Die Forschung zur Partnerwahl von Paul W. Eastwick
Der Psychologie-Professor Paul W. Eastwick hat sich ausführlich mit der Frage beschäftigt, auf welcher Basis Menschen ihre Partner:innen wählen bzw. aufgrund welcher Faktoren sich aus anfänglichen Erstkontakten Beziehungen entwickeln oder eben nicht. Seine Studien sind bahnbrechend und sie beschäftigen sich unter anderem mit dem Einfluss unserer romantischen Ideale.
Eine einflussreiche Theorie besagt, dass wir bestimmte Dinge bei Partner:innen besonders schätzen, quasi unsere Ideal-Partner:innen haben. Ergibt sich nun ein Match zwischen unserem romantischen Ideal und den Merkmalen einer anderen Person, sollte dies laut Theorie unser romantisches Interesse an dieser Person fördern.
Zu erwarten wäre auch, dass unsere Beziehungszufriedenheit höher ist, wenn unsere Idealvorstellungen, wie wir uns Partner:innen wünschen, mit den tatsächlichen Merkmalen unserer Partner:innen übereinstimmen.
Aber in der Wirklichkeit – wie so oft in der Psychologie – scheinen die Dinge viel komplizierter zu sein, als wir es erwarten würden.
In meinem heutigen Artikel schildere ich diese spannenden Befunde und zeige die Konsequenzen auf, die sich für Partnersuche, Partnerfindung und Beziehungsgestaltung ergeben.
Ich hoffe, durch meinen Artikel wird manchen Leser:innen noch einmal klarer, in welchem Terrain wir uns bei Partnersuche und Online-Partnersuche bewegen – und mit welchen Ansätzen und Methoden wir versuchen können, uns in diesem Terrain so sicher wie möglich zu bewegen.
Forschungsergebnisse zu romantischen Vorlieben
In einem Artikel im Guardian werden die Schlussfolgerungen von Eastwick zusammengefasst:
- „Man sollte meinen, wir wüssten, was wir wollen – aber die Forschung deutet auf etwas anderes hin. Es stimmt zwar, dass bestimmte Eigenschaften wie Freundlichkeit oder Abenteuerlust im Allgemeinen als attraktiv gelten, aber Experimente mit Speed-Datern deuten darauf hin, dass die jeweiligen Vorlieben der Menschen in ihren persönlichen Interaktionen eher eine untergeordnete Rolle spielen. Jemand, der angab, auf der Suche nach Freundlichkeit zu sein, würde beispielsweise genauso wahrscheinlich mit jemanden klicken, der in Bezug auf Abenteuerlust gut abgeschnitten hat – und umgekehrt. Trotz unserer vorherigen präferenzen scheinen wir offen für eine Vielzahl von Menschen zu sein, die allgemein positive Eigenschaften aufweisen.“ …
Und weiter:
- „Wir können keine Beweise dafür finden, dass manche Menschen einige Eigenschaften wirklich höher bewerten als andere“, sagt Eastwick. Er vergleicht dies mit einem Restaurantbesuch, bei dem man ein bestimmtes Gericht bestellt und dann das Essen mit dem Tischnachbarn tauscht. Es ist genauso wahrscheinlich, dass einem das zufällig ausgewählte Gericht gut schmeckt wie das ursprünglich bestellte.“
Zweifel an der Effektivität von Dating-Webseiten
Eastwick gelangt vor diesem Hintergrund zu einer bemerkenswerten Aussage über die potenzielle Effektivität von Dating-Webseiten und deren Algorithmen:
- „Die meisten Dating-Apps und -Websites halten die Details ihrer Algorithmen geheim, aber Eastwick hält es für unwahrscheinlich, dass diese Unternehmen auf ein Geheimnis gestoßen sind, das in der psychologischen Literatur fehlt. Tatsächlich vermutet er, dass romantische Anziehung ein von Natur aus ‚chaotischer‘ Prozess sein könnte, der sich einer genauen Vorhersage entzieht.“
Mein Widerspruch zu Eastwick
Ich bin mir ziemlich sicher, dass Eastwick sich irrt, das habe ich ihm auch geschrieben und werde es im Folgenden begründen. Angedeutet sei bereits jetzt, dass die akademische Psychologie möglicherweise keine robusten Zusammenhänge zwischen der Passung individueller Präferenzen und dem Verlauf oder der Qualität romantischer Beziehungen bisher gefunden hat, weil sie ihr Augenmerk auf die falschen Präferenzen richtete – nämlich auf Faktoren, die eher oberflächlich oder sogar für ein Matching irrelevant sind. Dazu aber später mehr.
Eastwicks Längsschnittstudie: Ein Einblick
Wie kommt Eastwick zu seinen Schlussfolgerungen?
Um dies zu verdeutlichen und auch meine spätere Kritik verständlich zu machen, schildere ich kurz einige Teilergebnisse einer Längsschnittstudie von Eastwick und Kolleg:innen. Die Untersuchung ist äußerst umfangreich und komplex. Für den aktuellen Zweck genügt es, Teilausschnitte darzustellen:
- Teilnehmende wurden über einen längeren Zeitraum beobachtet. Sie füllten Fragebögen aus, unter anderem zu ihren eigenen Idealvorstellungen von Partner:innen. Wenn sie jemanden kennenlernten, wurde außerdem erfragt, wie die Ausprägung dieser Person in den gleichen Merkmalen war, die auch bereits als Idealvorstellungen erhoben wurden.
Die erfassten Merkmale
Spezifisch wurden Wunsch und (wahrgenommene) Wirklichkeit bezüglich der folgenden 14 Merkmale erfasst:
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Spontan
-
Kreativ
-
Selbstsicher
-
Besonnen
-
Aufregend
-
Realistisch
-
Dominant
-
Optimistisch
-
Attraktiv
-
Unterstützend
-
Geduldig
-
Passiv
-
Ehrgeizig
-
Zuverlässig
Von diesen Merkmalen (mit Ausnahme von passiv) ist aus vorherigen Forschungen bekannt, dass sie – in unterschiedlichem Ausmaß, aber recht häufig – von Menschen als Idealvorstellungen bezüglich ihrer Partner:innen erlebt werden können.
Vorhersage romantischer Gefühle
Im Laufe der Zeit wurden die gleichen Teilnehmenden nun wiederholt gefragt, wie stark die romantischen Gefühle für die entsprechenden Personen nunmehr sind. Dabei interessierten in der Auswertung vor allem diese Zusammenhänge:
-
Vorhersage romantischer Gefühle durch die Merkmalsausprägungen unserer Partner:innen: Wie stark romantische Gefühle je nach den Einschätzungen der Teilnehmenden bezüglich Attraktivität, Zuverlässigkeit, Kreativität usw. ihrer Partner:innen vorhergesagt werden können.
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Vorhersage romantischer Gefühle durch die Stärke unserer eigenen Idealvorstellungen: Inwiefern unsere romantischen Gefühle beeinflusst werden, je nachdem, wie sehr wir uns spontane, kreative, selbstsichere oder zuverlässige etc. Partner:innen wünschen – unabhängig davon, ob unsere Partner:innen tatsächlich diese Merkmale aufweisen.
-
Interaktion zwischen unseren Idealvorstellungen und den tatsächlichen Merkmalen der Partner:innen: Entwickeln wir besonders dann starke romantische Beziehungen, wenn die Partner:innen genau die Merkmale aufweisen, die wir uns wünschen?
Eindeutige Ergebnisse
Die Ergebnisse waren eindeutig:
-
Partnermerkmale sind relevant: Mit Ausnahme der Merkmale „passiv“ und „dominant“ waren die Ausprägungen der Partner:innen in allen untersuchten Merkmalen signifikant mit der Intensität romantischer Gefühle zu verschiedenen Zeitpunkten verknüpft.
-
Eigene Ideale sind irrelevant: Wie stark die Teilnehmenden bestimmte Idealvorstellungen bezüglich der Merkmale hatten, hatte keinen Einfluss auf die Intensität ihrer romantischen Gefühle.
-
Ideale und Partnermerkmale interagieren nicht: Es gab keine signifikante Interaktion zwischen den Idealvorstellungen und den tatsächlichen Merkmalen der Partner:innen. Die romantischen Gefühle wurden durch die relevanten Partnermerkmale unabhängig davon vorhergesagt, ob diese Merkmale den eigenen Wünschen entsprachen. Die Merkmale wirken sich also günstig aus, völlig egal, ob wir uns diese Merkmale wünschten oder nicht!
Kein individuelles Matching?
Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass es bestimmte allgemeine Merkmale gibt, wie Attraktivität oder Zuverlässigkeit, die unsere romantischen Gefühle für eine Person fördern. Unsere spezifischen Wünsche an Partner:innen scheinen jedoch keine Rolle zu spielen:
- Attraktivität wirkt sich beispielsweise positiv aus, unabhängig davon, ob wir angeben, darauf Wert zu legen oder nicht.
Wenn diese Ergebnisse allgemeingültig wären, gäbe es keine Möglichkeit für ein individuelles Matching:
- Wir sollten dann alle nach Menschen suchen, die Attraktivität, Besonnenheit und Zuverlässigkeit etc. aufweisen, und könnten die Passung unserer spezifischen Präferenzen ignorieren.
Eastwicks Schlussfolgerung: Algorithmen sind überflüssig
Eastwick ist zu dem Schluss gekommen, dass Algorithmen von Dating-Webseiten keine Rolle spielen. Seine Empfehlung lautet quasi etwas salopp formuliert:
- Denke nicht darüber nach, was Du dir genauer wünschst, sondern suche nach Menschen, die spontan, kreativ, selbstsicher, besonnen, aufregend, realistisch, optimistisch, attraktiv, unterstützend, geduldig, ehrgeizig und zuverlässig sind.
Stärken und Schwächen der akademischen Psychologie
Illusionen auflösen und die Wirklichkeit enthüllen
Die akademische Psychologie hat den großen Vorteil, dass sie uns hilft, nicht nur Theorien oder Annahmen aufzustellen, sondern diese auch durch wissenschaftliche Methoden zu beweisen oder zu widerlegen.
Dies ist eine entscheidende Stärke, denn sie schützt uns vor den zahlreichen Missverständnissen und falschen Schlussfolgerungen, die aus reinem Bauchgefühl entstehen können. Unsere Neigung, uns auf subjektive Einschätzungen zu verlassen, mag oft plausibel klingen, ist jedoch häufig falsch. Wenn wir uns ausschließlich auf solche Annahmen verlassen, können wir leicht in die Irre geführt werden, ohne es überhaupt zu merken.
Beispiel für Fehleinschätzungen: Kriminalitäts-Hysterie in Deutschland
Ein sehr gutes Beispiel für die Folgen solcher Fehleinschätzungen ist die aktuelle Kriminalitäts-Hysterie und Fremdenfeindlichkeit in Deutschland. In meinem letzten Blog-Artikel habe ich mich mit diesem Thema befasst:
- Viele Menschen in Deutschland haben momentan das Gefühl, dass die Kriminalitätsrate bedrohlich hoch ist und insbesondere Geflüchtete aus Ländern wie Afghanistan oder Syrien für diese Zunahme verantwortlich seien. Dabei zeigen die Fakten etwas völlig anderes: Weder ist die Kriminalitätsrate insgesamt besonders hoch, noch gibt es belastbare Daten, die darauf hindeuten, dass Afghan:innen oder Syrer:innen überdurchschnittlich oft Straftaten begehen. Das Gegenteil scheint der Fall zu sein, wenn wir für Alters. und Geschlechtereffekte korrigieren.
Dennoch herrscht im Land eine Art Notstandsstimmung, und in der Folge werden Maßnahmen ergriffen: Diese Maßnahmen beruhen auf reinen Fiktionen und Vorurteilen, anstatt auf der tatsächlichen Faktenlage.
Derweil hat soeben eine internationale Forschergruppe einen dringenden Appell an die Welt gerichtet, sofort bezüglich des Klimawandels umzusteuern, u.a. zu einer pflanzenbasierten Ernährung zu wechseln. Machen wir nämlich so weiter, landen wir nicht bei 1,5, sondern bei 2,7 Grad Erwärmung. Die Konsequenzen sind bereits jetzt sichtbar. Die Forscher:innen fürchten den Zusammenbruch der sozialen Systeme.
Doch die subjektiven Notstandsgefühle wegen Kriminalität lenken von diesem echten Notstand ab und führen damit zu katastrophal falschen gesellschaftlichen Prioritäten.
Welche psychologischen Prozesse uns derzeit dazu führen, unseren gesamten Planeten zu zerstören und dies trotz aller Warnzeichen fortzusetzen, zeige ich in diesem Video auf: Die Verhaltenskrise, die unsere Umwelt und unsere Beziehungen zerstört
Wie Fehleinschätzungen entstehen: Die Macht der subjektiven Wahrnehmung
Die Ursache für dieses Phänomen liegt darin, dass viele Menschen glauben, sie könnten sich durch ihre eigenen Gefühle oder Eindrücke ein objektives Bild der Realität machen. Doch das Problem dabei ist, dass unsere Gefühle und Einschätzungen durch zahlreiche fehleranfällige kognitive Prozesse beeinflusst werden.
Wir neigen dazu, Informationen zu selektieren oder falsch zu interpretieren, um sie mit unseren vorgefassten Meinungen und Überzeugungen oder auch unseren unbewussten Vorurteilen in Einklang zu bringen.
In einem solchen Fall kann die akademische Psychologie – ebenso wie je nach Fragestellung andere Disziplinen – durch ihre wissenschaftliche Methodik helfen, uns einen klareren Blick auf die Realität zu verschaffen. Sie deckt Missverständnisse und Fehleinschätzungen auf und zeigt, wo wir uns durch unsere subjektiven Wahrnehmungen täuschen lassen.
Beispiel Partnersuche: Illusionen über ideale Partner
Ähnlich verhält es sich auch bei der Partnersuche:
- Viele Menschen sind überzeugt, dass sie genau wissen, welche Art von Person am besten zu ihnen passt. In meinem Austausch mit Mitgliedern höre ich gelegentlich Sätze wie „Ich bin erwachsen und weiß am besten, wer zu mir passt“.
Doch auch hier zeigt die Forschung, dass die Realität eine andere ist:
- Beispielsweise werden Beziehungen, die in der Ferne entstehen, entgegen aller Annahmen nicht unglücklicher als Beziehungen, die im Nahraum entstehen.
- Bei der Online-Partnersuche helfen auch entgegen des Glaubens vieler viele Kontakte nicht weiter, sondern schädigen eher den Dating-Erfolg.
Die oben beschriebenen Studien von Eastwick zeigen, dass die von ihm erfassten Idealvorstellungen, die Menschen von ihren Partner:innen haben, ebenfalls keine entscheidende Rolle dabei spielen, wie sich romantische Gefühle entwickeln:
- Selbst wenn Menschen überzeugt sind, dass sie wissen, welche Ausprägungen Partner:innen bezüglich dieser Merkmale haben sollten, zeigt sich in der Realität, dass romantische Anziehung und Beziehungszufriedenheit oft unabhängig davon entstehen, ob die tatsächlichen Partner:innen diesen Idealen entsprechen oder nicht.
Tatsächlich halte ich die weltweite Situation im Dating-Bereich für fast ebenso katastrophal wie analog die Situation im Bereich des Umweltschutzes oder des Umganges mit Kriminalität:
- Mit den milliardenschweren Dating-Apps hat sich ein System der Partnersuche etabliert, welches in keiner Weise mehr die Aussichten für das Entstehen partnerschaftlicher Beziehungen maximiert. Stattdessen steigen die Single-Raten unter denen an, die eine Beziehung suchen. Trotzdem glauben viele, dass genau diese Prinzipien der Dating-Apps notwendig oder geradezu einzufordern seien – alle diese POrinzipien schaden in Wirklichkeit: Exklusiv-Fokus auf Fotos, permanente neue Vorschläge, Ausrichtung auf Vergleich der Profile, Motivierung zu Kurznachrichten, Unterhaltung und Kurzweiligkeit.
- Im Vordergrund steht eine angebliche Benutzerfreundlichkeit, die jedoch in der Wirklichkeit zu einem oberflächlichen, schnellen und nicht mehr in die Tiefe gehenden Kennenlernen verleitet. Diese Verleitung geschieht auf einer impliziten, sich dem Bewusstsein mindestens in Teilen entziehenden Basis, was sie besonders gefährlich macht.
So stellt sich fast die ganze die Gesellschaft in Verkennung der Wirklichkeit zum Dating die völlig falschen Fragen (Journalistin: “Was können Teilnehmende tun, damit ihr Profil die maximale Resonanz erhält”). Vergessen wird darüber die eigentliche Essenz des Prozesses der Partnersuche:
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Sich auf eine einzelne Person einlassen und ohne Vergleich zu anderen oder Ablenkung ausloten, ob eine Liebe entstehen kann. Dabei Authentizität und Offenheit kultivieren und so zu Vertrautheit gelangen.
-
Partnerfindung als ein seltenes Ereignis verstehen, welches sich nicht aus vielen Kontakten ergibt, sondern allein daraus, dass eines Tages ein einzelner Menschen kennengelernt wird, mit dem der Auslotungsprozess zu einem wechselseitigen „Ja“ führt. Dating-Plattformen sollten keine Unterhaltungsmaschinen, sondern stille Optionen sein, die im Hintergrund tätig sind und in Abhängigkeit von der Konstellation den Suchenden mehr oder weniger häufig Kennenlern-Möglichkeiten bereitstellen.
Schwäche der akademischen Psychologie
Das Problem der Fokussierung auf oberflächliche Merkmale
Trotz ihrer unbestreitbaren Stärken hat die akademische Psychologie auch ihre Schwächen:
- Eine dieser Schwächen besteht darin, dass Studien sich oft auf (leicht erfassbare) Merkmale und Faktoren konzentrieren, die im Hinblick auf das Thema, das sie zu klären versucht, aber wenig relevant sind.
In Eastwicks Studien etwa wurde eine Liste von sehr allgemeinen Merkmalen untersucht, die in der Regel als positiv angesehen werden, wie Spontanität, Kreativität, Selbstsicherheit, Besonnenheit und Zuverlässigkeit.
Es ist zwar interessant zu wissen, dass solche Eigenschaften in romantischen Beziehungen geschätzt werden, doch diese Merkmale sagen wenig darüber aus, wie Menschen tatsächlich miteinander in Beziehung treten und ob sie eine erfüllende Partnerschaft miteinander aufbauen können.
Beziehung entsteht nicht aus einer Liste allgemeiner Merkmale, sondern aus konkreten Themen und Gestaltungen des Zusammenlebens.
Zwei Menschen können beide zuverlässig sein und doch verbindet sie miteinander nicht das geringste. Das gleiche gilt für Kreativität und alle anderen Merkmale.
In diesem Sinnen fehlt es den Merkmalen von Eastwick an Fundamentalität. Insofern wundert es mich nicht, dass sie zwar allgemein wünschenswert und förderlich sind für Beziehungen, aber nicht noch einmal zusätzlich individuell im Sinne eines Matching-Effektes differenzieren:
- Ich muss mir nicht in meinem Ideal zuverlässige Partner:innen wünschen, damit zuverlässige Partner:innen sich positiv auswirken. Das Mekrmal genügt, ein Match mit meinen Idealvorstellungen ist nicht erforderlich.
Fehlende Tiefe: Was oberflächliche Merkmale nicht verraten
Die von Eastwick (und anderen) untersuchten Merkmale geben uns keine Informationen darüber, ob zwei Menschen in der Lage sind, eine erfüllende Sexualität miteinander zu leben. Sie sagen nichts darüber aus, ob ein Paar ein gemeinsames Lebensziel verfolgen oder eine Form der Beziehungsgestaltung finden kann, mit der beide glücklich werden – sei es Monogamie, Polyamorie oder eine andere Beziehungsform.
Sie sagen uns auch nichts darüber, ob eine Weltsicht möglich ist, die beide als bereichernd erleben, anstatt sich destruktiv zu streiten. Auch sagen uns die Merkmale gar nichts darüber aus, ob beiderseits eine Akzeptanz und Wertschätzung für besonders zentrale Merkmale der Person, der Körperlichkeit oder der Lebenssituation vorhanden ist.
Mit anderen Worten:
- Die untersuchten Merkmale sind sehr oberflächlich und beziehen sich auf allgemeine Charaktereigenschaften, die zwar positiv bewertet werden und wirken, aber denen es an Tiefe fehlt, um einen Matching-Effekt zu erwarten.
Nur zentrale Merkmale sind relevant für Matching
Die meisten Merkmale, die in der akademischen Psychologie bezüglich Partnerwahl untersucht werden, tragen in sich keinen Matching-Bezug. Damit komme ich auch zu dem Punkt, den wir „entdeckt“ zu haben glauben:
- Das Entscheidende in einer Partnerschaft ist, dass grundlegende Bedürfnisse erfüllt und potenzielle Konfliktquellen vermieden werden. Matching relevante Merkmale sind solche, die gewährleisten, dass die wirklichen fundamentalen Wünsche und Werte einer Person mit der anderen insofern kompatibel sind, dass sie wechselseitig jedenfalls ihre fundamentalen Wünsche erfüllen können und nicht aneinander leiden.
Leider wurden solche Merkmale bisher in Studien zu einem potenziellen Matching bei der Partnerwahl nicht berücksichtigt.
Beispiele für zentrale Merkmale in einer Partnerschaft
Es mag keinen großen Unterschied machen, ob ich mir besonnene Partner:innen wünsche oder nicht – die Besonnenheit meiner Partner:innen kann romantische Gefühle hervorrufen, unabhängig davon, ob ich dieses Merkmal bewusst als Wunsch geäußert habe.
Viel relevanter für meine romantischen Gefühle und meine langfristige Zufriedenheit in der Beziehung ist jedoch beispielsweise, ob meine Partner:innen bereit und in der Lage sind, mit mir eine monogame Beziehung zu führen, wenn dies ein zentrales Bedürfnis von mir ist:
- Wenn für mich Monogamie eine Grundvoraussetzung für eine glückliche Beziehung ist, wird es für meine Beziehung von entscheidender Bedeutung sein, ob meine Partner:innen diese Werte teilen. Das Gleiche gilt natürlich, wenn mir außerpartnerschaftliche Sexualkontakte für meine Lebenszufriedenheit wichtig sind und ich daher eine offene Beziehung führen möchte.
Bin ich asexuell wird es mich ggf. belasten, wenn ich mich zum Sex gedrängt erlebe, auch kann es mich belasten, wenn meine Partner:innen sexuell unzufrieden sind. Kompatibilität bedeutet dabei aber nicht notwendigerweise gemeinsame Asexualität, es könnte auch alternativ möglich sein, sich auf ein offenes Beziehungsmodell zu einigen. kompatibilität ist viel mehr als die Übereinstimmung in irgendeinem Merkmal. In fast allen Studien geht dies unter.
Ebenso verhält es sich mit anderen tiefgreifenden persönlichen Überzeugungen und Lebensstilen:
- Nehmen wir an, ich bin strikt vegan und lehne den Konsum von Tierprodukten aus ethischen Gründen ab. In einem solchen Fall werden meine romantischen Gefühle und meine langfristige Zufriedenheit davon abhängen, ob meine Partner:innen meinen Lebensstil teilen oder gegen ihn verstoßen. Je tiefer die ethische, kognitive und emotionale Verankerung meines Veganismus ist, desto schmerzhafter wird es sein, wenn ausgerechnet die geliebte Person dagegen verstößt.
Ähnlich ist es, wenn ich an eine bestimmte Religion glaube, überzeugt bin, dadurch Erlösung zu erlangen und mir wünsche, dass meine Partner:innen diesen Glauben mit mir teilen. Oder wenn Meditation und persönliche spirituelle Entwicklung für mich zentrale Aspekte meines Lebens sind, die ich gerne gemeinsam mit meinen Partner:innen erleben möchte.
Es gibt andere Merkmale, die sind für ein Akzeptanz-Matching zentral:
- Ich benutze einen Rollstuhl, leide an einer chronischen Erkrankung, bin Autist oder Autistin – ich möchte gerne bei der Partnersuche solche Menschen kennenlernen, für die dies kein Ausschlusskriterium ist.
In einer Umfrage mit Veganer:innen haben wir festgestellt, dass Paare, wo bei de Partner:innen vegan sind, deutlich zufriedener sind als Paare, wo nur eine Person vegan ist. Isst die andere Person Fleischt, bleibt bei der veganen Person meistens eine Sehnsucht nach einer Beziehung mit veganen Personen. Dies gilt obgleich typischerweise die nicht veganen Personen den Veganismus ihrer Partner:innen vollauf akzeptieren.
In einer unserer Umfragen mit Hochsensiblen zeigte sich demgegenüber, dass der Einfluss gemeinsamer Hochsensibilität minimal ist, wenn wir für die Akzeptanz kontrollieren. Bei Hochsensibilität ist der entscheidende Faktor demnach nicht, dass Partner:innen auch hochsensibel sind, sondern dass sie mit Verständnis, Wertschätzung und Akzeptanz auf die Hochsensibilität ihrer Partner:innen reagieren. Je nach Merkmal kann also Übereinstimmung oder Akzeptanz wichtiger sein.
Zurück zur Restaurant-Metapher von Eastwick:
Eastwick argumentiert, dass ein Zufallsgericht im Restaurant uns im Durchschnitt genau so schmeckt, wie ein durch uns bestelltes Gericht. Erneut überschätzten wir also demnach unsere Fähigkeit, zu wissen, was uns gut tut.
Er hat sicherlich für viele Personen und Gerichte recht, aber seine Metapher zeigt gleichzeitig eine Schwäche in seiner Argumentation:
- Wenn ich eine Erdnussallergie habe, weiß ich sehr wohl, was mir schadet. Gleiches gilt, wenn ich mich vor einem bestimmten Gericht oder einer bestimmten Zutat ekele, diese Übelkeit bei mir erzeugt etc.
- Womöglich übersehen wir im Bereich des uns allseits schmeckenden “Kuchenregals” tatsächlich, dass uns in Wirklichkeit alles gleich gut schmeckt. Menschen wollen unbedingt den Erdbeerkuchen und wären doch mit dem Kirschkuchen genau so glücklich, wenn wir diesen ihnen servieren. Aber einige fundamentale Voraussetzungen gibt es eben doch dafür, dass wir ein Gericht gerne oder ungern essen (z.B. Allergieen, Aversionen); einige davon kennen wir sehr wohl.
Die Liste der von Eastwick untersuchten Merkmale entspricht dem Kuchenregal. Aber er hat ausgerechnet diejenigen Merkmale nicht erfasst, wo Differenzierungen möglich sind.
Schlussfolgerung: Was in Partnerschaften wirklich zählt
Ich könnte diese Liste endlos fortsetzen, aber das Grundprinzip sollte klar sein:
- Eastwick und andere hervorragende Vertreter:innen der akademischen Psychologie haben nach meiner Ansicht deshalb keine möglichen Matching-Effekte gefunden, weil sie viel zu pauschale Merkmale untersuchten, anstatt in die Tiefe zu gehen und solche Merkmale zu betrachten, wo eine Kompatibilität gerade zwingend die Voraussetzung für die Vermeidung von Leid (z.B. Zurückweisung wegen Rollstuhl, Konflikte oder Ekel wegen Tierprodukten im Kühlschrank) oder die Ermöglichung von Glück (z.B. erfüllende Monogamie, Polyamorie, offene Beziehung) ist. Sie haben auch zu oberflächlich untersucht, was Kompatibiltiät im Einzelfall bedeutet.
Unser Ansatz bei Gleichklang
Ich stimme Eastwick völlig zu, dass ein pauschalisiertes Matching über eine Reihe allgemeiner Merkmale vermutlich völlig zwecklos ist. Genau deshalb erfragen wir bei Gleichklang die für unsere Mitglieder individuell zentralen Merkmale in Lebensstil, Sexualität, ethischer Grundorientierung, Akzeptanz-Erfordernis. Nur wenn Merkmale für die jeweilige Person zentral sind, gehen sie ins Matching ein, ansonsten nicht.
So vermeiden wir das Trivialitätsproblem und können in einem tiefen Sinne eine Passung der personalen Grundlagen und Lebensausrichtungen ermöglichen.
Basis unserer Vermittlungs-Tätigkeit
Unser Vorgehen beruht auf theoretischen, psychologischen Überlegungen und teilweise auf eigenen Umfrageergebnissen.
Einen stringenten Beweis können wir aber nicht erbringen:
- Für einen strengen Beleg müssten wir Partnervorschläge nach Zufall erbringen und dann möglichst über mehre Jahre beobachten, ob und wie sich Beziehungen in Abhängigkeit von der Passung zentraler Merkmale entwickeln.
Solch ein Vorgehen würde aber bei unseren Mitgliedern (Zufallsvorschläge) sicherlich auf keine Zustimmung stoßen und zudem haben wir auch die Mittel nicht. Denn wir bräuchten eine sehr große Stichprobe und müssten den Teilnehmenden eine finanzielle Gratifikation zahlen, damit wir sicherstellen könnten, dass die allermeisten wirklich während der jahrelangen Untersuchung dabei bleiben.
Manchmal müssen wir handeln, bevor Belege zu 100 % erbracht sind. Dies betrifft alle Bereiche des Lebens. Angewandte Wissenschaft bedeutet nicht immer, umzusetzen, was bereits schlüssig belegt ist, sondern kann auch bedeuten, vorläufige Befunde nach bestem Wissen und Gewissen zu interpretieren und bereits vor finalen Beweisen tätig zu werden, um zu einer möglichst optimalen Lösung zu gelangen. So ist dies auch beim Online-Dating.
Es würde mich aber natürlich freuen, wenn unser Ansatz eines Tages von der akademischen Psychologie schlüssig bewiesen werden würde. Unseren Matching-Algorithmus habe ich jedenfalls in einer E-Mail an Prof. Eastwick offengelegt.
Was uns die Studien von Eastwick lehren
Die Studien von Eastwick und anderen zeigen uns, dass wir uns sehr gründlich mit der Frage beschäftigen müssen, was wirklich im Sinne eines Matching für die Partnerfindung relevant ist. Reine Eigenschaftsbegriffe, wie zuverlässig oder optimistisch, sind es offensichtlich nicht. Wir suchen zwar meistens solche Eigenschaften in unseren Partner:innen und sie sind auch hilfreich, aber dies gilt allgemein und hängt nicht von der Stärke unserer Wünsche ab. Deshalb eignen sie sich auch nicht für ein Matching.
Die Befunde machen aber darüber hinaus auch noch einmal deutlich, dass wir Partnerglück keineswegs vorwiegend als eine Frage der richtigen Partnerwahl betrachten sollten, über die wir insgesamt noch sehr wenig wissen:
- Partnerschaft beinhaltet vielmehr die aktive Gestaltung der Beziehung, um fortwährend miteinander Lebensglück und Sinn erschließen zu können.
Bereits bei den Suchenden sollte daher die Bereitschaft vorhanden sein, sich auf Beziehung, Veränderung und Beziehungsengagement tatsächlich einzulassen. Wer dies nicht echt und mit allen Konsequenzen möchte, wird womöglich als Single zufriedener.
Kurzzusammenfassung
Paul W. Eastwick untersuchte in seinen Studien, wie romantische Ideale die Partnerwahl beeinflussen. Er kam zu dem Schluss, dass individuelle Vorlieben keine bedeutende Rolle spielen, sondern dass allgemeine positive Eigenschaften wie Attraktivität, Kreativität oder Zuverlässigkeit romantische Gefühle fördern. Er zweifelt daher an der Wirksamkeit von Dating-Algorithmen, die auf der Passung individueller Präferenzen basieren.
Meine Kritik an Eastwick konzentriert sich darauf, dass Merkmale wie Spontanität oder Kreativität zwar allgemein positiv und hilfreich, aber nicht ausschlaggebend sind für zentrale Fragen wie der Gestaltung von Sexualität, Lebensstil oder der Beziehungsmodelle, die für die Zufriedenheit in einer Partnerschaft wichtig sind. Eastwick konnte keine Matching-Effekte finden, weil er die hierfür falschen Variablen untersuchte.
Bei Gleichklang legen wir den Fokus auf solche tieferen, individuellen Merkmale, um eine echte und langfristige Passung zu ermöglichen:
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guten morgen, sehr gerne möchte ich sie an meinen gedanken bezüglich der partnerfindung teilhaben lassen.
aufgrund einer sehr reichen erfahrung bei der suche einer geeigneten partnerin, kam ich zu folgendem schluss – wir funktionieren nach dem prinzip einer trinität – seele, geist und körper. diese drei säulen ergeben die basis auf der wir unser leben aufbauen. idealerweise sollten diese gleich”lang” sein, damit eine stabilität gewährleistet ist. um eine erfüllende partnerschaft auf augenhöhe zu führen, sollten diese auch beim partner ähnlich, idealerweise gleich, ausgebildet sein. dies zu “prüfen” gestaltet sich in den einzelnen punkten unterschiedlich schwieig. das niveau des seelenlebens eines gegenübers zu erkennen, bedarf es längeren kontaktes – wochen, monate. die gestige bildung hingegen ist etwas schneller nach einigen gesprächen einschätzbar. am einfachsten erscheint es mir die köperliche passung “auszuloten”. hierbei ist spätestens beim ersten sexuellen kontakt ersichtlich, ob es hamoniert, oder nicht. da diese drei säulen für das gleichgewicht gleich lang sein sollten und der köperliche aspekt am einfachsten und schnellsten zu “testen” ist, scheitere ich persönlich genau daran immer wieder. es wäre die allererste hürde die zu nehmen ist um eine patnerschaft aufzubauen. sollte diese körperlichkeit zufriedenstellend erfüllt werden, dann folgen immer noch die geistige und seelische passung die natürlich ebenso in ihrer intensität hamonieren müssen. ihre seite ist darauf spezialisiert für besondere menschen besondere passungen zu finden. jedoch konnte ich nicht erkennen, dass es auch für menschen gilt, die aufgrund ihrer lebenserfahrung “mehr” sind. damit sind alle drei säulen gemeint! angefangen bei besagter körperlichen “hürde” die es im ersten schritt zu nehmen gilt. ich konnte leider in einem jahr mitgliedschaft auf ihrer seite nicht errkennen, dass diese richtung überhaupt wahrgenommen wird, geschweige denn bedient wird. mir ist auch durchaus bewusst, dass ein jahr ein sehr kurzer zeitraum ist, jedoch gab es keinerlei ansätze, die mich erkennen liessen, es würde sich über längere zeit etwas ändern. ich weiss dennoch ihre mühen sehr zu schätzen.
Danke für Deine Ausführungen, wobei ich ergänzen möchte, dass für verschiedene Menschen die drei Säulen wiederum verschiedenartige Wertigkeit haben und dass die Reihenfolge der Auslotung der Säulen sich zwischen Menschen und innerhalb von verschiedenen Erfahrungen der gleichen Menschen ebenso unterscheiden kann. So wissen wir aus Studien und Erfahrungen von Gleichklang-Mitgliedern, dass körperliche Prozesse der Attraktion sich enorm verändern können, wenn sich geistige oder emotionale Komponenten entwickeln. Im Bereich der Sexualität gibt es bei uns übrigens eine Reihe von Kriterien, die grobe Unpassungen verhindern oder abmindern und Passung fördern können.
Wichtig scheint mir als Rat, sich kein festes Modell zurechtzulegen (z.B. erst muss das Körperliche stimmen), weil wir im Sinne selbsterfüllender Prophezeiungen uns dann auch Wege verbauen können, die womöglich ohne dieses Modell doch zum Ziel geführt hätten.
“Eastwick ist zu dem Schluss gekommen, dass Algorithmen von Dating-Webseiten keine Rolle spielen”
Wenn Eastwick nicht recht hat, wie erklärst du dann, dass die Vermittlungsraten bei Gleichklang seit Jahren konstant sind, obwohl immer wieder neue zentrale Merkmale in den Algorithmus aufgenommen werden?
Ich denke mal, dass der Hauptgrund, warum sich Menschen gegen die Ausländerkriminalität und für Abschiebungen/Abschottung einsetzen, der ist, dass sie selber hierfür nichts tun müssen außer die Forderung stellen und weiterhin hierdurch positive Effekte erwartet werden, wie geringere Konkurrenz um Wohnraum, Arbeitsplätze, Arzttermine, Partnerinnen, … .
Bei Umweltschutz ist es das genaue Gegenteil. Hier müsste jeder selbst aktiv werden, wie verzichten, Ernährung umstellen, Geld für Klimaschutzmaßnahmen ausgeben und zusätzlich werden weitere negative Effekte befürchtet wie Jobverlust, Konjunkturabschwung, abgehängt werden gegenüber anderen Ländern, … .
Wäre es andersherum, dann würden wir über beide Themen überhaupt nicht mehr reden.
Ich sehe den Punkt zum Algorithmus, habe aber eine andere Erklärung:
– Zu Beginn unserer Vermittlung wussten alle, dass wir noch keine Mitglieder haben und sie nur als Option auf die Zukunft zu uns kommen. Die Mitglieder warteten Monate auf den ersten Vorschlag und blieben doch dabei. Die äußerst seltenen Vorschläge wurden enorm ernst genommen und die Mitglieder begannen, nunmehr untereinander Beziehungen aufzubauen.
– Mit wachsendem Kreis an Teilnehmenden ergaben sich einerseits Möglichkeiten, weitere Personen zu unterstützen, für die es sonst wirklich keine Matche gab, aber ebenso veränderten sich die Erwartungen der Mitglieder und die Ernsthaftigkeit, sich auf ein individuelles Ausloten einzulassen. Auch bei uns entstand so vermehrt ein Fokus der Mitglieder auf das Recht, “Vorschläge geliefert zu bekommen”, mit vermehrten Fokus auf neue Vorschläge und vermindertem Fokus auf die einzelne Person.
– Der erst nach unserer Gründung eintretende Siegeszug der Dating-Apps hat diese Trends verstärkt, da Mitglieder zu uns kommen, die nun dezidiert alles von uns erwarten, was sie von den Dating-Apps kennen.
– Gleichzeitig haben wir aber auch unsere Angebote für spezielle Gruppen/Merkmale mit besonderen Schwierigkeiten bei der Partnersuche ausgedehnt.
Im Ergebnis sehe ich den Erfolg unserer Weiterentwicklungen darin, eine insgesamt gute Vermittlungsrate ohne massive Erosionen beibehalten zu haben. Das ist auch das Ziel, was wir für die Zukunft haben.
Lieber Herr Gebauer,
ich lese meistens Ihre Artikel und finde sie sehr interessant. Sehr nachvollziehbar finde ich unter anderem, dass es klüger sei, sich mit wenigen Vorschlägen gründlich zu beschäftigen, als in einem Überangebot zu versinken, vor lauter Wahlmöglichkeiten oberflächlich zu bleiben und auf diese Weise niemanden wirklich kennenzulernen.
Nun aber meine Frage: Ich selbst bekomme, da ich weiblich und Mitte 60 bin, relativ wenige Vorschläge, auch wenn ich meine Suchkriterien schon so weit, wie ich es verantworten kann, ausgedehnt habe. Diese Tatsache wundert mich eigentlich nicht. Aber die wenigen Männer, die mir vorgeschlagen werden, haben ihrerseits oft hunderte (!!) von Vorschlägen erhalten, kurz nachdem sie sich angemeldet oder nachdem sie eine längere Zeit pausiert hatten. Hunderte Vorschläge, völlige Überflutung — das ist mir mehrmals von vertrauenswürdigen Männern meiner Altersklasse erzählt worden.
Haben Sie schon einmal darüber nachgedacht, wie ein solches Problem der Asymmetrie zu lösen wäre?
Darüber etwas zu lesen würde mich sehr interessieren.
Mit freundlichen Grüßen,
Ulrike
Es gibt keine ausgeprägte Geschlechter-Asymmetrie in der Vorschlagsanzahl. Es gibt bei allen Geschlechtern/Gendern Personen mit sehr viel Vorschlägen, mittelgradig vielen, wenigen, sehr wenigen Vorschlägen. Wir hören also auch von Männern, dass die anderen Frauen sehr viele Vorschläge erhielten. Wir bemühen uns, Vorschläge nach oben zu begrenzen, was aber nicht ganz so einfach ist, weil wir dann ja auch anderen Personen Vorschläge wegnehmen müssen. Viele Vorschläge ergeben sich vorwiegend bei Personen, die ohne geografische Einschränkungen suchen, oft in großen Altersbereichen und ohne starke Einschränkungen bei allen anderen Kriterien. Im Durchschnitt neigen Männer dazu, geografisch großzügiger zu suchen und den Altersbereich nach unten sehr großzügig zu gestalten. Frauen suchen etwas eingegrenzter, im Altersbereich nach unten meistens sehr eng und im Altersbereich nach oben etwas großzügiger als Männer. Auch machen Frauen mehr Einschränkungen bei Körpergröße und bei einigen inhaltlichen Kriterien. Auch deshalb gibt es etwas mehr Männer mit vielen Vorschlägen als Frauen, wobei der Unterschied aber nicht groß ist.
Wir raten Personen, die sehr viele Vorschläge erhalten, neue Vorschläge auszusetzen. Bei den wenigen, die wirklich nach relativ kurzer Zeit 200 bis 300 Vorschläge erhalten, kann es sinnvoll sein, die Suche gar nicht mehr zu aktivieren, sondern einfach schrittweise den Kontakt zu den entsprechenden Personen aufzunehmen, bis eine Beziehung entstanden ist.
Wir haben übrigens festgestellt, dass quantitative Angaben oft grob falsch sind, wenn wir sie nachprüfen. Typischerweise werden Vorschlagsanzahlen je nach Richtung zu niedrig oder zu hoch eingestuft, Antwortraten der anderen zu niedrig, eigene Erstnachrichtenraten zu hoch etc. Das ist ein Muster, was wir sogar bei den meisten entsprechenden Angaben finden, wenn Mitglieder entsprechend an uns herantreten.
Auch Mitglieder mit vielen Vorschlägen werden nahezu nie mit Erstnachrichten überflutet. Die Erstnachrichtenrate ist dazu viel zu niedrig insgesamt, zumal bei Mitgliedern mit vielen Vorschlägen wegen der großzügigeren Suchkriterien die Passung manchmal geringer ist und so auch in Wirklichkeit weniger reagiert wird.
Der beste Weg, Partnerschaft zu finden, ist einfach, eigeninitiativ alle Personen anzuschreiben, die theoretisch womöglich infrage kommen könnten.
Grundsätzlich würden wir aber in der Tat gerne die Vorschläge nach oben weiter begrenzen, auch wenn sich diese Notwendigkeit nur dann ergibt, wenn die empfohlene großzügige geografische Suche mit ebenso sehr großzügigen inhaltlichen Suchkriterien sowie dem Fehlen eigener seltener Merkmale konvergiert. Das Problem ist also kein betont häufiges Problem, zumal eine Reihe von Mitgliedern auch unseren Vorschlag umsetzen, Suchen jeweils auszusetzen.
“Im Durchschnitt neigen Männer dazu, geografisch großzügiger zu suchen und den Altersbereich nach unten sehr großzügig zu gestalten. Frauen suchen etwas eingegrenzter, im Altersbereich nach unten meistens sehr eng und im Altersbereich nach oben etwas großzügiger als Männer.”
Zu diesem Punkt möchte ich gerne etwas anmerken und zwar im Vergleich der Erstnutzung von Gleichklang mit unter 40 und zur mehrere Jahre späteren Nutzung mit ~40+. Ich hatte den Altersbereich in etwa gleich im Bezug auf x Jahre älter/jünger als ich selbst und über 40 ohne Geografieaspekt, jedoch unter 40 mit Geografieaspekt. Trotzdem habe ich unter 40 in kürzerer Zeit wesentlich mehr Vorschläge und auch mehr altersgemäße Vorschläge erhalten als über 40. Es entsteht der Eindruck, dass inzwischen Männer auf Gleichklang nur noch 10-15 Jahre jüngere Frauen suchen – was im Grunde nicht zu mir passt, aufgrund der völlig anderen Generation, damit verbundenen Lebenswirklichkeit und letztendlich auch äußerlichen Aspekten (die Männer sehen alt und verbraucht aus, während ich – offline im realen Leben noch immer für unter 30 geschätzt werde und zwar ohne Make-up oder Ähnliches).
Die Bereitschaft, jemanden erstmal charakterlich kennenzulernen ist auf Gleichklang in der Partnersuche oft sehr gering und natürlich spielt da dann das Aussehen in der Regel einen Hauptfaktor und deshalb fallen die meisten Vorschläge für mich dann auch weg.
Danke für Deinen Kommentar und auch, dass Du im Feld die E-Mail eingegeben hast, mit der Du bei Gleichklang angemeldet bist, sodass ich nachschauen konnte. Du hast in vier Monaten 62 Partnervorschläge erhalten und 128 Freundschaftsvorschläge. Du hast Dir etwas über 40 % der Vorschläge angeschaut, auch 13 Partnervorschläge hast Du nicht angeschaut. Die Vorschläge verteilen sich recht ausgeglichen über die Monate.
Die Anzahl der Partnervorschläge ist im oberen Durchschnittsbereich, die Anzahl der Freundschaftsvorschläge ist zu hoch. Hier würde ich empfehlen, die Kriterien zu verschärfen.
Bei allen Partnervorschlägen wurden Deine Alterssuchkriterien strikt eingehalten und auch Du liegst im Alterssuchbereich aller der beteiligten Männer. Unter den vorgeschlagenen Männern sind zahlreiche in den 40ern, also sehr nah an Deinem eigenen Alter.
Es kann sein, dass früher mehr Vorschläge kamen, was aber auch daran liegen kann, dass wir zahlreiche neue Kriterien eingeführt haben, die die Vorschlagsanzahl deutlich reduzieren, die Passung aber erheblich erhöhen.
Kurz zur Passung:
Ohne Ausnahme sind alle Vegetarier oder interessiert, Vegetarier zu werden, sie suchen keine offenen Beziehungen, sind keine Atheisten, möchten sich mehrheitlich mit Spiritualität auseinandersetzen, schließen dies jedenfalls nicht aus, sind an einem Kennenlernen ohne Sexualität vor der Beziehungsentstehung interessiert, haben keine BDMS-Interessen, sind nicht adipös und befinden sich nicht in einer materiell prekären Situation.
Wenn per Zufall ausgewählt würde, würden vermutlich bei niemand oder 1-2 Personen alle diese Kriterien erfüllt sein. Es liegt also schon eine enorme Maximierung der durch Dich zum Ausdruck gebrachten Passungs-Notwendigkeiten vor. Wir sehen bei Mitgliedern mit Deiner Vorschlagsanzahl, dass sie ungefähr die durchschnittlichen Vermittlungschancen haben wie alle.
Ich sehe, dass Du fast gar keine Erstnachrichten schreibst. Das würde ich Dir raten, zu ändern. Oft wirken Vorschläge nicht unbedingt interessiert und dann entsteht doch noch eine Beziehung, wenn ein echtes Kennenlernen erfolgt. Viele Beziehungen entstehen bei Gleichklang daraus, dass nach längerer Zeit noch einmal zu älteren Vorschlägen zurückgegangen wird.
Hallo und danke für die ausführliche Antwort.
Bei mir sind lediglich 3 Vorschläge 5 Jahre oder mehr jünger von insgesamt etwa 10 jüngeren Vorschlägen. Dem gegenüber stehen etwa 25 Vorschläge, die 5 oder mehr Jahre älter sind als ich.
Insofern bezweifle ich, dass Frauen wesentlich mehr Vorschläge durch einen jüngeren Altersbereich erhalten. Im Gegensatz zum größeren Altersbereich nach oben.
Wenn ähnlich viele Männer ältere Frauen in die Suche miteinbeziehen würden, müssten die Vorschläge bei 5+ Jahre älter/jünger als man selbst ausgewogener sein.
Würde man auf ca. ein ähnliches Alter sowie regionale Suche eingrenzen, kämen noch weniger Vorschläge zustande.
Deshalb würde ich Frauen raten, auch überregional zu suchen, da das mehr Einfluss auf die Vorschlagsanzahl hat.
Eine Mitgliederumfrage zum bevorzugten Altersunterschied bzw. Bereitschaft für Partner, die 5+ Jahre älter/jünger sind, fände ich interessant. Mit zusätzlichen Aspekten für Vegetarier/Veganer (ob und wie stark sich da Unterschiede zB zu Fleischernährung feststellen lassen).
Trotzdem sind es 13 Vorschläge von Jüngeren, wenn auch nur 3 von Jüngeren, die mehr als 5 Jahre jünger sind. Das Entscheidende ist, jeden einzelnen dieser Vorschläge als einen potenziellen Partner zu betrachten und sich auf ein Ausloten einer möglichen Beziehung wirklich einzulassen. Es ist fraglos richtig, dass Frauen, die jüngere Männer suchen, weniger Vorschläge erhalten als Männer, die jüngere Frauen suchen. Die vom Geschlecht/Gender ausgehenden Altersuchpräferenzen laufen auseinander und sie und dies sogar mit wachsendem Alter mehr, also der Überlappungsbereich, in dem potenzielle Vorschläge entstehen können, nimmt dezidiert ab. Die Vermittlungschancen nehmen aber nicht ab, was daran liegt, dass diese entgegen unserer aller intuitiven Vorstellung nicht durch mehr Vorschläge wachsen.
Das Wichtigste ist demnach, den Fokus immer wieder auf jeden einzelnen Vorschlag zu legen und in Kontakt zu gehen. Was wir auch dezidiert empfehlen ist, in der Tat die eher oberflächlichen Suchbereiche, wie Wohnort und Körpergröße, offenzulassen und sich dafür auf die tatsächlich relevanten Suchbereiche, wie ethische Prinzipien, Form der Beziehung etc. auszurichten.
Wir werden, nachdem wir mit unserer neuen Applikation endlich online sind, eine umfassende Auswertung aller bisherigen Eingaben und Erfahrungen von Mitgliedern vornehmen und hier veröffentlichen.