallen?
- Wo haben wir Negativität zugelassen, anstatt bewusst eine kooperative, klärende, verstehende und wohlwollende Haltung einzunehmen?
Dabei geht es nicht darum, nur den Anteil der anderen Person zu sehen, sondern die eigene Verantwortung zu erkennen. Während wir eine bereits vergangene Beziehung nicht mehr verändern können, haben wir sehr wohl Einfluss auf unser zukünftiges Verhalten.
Wir sind Konflikten in Beziehungen nicht hilflos ausgeliefert – unser eigenes Verhalten macht bereits 50 % der Dynamik aus:
Wenn wir erkennen, welche problematischen Muster wir in der Vergangenheit gezeigt haben, wenn wir diese reflektieren und uns alternative Verhaltensweisen bewusst machen, können wir bereits jetzt handeln, um in Zukunft glücklicher zu sein. Dies kann auf verschiedene Weise geschehen:
- In Imaginationsübungen, im mentalen Probehandeln, im konkreten Umgang mit anderen Menschen in unserem sozialen Umfeld. Auf diese Weise können wir schon heute Veränderungen in uns anstoßen, die morgen die Grundlage für eine erfüllende Beziehung schaffen.
- Hilfreich kann es auch sein, vergangene Beziehungs-Interaktionen noch einmal gedanklich oder im Rollenspiel durchzuspielen, nicht im Sinne eines destruktiven Grübelns („hätte ich doch …“), sondern im Sinne einer Analyse und Einübung positiver Interaktionsweisen für die Zukunft. Hierzu gehört auch die Erinnerung positiver Interaktionen mit den Ex-Partner:innen. Studien belegen nämlich, dass deren fokussierte Erinnerung sich positiv auf unsere neuen Beziehungen auswirkt.
Manche mögen solche Übungen als trivial oder künstlich erleben, aber tatsächlich können sie hocheffektiv sein und wenn wir zu ihnen herabsteigen, verbessern wir unsere Aussichten, partnerschaftlich hinaufzusteigen.
Solidarische Selbstoptimierung: Veränderung für uns selbst und andere
Der Ruf nach Selbstoptimierung ist heute allgegenwärtig. Doch dem Begriff haftet oft ein egoistischer, sozial kalter, andere für ihr Leid verantwortlich machender Charakter an. Manche verstehen darunter eine Haltung, die wenig empathisch wirkt – ein Ansatz, der den Einzelnen zur Perfektion treiben soll, aber oft wenig Rücksicht auf das soziale Miteinander nimmt. In diesem Sinne werden Konzepte der Selbstoptimierung häufig als neoliberale Ideologie kritisiert, die vorwiegend Selbstverantwortung propagiert und strukturelle Probleme ignoriert. Doch diese negative Interpretation greift zu kurz.
Ich halte den Gedanken der Optimierung keineswegs für rechts, sondern für links und dezidiert fortschrittlich– denn er betont unser Handlungspotenzial und unsere Fähigkeit zur Veränderung. Er wendet sich gegen die Vorstellung, dass unbefriedigende Situationen zwangsläufig für immer bestehen müssen, weil sie angeblich zur Natur des Menschen oder der Gesellschaft gehören.
Das Entscheidende ist jedoch die Ausrichtung, die wir diesem Gedanken der Optimierung geben:
- Solidarische Selbstoptimierung bedeutet, dass wir unsere eigenen kritischen Anteile in sozialen Interaktionen erkennen, reflektieren und verändern wollen – nicht nur, um uns selbst glücklicher und erfüllter zu machen, sondern auch, um unser Umfeld, unsere Partner:innen und die Menschen, mit denen wir in Beziehung treten, glücklicher zu machen.
Ein Blick auf die Welt verdeutlicht, dass tiefgreifende Veränderung notwendig ist – Krieg, Umweltzerstörung, Tierleid, gesellschaftliche Ungerechtigkeit, Streit, Gewalt oder destruktive Beziehungen.
Unsere Fähigkeit zur Selbstreflexion und Veränderung ist die Grundlage dafür, dass wir nicht immer wieder dieselben Konflikte erleben, dieselben toxischen Muster wiederholen und unbewusst aufrechterhalten.
Die Erkenntnisse aus der Konfliktforschung machen klar, dass es nicht hilft, destruktive Streiterei, Drohungen oder verbale und körperliche Gewalt als Strategie zu nutzen, um Schmerz zu begegnen. Damit erhöhen wir nicht nur unser eigenes Leid, sondern auch das unserer Mitmenschen. Ebenso wenig hilft es uns, den Kopf in den Sand zu stecken, Gefahren nicht wahrzunehmen oder Unzufriedenheit zu ignorieren – denn auch dadurch verhindern wir Glück und Beziehungsqualität.
Was uns die Konfliktdynamiken sagen
Die wissenschaftlichen Untersuchungen zu Konfliktmustern in Beziehungen zeigen uns deutlich, dass es hilfreich ist, destruktive Dynamiken zu erkennen und zu durchbrechen. Eskalierende Feindseligkeit, Drohungen und Gewalt führen fast immer zu mehr Leid – für alle Beteiligten.
In Beziehungen wird sichtbar, dass Erpressung und Druck oft nur zu noch größerem Druck führen und die Partnerschaft letztlich für beide unerträglich machen.
Diese Mechanismen, die wir aus der Gesellschaft und der Politik kennen, gelten ebenso in intimen Beziehungen:
- Repression erzeugt weder Sicherheit noch Zufriedenheit.Der aktuelle fremdenfeindliche Wahn in Deutschland ist dafür ein anschauliches Beispiel. Denn indem Menschen immer schärfer ausgegrenzt werden, ihnen alle Gelder zum Leben gestrichen, Therapiemöglichkeiten verschlossen und sie in die Illegalität getrieben werden, wird Kriminalität natürlich nicht gesenkt, sondern erhöht. Ganz genau ist das in Beziehungen, wo durch destruktive Kommunikation und Druck Beziehungen nicht verbessert, sondern untergraben werden.
Auch das Gegenteil – völlige Vermeidung von Konflikten – hilft uns meist nicht weiter:
- Wer die Augen vor den Problemen in der Beziehung verschließt, entzieht sich zwar kurzfristig dem Druck, doch langfristig bleibt Unzufriedenheit bestehen und verhindert, dass sich Potenziale für Erfüllung entfalten können.
Die konstruktivste Herangehensweise besteht darin, miteinander zu reden, einander zuzuhören, trotz Differenzen respektvoll zu bleiben, einander nicht zu dämonisieren, immer auch die eigenen Anteile an der Situation zu reflektieren und dabei nach guten Lösungen für alle Beteiligten zu suchen.
Die Rolle von Gleichklang
Die Kompatibilität unserer Werte und Grundhaltungen, auf die wir beim Matching bei Gleichklang achten, ist ein wertvolles Instrument. Sie kann allerdings nicht die Basis für eine reife, friedliche und wohlwollende Kommunikationskultur ersetzen. Diejenigen, die an sich selbst arbeiten, werden beziehungsfähiger, indem sie sowohl aus dem Muster destruktiver Aggressivität als auch aus dem Muster von Vermeidung und Rückzug ausbrechen und sich so der Liebe öffnen, die schaffen und erhalten können.
In diesem Sinne begleiten wir unsere Mitglieder bei Gleichklang gerne auf ihrem Weg zu einer erfüllten Beziehung – nicht nur durch das Matching, sondern auch durch die Vermittlung von psychologischem Wissen und Strategien, die den Weg zu einer stabilen und glücklichen Partnerschaft ebnen.
Resümee: Wie wir die Angst vor der Liebe überwinden und uns selbst weiterentwickeln
Viele Menschen sehnen sich nach einer Beziehung – und haben gleichzeitig Angst davor. Dieser innere Konflikt, bekannt als Appetenz-Aversion-Konflikt, führt oft dazu, dass wir uns immer wieder der Liebe annähern und dann doch zurückweichen. Wir fürchten Verletzungen, emotionale Abhängigkeit oder schlichtweg das Unbekannte. Doch diese Angst ist nicht unveränderbar.
Konflikte als Schicksal? Nein – als Muster, die wir beeinflussen können
Psychologische Forschung zeigt, dass Konflikte in Beziehungen nicht zufällig entstehen. Paare entwickeln wiederkehrende Muster – von wohlwollender Kommunikation über vermeidende Distanz bis zu destruktiven Auseinandersetzungen. Das bedeutet:
- Unsere Beziehungsqualität ist nicht schicksalhaft gegeben, sondern hängt maßgeblich davon ab, wie wir miteinander umgehen.
Wer sich immer wieder in unglückliche Dynamiken verstrickt, tut dies oft nicht bewusst. Doch das Gute ist: Diese Muster entstehen nicht erst in einer Partnerschaft – sie sind oft schon vorher da. Wer frühere Beziehungen reflektiert und aktiv an seinen Konfliktmustern arbeitet, kann die Grundlage für eine erfüllendere Zukunft schaffen.
Was wir tun können – schon bevor die Liebe beginnt
Um nicht wieder in alte Muster zu verfallen, können wir bereits während der Partnersuche aktiv werden:
- Vergangene Beziehungen reflektieren: Welche Konflikte traten immer wieder auf? Welche Verhaltensweisen haben zu Frustration oder Distanz geführt?
- Eigene Reaktionen analysieren: Neigen wir dazu, Konflikten auszuweichen oder sie eskalieren zu lassen?
- Konstruktive Kommunikation lernen: Zuhören, Verständnis zeigen, ohne Vorwürfe sprechen – all das kann bereits vor einer Beziehung geübt werden.
- Solidarische Selbstoptimierung praktizieren: Persönliche Entwicklung bedeutet nicht Egoismus. Sie ermöglicht uns, reifere und tiefere Beziehungen zu führen, von denen sowohl wir als auch unsere zukünftigen Partner:innen profitieren.
Gleichklang: Ein Ort für echte Begegnungen
Gleichklang ist eine Plattform, die genau diese Prinzipien fördert. Hier begegnen sich Menschen, die wirklich an einer Beziehung interessiert sind. Das Matching basiert auf psychologischem Wissen und auf echter Kompatibilität – nicht auf oberflächlichen Kriterien.
Wer bereit ist, nicht nur nach Liebe zu suchen, sondern auch an sich selbst zu arbeiten, hat die besten Chancen auf eine glückliche, stabile und erfüllte Partnerschaft.
Wir freuen uns, wenn Sie diesen Weg mit uns gehen:
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Der “Appetenz-Aversion-Konflikt” tritt er bei beiden Geschlechtern gleichermaßen auf?
Ich habe es bisher vorrangig als Problem der Frauen wahrgenommen. Ich könnte so einige Beispiel von Frauen aufzählen, welche hiermit seit Jahren kämpfen, aber bei den Männern hätte ich kein Beispiel.
Alle Geschlechter/Gender können diesen Konflikt erleben und tun es auch. Womöglich nimmst Du dies als Mann, der eine Frau sucht, vorwiegend bei den Frauen wahr, während Frauen, die einen Mann suchen, es womöglich stärker bei Männern wahrnehmen. Ich bin auch bei Männern bereits des Öfteren auf diesen Konflikt gestoßen, was bis dahin gehen kann, dass es lange Anstrengungen und Bemühungen bedarf, um sich überhaupt zu einer einzigen Erstnachricht aufraffen zu können. Die Blockade braucht nicht erst vor, bei oder nach Treffen aufzutreten, sie kann viel früher beginnen.
Würde gern den letzten Satz verstehen … da ist wohl ein Wort zu viel.
Da gebe ich Ihnen vollkommen Recht, Herr Gebauer – als Frau, beruflich erfolgreich, erlebe ich vorrangig Männer, die so auftreten.
Sehr Interessant. Danke für die Antwort.
Ich hätte nicht erwartet, dass Männer so starke Blockaden haben nur beim Schreiben einer Erstnachricht.
Der Unterschied zwischen Männern und Frauen liegt nicht unbedingt am Geschlecht, sondern an den Erfahrungen bei diesem Thema. Stell Dir einfach vor, jemand hat in seiner Kindheit z.B. Nähe als Bedrohung/Gefahr wahrgenommen (Kind wurde regelmäßig bestraft/abgewiesen wenn es Zuwendung wollte). Völlig unabhängig vom Geschlecht, kann dies jeden betreffen. Manche reagieren darauf, indem Sie Beziehungen/Nähe vermeiden (Angst vor Nähe), was verständlich ist, denn die eigenen (prägenden) Erfahrungen, sagen ja “Beziehung = Gefahr”, also hier geht es sprichwörtlich um das eigene Überleben.
Eine bevorstehende Erstnachricht könnte hier “unbewusst” den infantilen Konflikt wieder reaktivieren (z.B. Wenn ich versuche Kontakt aufzunehmen, werde ich bestraft [abgelehnt, ausgelacht, im-Stich-gelassen, misshandelt], so wie ich es in meiner Kindheit [spätere Erfahrungen] erlebt habe)
Es stellt sich die Frage, ob Menschen mit solchen Beziehungskonflikten/Prägungen überproportional häufig auf Partnerseiten wie Gleichklang anzutreffen sind, während Menschen mit ausgewogener Einstellung/Prägung ihre Partner unabhängig von Partnerseiten finden.
Gibt es dazu Studien?
Ich habe auf Gleichklang mehrfach erlebt, dass Männer im Grunde gar keine Zeit (Willen) für ein echtes Kennenlernen hatten und dann oft so etwas schrieben wie: ich hätte dich gar nicht erst anschreiben sollen … (Obwohl sie vorher Komplimente machten, wie toll sie das Profil fänden). Zeit zum Kennenlernen hatten sie jedoch nicht und wollten nur sofort WhatsApp oder Ähnliches nutzen. Je älter der Mann, desto größer das Selbsterkenntnis-Problem. Von jüngeren Menschen (auch Männern) kenne ich eine viel offenere und direktere Kommunikation (auch auf Gleichklang) als von über 50-Jährigen auf Gleichklang.
Gleichzeitig wollen Männer auf Gleichklang anscheinend jedoch primär eine wesentlich jüngere Frau kennenlernen, obwohl die Kommunikationsmuster überhaupt nicht passen.
(Wenn jemand wesentlich älter ist als ich, erwarte ich dementsprechend mehr Reife, auch in der Kommunikation. Meist ist jedoch das genaue Gegenteil der Fall.)
Waren die Paare aus den im Artikel erwähnten Studien etwa gleich alt?
Was die Frage nach einer Generationsthematik aufwirft.
Es gibt einen international sehr gut abgesicherten Trend, dass Männer ab 30 eher nach Frauen suchen, die jünger bis gleichaltrig sind und dass der Unterschied zum eigenen und dem gesuchten Alter einer Frau mit wachsendem eigenem Alter immer mehr zunimmt. Frauen suchen demgegenüber ihrerseits eher auch ältere Männer, wobei aber im höheren Lebensalter die Präferenz auch bei Frauen auf leicht jüngeren Partnern liegt. Aber dies sind Durchschnittswerte mit enorm viel Unterschieden unter den einzelnen Personen – bis zu genau umgekehrten Suchen. Bei Gleichklang suchen die meisten Männer auch im eigenen Altersbereich und oft bis ein paar Jahre älter, dennoch sehen wir auch bei Gleichklang den durchschnittlichen Unterschied zwischen Männern und Frauen in ihren altersbezogenen Suchen.
Die untersuchten Paare entsprachen den typischen Altersunterschieden, also meistens entweder gleichaltrig oder der Mann etwas oder deutlich älter mit Einzelfällen, wo es auch umgekehrt war.
Die von Dir geschilderten Schwierigkeiten sind nach m.E. nicht geschlehtertpyisch, weil uns dies alle Geschlechter über das jeweils andere oder auch über das eigene Geschlecht (bei gleichgeschlechtlicher Suche) berichten.
Bei allen Schwierigkeiten hören wir aber ebenso jeden Tag von erfolgreichen Vermittlungen und stellen zudem fest, dass letztlich unter denen, die bei uns bleiben (z.B. die “lebenslangen Mitglieder”) die große Mehrheit Partnerschaft findet.