Green-Dating-Plattformen und ihre Mitglieder
Weltweit gibt es eine Reihe von ökologischen Dating-Plattformen.
Zielstellung dieser Plattformen ist es, Menschen mit ausgeprägten ökologischen Denkweisen und Handlungsweisen dabei zu unterstützen, Beziehungspartner zu finden, mit denen sie ihre Überzeugungen und Lebensweisen in eine partnerschaftliche Beziehung integrieren können.
Dieser Artikel zeigt anhand eigener Daten von Gleichklang und einer qualitativen Studie von Lukas Kala auf, wer sich bei diesen Kennenlernplattformen trifft und durch welche übergreifenden Thematiken sich die Mitglieder kennzeichnen.
Ich gehe aber auch auf mögliche Diskussionen ein, nach denen sich hinter Green-Dating Selbstgerechtigkeit verbergen könnte, ein Vorwurf, den aktuell beispielsweise Sahra Wagenknecht gegen die die vegane Bewegung, Bio-Konsumenten und all diejenigen erhebt, die sich für (angeblich) “skurille Minderheiten” oder Konsumverzicht einsetzen.
Gleichklang als Green-Dating-Plattform
Gleichklang steht im deutschsprachigen Raum in der Tradition der sogenannten Green-Dating-Plattformen, wobei sich die Gleichklang-Community neben dem Bezug zu ökologischen Themen durch die mehrheitliche Zustimmung zu einer Reihe weiterer emanzipatorische Grundeinstellungen kennzeichnet.
Eine neuerliche Umfrage unter Gleichklang-Mitgliedern zeigte beispielsweise für neun emanzipatorische Themen folgende Zustimmungsraten (“mir liegt besonders am Herzen“):
- 99,5 % Stopp der Zerstörung unserer Umwelt
- 96,8 % Überwindung der Tierausbeutung
- 98,6 % Chancengleichheit für Menschen mit Behinderungen und Erkrankungen
- 96,7 % Überwindung von Rassismus und Antisemitismus
- 93,6 % Rechtspopulismus und Rechtsradikalismus stoppen
- 90,6 % Gleichberechtigung Homo und Bisexueller, einschließlich Heirats- und Adoptionsrecht
- 86,1 % Einsatz für Flüchtlinge
- 85,5 % Gleichberechtigung der Geschlechter, Überwindung patriarchalischer Strukturen
- 84,5 % Gesellschaftliche Emanzipation von Transgender, drittem Geschlecht (Intersexualität) und geschlechtlicher Diversität
73,2 % der Mitglieder stimmten allen neun emanzipatorischen Grundeinstellungen zu. 85,7 % der Mitglieder stimmten mindestens acht von neun Grundeinstellungen zu.
Was verbirgt sich hinter diesem Einstellungs-Muster von Gleichklang-Mitgliedern?
Wieso möchten sich Menschen mit einer so stark erhöhten ökologischen und sozialen Sensitivität untereinander kennenlernen?
In manchen Medienberichten wird dies unter dem Begriff der Kuriosität behandelt:
- so taucht Gleichklang in diesem Medienbericht ernsthaft unter der Überschrift auf: “Für Metzger oder Bartliebhaber: Die kuriosesten Singlebörsen“
Tatsächlich gibt es zwischen einer Kennenlernplattform für ökologisch denkende Menschen und einer Partnerböse für Metzger bedeutsame Unterschiede:
- bei ersterer treffen sich Menschen, die das Streben nach einer friedfertigeren, nachhaltigeren Welt verbindet.
- bei letzterer treffen sich Menschen, die Tiere töten, ausnehmen und zu Fleisch verarbeiten.
Das daraus resultierende Tierleid geht dabei, wie mittlerweile zahlreiche Studien (siehe auch hier) belegen, einher mit der Zerstörung unserer natürlichen Lebensgrundlagen:
- keine Ernährung ist so nachhaltig und ressourcenschonend wie die pflanzenbasierte Ernährung.
- keine Ernährung ist so ressourcenvergeudend wie eine Ernährung mit Fleisch und anderen Tierprodukten.
Studien zeigen, dass dies übrigens auch für die Bio-Tierhaltung gilt:
- würden wir deren Platzbedarf auf die Versorgung von mehr als sieben Milliarden und demnächst neun Milliarden Menschen übertragen, gäbe es auf unserer Welt wohl kaum noch irgendeine freie Naturfläche – bereits jetzt besetzt die Nutztierhaltung (einschließlich Anbau von Tierfutter) mehr als 70 % der weltweiten landwirtschaftlichen Flächen, wobei der Landbedarf bei Bio-Nutztierhaltung sogar höher ist.
Die Basis von Green-Dating ist vor diesem Hintergrund, dass sich Menschen in Anbetracht der globalen Zerstörung von Wäldern, Steppen, Meeren, Flüssen und Seen, dem Verlust der Artenvielfalt, der Vergiftung von Böden, Wasser und Luft, dem menschengemachten Klimawandel und dem milliardenfachen Tierleid in Beziehungen zusammenschließen, um ein Gegenmodell zu leben.
Missverständnisse
Manchmal wird ein gesellschaftlich ausgerichteter Ansatz wie bei Gleichklang mit Ausgrenzung verwechselt.
Ich zitiere in diesem Zusammenhang die empörte Bewertung eines männlichen Mitgliedes bei Google Maps, welches sich darüber ärgert, dass in unserer in Kürze Online gehenden Naturkontakt-Liste keine mit Tiertötung einhergehenden Tätigkeiten, wie Angeln, Fischen oder Jagen aufgenommen werden:
- Aktuell werden jetzt auch die Angler bei Gleichklang an den Pranger gestellt und per se als Tiertöter bezeichnet. Die Gewässerpflege und der Naturschutzeinsatz der Angelvereine wird als Euphorismus ausgewiesen. Die Philosophie von Gleichklang ist 100% was für Veganer, dafür setzen sie sich ein und führen ihren idealistischen Kampf. Für mich geht das deutlich zu weit. Eine Partnerbörse hat sich nicht in meine private Freizeitgestaltung einzumischen und mir vorzuschreiben welche ich davon (innerhalb der gesellschaftlichen Norm in der wir leben) in mein Profil setzen darf.
Wir haben darauf Folgendes geantwortet:
- Gleichklang ist keine weltanschaulich neutrale Dating-Plattform, sondern tritt ein für eine Welt ohne Umweltzerstörung und Tiertötung für menschliche Konsum- oder Vergnügungsbedürfnisse. Mehr als die Hälfte der Mitglieder isst entweder bereits jetzt schon kein Fleisch mehr oder will künftig mit dem Fleischkonsum aufhören. Nach unseren Umfragen essen nur ca. 2 % der Mitglieder jeden Tag Fleisch. Angeln und Jagen sind Tötungshobbys, die mit der Gleichklang-Community nicht vereinbar sind. Fische brauchen die Angler nicht und unsere Gewässer auch nicht. Wer irgendetwas schützen will, muss nicht töten. Danke, dass Du durch Deinen Kommentar dieses Merkmal der Gleichklang-Community noch einmal so klar herausgestellt hast.
Die Ansicht, welche diesem und vergleichbaren Beiträgen zugrunde liegt, ist, dass eine Kennenlernplattform “neutral” zu sein habe, sich nicht einmischen dürfe und die Anliegen aller mitzutragen habe.
Hier beginnt jedoch bereits das Missverständnis. Denn in Wirklichkeit sind diejenigen keineswegs “neutral“, die schweigen, alles dulden und damit implizit zu einem “weiter so” aufrufen.
Trotzdem sieht sich sicherlich die große Mehrheit der Dating-Plattformen als genau in diesem Sinne vorgeblich “neutral”:
- sie sehen es nicht als ihre Sache an, ob womöglich künftige Paare sich gegen Raubbau an unserer Umwelt einsetzen, für eine pflanzenbasierte Lebensweise eintreten, sich für Geflüchtete einsetzen – oder ob sie umgekehrt bei Pegida für Fremdenfeindlichkeit und Nationalismus marschieren.
Gerade in Anbetracht dieser Mehrheit besteht Bedarf für Dating- und Kennenlernplattformen, die ihre Mitglieder gezielt dabei unterstützen, gemeinsam mit ihren Beziehungen für diese Welt nicht das Problem, sondern Teil der Lösung zu sein.
Ausrichtung von Gleichklang
Zur Verdeutlichung dieser Zielausrichtung erlaube ich mir, einfach einmal einen längeren Text von unserer Startseite zu zitieren:
“In einer Welt, in der vieles falsch läuft, solltest Du nicht allein sein, sondern sie gemeinsam verbessern.”
Die Gleichklang-Community ist eine Mitglieder-Community und Kennenlern-Gemeinschaft von derzeit etwas über 20500 Mitgliedern, die nach Partnerschaft, Freundschaft oder Reisepartnern suchen und denen Ökologie, Mitgefühl, Solidarität und Mitmenschlichkeit am Herzen liegen.
Über die Gleichklang-Community entstehen wertschätzende und liebevolle Beziehungen zwischen Menschen, die gemeinsam mehr Mitmenschlichkeit, Freundlichkeit und Solidarität in die Welt bringen wollen.
Die Finanzierung und Weiterentwicklung der Gleichklang-Community erfolgen über eine jährliche Mitgliedschafts-Gebühr, die alle Mitglieder entrichten. Diese Gebühr kann aber sozial ermäßigt werden, da eine Teilnahme bei Gleichklang nicht am Geldbeutel scheitern soll und darf. …
Alle Mitglieder von Gleichklang akzeptieren die Community-Regeln eines solidarischen Miteinander. Eine Mitgliedschaft bei Gleichklang setzt die Bereitschaft voraus, freundlich miteinander umzugehen. Gleichklang ist weit mehr als eine typische Singlebörse, sondern ein psychologisch fundiertes und weltanschaulich sozial-ökologisch ausgerichtetes Netzwerk für eine effektive Partnersuche, Freundschaftssuche und Reisepartnersuche.
Nicht vereinbar mit der Grundausrichtung der Gleichklang-Community sind rechtspopulistische oder rechtsradikale Positionen, Rassismus, Fremdenfeindlichkeit, Antisemitismus, Sexismus, Frauenfeindlichkeit, Homophobie, Diskriminierung von Menschen mit non-binärem Geschlecht, sowie die Leugnung der tiefgreifenden Umweltprobleme auf unserem Planeten (wie des menschengemachten Klimawandels).
Auch eine Nähe zu Positionen rechtspopulistischer Parteien, wie in Deutschland beispielsweise die AfD, in Österreich die FPÖ oder in der Schweiz die SVP, ist mit der Ausrichtung der Gleichklang-Community nicht vereinbar. …
Vom traditionellen Modell einer festen Zweier-Beziehung bis zu erfolgt Beziehungsformen können Gleichklang-Mitglieder durch die Angabe von Suchkriterien nach Menschen suchen, die zu ihnen passen. Verbindende Merkmale aller Gleichklang-Mitglieder sind hohe ökologische Sensitivität und Streben nach Gerechtigkeit und Mitmenschlichkeit.
Auch den Bezug zu fleischlos, pflanzenbasiert und vegan machen wir auf unserer Startseite unmittelbar öffentlich:
“In einer Welt, in der wir Hunde streicheln und Lämmer essen, solltest Du nicht allein sein, sondern gemeinsam verantwortlich leben.”
Pflanzenbasierte Ernährung und Beendigung der Ausbeutung der Tiere liegen uns am Herzen. Gleichklang ist so die führende Kennenlern-Plattform für das vegane und vegetarische Online-Dating im deutschsprachigen Raum geworden.
Mitglieder von Gleichklang setzen sich für die vegane und vegetarische Lebensweise ein. Sie möchten die milliardenfache Tötung und Ausbeutung von Tieren überwinden, indem sie auf Fleisch oder alle Tierprodukte verzichten. Sie suchen nach einer Partnerschaft oder Freundschaft, in der sie ihre vegane oder vegetarische Lebensweise und Werte miteinander teilen können.
Viele Gleichklang-Mitglieder wollen auch eine neue Partnerschaft oder Freundschaft zum Anlass nehmen, um vegan oder vegetarisch zu erfolgt werden. Die Einstellung ist also bereits vorhanden, aber die Gewohnheit ist noch nicht ganz überwunden.
Vegetarier und vegan lebende Menschen gehören zu unserem Kernklientel und Gleichklang zieht daher vegetarisch und vegan lebende Menschen besonders an. So können wir gleichzeitig für unsere vegan und vegetarisch lebenden Mitglieder eine besonders effektive Form der Partnervermittlung und Freundschaftssuche ermöglichen.
Derzeit sind ungefähr 27 % der Mitglieder von Gleichklang Vegetarier. Ungefähr 7 % der Mitglieder von Gleichklang leben vegan. Außerdem geben aber insgesamt ca. 50 % der Gleichklang-Mitglieder an, dass sie entweder bereits jetzt fleischlos leben oder gerne zukünftig vegetarisch oder vegan leben wollen. 20 % sind bereits vegan oder wollen gerne künftig vegan werden. Die Partnersuche unserer veganen und vegetarischen Mitglieder unterstützen wir gezielt mit einer speziellen vegan-vegetarischen Suchoption.
Thematiken bei Green-Dating-Plattformen
Was aber verbindet Menschen, die bei ökologischen Dating-Plattformen ihr Partnerglück oder Freundschaften suchen?
Mit dieser Frage setzt sich ein Artikel von Lukas Kala unter dem Titel “Green and Single: The role of green distinction” auseinander, der auf einer thematischen Analyse von Profilen auf Green-Dating-Webseiten.
In dieser Analyse konnte Kala fünf übergeordnete Themen identifizieren, die wir auch bei vielen Gleichklang-Mitgliedern sehen.
Allerdings bedeutet dies nicht, dass es bei Gleichklang-Mitgliedern bezüglich dieser Themen keine Unterschiede oder Kontroversen gegen würde, wie sicherlich bereits aus der Benennung der Themen deutlich werden wird.
Ich gehe im Anschluss auf diese Unterschiede ein und zeige, wie sich Gleichklang-Mitglieder anhand dieser Themen differenzieren.
Diese Differenzierung ist übrigens auch ein Grund, warum trotzdem für die Vermittlung ein Matching-Algorithmus erforderlich ist.
Dies sind die fünf Themen:
- Individuelle Verantwortungsübernahme: Das Streben, persönliche Verantwortung für die Erhaltung unserer Umwelt zu übernehmen. Das eigene Leben nachhaltig, ökologisch verträglich und verantwortlich zu gestalten. Die Autoren zitieren hierfür diese sehr prägnante Aussage einer Interviewpartnerin: “Der Versuch, so verantwortungsvoll wie möglich zu leben, erscheint schwierig, wenn man keine Unterstützung von Familie oder Freunden erhält. Deshalb scheint es mir wichtig zu sein, eine Person zu finden, die meine Ansichten teilt, ohne zu sagen, dass ich ein Fundamentalist oder Ähnliches sei. Ich versuche nur, den Raum, in dem ich lebe, und meine eigene Gesundheit auf die einfachste und natürlichste Weise zu schützen.”
- Selbst-Erkenntnis und Spiritualität: Sich um Selbst-Erfahrung, Selbsterkenntnis, personale Integrität und Wachstum zu bemühen. Oft auch in einem spirituellen Sinne. Zitat eines Interviewpartners: “Ich war auf einer “Mainstream”-Dating-Website, aber ich habe gemerkt, dass ich ständig Typen mit “Agnostiker” neben ihrem Namen sehe und ich möchte jemanden, mit dem ich meinen Glauben teilen kann. Ich fühle wirklich das das Bedürfnis, meine Praxis (sei es Yoga, Meditation, Kirtan oder ein Spaziergang im Wald mit einem Freund) über alles andere zu stellen.”
- Gewollter Minimalismus: Ein einfaches Leben führen, selbstgenügsam sein, auf Hyperkonsum verzichten, sich entlasten von Ballast, Bescheidenheit üben und gerade zu zum personalen Glück finden. Zitat einer Interviewpartnerin: “Ich hoffe, dass ich mich mit herzzentrierten Menschen verbinden kann, die inspiriert sind, unser Leben mit weniger Fußabdruck zu leben und eine herzzentrierte Verbindung miteinander und mit der Natur zu schaffen.”
- Abgrenzung von der Mehrheitsgesellschaft (“Green codes“): Sich mit der Mehrheitsgesellschaft, ihren Einstellungen, Konsum- und Produktionspraktiken kritisch auseinandersetzen und sich bewusst von ihr abgrenzen. Zitat einer Interviewpartnerin: “Ich strebe danach, mich spirituell und philosophisch vom Mainstream abzuheben… Ich bin hier, um ein Leben zu leben, das vielfältig und sinnvoll ist; um ein vollständiger Mensch zu werden; und um die Welt um mich herum zu verändern, indem ich das tue.”
- Alternative Ernährungspraktiken: Pflanzenbasierte Ernährung, sich gesund und vollwertig ernähren, ohne die Tötung oder Nutzung von Tieren. Hier das vom Autor selbst als recht harsch bezeichnete Zitat eines Interviewpartners: “Ich bin auch ein entschiedener Gegner von Speziesismus. Ich bin es leid, von Menschen umgeben zu sein, die bewusst meine hohen ethischen Standards ignorieren oder zerpflücken. Ich werde mich nicht mehr mit Fleischessern verabreden! Ich suche nach Menschen, die meine Philosophie und Interessen teilen.”
Lukas Kala gelangt so in seiner abschließenden Bewertung zu dem Schluss, dass ökologisch bewegte Singles (“green Singles“) ihre Lebensweise in Abgrenzung zum Mainstream definieren, wichtigen Narrativen folgen, wie individuelle Verantwortungsübernahme, Selbsterkenntnis, einfaches Leben, eine hohe Affinität zur vegetarischen oder veganen Lebensweise zeigen und dabei Wert darauf legen, einen Beziehungspartner: in mit vergleichbaren Werten kennenzulernen. Letzteres ist quasi der Grund dafür, warum es ökologische Dating-Plattformen überhaupt gibt.
Unterschiede bei Gleichklang
Gleichklang-Mitglieder (und sicherlich auch “green Singles” im Allgemeinen) unterscheiden sich allerdings in allen fünf Themen in dem Ausmaß, in dem sie diese Themen in ihr Leben integrieren und handlungsrelevant machen.
Zudem untergliedern sich Gleichklang-Mitglieder beim Thema “Selbst-Erkenntnis und Spiritualität” – grob dargestellt – in zwei sich oppositionell gegenüberstehende Gruppen, wobei “oppositionell” nicht als feindlich gemeint ist, aber dennoch teilweise erhebliche Gegensätzlichkeiten erkennbar werden.
Stärke von Einstellung und Handlungsbezug
Gleichklang-Mitglieder schwanken zwischen den Polen derjenigen, die in hohem Ausmaß in ihrem gesamten Alltag auf Umweltbezug achten, Ressourcen überall schonen, sich pflanzenbasiert ernähren, Konsumbedürfnisse reduzieren, nach einem einfachen Leben suchen, sowie die Konsum- und Produktionsstrukturen der Mehrheitsgesellschaft klar ablehnen und sich von ihnen abgrenzen – und denjenigen, die grundsätzlich für eine nachhaltige Lebensweise plädieren, aber in einigen oder allen Bereichen eine grundlegende Verhaltensänderung bisher nicht oder nur tendenziell vorgenommen haben.
Während die Richtung der inneren Einstellungen in aller Regel übereinstimmt, geht es hier also um die Intensität der Einstellungen und ihren Handlungsbezug.
Motivation zur Veränderung
Interessanterweise sehen wir, dass viele Mitglieder ihren Handlungsbezug künftig erweitern und dafür die bei Gleichklang gesuchten sozialen Beziehungen mit zum Ausgangspunkt nehmen möchten:
- deutlich wird dies beispielsweise beim Thema der pflanzenbasierten Ernährung, die in einem stringenten (veganen) Sinne von ca. 7 % der Mitglieder praktiziert wird (Gesamtgesellschaft maximal 2 %). Es geben jedoch noch einmal doppelt so viele Mitglieder an, künftig ohne den Konsum tierischer Produkte leben zu wollen.
Solche Mitglieder möchten gerade gerne vegan lebende Mitglieder oder Mitglieder, die ebenfalls vegan werden möchten, kennenlernen, um gemeinsam in die vegane Lebensweise zu starten.
Partnersuche bei Gleichklang ist insofern für viele Mitglieder gleichzeitig ein Prozess der Veränderung zu mehr Konsistenz mit sich selbst und Nachhaltigkeit.
Green Dating-Plattformen erfüllen entsprechend nicht nur eine individuelle, sondern ebenso eine gesellschaftliche Funktion durch die Anregung und Unterstützung von umweltbezogenen Verhaltensänderungen.
Denn würden die Menschen, die bestimmte Grundeinstellungen zwar irgendwie mehr oder weniger haben, aber sie nicht umsetzen, Partnerschaften aufbauen mit Menschen, die voll im Konsum- und Produktionsstrom mit schwimmen wollen, würde die angestrebte Handlungsumsetzung aller Wahrscheinlichkeit nach verschütt gehen.
Wir werden zu diesem Thema demnächst ebenfalls eine Umfrage starten, wissen aber bereits jetzt aus vielen individuellen Rückmeldungen über die Jahre, dass eine Reihe von Mitgliedern die Zeit bei Gleichklang und hier gefundene Beziehungen nutzt, um sich mehr ökologisch und nachhaltig zu engagieren.
Die häufigsten Veränderungswege von Gleichklang-Mitgliedern und Paaren, die uns bekannt werden, sind dabei der Wechsel von einer fleischbasierten Mischkost zu einer vegetarischen Ernährung, oder von einer vegetarischen zu einer veganen Ernährung.
Widersprüche und Gegensätze
Während es bisher vorwiegend um Unterschiede der Stärke von Einstellungen und Handlungsmustern ging, tritt beim Thema “Selbst-Erkenntnis und Spiritualität” eine klare Gegensätzlichkeit zwischen den Mitgliedern auf:
- 55 % der Mitglieder bejahen Spiritualität als einen wichtigen Lebenswert.
- 17 % lehnen Spiritualität aber dezidiert ab.
- 27 % der Mitglieder nehmen gegenüber Spiritualität eine weder positive noch negative Haltung ein.
Die Zahlen mögen auf den ersten Blick eine klare Assoziation zwischen Gleichklang als “ökologischer Kennenlernplattform” und “Spiritualität” nahelegen.
Aus einer repräsentativen Befragung 2017 in Deutschland entnehme ich jedoch, dass 44 % der Befragten an einen Gott glauben und zusätzliche 25 % an einen Geist oder eine andere Kraft, die das Leben lenkt.
Die grundsätzliche Bejahung übersinnlicher Kräfte ist demnach in der Gesellschaft insgesamt weit verbreitet, was die 55 % derjenigen bei Gleichklang, die Spiritualität bejahen, nicht unbedingt als außergewöhnlich hoch erscheinen lässt.
Trotzdem gibt es aber einen Zusammenhang, der deutlich wird, wenn wir beispielsweise repräsentative Daten zur Frage heranziehen, wie viele Menschen in Deutschland aktuell meditieren:
- dies sind nach einer vorliegenden Erhebung aus dem Jahr 2019 7 %.
- bei Gleichklang sind es aber 49 % aller Mitglieder – ein Vergleich, der also wirklich heraussticht.
Ähnliches zeigt sich beim Thema Yoga:
- in der gleichen Umfrage gaben 6 % der Befragten an, aktuell Yoga zu praktizieren.
- unter den Gleichklang-Mitgliedern tun dies aber 47 %.
- Meditation, Yoga oder beides betreiben sogar 64 % der Gleichklang-Mitglieder.
Auf Selbsterfahrung ausgerichtete erlebnisbezogene Praktiken sind also bei Gleichklang erheblich stärker vertreten als in der Allgemeinbevölkerung.
Wie aber ist der Zusammenhang zu Spiritualität zu bewerten?
Die Zahlen sagen folgendes:
- 80 % derjenigen, die Spiritualität bejahen, betreiben Meditation, Yoga oder beides.
- 49 % derjenigen, die Spiritualität weder bejahen noch verneinen, betreiben Meditation, Yoga oder beides.
- 26 % derjenigen, die Spiritualität verneinen, betreiben Meditation, Yoga oder beides.
Es ergibt sich insofern ein deutliches und doch komplexes Bild:
- ein klarer Zusammenhang zu Spiritualität ist erkennbar: Meditation und Yoga sind oft in eine spirituelle Ausrichtung eingebunden.
- mehr als jedes vierte Mitglied, welches Spiritualität ablehnt, betreibt aber ebenfalls Yoga und Meditation, was eine deutlich höhere Rate ist als in der Allgemeinbevölkerung.
Es lässt sich von daher schlussfolgern, dass Gleichklang als Kennenlernplattform für ökologisch-nachhaltige ausgerichtete Menschen oftmals Menschen für sich interessiert, die sich für auf Selbsterfahrung ausgerichtete Erlebnispraktiken interessieren, wie Mediation oder Yoga, die wiederum ebenfalls recht häufig in ein spirituell ausgerichtetes Einstellungssystem eingebettet sind.
Es gibt aber eine zweite, kleinere Gruppe von Mitgliedern, die spirituelle Bezüge ablehnen und sich nicht für auf Selbsterfahrung ausgerichtete Erlebnispraktiken, wie Mediation und Yoga, interessieren.
Zusätzlich gibt es diverse Zwischengruppen, die Spiritualität weder positiv noch ablehnend gegenüberstehen, von denen wiederum einige auf Selbsterfahrung ausgerichtete Erlebnispraktiken, wie Mediation und Yoga, betreiben, andere aber nicht. Oder auch Mitglieder, die dezidiert Spiritualität ablehnen, Meditation und Yoga aber für eine verbesserte seelisch-körperlichen Balance dennoch heranziehen.
Selbsterfahrung und Spiritualität mögen insofern als mögliche und recht häufige, nicht aber als notwendige Merkmale von Mitgliedern bewertet werden, die sich bei ökologisch ausgerichteten Dating-Plattformen begegnen.
Rolle des psychologischen Matching
An dieser Stelle tritt bei Gleichklang der psychologische Matching-Algorithmus in Erscheinung, der einen dahingehenden Ausgleich durchführt, dass Personen mit Zustimmung zu Spiritualität und Ablehnung von Spiritualität typischerweise (je nach Stärke der formulierten Ablehnung oder Zustimmung) nicht einander vorgeschlagen werden, um die Kompatibilität zu erhöhen.
Dadurch sollen mögliche spätere Alltagskonflikte gemindert werden, vor allem aber soll dadurch entstehenden Gleichklang-Paaren positive gemeinsame Erfahrungen auf der Basis geteilter Grundprinzipien leichter ermöglicht werden.
Nachhaltigkeit als Selbstgerechtigkeit?
Ich möchte mich abschließend mit einer potentiellen Kritik an der Grundausrichtung unserer Kennenlern-Community auseinandersetzen, wie sie beispielsweise derzeit in einem völlig anderen Kontext von Strömungen um Sahra Wagenknecht allgemeingesellschaftlich vertreten wird:
Sahra Wagenknecht wendet sich in einer Kolumne unter dem Titel “Die große Fleisch-Täuschung: Der Verbraucher steht als Schuldiger da – zu Unrecht” gegen die Verteuerung von Fleisch, da dies die Niedrigverdienenden treffe, die sich die “hippe Biokost” nicht leisten können. Sie stellt die Frage, ob sich “der Staat wirklich anmaßen sollte, seinen Bürgern über den Geldbeutel den Speiseplan vorzuschreiben.”
In einem Interview mit dem Tagesspiegel unter dem Titel “Die Forderung, dass Fleisch teurer wird, ist sozial ignorant“ äußert Wagenknecht:
- “In einer Wirtschaft, die auf Wegwerfproduktion und Ressourcenverschleiß setzt, kann niemand klimafreundlich leben. Natürlich kann ich jetzt sagen, dass ich privat kaum fliege und wenig Fleisch esse. Aber zu viel Fleisch ist ja auch ungesund und wir machen in der Regel in Frankreich Urlaub, wo die Anfahrt mit dem Auto näher liegt. Will sagen: Ich halte nichts von dieser Konsumdebatte, weil die Wurzel der Probleme woanders liegt. Der Konsument kann das Klima nicht retten. Das können nur Politik und Wirtschaft.”
In einem Spiegel-Interview äußert Sahra Wagenknecht gar folgendes zur veganen Ernährung:
- “Viele werden aus löblicher Absicht Veganer. Aber wenn dadurch noch mehr Schiffe mit Soja, Quinoa, Amarant die Weltmeere kreuzen, angetrieben vom besonders schädlichen Schiffsdiesel, dann hat das weit negativere Klimaeffekte als der Grillabend einer Familie, die gern Fleisch isst. “
An dieser Stelle kann jeder die Fakten nachlesen:
- ein verschwindend kleiner Teil des Sojaanbaus ist für den direkten menschlichen Konsum gedacht und dieser ist im Übrigen recht oft Bio.
- demgegenüber wandert der überwältigende Anteil des in Brasilien und anderswo nicht nachhaltig angebauten Soja in die Tierfutterproduktion und damit in eben die Grillprodukte, die Sahra Wagenknecht euphemistisch als klimafreundlichen familiären Grillabend beschreibt.
Sahra Wagenknecht wendet sich jedoch nicht nur gegen die vegane Lebensweise und Fleischverzicht, sondern ebenso gegen (so von ihr bezeichnete!) andere “skurrile Minderheiten”, was sich u.a. gegen Schwule, Lesben, Bisexuelle, Transgender und andere non-binäre Personen richtet.
Verkürzt lautet die Position, dass alle die, die für eine vegane und nachhaltige Welt einstehen und die sich für die Emanzipation und Akzeptanz von Diversität in dieser Welt einsetzen, in Wirklichkeit die Interessen der sogenannten “kleinen Leute” vergessen hätten, selbstgerecht seien, wie das neuste Buch von Sahra Wagenknecht impliziert.
Wäre dieser Vorwurf wahr, Gleichklang wäre geradezu eine Personifizierung eben dieser gesellschaftlich vorgeblich selbstgerechten Haltung.
Betrachten wir jedoch die Realität, bricht der Vorwurf von Sahra Wagenknecht schnell in sich zusammen und was bleibt sind Konservatismus und Kleingeistigkeit:
- die sogenannten “kleinen Leute” haben gar nichts davon, wenn diese Welt kaputt geht, die Temperaturen steigen, immer mehr kritische Klima-Ereignisse eintreten, die Nahrungsmittelproduktion abnimmt und die Lebensbedingungen so auch insgesamt immer unerträglicher werden.
- selbst wenn alle Milliardäre und Millionäre ihren Lebenswandel ändern würden, würde dies den Klimawandel nicht beeinflussen, wenn die Konsumgewohnheiten der überwältigenden Mehrheit der Bevölkerung davon unverändert blieben.
- die Leugnung der auch individuellen Verantwortung ist psychologisch eine enorme Selbstentlastung und kann damit jede auch kollektive Änderungsmotivation im Keim ersticken, wenn sie als Standard weiterhin praktiziert wird.
- Sahra Wagenknecht bedient den Irrglauben, dass alles produktionstechnisch möglich sei und wir auf absolut nichts verzichten müssen, wenn wir bei wachsender Menschheit die Ressourcen dieses Planeten verzehren. Dies ist der Irrglaube des Hyper-Kapitalismus und eines naiven Technologie-Glaubens.
- die Koppelung von Fleischkonsum an soziale Rechte ist unsinnig. Fleisch hilft niemanden, schadet vielen, zerstört unsere Umwelt und vernichtet jährlich – mit Fischen und ohne andere Meerestiere gerechnet – das Leben von mehr als einer Billionen Tiere.
- Nutztierhaltung, Schlachtung und Fleischerzeugung lassen Menschen abstumpfen und fördern keine Handlungspotentiale zu Friedfertigkeit und Solidarität, sondern zu Egoismus und Gewalt. Erschütternd sind nicht nur die Arbeitsbedingungen der Schlachtarbeiter, sondern ebenso ihre Arbeitstätigkeit.
- an der einen oder anderen Stelle gehören wir alle zu einer Minderheit. Wird uns die große kollektive Masse aufgezwungen, werden wir alle unglücklich und gehen in ihr unter. Womöglich erkennt dies Sahra Wagenknecht auch vor dem Hintergrund ihrer früheren Rechtfertigung des Stalinismus bis heute nicht. Die Unterdrückung selbst der essentiellsten Rechte auf Leben, Selbstbestimmung und Individualität bei Stalin rechtfertigte Wagenknecht jedenfalls früher mit folgenden Worten: “Richtig ist: Das in der Sowjetunion während der Stalinzeit entstandene und später von den osteuropäischen Ländern in den Grundzügen übernommene Gesellschaftsmodell ist die auf Grundlage unterentwickelter beziehungsweise zerstörter Produktivkräfte, allgemeiner Not und existentieller Gefährdung der Grundfesten des neuen Systems historisch notwendige und – soll eine bürgerliche Gegenrevolution wirksam verhindert werden – einzig mögliche Form eines realisierten Sozialismus. Richtig ist auch: Mit der Verringerung der Gefährdung – durch wirtschaftliches Vorankommen, innere Konsolidierung und wachsende Stützung des Systems im öffentlichen Bewußtsein – schwindet allmählich die Notwendigkeit allbeherrschender ausgefeilter Sicherungsmechanismen, ja können sie in ein Hemmnis der weiteren Entwicklung umschlagen.” Wie sehr eine Gesellschaft als ganzes belastet, gehemmt und dauerhaft beeinträchtigt wird, wenn Diversität verweigert wird, hat Wagenknecht bisher offenbar nicht verstanden. Ihr heutiger Kampf gegen Diversität, gegen die Umweltschutzbewegung und den Veganismus erscheint insofern tatsächlich als Ausdruck eines autoritären Konservatismus. Sahra Wagenknecht hat sich fraglos von ihrer früheren Rechtfertigung des Stalinismus distanziert, allerdings weisen ihre aktuellen Positionen darauf hin, dass sie nach wie vor an einem tiefgreifend veralterten, konservativen Denken festhält, welches Minderheiten als “skurille Gruppen” bezeichnet, der Mehrheitgesellschaft einen positiven Diskurs über diese nicht zumuten möchte und die Augen vor dem notwendigen Umsteuern von Produktion und Konsum verschließt.
Resümee
Es kann kein “weiter so” geben und die Perfektionierung der Produktion kann den Klimawandel nicht aufhalten. Die Ärmsten leiden bereits jetzt am meisten an seinen Folgen.
Es ist erforderlich, auf allen Ebenen dieser Entwicklung entgegenzusteuern, sowohl auf der Ebene politischen Handelns, politischen Engagements und wirtschaftlicher Produktion als auch auf der Ebene des individuellen Konsums.
Ökologische Dating-Plattformen, wie Gleichklang, sind nach meiner Überzeugung daher kein Ausdruck von Selbstgerechtigkeit, sondern ganz im Gegenteil eine gesellschaftliche Notwendigkeit.
Diese Notwendigkeit ist gleichzeitig traurigerweise der Spiegel einer Gesellschaft, die trotz aller Warnsignale nach wie vor auf rücksichtslose Vernutzung von allem setzt, auf was wir in dieser Welt zugreifen können, auch unter Inkaufnahme der Zerstörung dieses Planeten, enormen Tierleids und sozialer Ungerechtigkeit.
Eine große Mehrheit der Gleichklang-Mitglieder teilt die Einsicht, dass ein Umsteuern notwendig ist.
Aus Beziehungen, die über Gleichklang und andere Green-Dating-Plattformen entstehen, kann sich daher eine individuelle und gesellschaftliche Verstärkung verantwortbarer Lebens- und Konsumpraktiken ergeben.
Letztlich geht es um eine anderes Beziehungsmodell, welches Beziehungen nicht nur als egoistische Zweier-Einheiten zur Befriedigung ihrer jeweiligen Bedürfnisse sehen, sondern als prosoziale neue Einheiten, die sich in diese Welt lösungsorientiert einbringen und dadurch die Welt gemäß ihrer Möglichkeiten ein Stück weit verbessern wollen.
Gesellschaftliches Engagement und individuelle Verantwortung werden bei Green-Dating-Plattformen nicht als losgelöst voneinander betrachtet und – anders als dies Sahra Wagenknecht tut – nicht gegeneinander ausgespielt, sondern als einander benötigend und bedingend aufgefasst.
Eine zusätzlich erfreuliche Nachricht ist dabei, dass solche Sinnstrukturen gleichzeitig das Potential haben, das individuelle Lebensglück der Betreffenden und ihre Beziehungszufriedenheit zu erhöhen.
Ökologisch-nachhaltiges Leben gibt den Einzelnen psychologisch erlebten Sinn und verbessert gleichzeitig die Voraussetzungen, dass es doch noch gelingen könnte, einen auf Schein-Sinn beruhenden Konsumwahn zu durchbrechen und der Zerstörung von Umwelt, Natur und Tierwelt ein Ende zu bereiten.