Fest der Liebe
Diese Tage feiern Anhänger der christlichen Religion weltweit die Geburt ihres Stifters Jesus, der jedenfalls nach dem Mythos im Matthäus-Evangelium mit seinen Eltern als Kleinstkind vor Verfolgung in ein fremdes Land, Ägypten, floh.
Das Christentum zählt zusammen mit dem Judentum und dem Islam zu den abrahamitischen Religionen. Über Abraham heißt es in Genesis 12,10: “Es gab eine Hungersnot im Land – deshalb zog Abraham nach Ägypten, um dort als Fremder zu sein, da die Hungersnot schwer auf dem Land lastete.”
Heute aber berufen sich unsere Regierungen und manche andere darauf, die christlich-abendländische Kultur verteidigen zu wollen, indem sie abertausende Menschen im Mittelmeer ertrinken lassen, Menschen in Tod und Elend nach Afghanistan abschieben oder Flüchtlinge zurück in die Folter-, Vergewaltigungs- und Sklaven-Lager nach Libyen drängen.
Sollte der Mythos wahr sein und wären Abraham oder Jesus heute unter uns, sie würden wohl ebenfalls im Mittelmeer ertrinken oder sich schnell in einem Abschiebe-Flugzeug nach Afghanistan befinden.
Die selbst berufenen Verteidiger der christlich-abendländischen Kultur machen sich solche Überlegungen nicht. Schließlich wollen Sie in aller Ruhe und Frieden das Fest der Liebe feiern – Tod, Elend, Ertrinken, oder auch nur der Gedanke an sie sind da störend.
Rein in den Abschiebe-Flieger und raus aus dem Kopf. Oder frei nach dem Motto des US-amerikanischen Präsidenten Trump: Mauer hochziehen und ob die Menschen in der Wüste verdursten, ist nicht unsere Sache.
Auf das Fest der Liebe legt übrigens auch der US-amerikanische Präsident größten Wert und er begeht es gemeinsam mit seinen evangelikalen Freunden.
Gerne verzehren Menschen zu Weihnachten übrigens Gänse, Karpfen, Kälber und viele andere Tiere. Das Leben dieser meistens von Anbeginn an geschundenen Tiere landet so als Mahlzeit auf unseren Tellern.
Zum Fest der Liebe können wir uns aus unzähligen Kochbüchern Anregungen geben lassen und alle Arten von Tieren und Tierteilen stehen in den Supermärkten zu unserer freien Verfügung.
Liebe – wie kann sich ein Begriff so in sein Gegenteil verkehren?
Dies ist eine Frage, die auch uns bei Gleichklang beschäftigt. Denn die Verkehrung findet nicht nur auf der gesellschaftlichen, staatlichen oder überstaatlichen Ebene statt, sie beginnt bereits in unseren Beziehungen. Sie betrifft also auch den Kernbereich unserer Tätigkeit bei Gleichklang, nämlich der Ermöglichung und Stiftung von Partnerschaften und Freundschaften.
Es heißt, Liebe und Hass seien nah beieinander. Man könnte es glauben, wenn man über Tragödien bis zum Eifersuchts-Mord liest. Solche Tragödien sind selten, aber kleinere Dramen spielen sich tagtäglich in Millionen Beziehungen ab.
Ist Liebe also ein gefährlicher Abgrund?
Ich möchte eine Lanze für die Liebe brechen. Denn ich glaube, dass der ganze Hass und die ganze Grausamkeit, die tagtäglich unter dem Mantel der Liebe geschehen, auf einem Missverständnis, einer Verwechslung beruhen:
Wir halten für Liebe, was reinste Selbstsucht ist.
Wir verfolgen unsere Partner mit Eifersucht, kontrollieren sie, streiten und drohen. Wir nennen es Liebe, aber alles dreht sich um uns selbst. Es ist bequemer, dies nicht zu sehen. Wir stilisieren uns lieber zum Opfer, obgleich wir Täter sind.
Wie in der Politik, so auch in unseren Beziehungen
Wir wollen besitzen und das Leben nicht wirklich miteinander teilen. Auf Begriffe, wie die Liebe, wollen wir aber dennoch nicht verzichten. Wir halten an ihnen ritualhaft fest, verkehren aber ihre Bedeutung in ihr Gegenteil.
Diese Verkehrung der Liebe in ihr Gegenteil lässt uns auch bei Gleichklang nicht unberührt. Unsere Antwort ist jedoch nicht, mit dem Strom zu schwimmen und das angeblich Unvermeidbare zur Norm zu erklären. Unsere Antwort ist, an der Liebe festzuhalten.
Im Rahmen unserer bescheidenen Möglichkeiten wollen wir mit dazu betragen, eine auf dem Kopf stehende lieblose Welt zurück auf die Füße und damit auf eine liebevolle Grundlage zu bringen.
In Hamburg und Berlin haben wir vor Kurzem plakatiert:
- Liebe und Nächstenliebe sind untrennbar – Asyl für die Liebe in einer lieblosen Zeit
- Welcome – Liebe ist Menschlichkeit
Ab und zu erhalten wir Zuschriften, wir sollten uns bitte auf unsere Dienstleistung konzentrieren und einfach Partnerschaften vermitteln.
Doch beides gehört zusammen:
- bei Gleichklang möchten wir Beziehungen stiften, die den Namen Liebe verdienen. Deshalb möchten wir eine Community von Menschen sein, die Liebe nicht mit Selbstsucht verwechselt. Genau dies hilft gleichzeitig unseren Mitgliedern, Partnerschaft zu finden. Denn mit wem ist echte Liebe eher möglich – mit jemanden, der Kinder vor dem Ertrinken aus dem Meer retten oder ganze Familien nach Afghanistan abschieben lassen möchte?
Dies bedeutet übrigens nicht, dass wir bei Gleichklang Menschen ausgrenzen würden, wie uns gelegentlich in Zuschriften vorgeworfen wird. Diejenigen, die heute auf den Straßen gegen Geflüchtete hetzen und “Absaufen lassen” rufen, sind derzeit zur Liebe nicht fähig und finden deshalb bei Gleichklang keinen Platz. Ab dem Tag, wo sie zur Liebe zurückgefunden haben, sind sie aber bei uns jederzeit willkommen.
Wir sind und bleiben also eine Plattform für eine Liebe, die kein Ritual ist, sondern an ihrer Wortbedeutung festhält. Dies ist unser Auftrag, den wir erfüllen. Wer dies ebenso sieht, kann bei Gleichklang die Liebe finden.