Verstehen oder verstanden werden?
Die andere Person zu kennen und zu verstehen oder von der anderen Person gekannt und verstanden zu werden – was macht uns glücklicher in unseren Beziehungen?
Die Psychologinnen Juliane Schroeder und Aylet Fishbach haben sich mithilfe einer Serie von Befragungen und Experimenten daran gemacht, diese Frage zu beantworten.
Dabei haben Sie Ihren Ansatz auch auf das Online-Dating übertragen, um die folgenden zwei Fragen zu beantworten:
- Bringen unsere Profile beim Online-Dating im Durchschnitt eher zum Ausdruck, dass wir nach einer Person suchen, die uns kennt/versteht, oder dass wir nach einer Person suchen, die wir kennen/verstehen möchten?
- Welche dieser beiden Profilausrichtungen spricht Leser:innen mehr an?
Damit ergeben sich aus dieser Studie auch direkte Empfehlungen für das eigene Dating-Profil!
Sie möchten es knapp behalten? Springen Sie einfach hier zu dem kurzen ▶ zusammenfassenden Resümee.
So ist es mit dem Verstehen und Verstanden werden
Die umfangreichen methodischen Details und Ergebnisse der Studie können ▶ hier im Original nachgelesen werden.
Ich beschränke mich in meiner Darstellung auf die für romantische Beziehungen und die Partnersuche wesentlichen Ergebnisse:
- Das Gefühl, von Partner:innen wirklich gekannt/verstanden zu werden, ist stärker mit einer positiven Beziehungszufriedenheit verbunden, als das Gefühl, Partner:innen wirklich zu kennen und zu verstehen.
- Partnersuchende neigen dazu, in ihren Dating-Profilen vorwiegend Informationen zu geben, sodass die andere Person sie kennt/versteht. Demgegenüber bringen sie meistens weniger stark zum Ausdruck, dass Sie die andere Person gerne kennen und verstehen wollen.
Um den letzteren Aspekt plastischer zu machen, zitiere ich hier jeweils zwei Beispiele aus der Studie für Dating-Profile mit dem entsprechenden Fokus:
Selbst Gekannt/verstanden werden wollen (häufig in Dating-Profilen anzutreffen):
- Ich freue mich darauf, dass Sie mich kennenlernen, denn… Ich bin exzentrisch und Sie werden vielleicht nie wieder jemanden wie mich treffen! Exzentrisch auf eine, wie ich finde, gute Art und Weise, denn ich versuche, Gutes zu tun und nur Gutes zu tun.
- Damit Sie mich besser kennenlernen, werde ich Ihnen… einige Dinge über mich erzählen. Meine Liebe zur Wahrheit und Gerechtigkeit (nein, ich bin nicht Superman lol). Meine Hobbys und meine Lieblingssendungen im Fernsehen.
Die andere Person kennen/verstehen wollen (selten in Dating-Profilen anzutreffen):
- Ich freue mich darauf, Sie kennenzulernen, weil… ich gerne mehr über Ihre Überzeugungen und Gedanken erfahren möchte. Um Sie kennenzulernen, werde ich… immer ein offenes Ohr für Sie haben, wenn Sie über Ihre Sorgen oder Ziele sprechen möchten.
- Ich bin gespannt darauf, Sie kennenzulernen, weil… ich mich darauf freue, Sie zu treffen, in der Hoffnung, dass wir echte Gespräche führen und Erfahrungen austauschen können. Um Sie kennenzulernen… können wir zu Abend essen und uns darüber austauschen, was wir bisher im Leben gemacht haben.
Entscheidend ist nun, dass es zwischen beiden „Profil-Arten“ einen klaren Beliebtheits-Unterschied gibt:
- Die Leser:innen interessieren sich mehr für diejenigen Profile, die zum Ausdruck bringen, dass sie die Leser:innen kennenlernen und verstehen wollen, als für die Profile, die vorrangig zum Ausdruck bringen, dass sie von den Leser:innen gekannt und verstanden werden wollen.
Auf andere Art formuliert:
- Wenn wir in Dating-Profilen einfach nur unsere Person vorstellen, agieren wir unser eigenes Bedürfnis aus, von anderen Personen gekannt und verstanden zu werden.
- Tatsächlich interessieren sich die anderen Personen jedoch mehr für uns, wenn wir (auch) Ihrem Bedürfnis, gekannt und verstanden zu werden, in unseren Profil-Texten prominent Raum geben.
In unseren Dating-Profilen sind wir also zu oft egozentrisch ausgerichtet und geben dem empathischen Interesse, etwas über die andere Person wissen zu wollen, einen zu geringen Ausdruck.
Warum wollen wir verstanden werden?
- Wieso erhöht sich unsere Beziehungszufriedenheit stärker, wenn wir uns von unseren Partner:innen gekannt und verstanden fühlen, als wenn wir selbst es sind, die den Eindruck haben, unsere Partner:innen zu kennen und zu verstehen?
Juliane Schroeder und Aylet Fishbach nehmen an, dass dies mit der grundlegenden Funktionalität von Beziehungen zusammenhänge, emotionale und instrumentelle Unterstützung zu erhalten. Demnach suchen wir uns als Menschen Beziehungen, um uns im Alltag (Unterstützung zur instrumentellen Zielerreichung) und mit unseren Gefühlen (emotionale Unterstützung) nicht allein zu fühlen.
Im Ergebnis gelingt es uns so (wenn unsere Beziehungen tragfähig sind) einfacher, unseren Alltag zu bewältigen und mit unseren Gefühlen umzugehen; spricht Zufriedenheit zu erleben.
Voraussetzung dafür, dass wir instrumentelle und emotionale Unterstützung erhalten können, ist jedoch, dass unsere Partner:innen uns kennen und verstehen.
Signalisieren uns Dating-Profile, dass sie uns verstehen wollen, schließen wir daraus (implizit oder explizit), dass wir in einer Beziehung mit diesen Personen wahrscheinlich ausreichende emotionale und instrumentelle Unterstützung erhalten werden.
Erhöht das Gefühl, verstanden und gekannt zu werden, also unsere Beziehungszufriedenheit deshalb, weil wir dadurch mehr Unterstützung erhalten?
Juliane Schroeder und Aylet Fishbach machten hierzu die folgende Beobachtung:
- In Beziehungen, wo die Befragten nur wenig Unterstützung erhielten, wirkte sich das Gefühl, gekannt und verstanden zu werden, nicht stärker auf die Beziehungszufriedenheit aus als das Gefühl, die Partner:innen zu kennen und zu verstehen.
Wechselseitiges Verständnis ist zentral
Allerdings sollten wir diese Befunde nicht missverstehen, weshalb ich sie hier noch einmal in den Kontext setze:
- Sich gekannt und verstanden zu fühlen und den Eindruck zu haben, Partner:innen zu kennen und zu verstehen, wirken sich BEIDE positiv auf die Beziehungszufriedenheit aus. Sich gekannt und verstanden zu fühlen, wirkt sich nur stärker aus als der umgekehrte Eindruck, Partner:innen zu kennen und zu verstehen. Beides ist also positiv, aber sich gekannt und verstanden zu fühlen hat noch einmal einen besonderen Mehrwert.
- Der besondere Mehrwert, wenn wir uns gekannt und verstanden fühlen, resultiert daher, dass wir so mehr Unterstützung durch unsere Partner:innen erfahren oder dies (wie in der Dating-Studie) erwarten. Deshalb verschwindet dieser Mehrwert auch dann, wenn wir in unserer Beziehung diese Unterstützung gar nicht oder nur in geringem Maße erhalten.
- Es verschwindet aber nur der Mehrwert, nach wie vor wirkt sich dennoch das Gefühl, gekannt und verstanden zu werden, günstig aus, auch wenn die Unterstützung gering ist. Nur ist jetzt der Effekt des Verstanden-Werdens nicht mehr höher als des Verstehens. In einer Beziehung, in der wir uns wenig unterstützt fühlen, geht es uns also nach wie vor besser, wenn wir uns wenigstens gekannt und verstanden fühlen, als wenn wir den Eindruck haben, Partner:innen kennen uns in Wirklichkeit nicht.
- Auch Partner:innen zu kennen und zu verstehen und Unterstützung zu geben, wirkt sich positiv auf die Beziehungszufriedenheit aus. Sie tun dies nur im geringeren Ausmaß, als gekannt und verstanden zu werden und Unterstützung zu erhalten.
- Das Optimum erreichen wir aus einer beziehungsbezogenen Sicht (die Interessen aller beteiligten Einzelpersonen berücksichtigt werden), wenn die beteiligten Partner:innen wechselseitig den Eindruck haben, einander zu kennen und zu verstehen.
Übrigens – dies nur nebenbei – beobachteten die Autorinnen einen weiteren interessanten Effekt, der zeigt, dass wir oft auch im Beziehungskontext Selbsttäuschungen unterliegen:
- Jeweils beide Partner:innen (es waren in der Studie alles Zweierbeziehungen) glaubten, dass sie selbst ihre Partner:innen besser kennen würden als diese sie kennen.
In der Realität ist dies unmöglich: Es kann natürlich nicht für zwei Personen jeweils objektiv zutreffend sein, dass die eine Person die andere Person besser kennt als umgekehrt.
Wie erklärt sich diese Wahrnehmung?
- Wir selbst haben den direkten Zugriff auf unser Erleben – jedenfalls den bewussten Anteil. Uns ist somit auch bewusst, dass vieles in unserem privaten Erleben anderen Personen nicht voll bekannt ist. Auf das private Erleben der anderen Person haben wir aber keinen direkten Zugriff. So gelangen wir schnell zu der vereinfachenden illusorischen Annahme, es gebe dieses zusätzliche private Erleben nicht und wir wüssten bereits alles über die andere Person.
Psychologisches Resümee und Empfehlungen
Welche Folgen lassen sich nun aus diesen Befunden für die Online-Partnersuche und für unsere Beziehungen ziehen?
- In unseren Beziehungen ist es uns ein innerpsychisches Anliegen, von unseren Partner:innen gekannt, verstanden und emotional (oder auch instrumentell) unterstützt zu werden. Sind wir mit einer Person zusammen, die uns dieses Gefühl gibt, werden wir in der Beziehung zufrieden werden.
- Unsere Fähigkeit zur Partnerschaft entsteht aber nicht nur daraus, dass wir gekannt, verstanden und unterstützt werden wollen, sondern dass wir ebenfalls unsere Partner:innen kennen, verstehen und unterstützen möchte. Auch dies wirkt sich positiv auf unsere Beziehungszufriedenheit aus.
- Es gibt es bei uns als Einzelmenschen ein besonderes Bedürfnis, selbst gekannt und verstanden zu werden sowie Unterstützung zu erhalten. Da eine Beziehung sich aber aus der Befriedigung der Bedürfnisse aller Beteiligten ergibt, wird ein Optimum erreicht, wenn Partner:innen sich so verhalten, dass sie wechselseitig das Gefühl bekommen, gekannt, verstanden und unterstützt zu werden. Aus Beziehungssichtweise ist Balance der beste Zustand, der letztlich auch allen einzelnen Beteiligten am meisten hilft.
- Als Einzelmenschen haben wir Zugang zu einer großen privaten Welt, auf die unsere Partner:innen nicht direkt zugreifen können. Erneut gilt dies beidseitig und dies kann dazu führen, dass wir das Ausmaß, indem wir unsere Partner:innen kennen und verstehen überschätzen. Umgekehrt wird uns so auch immer wieder klar, dass Partner:innen vieles über uns womöglich gar nicht wissen. Durch offene Kommunikation, Vertrautheit aufzubauen, um Kenntnislücken wechselseitig zu schließen, ist daher eine der wirksamsten Strategien, um eine hohe Beziehungszufriedenheit zu erreichen und aufrechtzuerhalten.
- Wir neigen dazu, uns in unseren Dating-Profilen so vorzustellen, dass wir vorwiegend unserem Bedürfnis Ausdruck verleihen, von der anderen Person gekannt und verstanden zu werden. Umgekehrt möchten die Leser:innen aber nicht nur andere Personen verstehen, sondern suchen insbesondere auch nach einer Person, von der sie verstanden werden. Es ist daher hilfreich und empfehlenswert, bereits in unseren Dating-Profilen und auch in den Nachrichten und beim direkten Treffen unser Interesse und unseren Wunsch deutlich zu machen, nicht nur uns verständlich zu machen, sondern auch die andere Person zu verstehen. Nicht nur Beziehungen, sondern auch das Kennenlernen und der Kontaktaufbau brauchen Balance.
Bei Gleichklang stehen wir Ihnen mit unserem psychologischen Ansatz hilfreich zur Seite, um Ihre Beziehungssuche von der Erstellung Ihres Profils und Ihrer Suchkriterien bis zum Nachrichtenaustausch, den ersten Begegnungen und dem Beziehungsaufbau zu begleiten:
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