Matches oder Partnerfindung?
Vor kurzem fragte mich eine Journalistin an, was wir beim Online-Dating tun können, um so viele Matche wie möglich zu erhalten. Da wurde mir erneut bewusst, wie stark die Mechanismen der Dating-Apps unsere Vorstellungen von Partnersuche bereits prägen.
Viele Matches zu haben, ist für die Partnersuche gut – so denken viele. Da lohnt es sich also, Strategien zu entwickeln, um dieses Ziel zu erreichen.
Aber was, wenn alles ganz anders ist?
Klage gegen match.com
Gerade lese ich im Guardian von einer Klage, die gegen die Gruppe match.com eingereicht worden sie, die alle großen Dating-Apps besitzt.
Zitat aus dem Guardian-Artikel:
“Die Apps von Match, so heißt es in der Klage … verwenden anerkannte dopamin-manipulierende Produktmerkmale, um die Nutzer zu Spielern zu machen, die auf der Suche nach psychologischen Belohnungen sind und Markterfolg zu erzielen, indem sie eine Dating-App-Sucht schüren, die zu teuren Abonnements und dauerhafter Nutzung führt.”
Genau so sagte es übrigens auch der Gründer von Tinder Jonathan Badeen:
Er habe Tinder analog zu einem Experiment des US-Amerikanischen Psychologen Skinner mit Tauben entwickelt. Manchmal, wenn diese nach rechts pickten, erhielten sie Futter. In Wirklichkeit wurde dies Futter aber nur per Zufall vergeben. Skinner habe Tauben in Spieler:innen verwandelt. Die Taube langweile sich, picke und picke, ohne zu wissen, wann das Futter komme. Vielleicht kommt es, vielleicht auch nicht. Das sei der ganze Swiping-Mechanismus. Sie wischen, vielleicht bekommen Sie einen Treffer, vielleicht nicht. Und dann sind sie ganz aufgeregt, das Spiel zu spielen.
Attraktive Profile als Belohnung
Mittlerweile hilft Tinder aber dem Zufall offenbar auch noch ein wenig nach. Ich schrieb bereits einen Artikel über die Studie der Psycholog:innen Musa Eren Celdir, Soo-Haeng Cho und Elina H. Hwang. Sie konnten den Tinder-Algorithmus so rekonstruieren, dass schlichtweg populäre Nutzer:innen sehr vielen anderen vorgeschlagen werden. Da die Auswahl bei Tinder nach Foto erfolgt, bedeutet “populär” einfach nur “gut aussehend“, jedenfalls nach dem Durchschnittsstandard:
- Nutzer:innen werden also durch attraktive Fotos geködert und spielen dann um Matches. Am besten als Köder geeignet sind für Tinder Personen, die gut aussehen und möglichst oft dennoch Matches annehmen oder sogar einmal eine Nachricht senden.
Ziel lautet “Partnerlosigkeit”
Ersetzt wird durch die Dating-Apps das Langzeitziel der Partnersuche bei ihren Nutzer:innen durch das Kurzzeitziel, Matche zu erhalten. So war es auch bei der Journalistin, die mich damals zum Valentinstag nicht fragte, wie wir die Chancen für eine Beziehung erhöhen, sondern für Matches!
- Nun ist es in der Psychologie bekannt, dass es sich lohnt, ein großes Ziel durch Teilziele zu ersetzen, die den Weg zum Ziel überbrücken. Denn so gelingt es uns leichter, auf Kurs zu bleiben. Ergibt es also Sinn, Partnerfindung durch Matches zu ersetzen?
Sinn ergibt es, aber einen anderen als gedacht:
- Die Matches führen uns nicht als Weg zur Beziehung, sondern halten uns auf und lenken uns ab!
Sinn der ganzen Sache aus Betreibersicht ist das Gegenteil der Ursprungsziele der Nutzer:innen; nämlich dass möglichst selten Beziehungen entstehen. Je seltener Beziehungen entstehen, desto mehr Matches können die Menschen erhalten. Da hochgradig asymmetrisch vorgeschlagen wird, erreicht Tinder dieses Ziel meistens, was wiederum die Basis seines Milliarden-Geschäfts ist:
- Es locken nämlich noch viel mehr Matches, wenn wir uns neue Kontakte erkaufen.
Partnersuche macht nicht süchtig …
So geraten manche Nutzer:innen in eine Dating-Spirale. Genau so – nämlich durch die dadurch erzeugten Erwartungen – entsteht leider auch die Unzufriedenheit so mancher Gleichklang-Mitglieder mit uns:
- Denn wir haben nicht ein einziges Spiel eingebaut und unseren Algorithmus ausschließlich am langfristigen Ziel der Partnerfindung optimiert.
Partnerfindung braucht nur einmal einzutreten. Sie ist ein seltenes Ereignis. Es braucht keine 10 Treffen vorher gegeben zu haben und keine hunderte Matches.
aber ist langweilig …
Der Weg zur Partnerfindung ist oft langweilig. Eines Tages kommt einfach die wirklich passende Person vorbei, mit der eine Beziehung entsteht. Womöglich kam vorher längere Zeit niemand vorbei und es herrschte Stille.
Stille gibt es bei den Dating-Apps nur ganz kurz. Sie muss sofort überwunden werden. Denn bei längerer Stille springen die Menschen ab – wir kennen dies bei Gleichklang schmerzlich.
Das Geschäft der Dating-Apps ist nicht ein Geschäft mit der Partnerfindung, sondern mit der Nicht-Findung, die durch Matches ersetzt wird.
Partnerfindung eignet sich nicht zur schnellen Belohnung. Tritt etwas nach Monaten oder Jahren nach einem Verhalten ein, kann es ein Verhalten nicht mehr verstärken. Auch das kennen wir bei Gleichklang:
- Es ist nicht einfach, Menschen bei uns zu halten, weil die Chance gut ist, dass in 6 Monaten, in einem Jahr, in zwei Jahren, in drei Jahren eine Beziehung entsteht. Mit Matches geht das.
Problem:
- Sie führen meistens nicht zu einer Beziehung, sondern von einer Beziehung weg. Denn erstens passen die Matches bei den Dating-Apps in aller Regel nicht bezüglich einer Beziehung. Zweitens wollen die Nutzer:innen bald wieder ein neues Match haben. Drittens sinkt so ihre Bindungsbereitschaft.
Dating in der Nische
Bei Dating geht es heute also mehrheitlich um ein Geschäft mit der schnellen Belohnung, eben wie bei einem Spielautomaten. Werden Belohnungen nur gelegentlich gegeben, ohne dass dies wirklich vorhersehbar ist, werden Nutzer:innen süchtig. Manche merken nicht einmal mehr, wie sie sich immer weiter von einer Beziehung entfernen.
Uns gibt es nun bereits seit 17 Jahren. Länger als Tinder. Auch in 10 Jahren werden wir noch da sein. Es ist also möglich, ein Gegenmodell zu praktizieren und am Leben zu halten. Aber wir werden immer in der Nische sein. Zu stark lockt die Sucht nach schnellen Matches und zu sehr hat die ganze Gesellschaft verkannt, was hier eigentlich wirklich gespielt wird:
- Das, was alle Benutzerfreundlichkeit bei den Apps nennen, ist in Wirklichkeit das Spiel. Und das, worüber sich manche bei Gleichklang beklagen, ist tatsächlich der Grund, warum die Aussichten für eine Partnerfindung bei uns hoch sind.
Dating im Kapitalismus
Die Klage gegen match.com wird übrigens sicherlich abgewiesen. Warum?
Weil es in Wirklichkeit nicht nur die Masche von Match.com sind, sondern die Struktur unseres kapitalistischen Wirtschaftssystems:
- Die Lebensmittelindustrie steckt viel Forschung in Geschmack, Konsistenz, Knusprigkeit. Nicht um uns etwas Gutes zu tun, sondern damit wir viel essen und kaufen.
- Die sozialen Netzwerke zeigen uns zielgenaue Inhalte. Nicht damit wir etwas lernen, sondern damit wir immer mehr Zeit bei ihnen verbringen.
- Aktuell – sorry für das Abschweifen – werden in Deutschland Waffenproduzenten wie Wohltäter:innen gefeiert. In Wirklichkeit wollen sie nur ihre Waffen verkaufen und sie werden sicherlich nichts dagegen, sondern alles dafür tun, dass dies auch gelingt.
Das moderne Dating beruht also auf Belohnungs-Algorithmen, mit deren Hilfe die Suche nach Beziehungen für Millionen Menschen durch Matches ersetzt wird. So wundert es nicht, dass die Single-Raten immer mehr ansteigen, obgleich doch mehr als 90 % der Erwachsenen eine glückliche Beziehung zu ihrem wichtigsten Lebenszielen zählen.
Aber setzt sich dies fort, werden womöglich eines Tages solche Matches auch explizit als Ziel an die Stelle von Beziehungen treten:
- Schon gibt es Menschen, die angeben, mit ihren virtuellen Kontakten und den Stunden an den Dating-Apps zufriedener zu sein als mit einer möglichen Beziehung. Ich sprach neulich mit einer Klientin im ▶ Coaching, wo genau dieser Fall eingetreten war.
Wer als Anbieter:in Dating anders handhabt, bleibt in der Nische. Es geht nicht anders. Wir sind zu sehr auf sofortige Belohnung gedrillt. Genau deshalb nehmen wir auch als Gesellschaft lieber den Zusammenbruch des Klimas in Kauf, als den Schalter umzulegen.
Mit Gleichklang bleiben wir also in der Minderheit. Aber wenigstens entstehen daraus viele Beziehungen, die uns freilich danach leider meistens sofort verlassen.
Was Sie selbst machen können, um bei Gleichklang Ihre Partnersuche zum Erfolg zu bringen, wird in 45 Minuten in diesem ▶ Video “Erfolgsfaktoren der Partnersuche” zusammengefasst, was Sie in Gänze sehen sollten, falls Sie es nicht schon getan haben. Es erhöht die Aussichten Ihrer Partnersuche, da hier die entscheidenden Faktoren zusammengestellt sind, von denen wir in unseren Auswertungen über die letzten 17 Jahre gesehen haben, dass sie über Erfolg und Misserfolg entscheiden. Wenn Sie zu den Altersgruppen 50+, 60+ oder 70+ gehören, lohnt sich auch das ▶ Video “Alles über Alter und Partnersuche”.
Wenn auch Sie bei den Dating-Apps nicht weiterkommen, greifen wir Ihnen gerne unter die Arme, um Ihre Beziehungssuche zum Erfolg zu bringen:
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