Bindungsstile und Beziehungszufriedenheit
Zahlreiche Studien zeigen, dass Menschen mit geringer Bindungssicherheit in ihren Beziehungen insgesamt unglücklicher werden. Bindungsunsicherheit kann sich dabei in zwei Formen zeigen:
- Ängstliche Bindung mit Klammern, Wunsch nach übergroßer Nähe und ständigen Rückversicherungen.
- Vermeidende Bindung, indem Gefühle und Nähe nicht zugelassen werden.
Beide – erst einmal entgegengesetzte – Reaktionen können tatsächlich als Ausdruck von Bindungsunsicherheit bewertet werden, aber eben mithilfe von verschiedenen Strategien:
- Ängstliche Bindung versucht, den gefürchteten Verlust durch abhängige Muster mit Klammern zu verhindern.
- Vermeidende Bindung lässt gar nicht erst Nähe aufkommen, um mögliche negative Folgewirkungen von Beziehungen von vornherein zu vermeiden.
Von sicherer Bindung wird insofern gesprochen, wenn weder eine ängstliche noch eine vermeidende Bindung vorliegt.
Übrigens können sich ängstliche und vermeidende Bindung auch zu einer desorganisierten Bindung mit hoher Widersprüchlichkeit vereinen.
Die Betrachtung von Beziehungen aus dieser Bindungssichtweise macht gleichzeitig deutlich, wie schwer es ist, zu einem guten Matching zu gelangen:
- Eine Möglichkeit wäre, die Personen mit sicherer Bindung an Personen mit sicherer Bindung zu vermitteln.
Allerdings ergibt dies mehrere Fragen:
- Was geschieht nun mit Personen mit unsicherer Bindung?
- Sollen diese gar nicht vermittelt werden?
- Oder sollen ängstlich mit ängstlichen und vermeidende mit vermeidenden Personen vermittelt werden?
- Würde dies wirklich helfen oder womöglich nur die negativen Effekte verstärken?
Studie gibt Aufschluss
Genau diesen Fragen ging kürzlich eine umfassende Studie der Psychologen Sierra D. Peters und Kolleg:innen nach, auch wenn sie sich explizit gar nicht mit Matching beschäftigte:
- Die Psycholog:innen erfassten die initiale Zufriedenheit neu verheirateter Paare (jeweils beide separat befragt), den Neurotizismus (emotionale Labilität) der Betreffenden, ihre initiale Beziehungszufriedenheit, ihre Bindungssicherheit oder -unsicherheit (ängstliche Bindung, vermeidende Bindung), sowie die Entwicklung ihrer Beziehungszufriedenheit und das Fortbestehen ihrer Beziehungen im Verlauf.
Die entscheidenden Analysen bezogen sich jetzt auf die Kombination unterschiedlicher Ausprägungen von ängstlicher (hoch/niedrig) und vermeidender (hoch/niedrig) Bindung auf die Beziehungszufriedenheit initial und im Verlauf.
Es sei gleich gesagt, dass es keine Auswirkungen der Geschlechter/Gender auf die Ergebnisse gab und auch eine Kontrolle für das Persönlichkeitsmerkmal „Neurotizismus“ die Ergebnisse nicht entscheidend veränderte. Ich gehe auf diese Aspekte also im Folgenden nicht mehr ein.
Das sind die Hauptbefunde
Auswirkungen ängstlicher Bindung
- Paare, bei denen mindestens eine Person eine ängstliche Bindung zeigte, waren zu Beginn ihrer Ehe weniger glücklich, ihre Zufriedenheit nahm im Verlauf der Ehe weiter ab und sie trennten sich häufiger.
Der entscheidende Aspekt war aber:
- Ob eine oder beide eine ängstliche Bindung zeigten, machte keinen Unterschied mehr. Die negativen Effekte der ängstlichen Bindung addierten sich also nicht über die beiden Personen.
- Paare, wo beide eine ängstliche Bindung zeigten, waren nicht unglücklicher als Paare, wo nur eine Person eine ängstliche Bindung aufwies.
Die negative Botschaft lautet:
- Weist nur eine Person eine ängstliche Bindung aus, schwächt dies bereits eine Beziehung im Verlauf.
Die positive Botschaft lautet:
- Finden zwei Menschen mit ängstlicher Bindung zusammen, verschlimmert dies nicht mehr die Situation.
Für das Matching ergibt sich (zunächst) das Folgende:
- Da ohnehin durch eine Person mit ängstlicher Bindung eine Verschlechterung entsteht, kann es sinnvoll sein, Personen mit ängstlicher Bindung anderen Personen mit ängstlicher Bindung vorzuschlagen. Denn so wird nichts weiter verschlechtert für die Personen mit ängstlicher Bindung (sie haben ohnehin Schwierigkeiten, die aber nicht zunehmen), aber es wird auch nichts für die Personen mit nicht-ängstlicher Bindung verschlechtert, die darunter leiden würden, wenn ihre Partner:innen eine ängstliche Bindung haben.
Durch das Matching kann hier also (zunächst) keine Verbesserung für die Personen mit ängstlicher Bindung erreicht werden, aber ein Schaden für die Personen mit nicht-ängstlicher Bindung vermieden werden.
Auswirkungen vermeidender Bindung
- Vermeidende Bindung war für die eigene Person mit einer geringeren Beziehungszufriedenheit und geringeren Beziehungsstabilität verbunden.
Aber dies war unabhängig davon der Fall, ob Partner:innen ebenfalls vermeidend oder nicht-vermeidend waren:
- Die Kombination vermeidend-vermeidend führte also zu keinen schlechteren und auch keinen besseren Ergebnissen, als wenn nur eine Person vermeidend und die andere nicht-vermeidend war.
- Für die nicht-vermeidende Person ergaben sich zudem keine signifikanten negativen Auswirkungen, wenn die andere Person vermeidend war.
Für das Matching gilt demnach, dass grundsätzlich vermeidende Personen an vermeidende Personen vermittelt werden können, ohne dass daraus ein zusätzlicher Schaden entstehen würde. Vermeidende Personen können aber ebenso an nicht-vermeidende Personen vermittelt werden.
Kombinationen „ängstlich und vermeidend“
Im Folgenden werden einige vorherige Schlussfolgerungen etwas relativiert:
Wie wirken sich mögliche Kombinationen von ängstlicher und vermeidender Bindung aus?
- Personen mit hoher ängstlicher Bindung zeigten nur dann eine geringere Beziehungszufriedenheit und Beziehungsstabilität, wenn ihre Partner:innen eine vermeidende Bindung hatten. Hatten die Partner:innen keine vermeidende Bindung, beeinträchtigte die ängstliche Bindung die Beziehungszufriedenheit nicht.
- Personen mit nicht-vermeidender Bindung wurden mit Partner:innen mit ängstlicher Bindung nicht unglücklicher als mit Partner:innen mit nicht-ängstlicher Bindung.
- Personen mit vermeidender Bindung wurden insgesamt (aufgrund ihrer vermeidenden Tendenz) für sich selbst in Beziehungen weniger glücklich. Aber die negative Auswirkung ihrer vermeidenden Tendenz wurde gemindert, wenn ihre Partner:innen nicht ängstlich-klammernd waren.
Personen, die eine nicht-vermeidende Bindung haben, können demnach offenbar für die ängstliche Bindung ihrer Partner:innen kompensieren, ohne selbst darunter zu leiden.
Demnach ist es also vorrangig kritisch, wenn Menschen mit ängstlicher und vermeidender Bindung aufeinandertreffen.
Das können wir sofort verstehen:
- Die Ängstlichen klammern und wollen Nähe, die Vermeidenden wollen Distanz und eine nur sehr begrenzte Gemeinsamkeit. Offensichtlich passt dies nicht zusammen.
Hieraus ergibt sich eine erweitere gute Nachricht für das Matching, die darin besteht, dass nicht nur Menschen mit ängstlicher Bindung einander wechselseitig vorgeschlagen werden können, sondern auch Personen, bei denen eine Person ängstlich und die andere nicht-vermeidend ist. Ebenso können Personen mit vermeidender Bindung anderen Personen vorgeschlagen, die nicht ängstlich sind.
Wieso schadet doppelte Ängstlichkeit und doppelte Vermeidung nicht?
Es stellt sich die Frage, warum eigentlich doppelte (beide Personen betreffende) Ängstlichkeit und doppelte Vermeidung nicht mehr schaden als einfache (nur eine Person betreffende) Ängstlichkeit oder einfache Vermeidung?
Ich vermute – Belege gibt es dafür nicht – dass die gemeinsame Erfahrung der ängstlichen Bindung oder auch der Bindungsvermeidung Anknüpfungspunkte für wechselseitiges Verstehen gibt, die die ebenfalls bestehende Doppelung der negativen Effekte komplett ausgleichen kann.
Resümee
Matching
Ähnliche mit Ähnlichen zu vermitteln, würde bedeuten, dass Personen mit sicherer Bindung (nicht ängstlich und nicht vermeidend) mit Personen mit sicherer Bindung, ängstlich Gebundene mit ängstlich Gebundenen und vermeidend Gebundene mit vermeidend Gebundenen vermittelt werden würden.
Aber dies würde ohne Grund zu starken Einschränkungen führen:
- Denn ängstliche Bindung schadet letztlich nur dann, wenn die andere Person vermeidend ist. Umgekehrt schadet vermeidende Bindung vorwiegend dann, wenn die andere Person ängstlich ist.
Sprich:
- Ein Matching sollte vorwiegend darauf achten, dass Personen mit ängstlicher Bindung nicht denjenigen vorgeschlagen werden, die eine vermeidende Bindung haben.
Arbeit an sicherer Bindung
Unabhängig vom Matching ergibt es Sinn, an einer Überwindung ängstlicher und auch vermeidender eigener Strukturen zu arbeiten:
- Personen, die nicht ängstlich und nicht vermeidend gebunden sind, können leichter mit einem größeren Spektrum an anderen Personen Beziehungsglück aufbauen. Beziehungen von ängstlich Gebundenen werden demgegenüber gefährdet, wenn die andere Person vermeidend ist, und Beziehungen von vermeidend Gebundenen werden gefährdet, wenn die andere Person ängstlich ist.
Nicht immer fallen solche Bindungsausrichtungen freilich am Anfang auf, zumal wir dazu neigen, unsere Schwächen zu verbergen. Trotz aller Sorgfalt bei der Partnerwahl kann es also passieren, dass wir eine falsche Wahl treffen.
Zudem ist auch vor allzu großer „Sorgfalt“ zu warnen. Denn ich sehe es immer wieder im Coaching, dass manche aufgrund negativer Erfahrungen beginnen, bei jeder Person vermeintlich rote Flaggen zu entdecken und so in Wirklichkeit mit niemandem mehr bereit sind, das Beziehungswagnis zu beginnen.
Dies ist umso brisanter, als dass Turbulenzen am Anfang einer Beziehung wiederum vollkommen normal sind und ihre gemeinsame Bewältigung sogar die Verbundenheit stärken kann.
Durch Abbau ängstlicher und vermeidender Bindung erreichen wir eine größere Robustheit, die es uns ermöglicht, ohne Übervorsichtigkeit den Menschen zu finden, mit dem wir glücklich werden.
Wie aber können wir ängstliche oder vermeidende Bindungsmuster ändern flexibilisieren? Mit dieser Frage werde ich mich demnächst in einem weiteren Blog-Artikel befassen.
Gleichklang-Matching
Unser Matching bei Gleichklang entspricht übrigens (indirekt) ziemlich genau dem, was die Befunde der Autor:innen für ein optimales Matching ergeben haben. Zwar erheben wir nicht direkt ängstliche Bindung und vermeidende Bindung, aber wir erfassen ihre Verhaltenskonsequenzen:
- Ängstlich Gebundenen wollen immer ein sehr hohes Ausmaß an Nähe und Symbiose. Vermeidend gebundene wollen vorwiegend Abstand, Distanz und Getrenntheit. Sicher Gebundene liegen hier typischerweise in der Mitte, wobei sie sich grundsätzlich aber auf beide Konstellationen – der stärker symbiotischen und der stärker getrennten Beziehungsgestaltung – einlassen können.
In unserem Matching schließen wir nur die Extreme wechselseitig aus, was in der Konsequenz bedeutet, dass Personen mit ängstlicher Bindung und Personen mit vermeidender Bindung nicht einander vorgeschlagen werden:
- Sicher Gebundene können also allen vorgeschlagen werden (da sie Robustheit und Flexibilität aufweisen).
- Ängstlich gebundene können anderen ängstliche Gebundenen und sicher Gebundenen vorgeschlagen werden.
- Vermeidend Gebundene können anderen vermeidend Gebundenen und sicher Gebundenen vorgeschlagen werden.
Wie sind Ihre eigenen Erfahrungen mit ängstlicher oder vermeidender Bindung? Lassen Sie es mich gerne wissen.
Sind Sie interessiert an einer psychologisch fundierten Partnerfindung, begleiten wir Sie gerne auf diesem Weg:
Wie ist Ihre Ansicht zu diesem Artikel? Gerne können Sie es mich wissen lassen!
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