Perfektes Match oder Arbeit?
Die Psychologen Lee und Schwarz legten Teilnehmenden einer Studie entweder nahe, dass es für Beziehungen ein perfektes Match gebe, wo nur die Menschen zueinander finden, die wirklich zueinander passten, oder aber sie legten ihren Teilnehmenden nahe, dass Liebe wie eine Reise sei, die die Betreffenden miteinander ausarbeiten und durchführen.
Wie reagierten nun beide Gruppen auf ihnen in der Folge geschilderte Konflikte, Probleme oder Turbulenzen?
- Die Gruppe, die an das perfekte Match glaubte, reagierte auf Probleme und Konflikte mit der Annahme einer stark sinkenden Beziehungszufriedenheit. Die Gruppe, die Liebe als gemeinsame Reise ansah, ließ sich demgegenüber in ihrer angenommenen Beziehungszufriedenheit durch Probleme und Konflikte weniger beeinflussen.
Sehen wir Liebe also als ein perfektes Match, laufen wir bei den ersten Problemen oder Konflikten Gefahr, die Segel zu streichen, mindestens aber unzufrieden zu werden. Denn die eintretenden Turbulenzen enttäuschen unsere Erwartung und auf solche Enttäuschungen reagieren wir mit einer Abnahme unserer Zufriedenheit.
Sehen wir Liebe aber als eine gemeinsame Reise, sind Turbulenzen zu erwarten. Diese gilt es dann, so zu bewältigen, sodass die Freude an der Reise nicht unter ihnen leidet oder mindestens eine Trübung der Freude nur kurzzeitig bleibt.
Unsere Erwartungen entscheiden also mit darüber, wie zufrieden wir in unseren Beziehungen werden und was wir für sie tun.
Erfahrungen aus arrangierten Beziehungen
Besonders prägnant zeigen uns dies Untersuchungen zur Beziehungszufriedenheit in sogenannten arrangierten Ehen, die auch bei uns noch vor nicht allzu langer Zeit mehr die Norm als die Ausnahme waren:
Regan und Kolleg:innen fanden keinen Unterschied in der Beziehungszufriedenheit zwischen selbst gewählten und arrangierten Ehen bei Inder:innen, die in den USA lebten.
Das deckt sich übrigens auch mit meinen Beobachtungen in Kambodscha, wo ich lebe und wo bereits vor den roten Khmern Ehen arrangiert wurden, was dann aber von den roten Khmern durch extremen Zwang ohne jede auch nur ansatzweise Berücksichtigung der Interessen der Betroffenen ins Extrem gesteigert wurde.
Ich habe es mir zur Angewohnheit gemacht, mit Paaren über ihre Beziehungen zu sprechen. Dabei treffe ich auf alle möglichen positiven und negativen Verläufe, vergleichbare Gefühle und Verhaltensweisen in arrangierten und nicht-arrangierten Ehen vor, während und nach der roten Khymer-Zeit.
Romantische Liebe ist universal
So verwundern mich die Befunde der Anthropologen William Jankowiak und Ted Fisher nicht, die in 151 verschiedenen Ländern und Kulturen auf allen Kontinenten Belege für die Erfahrung der romantischen Liebe fanden – dort, wo Paare sich selbst aussuchten und auch dort, wo Ehen arrangiert wurden.
Weder perfektes Match noch Zwangsarbeit
Ich denke, ich brauche nicht darauf hinzuweisen, dass ich hier nicht für arrangierte Ehen plädiere, deutlich machen möchte ich an diesem Beispiel lediglich, in welch hohem Ausmaß Beziehungen und die mit ihr verbundene Zufriedenheit entwicklungsfähig sind, wobei Entwicklungslinien positiv und negativ verlaufen können.
- Gehen wir aber zu stark davon aus, dass alles mit einem perfekten Match beginnt, und Beziehungen glücklich bleiben, wenn wir quasi unsere Seelenpartner:innen getroffen haben, können wir dazu neigen, keine ausreichenden positiven Entwicklungsanstrengungen zu unternehmen und bei Konflikten oder Problemen vorschnell an unserer Beziehung zu zweifeln.
Allerdings ist auch der Ansatz der Beziehungsarbeit nicht ohne Risiko. Denn glauben wir, dass die Beziehungszufriedenheit nur von unseren Anstrengungen abhängt, erleben wir jedes Beziehungsende als ein Scheitern. So laufen wir Gefahr, auch an solchen Beziehungen festzuhalten, die tatsächlich toxisch sind und bei denen ein positives Entwicklungspotenzial fehlt.
Richtige Partnerwahl und Beziehungsführung
Mir scheint es, dass in diesem Fall einmal wirklich die Wahrheit in der Mitte liegt.
Es gibt kein perfektes Match, aber die Grundvoraussetzungen sollten stimmen:
- Wir sollten ungefähr das gleiche Beziehungsmodell suchen, also nicht die eine Person eine monogame Beziehung und die andere eine Polyamorie. Auch eine gewisse Einigkeit, ob wir Kinder haben möchten oder nicht, ist hilfreich, wenn das Thema noch ansteht. Streben wir nach einer symbolischen Beziehung mit sehr viel Nähe und Gemeinsamkeit, oder stellen wir uns eine Beziehung eher als einen gemeinsamen Weg zweier separierter Menschen vor? Haben wir zentrale ethische Werte und Lebenspraktiken, die wir in jedem Fall gemeinsam praktizieren möchten?
Mit der Beziehung beginnt dann aber auch bereits sofort die Beziehungsarbeit:
- Der offene Austausch und die Selbstöffnung, die Erschließung gemeinsamer Betätigungen und Ziele, die Lösung von Problemen und Konflikten, der Umgang mit Schwankungen der Liebesintensität, die fortwährende Entdeckung für Möglichkeit zum gemeinsamen Wachstum …
Wir müssen an unseren Beziehungen arbeiten, brauchen und sollten diese Arbeit aber nicht zur Zwangsarbeit werden lassen:
- Stimmen die Grundvoraussetzungen bei der Partnerwahl und arbeiten die Beteiligten an ihrer Beziehung, wird ihre Beziehung meistens halten. Aber eine Gewähr gibt es nicht.
- Wird deutlich, dass unsere Grenzen überschritten sind – was auch bedeutet, dass wir sie kennen sollten – kann auch die Auflösung einer Beziehung der richtige Weg sein.
Verschiedene Wege führen zum Glück
Es gibt glückliche Singles und unglückliche Singles. Es gibt glückliche Menschen in Beziehungen und unglückliche Menschen in Beziehungen. Die Kunst von Partnersuche, Partnerwahl und Beziehungsarbeit liegt darin, die Chancen zu erhöhen, zu den glücklichen Personen zu gehören.
Meistens wird dies bedeuten – wenn wir uns bereits für die Partnersuche entschieden haben – dass wir tatsächlich eine Beziehung finden und an dieser arbeiten können. Manchmal gehören wir aber auch dadurch zu den Glücklichen, dass wir uns gegen eine Beziehung entscheiden, weil die Grundvoraussetzung nicht passen, oder eine Beziehung beenden, weil die Grenzen unserer Möglichkeiten zur Beziehungsarbeit erreicht sind.
Es geht um unser Lebensglück und zu diesem können verschiedene Wege führen. Je mehr wir dies für uns annehmen können, desto eher wird es uns gelingen, die Geduld, Gelassenheit und das Durchhaltevermögen aufzubringen, welche für eine erfolgreiche Partnersuche oftmals erforderlich sind.
Korrekte Erwartungen ermöglichen Gelassenheit und Effektivität
Wie wichtig dies ist, wird mir immer wieder klar, wenn Gleichklang-Mitglieder uns über das glückliche Ende ihrer Partnersuche schreiben. Denn nicht selten tritt dies erst nach einer mehrjährigen Suchzeit ein.
Es waren oft die richtigen Erwartungen, die diesen Mitgliedern halfen, dabei zu bleiben und so das Ziel ihrer Suche zu erreichen. Hierzu und damit zu einer Reihe weiterer künftiger Beziehungen möchte ich auch mit diesem Artikel beitragen.