Was wissen wir über sexuelle Passung? In zwei ▶ Videos zur sexuellen Konfigurationstheorie der Neurowissenschaftlerin Sari van Anders stelle ich drei Dinge dar:
(1) wie unsere eigene Sexualität und die Sexualität unserer Partner:innen besser verstehen
(2) wie wir zu einer besseren Passung bei der Partnerwahl gelangen
(3) wie wir ein Mehr an Zufriedenheit in unseren Beziehungen erreichen können.
In den Videos werden Forschungsbefunde dargestellt und auf dieser Basis zahlreiche Tipps und Hinweise gegeben.
In diesem Artikel stelle ich die Inhalte der Videos noch einmal komprimiert dar. Schließlich fehlt es ja doch vielen uns an Zeit und Lust, uns längere Videos anzuschauen.
Monopartnersexualität und Polypartnersexualität
Das ▶ erste Video erläutert den Parameter “Anzahl der Partner:innen“. In diesem Video wird u.a. deutlich, von welcher enormen Bedeutsamkeit dieser Aspekt unserer sexuellen Orientierung für unsere Partnersuche ist. Denn aus der Kompatibilität der sexuellen Orientierungen wird sich ein nicht unerheblicher Anteil unserer sexuellen Zufriedenheit in Beziehungen ergeben.
Dabei ist sexuelle Orientierung aber eben viel mehr als typischerweise gedacht wird. So werden zahlreiche Komponenten meistens komplett übersehen und können so zu einer falschen Partnerwahl fühlen. Übersehen wir etwas, hängt nämlich alles nur noch vom Zufall ab.
“Anzahl der Partner:innen” ist einer der Faktoren, der meistens übersehen wird. Viele wissen nicht einmal, dass es sich hierbei um eine sexuelle Orientierung handeln kann. Leider führt dies dann oft zu einer Beeinträchtigung des Beziehungsglücks durch eine Inkompatibilität.
In aller Kürze zusammengefasst ist es so:
- Es gibt Menschen mit monopartnersexueller Orientierung, für die Sex immer nur auf eine Person bezogen ist.
- Andere Menschen haben eine polypartnersexuelle Orientierung. Sie werden nur zufrieden, wenn sie Sex mit mehreren Personen haben.
- Wiederum andere sind offen. Sie können sowohl in einer monogamen Beziehung glücklich werden als auch in einem anderen Beziehungsmodell, wie in offenen Beziehungen, Swinger-Beziehungen oder polyamoren Beziehungen.
Was bedeutet dies für Partnersuche und Partnerwahl?
Die Folgen eines Mismatches können beträchtlich sein:
- Eine oder alle Personen werden sexuell unzufrieden.
- Die Offenheit in der Beziehung sinkt.
- Partner:innen beginnen, fremdzugehen.
- Vertrauen nimmt ab, Konflikte steigen an, Trennungen treten ein.
Warum wird dies nicht vorab miteinander geklärt:
- Monogamie wird oft vorausgesetzt und die Möglichkeit einer polypartnersexuellen Orientierung von Partner:innen übersehen.
- Polypartnersexuelle Orientierungen und Beziehungsmodelle sind noch mit einem Stigma verbunden. Daher schweigen die Betreffenden oft gegenüber ihren Partner:innen.
- Kommt es zum Fremdgehen, bleibt erneut eine Klärung oft aus und keine tragfähigen Vereinbarungen werden getroffen. Liegt eine polypartnersuchelle Orientierung vor, sind Vereinbarungen zur Monogamie zwecklos und werden die Beziehungszufriedenheit nicht verbessern können.
Bei Gleichklang schaffen wir so Abhilfe:
- Wir informieren unsere Mitglieder über die Möglichkeit einer polypartnersexuellen Orientierung und stellen den psychologischen Forschungsstand dar.
- Bei der Datenaufnahme erfragen wir das Streben nach monogamen und nicht-monogamen Beziehungskonstellationen.
- Wir stellen Menschen, die unbedingt eine monogame Beziehung wollen, nicht Menschen vor, die unbedingt ein polypartnersexuelles Modell anstreben.
- Die Sucheinstellungen werden nicht im Profil direkt angezeigt, sondern nur vom Matching berücksichtigt. So reduzieren wir die Gefahr von verzerrten Angaben aufgrund von dem Wunsch nach einer sozial erwünschten Selbstpräsentation.
Unsere sexuelle Orientierung in Bezug zu Geschlecht und Gender
Das ▶ zweite Video stellt den zweiten großen Parameter der sexuellen Konfigurationstheorie dar, nämlich Geschlecht/Gender:
- Geschlecht sind die biologischen Prozesse, Gender die sozial erlernten Aspekte.
- Beide lassen sich nach neurowissenschaftlichen Studien schwer voneinander trennen und sind in unserer sexuellen Orientierung nahezu immer gemeinsam präsent.
Das Video besteht aus zwei Teilvideos, die auch separat voneinander geschaut werden können:
▶ Teil I: Geschlecht/Gender in den Augen von Neurowissenschaft und Psychologie
▶ Teil II: Unsere sexuelle Orientierung in Bezug auf Geschlecht/Gender
Dies sind die wesentlichen Erkenntnisse und Implikationen:
- Geschlecht/Gender ist ein hochkomplexer Bereich, der sich durch eine enorme Vielfältigkeit kennzeichnet.
- Diese Vielfalt ist belegt durch genetische Studien, neurowissenschaftliche Studien des Gehirns in Aktion und nach dem Tod, psychologische Studien, die Merkmale (Femininität, Minimalität) oder Gender-Gruppen vergleichen, archäologische Studien, die Korrelationen zwischen geschlechterbezogenen Knochenstrukturen und Grabbeigaben analysieren, sowie ethnologisch-historischen Studien, die Konzepte von Geschlecht/Gender in verschiedenen Kulturen untersuchen.
- Unsere sexuelle Orientierung ist meistens auf ganze Gestalten ausgerichtet und nicht auf Einzelmerkmale, wie z.B. die Genitalien. Deshalb können beispielsweise auch heterosexuelle Männer sich sexuell zu Transgender-Frauen hingezogen fühlen, schwule Männer zu Transgender-Männern, lesbische Frauen zu Transgender-Frauen etc.
- Eine Mehrzahl der Erwachsenen hat bereits die eigene sexuelle Orientierung hinterfragt, und zwar auf eine von verschiedenen Arten und Weisen, wie z.B. Erfahrungen mit einem eigentlich nicht präferierten Geschlecht/Gender, Fantasien oder Gedanken an Sex mit einem eigentlich nicht präferierten Geschlecht/Gender, Erleben sexuelle Attraktivität des eigentlich nicht präferierten Geschlecht/Gender, Anregung durch soziale Einflüsse. Dies trifft zu auf mehr als zwei von drei Frauen, aber auch auf die Mehrheit der Männer.
- Neben traditionell stark verankerten Begriffen, wie heterosexuell, homosexuell und bisexuell, sind weitere Bezeichnungen für sexuelle Orientierungen notwendig und sinnvoll, wie z.B. gynosexuell (Interesse an Femininität), androsexuell (Interesse an Maskulinität), skoliosexuell (Interesse an Nicht-Binarität), asexuell (kein Interesse an partnerbezogener Sexualität).
- Zusätzliche Unterscheidungen verlaufen zwischen Monosexualität (nur ein Geschlecht/Gender wird präferiert) Multisexualität (mehr als zwei Geschlechter/Gender werden präferiert), Omnisexualität (jedes Geschlecht/Gender wird als sexuell interessant wahrgenommen) und Pansexualität (Geschlecht/Gender wird nicht als sexuell wesentlich wahrgenommen, sondern ganz andere Merkmale kommen zum Tragen).
Interaktionen zwischen Partneranzahl und Geschlecht/Gender
Es können sehr vielfältige Interaktionen auftreten, die die Komplexität unserer sexuellen Orientierung weiter erhöhen:
- Für eine gute Passung bei der Partnerfindung, für eine hohe Offenheit in Beziehung und den Aufbau einer tragfähigen gemeinsamen Sexualität ist es wichtig, sich über diese Interaktionen mit Partner:innen aktiv auszutauschen.
Fehlt die offene Kommunikation, haben Partner:innen oft keinen Hinblick in die wechselseitigen sexuellen Bedürfnisse. Dies fördert Unzufriedenheit, Fremdgehen, Intransparenz und Trennungen.
Zeigen sich Unterschiede und werden diese offen kommuniziert, sind demgegenüber oft Vereinbarungen möglich, wenn die Basis der Beziehung ansonsten stimmt. So können alle Beteiligten – trotz Differenzen – eine befriedigende Sexualität erleben.
Dies sind die wesentlichen Interaktions-Möglichkeiten:
Es kann vorkommen, dass auf ein Geschlecht/Gender bezogen eine klare monopartnersexuelle Orientierung besteht, aber gleichzeitig eine polypartnersexuelle Orientierung bezüglich eines anderen Geschlecht/Gender besteht.
Beispiel:
- Ein Mann interessiert sich sexuell für eine monogame Beziehung mit einer Frau, hat aber gleichzeitig das Interesse an Sex mit verschiedenen, ggf. wechselnden Männern.
In einer Beziehung mit einer z.B. monopartnersexuellen Frau wird diese Person vermutlich keine anderen sexuellen Kontakte zu Frauen unterhalten. Seine polypartnersexuelle Orientierung zu Männern wird aber vermutlich selbst bei einer formalen Monogamie-Vereinbarung eines Tages im Verhalten zum Ausdruck kommen.
In solch einem Fall kann nur eine Vereinbarung zu einer offenen oder polyamopren Beziehung zu einem hohen Beziehungsglück, Offenheit und Transparenz, Beziehungsstabilität und sexueller Zufriedenheit aller führen. Dies ist aber wiederum nur dann der Fall, wenn auch alle Beteiligten tatsächlich gedanklich und emotional mit dieser Konstellation gut umgehen können. Ist dies nicht gegeben, ist von dem Beginn einer solchen Beziehung zwischen eine monopartnersexuell und einer (in Teilen) polypartnersexuell orientierten Person abzuraten.
Typischerweise geht dieser Faktor jedoch weder in Partnerwahl noch in Vereinbarugnen zur Beziehungsgestaltung ein, da nach wie vor Polypartnersexualität ein Tabu ist. Sie ist zwar häufig, wird aber meistens verschwiegen.
Hieraus resultieren oft inneres Dissonanzerleben, Stressbelastung, Unzufriedenheit, eine Abnahme der Intimität. Kommt es zu einem Outing können massive Verwerfungen und Trennungen eintreten.
Andere Paare können aber alle diese Negativfolgen trotz unterschiedlicher Sexualitäten vermeiden, indem sie offen miteinander sind und auf dieser Basis klare Vereinbarungen zur Beziehungsgestaltung treffen, die alle Beteiligten einhalten können, ohne damit ein Ausleben ihrer sexuellen Orientierung zu blockieren.
Psychologische Empfehlungen
Die in den Videos an Beispielen dargestellten psychologischen Empfehlungen lauten folgendermaßen:
- Reflektieren Sie Ihre eigene sexuelle Orientierung und legen Sie diese in ihrer Ganzheitlichkeit und Differenziertheit gegenüber Dating-Partner:innen bereits zu Beginn der Partnersuche offen. Erfahren Sie so im Gespräch die gleiche Offenheit durch die Dating-Partner:innen.
- Prüfen Sie, indem Sie in sich hineinhören, inwiefern Sie mit der anderen Person auf dieser Basis glücklich werden können, auch unter Erwägung möglicher Vereinbarungen.
- Setzen Sie die Partnersuche lieber fort, wenn Sie spüren, dass eine sexuelle Kompatibilität für Sie mit einer Person nicht erreichbar scheint.
- Schauen Sie auf die Ressourcen und Problembereiche, wenn bereits eine Beziehung besteht. Reden Sie offen miteinander, durch welche Vereinbarungen zur Beziehungsgestaltung Ressourcen aktiviert, Probleme gemindert und die Bedürfnisse von Ihnen und Ihren Partner:innen zum Ausdruck gelangen können.
Im nächsten Video wird es darum gehen, wie Liebe und Sex miteinander übereinstimmen. Erneut werden wir sehen, wie groß die individuellen Unterschiede hier sind und wie wichtig daher die Suche nach Passung und Kompatibilität ist.
Ich freue mich, wenn Sie ▶ meinen Video-Kanal abonnieren, sodass Sie auch immer über neue Videos informiert werden.
Wir von Gleichklang unterstützen Sie bei der Findung nach einer kompatiblen Person durch unser Matching, aber auch durch unsere verbreiteten Inhalte und die Förderung von offener Kommunikation zwischen unseren Mitgliedern.
Letztlich liegt es dann bei Ihnen selbst, das umzusetzen, was am besten geeignet ist, eine hohe Passung und eine hohe Beziehungszufriedenheit zu erreichen.
Gerne möchten wir Sie auf diesem Weg begleiten: