Keine Beziehung ohne Nähe
Gibt es keinerlei Nähe zwischen zwei Personen, besteht auch keine Beziehung zwischen ihnen. Nähe ist insofern die Grundvoraussetzung für jede Form von Beziehung.
Aber einzelne Menschen unterscheiden sich voneinander darin, welches Verhältnis von Nähe zu Distanz für sie in ihren Beziehungen optimal ist:
- Was für die eine Person noch viel zu weit entfernt ist, kann für die andere bereits zu eng sein.
Weicht die erlebte Nähe von der gewünschten Nähe ab, leiden unsere Beziehungen. Dies gilt in beide Richtungen:
- Ein zu wenig und ein zu viel an Nähe kann unsere Beziehungen unglücklich und instabil machen.
Die richtige Balance in einer Beziehung herstellen, können wir nur dann, wenn das Bedürfnis nach Nähe von uns und unseren Beziehungspartner:innen vergleichbar ist.
Das gewünschte Verhältnis von Nähe zu Distanz ist insofern ein fundamentaler Faktor der Partnerwahl. Auch bei Gleichklang geht dieses Kriterien daher prominent in unserer psychologisches Matching ein.
In diesem Artikel stelle ich die Ergebnisse von drei Studien des Psychologen David M. Frost und Kollegen vor, die den Einfluss von erlebter und gewünschter Nähe auf die Beziehungszufriedenheit, die sexuelle Zufriedenheit und die Beziehungsstabilität untersuchten.
Auf der Grundlage dieser Befunde zeige ich auf, was wir bei Gleichklang für Sie tun, damit Ihre Beziehung von Anfang an ausgeglichen und balanciert beginnen kann.
Studien zu erlebter und gewünschter Nähe
Frost und Forrester (2013)
Die Autor:innen befragten 1,659 Personen, die in Beziehungen waren, über ihre erlebte und gewünschte Nähe zu ihren Partner:innen. Ebenfalls wurden die Teilnehmenden zu ihrer Beziehungszufriedenheit, zu möglichen Trennungsgedanken sowie zu möglichen psychischen Beschwerden (z.B. Depressivität) befragt.
Die Teilnehmenden wurden nachfolgend zwei weitere zwei Jahre beobachtet, wobei jährlich noch einmal die gleichen Maße erhoben wurden. Zudem wurde abschließend erfasst, ob sich die Teilnehmenden im Beobachtungszeitraum getrennt hatten oder ihre Beziehungen weiterhin fortbestanden.
Es ergaben sich folgende Ergebnisse;
- Am ersten Befragungszeitpunkt war bei 57,1 % der Befragten die tatsächlich erlebte Nähe zu den Partner:innen geringer war als die gewünschte Nähe. Diese Befragten wünschten sich also mehr Nähe als sie erhielten. Bei 37,6 % gab es keine Diskrepanz zwischen der erlebten und gewünschten Nähe. Diese Befragten wünschten sich also genau das Ausmaß an Nähe zu den Partner:innen, welches sie auch erhielten. Für 5,3 % der Befragten war die erlebte Nähe höher als die gewünschte Nähe. Diese Befragten war die erlebte Nähe zu ihren Partner:innen zu viel.
- Die aktuell erlebte Nähe korrelierte zu allen drei Befragungszeitpunkten positiv mit der aktuellen Beziehungszufriedenheit, sowie negativ mit aktuellen Trennungsgedanken oder aktuellen psychischen Beschwerden. Im Durchschnitt wirkte sich also die tatsächliche Nähe günstig auf Beziehungen und die emotionale Stabilität aus.
- Über die Effekte der tatsächlich erlebten Nähe hinausgehend, korrelierte an allen drei Befragungspunkten die aktuelle Diskrepanz zwischen erlebter und gewünschter Nähe signifikant mit der aktuellen Beziehungszufriedenheit, aktuellen Trennungsgedanken und aktuellen psychischen Beschwerden: Je geringer die Diskrepanz zwischen der erlebten und der gewünschten Nähe war, desto zufriedener waren die Befragten mit ihrer Beziehung, desto seltener dachten sie über eine Trennung nach und desto seltener litten sie unter psychischen Beschwerden.
- Befragte, die im dreijährigen Beobachtungsverlauf eine Abnahme der Diskrepanz zwischen erlebter und gewünschter Nähe berichteten, zeigten eine Zunahme ihrer Beziehungszufriedenheit, sowie eine Abnahme von Trennungsgedanken und eine Abnahme psychischer Beschwerden. Befragte, die eine Zunahme der Diskrepanz zwischen erlebter und gewünschter Nähe berichteten, zeigten eine Abnahme ihrer Beziehungszufriedenheit, sowie eine Zunahme von Trennungsgedanken und eine Zunahme psychischer Beschwerden. Befragte, bei denen die Diskrepanz zwischen erlebter und gewünschter Nähe unverändert blieb, zeigten keine Veränderungen in Beziehungszufriedenheit, Trennungsgedanken und psychischer Beschwerden.
- Befragte, die zum erste Untersuchungszeitraum angaben, sich mehr Nähe zu wünschen als sie erleben, hatten sich zum Abschluss der Untersuchung doppelt so häufig getrennt als Personen, die keine Diskrepanz zwischen erlebter und gewünschter Nähe berichteten. Auch Befragte, die zum ersten Untersuchungszeitraum eine zu große Nähe berichteten, wiesen eine doppelt so hohe Trennungsrate auf wie Personen, bei denen keine Diskrepanz zwischen erlebter und gewünschter Nähe am ersten Untersuchungszeitraum bestand.
Frost, McClelland und Dettmann (2017)
Die Autor:innen untersuchten die Auswirkungen der Diskrepanz zwischen erlebter und gewünschter sexueller Nähe auf die sexuelle Zufriedenheit und die Orgasmushäufigkeit in einer über ein Jahr laufenden Längsschnittstudie. Es zeigten sich folgende Ergebnisse:
- 63,7 % der Befragten gaben an, sich mehr sexuelle Nähe zu wünschen. Bei 33,3 % bestand keine Diskrepanz zwischen erlebter und gewünschter sexueller Nähe. 2,6 % berichteten, sich ein geringeres Ausmaß an sexueller Nähe zu wünschen.
- Personen, bei denen die aktuelle erlebte sexuelle Nähe der gewünschten sexuellen Nähe entsprach,erreichten die höchste sexuelle Zufriedenheit. Je stärker die Diskrepanz zwischen aktueller erlebter und gewünschter sexueller Nähe ausfiel, desto geringer war die aktuelle sexuelle Zufriedenheit.
- Die gleichen Effekte zeigten sich bei der Orgasmushäufigkeit: Je stärker die Diskrepanz zwischen erlebter und gewünschter sexueller Nähe war, desto geringer war die Orgasmushäufigkeit. Die höchste Orgasmushäufigkeit zeigten die Personen, bei denen keine Diskrepanz zwischen erlebter und gewünschter sexuelle Nähe bestand. Diese Effekte blieben aufrechterhalten, wenn für das Geschlecht und die sexuelle Orientierung kontrolliert wurde.
- Teilnehmende, bei denen die Diskrepanz zwischen erlebter und gewünschter sexueller Nähe über den einjährigen Beobachtungszeitraum zunahm, erlebten eine Abnahme ihrer sexuellen Zufriedenheit und ihrer Orgasmushäufigkeit. Teilnehmende bei denen sich die Diskrepanz verringerte, schilderten eine Zunahme ihrer sexuellen Zufriedenheit und Orgasmushäufigkeit. Teilnehmende, bei denen die Diskrepanz sich nicht veränderte, berichteten über keine Veränderung ihrer sexuellen Zufriedenheit und ihrer Orgasmushäufigkeit.
Diese Ergebnisse weisen darauf hin, dass das Ausmaß an erlebter Nähe oder erlebter sexueller Nähe sich in Abhängigkeit von dem Ausmaß der gewünschten Nähe oder gewünschten sexuellen Nähe auf die Beziehungszufriedenheit, die Beziehungsstabilität bzw. die sexuelle Zufriedenheit und Orgasmushäufigkeit auswirkt.
Menschen haben demnach ein unterschiedlich starkes Bedürfnis nach Nähe oder sexueller Nähe zu ihren Beziehungspartner:innen. Wenn die erlebte Nähe der gewünschten Nähe entspricht, werden sie am zufriedensten in ihren Beziehungen und in ihrer Sexualität. Je stärker erlebte und gewünschte Nähe aber voneinander abweichen, desto unzufriedener werden Personen in ihren Beziehungen und in ihrer sexuellen Zufriedenheit. Je höher die Diskrepanz zwischen erlebter und gewünschter Näher zu Partner:innen, desto höher ist zudem das Trennungsrisiko.
Bisher wurden allerdings ausschließlich die Auswirkungen der Diskrepanz zwischen erlebter und gewünschter Nähe auf die eigene Beziehungszufriedenheit untersucht. Die nachfolgend dargestellte Studie untersuchte, inwiefern sich die Diskrepanz zwischen erlebter und gewünschter Nähe einer Person auch auf die Beziehungszufriedenheit ihrer Partner:innen auswirkte.
Frost und LeBlanc (2021)
Die Autor:innen untersuchten die Hypothese, dass die Diskrepanz zwischen der erlebten und gewünschten Nähe einer Person A zu Person B sich nicht nur auf die Beziehungszufriedenheit von Person A, sondern auch auf die Beziehungszufriedenheit von Person B auswirken sollte.
Sie leiteten diese Annahme aus Befunden ab, dass sich Emotionen in Beziehungen übertragen können, sowie daraus, dass eine geringe Beziehungszufriedenheit von Person A sich als Stressor in einer Beziehung auswirken und dadurch auch die Beziehungszufriedenheit von Person B senken kann.
Die Autor:innen untersuchten 103 Paare, die zusammen lebten. Die Paare wurden jeweils getrennt voneinander nach ihrer erlebten und gewünschten Nähe, sowie nach ihrer Beziehungszufriedenheit, nach Trennungsgedanken und nach ihrer sexuellen Zufriedenheit befragt.
Es zeigten sich folgende Ergebnisse:
- Die Diskrepanz zwischen erlebter und gewollter Nähe wirkte sich ungünstig aus auf die Beziehungsqualität der Befragten, wobei sich diese Beziehungsqualität wiederum aus der Beziehungszufriedenheit, der Beziehungsstabilität (keine Trennungsgedanken) sowie der sexuellen Zufriedenheit ergab.
- Nahm die Diskrepanz zwischen erlebter Nähe und gewollter Nähe bei einer Person zu, senkte dies jedoch nicht nur die Beziehungsqualität dieser Person, sondern ebenfalls die Beziehungsqualität ihrer Partner:in.
Bedeutung für die Partnersuche
Erlebte und erwünschte Nähe
Typischerweise wünschen sich Menschen in Beziehungen ein hohes Ausmaß an Nähe zu ihren Partner:innen, weshalb es recht oft vorkommt, dass das erlebte Ausmaß an Nähe geringer ist als das erwünschte Ausmaß an Nähe. Im besten Fall besteht aber keine Diskrepanz zwischen dem erlebten und dem erwünschten Ausmaß an Nähe. In seltenen Fällen tritt sogar das Gegenteil ein, nämlich ein zu viel an Nähe, was bedeutet, dass mehr Nähe erlebt wird als erwünscht wird.
Für eine möglichst hohe Zufriedenheit und Stabilität einer Beziehung, einschließlich der sexuellen Zufriedenheit, ist es optimal, wenn bei beiden Partner:innen keine Diskrepanz besteht bezüglich des Ausmaßes der erlebten und erwünschten Nähe. Je höher die Diskrepanz zwischen erlebter und erwünschter Nähe bei den in einer Beziehung beteiligten Personen demgegenüber wird, desto stärker werden die Beziehungszufriedenheit und die Beziehungsstabilität bei beiden Personen beeinträchtigt.
Es ist gut möglich, dass nur eine Person in einer Beziehung eine Diskrepanz zwischen erlebter und gewünschter Nähe berichtet, z.B. weil diese Person sich ein höheres oder ein niedrigeres Ausmaß an Nähe wünscht als ihre Partner:in. Trotzdem wird aber auch die Partner:in im Sinne einer geringeren Beziehungszufriedenheit hiervon betroffen sein, weil sich in Beziehungen eine Verminderung der Beziehungszufriedenheit bei einer Person gleichzeitig auch negativ auf die Beziehungszufriedenheit der anderen Person auswirkt.
Je stärker bei beiden Partner:innen die Diskrepanz zwischen erlebter und gewünschter Nähe ausfällt, desto stärker wird sich dies negativ auf ihre Beziehungszufriedenheit und die Beziehungsstabilität auswirken.
Grundübereinstimmung hilfreich
Auch wenn meistens Nähe für Beziehungen positiv ist, wird eine Erhöhung der erlebten Nähe zu Partner:innen nicht immer die Beziehungszufriedenheit verbessern können, sondern manchmal wird die Beziehungszufriedenheit sogar unter einer erhöhten Nähe leiden; nämlich dann, wenn sich Partner:innen nicht mehr, sondern weniger Nähe wünschen.
Menschen unterscheiden sich also dahingehend, wie hoch ihr Bedürfnis nach Nähe in einer Beziehung ist:
- Während sich die meisten eher eine hohe Nähe wünschen, gibt es eine geringere Anzahl an Personen, für die Nähe schnell zu viel werden kann. Solche Personen fühlen sich in Beziehungen bei hoher Nähe eingeengt und wünschen sich mehr Distanz. Es handelt sich hier um Personen, die Wert legen auf räumliche, zeitliche und psychische Unabhängigkeit. Bestimmte Lebensmodelle, wie “Living Apart Together” (getrennte Wohnungen), Fernbeziehungen oder auch offene Beziehungen sind für solche Personen oft besonders gut geeignet.
- Beginnen Personen miteinander eine Beziehung, obwohl sie sich stark im Ausmaß an gewünschter Nähe unterscheiden, wird es schwierig oder unmöglich werden, eine Beziehung ohne Diskrepanz zwischen erlebter und gewünschter Nähe zu etablieren. Damit aber geht die Balance verloren, die jedoch für die Beziehungszufriedenheit und Beziehungsstabilität wichtig ist.
- Durch Beziehungsarbeit ist es oft möglich, Kompromisse zu finden, mit denen beide Seiten leben können. Dennoch wird eine optimale Beziehungszufriedenheit nicht erreichbar sein, wenn sich das Bedürfnis nach Nähe zwischen den Partner:innen substanziell voneinander unterscheidet. In diesem Fall ist nämlich für die eine Seite zu wenig, was für die andere zu viel ist. Was für die eine Seite eine Verbesserung ist, ist für die andere Seite eine Verschlechterung.
Wie soll in einer solchen Konstellation eine Lösung gefunden werden, in der beide ihr Beziehungs-Ideal umsetzen können?
So greifen wir bei Gleichklang ein
Bei Gleichklang erfragen wir von allen unseren Mitgliedern ihr Beziehungsideal zwischen den Polen der Autonomie und Symbiose. Die entsprechende Frage lautet folgendermaßen:
- Autonomie versus Symbiose: Wie viel wollen Sie in einer Beziehung gemeinsam und wie viel lieber getrennt tun?
Die Beantwortung erfolgt auf einer fünfstufigen Skala:
- das meiste getrennt tun
- vieles getrennt tun
- manches zusammen, manches getrennt
- vieles zusammen tun
- das meiste zusammen tun
Die entgegengesetzten Pole schließen einen Partnervorschlag aus:
- Personen, die das meiste getrennt tun wollen, werden keinen Personen vorgeschlagen, die das meiste oder auch nur vieles zusammen tun wollen.
- Personen, die das meiste zusammen tun wollen, werden keinen Personen vorgeschlagen, die das meiste oder auch nur vieles getrennt tun wollen.
Durch dieses einfache, aber wirksame Prinzip, erleichtern wir es unseren Mitgliedern, balancierte Beziehungen miteinander aufzubauen, in denen erlebte und gewünschte Nähe übereinstimmen. Dadurch steigen Beziehungszufriedenheit und Beziehungsstabilität.
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