Soziale Vergleichsprozesse
Ein Großteil unserer Bewertungen und Einschätzungen resultiert aus sozialen Vergleichsprozessen. Dies betrifft auch unsere partnerschaftlichen Beziehungen und beginint sogar bereits vorher bei der Partnersuche.
In diesem Artikel möchte ich erläutern, wie wir solche sozialen Vergleichsprozesse nutzen können, damit sie uns helfen, anstatt uns zu schaden.
Wozu führt ein Vergleich mit anderen Paaren?
In den Medien und in der Literatur, aber auch in unserem sozialen Umfeld, werden wir ständig mit anderen Paaren konfrontiert, deren Beziehungen wir explizit oder implizit zu unserem eigenen Vergleichs-Maßstab machen.
Nun haben Psychologen untersucht, wie sich der Vergleich mit (echten oder scheinbaren) Traumpaaren auf unsere eigene Beziehungszufriedenheit, unseren Optimismus und unsere Motivation auswirkt, an unserer Beziehung zu arbeiten.
Die Studie wurde im Juni 2020 veröffentlicht im wissenschaftlichen Fachjournal “Personal Relationships”
Die Ergebnisse können Anlass geben, mögliche negative Folgen von sozialen Vergleichsprozessen früh zu vermeiden, positive Folgen zu maximieren, die Partnersuche zu aktivieren und die richtigen Schritte zu tun, damit sich eine entstehende Beziehung günstig entwickelt.
Hauptergebnisse
Ich fasse die durchaus komplexen Befunde knapp im Hinblick auf das nach meiner Einschätzung Wesentliche zusammen:
Widersprüchliche Vergleichs-Folgen
Der Vergleich mit einem Traumpaar kann zu zwei entgegengesetzten Folgen führen:
- Senkung der eigenen Beziehungszufriedenheit, des Optimismus bezüglich der eigenen Beziehung und der Motivation, sich für die Beziehung weiter einzusetzen
- Steigerung der eigenen Beziehungszufriedenheit, des Optimismus bezüglich der eigenen Beziehung und der Motivation, sich für die Beziehung weiter einzusetzen
Wie lassen sich diese gegensätzlichen Effekte erklären? Was entscheidet darüber, ob der Vergleich zu beziehungsschädlichen oder zu beziehungsförderlichen Konsequenzen führt?
“Commitment” ist entscheidend
Ich finde die Übersetzung des englischen Begriffs “Commitment” im partnerschaftlichen Kontext ins Deutsche nicht so einfach. Weder die von mir konsultierten Wörterbücher noch ich selbst finden einen entsprechend prägnanten und klaren Begriff.
- Verpflichtung, Selbstverpflichtung, Einsatzbereitschaft, Bindung – alle diese Begriffe gehören mit zum englischen Begriff “Commitment” in einer partnerschaftlichen Beziehung.
Ein hohes “Commitment” in einer Beziehung bedeutet, dass eine feste Entscheidung für die Fortführung und den Einsatz für die Beziehung getroffen wurde.
Ein wechselseitig hohes “Commitment” bedeutet entsprechend, dass beide Beziehungs-Partner (oder bei polyamorösen Beziehungen mehr als zwei Beziehungspartner) die Entscheidung getroffen haben, miteinander eine Beziehung zu führen und sich für diese Beziehung einzusetzen, ihren Fortbestand und ihre Qualität fortwährend zu sichern.
Die Befunde der Untersuchung zeigen nun, dass der Grad des “Commitment” darüber entscheidet, wie sich der Vergleich mit einem Traumpaar auswirkt:
- Personen mit nur geringem oder moderatem “Commitment” werden durch den Vergleich mit einem Traumpaar unzufriedener mit ihrer eigenen Beziehung, zeigen geringeren Optimismus und eine geringere Intention, sich künftig für den Erhalt und die Qualität ihrer Beziehung einzusetzen
- Personen mit hohem “Commitment” werden durch den Vergleich mit einem Traumpaar zufriedener mit ihrer eigenen Beziehung, zeigen einen höheren Optimismus und eine höhere Intention, sich künftig für den Erhalt und die Qualität ihrer Beziehung einzusetzen
Psychologisch begründen lassen sich diese Auswirkungen von “Commitment” folgendermaßen:
- wer bereits die Entscheidung getroffen hat, an einer Beziehung festzuhalten und sich für sie einzusetzen, wird durch die Konfrontation mit einem positiven Beziehungs-Beispiel dazu motiviert, den Einsatz für die eigene Beziehung zu verstärken und so die Zufriedenheit mit der eigenen Beziehung zu erhöhen. Das positive Beziehungs-Beispiel fördert bei Personen mit hohem “Commitment” den Fokus auf eines positives Beziehungserleben und den Optimismus und erhöht dadurch gleichzeitig sofort die aktuelle Beziehungszufriedenheit. Wir werden sozusagen daran erinnert, was wir bereits an Positivem haben und dass wir noch weiteres erreichen können.
- wer keine echte Entscheidung für den Fortbestand und die Arbeit an einer Beziehung getroffen hat, wird durch ein positives Beziehungs-Beispiel eher verunsichert. Fragen mögen auftauchen, wie: “War meine Partnerwahl doch nicht die Richtige?” Die Aufmerksamkeit wird eher auf die negativen Aspekte der eigenen Beziehung gelenkt, der Optimismus sinkt und die Bereitschaft, an der Beziehung zu arbeiten, vermindert sich.
“Commitment” schützt und fördert Beziehungen
Die Partnerschafts-Zufriedenheit hängt vereinfacht gesprochen von zwei Faktoren ab:
- richtige Partnerwahl (passen die wesentlichen Werthaltungen und Lebensmodelle zueinander?)
- kontinuierliche Beziehungs-Arbeit (sprechen wir miteinander über uns und unsere Beziehung? unternehmen wir miteinander etwas, was uns beiden gefällt? sehen wir von wechselseitigen Bestrafungen und Bedrohungen ab? entwickeln wir Ziele? lösen wir Probleme miteinander?)
Die Bereitschaft zur kontinuierlichen Beziehungs-Arbeit hängt wiederum von unserem wechselseitigen “Commitment” ab:
- zeigt nur eine Seite ein hohes “Commitment“, entsteht eine Imbalance in der Beziehungs-Struktur, die irgendwann als Ungerechtigkeit erlebt wird und zu Unzufriedenheit führt.
- zeigen beide Seiten ein hohes “Commitment“, sind die besten Voraussetzungen vorhanden, durch kontinuierliche Arbeit an der Beziehung die Beziehungs-Qualität zu erhalten und zu verbessern.
- zeigt keine Seiten ein hohes “Commitment“, ist die Beziehung eher unverbindlich und wird womöglich bereits bei eher geringeren Problemen oder bei Begegnung mit attraktiveren Optionen auseinandergehen.
Wechselseitiges “Commitment” kann beiden Seiten emotionale Sicherheit geben und erhöht damit gleichzeitig den Wunsch und die Bereitschaft, in eine Beziehung emotional, geistig und handlungsbezogen zu investieren.
Fehlt es einem oder beiden Beziehungs-Partnern an “Commitment“, sinkt demgegenüber die Einsatz-Bereitschaft einfach auch deshalb, weil wir weniger dazu geneigt sind, in etwas zu investieren, was auf schwankendem Boden steht und womöglich bereits morgen nicht mehr vorhanden ist.
“Commitment” sichert eine partnerschaftliche Beziehung also in Anbetracht von Tages- und Alltagsschwankungen ab und schafft damit die Voraussetzung, dass beide Beziehungs-Partner mit gutem Gefühl auf die Beziehung setzen, an ihr festhalten und an ihr arbeiten.
Die Zukunft-und Entwicklungsprognose ist daher bei Beziehungen mit wechselseitigem “Commitment” deutlich günstiger, als wenn es einem oder beiden Beziehungs-Partnern an “Commitment” mangelt.
Entsprechend wird bei wechselseitigem “Commitment” die mediale oder reale Begegnung mit besonders glücklichen Paaren oder Traumpaaren nicht zu Beziehungs-Zweifeln führen, sondern in einer Intensivierung des Bemühens um die eigene Beziehung resultieren.
“Commitment” aufbauen
Weder zu früh noch zu spät
“Commitment” kommt nicht aus freiem Himmel und “Commitment” ist auch nicht immer gut für uns.
Gut ist “Commitment” für uns tatsächlich nur dann, wenn eine tragfähige Beziehungsbasis besteht und das “Commitment” wechselseitig ist.
Der erste Schritt zum Aufbau von hilfreichem “Commitment” besteht darin, bei der Partnersuche auf eine Grundpassung in zentralen Aspekten von Werthaltungen, Lebenszielen und Charakter zu achten.
Tauschen Sie sich tief greifend mit einem potenziellen Beziehungspartner aus und stellen Sie fest, ob eine emotionale und geistige Basis entsteht:
- treffen Sie die Entscheidung für ein “Commitment” erst dann, wenn Sie diese Basis gemeinsam bejahen können. So vermeiden Sie emotionale Abhängigkeit und Instabilität.
Damit ist übrigens keine genaue Zeitvorgabe gemeint:
- eine gemeinsame Passung mag wechselseitig sehr schnell festgestellt werden und in diesem Fall spricht nichts dagegen, sich für einander ebenso schnell zu entscheiden.
- in anderen Fällen baut sich das Kennenlernen erst langsam auf und das Vertrauen entsteht schrittweise. In diesem Fall sollten Sie das Kennenlernen als Versuch des gemeinsamen Aufbaus von “Commitment” sehen und mit der mit der Entscheidung für ein solches “Commitment” abzuwarten, bis die emotional-geistige Basis gefunden ist.
“Commitment” wagen
Manche Menschen haben Bindungsängste oder sogar eine Bindungs-Vermeidung. Solche Bindungsängste und Bindungs-Vermeidung können auch dann auftreten, wenn tatsächlich der passende Mensch bereits gefunden ist.
Machen Sie sich in diesem Fall noch einmal Ihre Beziehungswünsche bewusst. Fragen Sie sich, ob Sie lieber Single bleiben oder doch mit einem anderen Menschen gemeinsam durchs Leben gehen möchten?
Entscheiden Sie sich für den Beziehungswunsch, sollten Sie sich mit Ihren Bindungsängsten und Ihrer Vermeidung konfrontieren und diesen im Fall einer eigentlich erlebten Passung ein bewusstes Stopp-Signal entgegensetzen.
Wenn Sie feststellen, dass es passt und dass auch der Beziehungspartner eine Partnerschaft mit Ihnen möchte, sollten Sie also die Entscheidung für die Beziehung treffen und im Rahmen der Beziehungs-Arbeit Ihre Bindungsängste und Vermeidung-Tendenzen überwinden.
Wichtig ist hierfür Offenheit gegenüber dem Beziehungspartner:
- kommunizieren Sie Ihren Beziehungswunsch und Ihre Zuneigung, aber auch Ihre Bindungs- und Beziehungsängste, an denen Sie arbeiten möchten, damit der Beziehungspartner diese nicht missversteht.
“Commitment” gemeinsam beschließen
Gemeinsame Beschlüsse und Vereinbarungen sind wirksamer als so mancher von uns denken mag.
Sicher können Beschlüsse und Vereinbarungen jederzeit gebrochen werden, oft erinnern wir uns jedoch an sie und bemühen uns, sie einzuhalten.
Dies gilt umso mehr, wenn es sich um einen Beschluss handelt, den wir aus freien Willen und aus eigener Überzeugung gefällt haben, was immer die Grundlage einer Beziehungs-Entscheidung sein sollte.
Treffen Beziehungs-Partner die Entscheidung, miteinander eine Partnerschaft zu beginnen, ist es daher ratsam, sich explizit ein wechselseitiges “Commitment” zu versichern, um so auch bei auftretenden Schwierigkeiten oder scheinbar attraktiveren Alternativen an der Beziehung festhalten und sie positiv entwickeln zu können.
Mit einer solchen Versicherung ist kein Zwang gemeint, sondern die offene und authentische Begegnung zweier Menschen, die ohne Angst vor der Reaktion des anderen sich entsprechend ihrer eigenen Überzeugung versichern, miteinander in eine Beziehung eintreten und an deren Fortbestand sowie positiver Entwicklung arbeiten zu wollen.
Sozialen Vergleich gestalten
Wir brauchen den Folgen von sozialen Vergleichsprozessen nicht passiv und hilflos ausgeliefert zu sein. Machen wir uns Zusammenhänge bewusst, kann an die Stelle von Automatismus Selbst-Reflexion und eine autonome Entscheidung treten.
Machen Sie es sich daher Folgendes zur Angewohnheit:
- betrachten Sie positive Beziehungs-Beispiele als Chance, Ihre Motivation zu erhöhen, um ebenfalls nach einer glücklichen Beziehung zu suchen, eine glückliche und zufriedene Beziehung zu führen oder eine vorhandene Beziehung glücklicher und zufriedener zu machen.
- nehmen Sie negative Beziehungs-Beispiele zum Anlass, dem negativen Beispiel nicht zu folgen, sondern die eigene Arbeit zum Finden, zum Erhalt oder zur Weiterentwicklung einer Partnerschaft zu aktivieren.
Partnersuche ist der Beginn
Zuschriften folgender Art erreichen uns täglich:
- Hallo Gleichklang, ich möchte meine Teilnahme bei Gleichklang nach Ablauf der Jahresmitgliedschaft kündigen. Ich habe über euch einen wundervollen Mann kennengelernt und werde versuchen mir ein gemeinsames Leben mit ihm aufzubauen… Vielen Dank für euren Service, ich habe und werde euch weiter empfehlen… Bitte bestätigen sie mir die Kündigung! Mit lieben Grüßen
Manchmal zitiere ich solche Nachrichten in meinen Artikeln oder wir zitieren sie in unserem Newsletter. Ziel ist, auf die hohen Chancen der Partnersuche für jeden hinzuweisen und dadurch die Motivation zu verbessern, dabei zu bleiben, bis der passende Mensch gefunden wurde.
Gelegentlich erreicht mich jedoch Kritik von Mitgliedern, die sich aufgrund dieser positiven Erfahrungen heruntergezogen fühlen und mit Frustration, Enttäuschung oder Selbstzweifeln reagieren.
Ebenso frustriert reagieren übrigens manche Mitglieder darauf, wenn andere Mitglieder ihr Profil nicht für die Vermittlung sofort deaktivieren, sondern im freien Text zunächst einmal schreiben, dass ihre Partnersuche bereits erfolgreich war.
Eigentlich wollen diese Mitglieder, anderen Mut machen und sie motivieren, es kann jedoch bei einzelnen der gegenteilige Effekt eintreten.
Nach meiner Ansicht spielt auch hier das “Commitment” eine Rolle – nur eben diesmal nicht das “Commitment” für eine bereits bestehende Beziehung, sondern das “Commitment” für die Partnersuche:
Wie entschlossen bin ich, meine Partnersuche tatsächlich zu einem erfolgreichen Ergebnis zu führen, dabei zu bleiben, durchzuhalten, auch Geduld zu haben oder mich einzusetzen?
- denjenigen, die sich durch Erfolgsmeldungen anderer verunsichern oder herunterziehen lassen, fehlt es womöglich am “Commitment” für die eigene Partnersuche.
- umgekehrt freuen sich Mitglieder über solche Erfolgsmeldungen, wenn Sie die feste Entscheidung getroffen haben, auch ihre eigene Partnersuche zum Erfolg zu führen.
Resümee
Zusammenfassend, halte ich “Commitment” für eine wichtige Entscheidung, der sich Beziehungs-Partner in einer Partnerschaft nicht entziehen sollten. Denn Partnerschaft ist per Definition das Gegenteil von “unverbindlich“.
Nichts spricht dabei gegen “unverbindliche Kontakte“. Nur sollten wir diese dann nicht Partnersuche nennen und vor allem sollten wir gegenüber unserem Gegenüber von vornherein offen und aufrichtig damit auftreten.
Für Ihre Partnersuche lautet mein Rat:
- zeigen Sie bereits in der Phase der Partnersuche “Commitment” für Ihr Ziel einer glücklichen Beziehung.
- sprechen Sie mit Ihrem Beziehungs-Partner über das wechselseitige “Commitment“, wenn eine Beziehung dabei ist, zu entstehen.
- manche haben Angst vor “Commitment“. In Wirklichkeit ist eine Beziehung ohne “Commitment” jedoch viel risikoreicher. Nur wechselseitiges “Commitment” kann Sie und Ihre Beziehung davor schützen, durch das erst beste Beispiel einer scheinbar glücklicheren Beziehung ins Trudeln zu geraten und an der Fortführung der Beziehung zu zweifeln.