Erfahrungen von Langzeit-Singles mit der Online-Partnersuche
Dieser Artikel benennt Grundhaltungen und Strategien, die es Partnersuchenden und speziell auch Langzeit-Singles ermöglichen, die Chancen der Online-Partnersuche zu nutzen und dabei keine oder nur minimale psychische Belastungen zu erleben.
Wer keinen längeren Artikel lesen möchte und auf die empirischen Belege, Herleitungen und Argumente verzichtet, kann hier direkt zu Resüme und psychologischen Empfehlungen springen.
Adamczyk et al. (2022) befragten kürzlich Langzeit-Singles über ihr inneres Erleben, ihre Erfahrungen und ihre Einstellungen zum Online-Dating.
Mithilfe ihrer qualitativen Auswertung konnten die Autor:innen vier übergreifende Grundthematiken identifizieren, die die Erfahrungen, Bewertungen, Befürchtungen, Hoffnungen, Ambivalenzen und Handlungsweisen der befragten Singles widerspiegeln.
Ich stelle im Folgenden zunächst diese vier Grundthemen eng angelehnt an die Darstellung der Autor:innen und mit der Wiedergabe instruktiver (übersetzter ) Zitate der Teilnehmer:innen vor.
In meinen Anmerkungen zu jeder der Thematiken geht es dann jeweils um „Wie weiter als Langzeitsingle?“. Dazu setze ich die Erfahrungen der Befragten in Verbindung mit unseren eigenen Beobachtungen bei Gleichklang und den Rückmeldungen unserer Mitglieder.
Vier Grundkategorien, wie sich Langzeit-Singles im Online-Dating verorten
1. Ambivalente Bewertungen der Nützlichkeit der Online-Partnersuche
Die Autor:innen konnten hier zwei widerstreitende Grundansätze identifizieren, die durchaus im Einzelfall auch gleichzeitig auftreten mögen:
- Online-Partnersuche als gute Möglichkeit, um eine Liebesbeziehung zu finden: Ein erheblicher Anteil der Befragten schilderte, dass durch Online-Partnersuche und die Teilnahme an einer Partnervermittlung eine Ausweitung des Suchraumes stattfinde, der so über den Raum hinausgehe, der im unmittelbaren Umfeld zur Verfügung stehe. So könne der Kontakt zu Menschen entstehen, die ansonsten niemals in das eigene Blickfeld getreten wären – Zitat: „Ich arbeite in einem kleinen Unternehmen, mein Freundeskreis ist klein und geschlossen, und die meisten haben eine eigene Familie und Kinder. Daher, ist es schwierig, jemanden über “traditionelle” Methoden zu finden“. Als weiterer Vorteil wurde von einigen Teilnehmenden die Einfachheit benannt, mit der eine Teilnahme am Online-Dating möglich sei – Zitat: „Ich kann mir eine Decke und eine Thermoskanne schnappen, Tinder starten mein Tinder starten und mit der Partnersuche beginnen” Online-Dating bleibe selbst in Krisenzeiten (Pandemie) erhalten – Zitat: “Die Pandemie, als sie alles geschlossen haben, hat das alles zunichte gemacht. Daher war das Einzige, was mir wirklich blieb, die Partnerbörse”.
- Online-Partnersuche als Ungewissheit: Eine fast genau so große Gruppe der Teilnehmenden brachte Zweifel am Online-Dating zum Ausdruck. Die wahren Aussichten der anderen Person seien unklar. Es bestehe die Gefahr, getäuscht zu werden – Zitat: „Ich lerne die Leute lieber persönlich kennen, damit ich sofort weiß, was für eine Persönlichkeit sie haben. … wenn man nur mit jemandem schreibt, weiß man nicht, wie die Person wirklich ist, weil man jeden Charakter annehmen kann.“ Einige Teilnehmende meinten, es sei zudem unklar, ob Online-Dating überhaupt der passende Ort sei, um die richtige Person für eine Liebesbeziehung zu finden – Zitat: “Ich hätte ein bisschen Angst, weil ich glaube, dass die Männer auf diesen Dating-Seiten in der Regel nur nach dem Vergnügen im Moment suchen. Außerdem ist das nicht das, was ich suche“. Oder ein Mann: „Es gibt nur eine bestimmte Gruppe von Frauen dort, nicht unbedingt die Gruppe von Frauen, die ich suchen sollte. Es gibt also nur eine kleine Chance, dass ich dort jemanden finde, der die Eigenschaften hat, die ich bei Frauen suche.“ Manche Teilnehmende brachten außerdem in ihren Einstellungen ein Misstrauen gegen den Dating-Plattformen zu Ausdruck. Es sei dubios, dass die Partnervermittlungs-Plattformen für ihren Service Geld in Anspruch nähmen. Das Interesse der Plattformen sei, die Nutzer:innen bei sich zu halten, also dass sie Single bleiben – Zitat: „Ich habe den Eindruck, dass kostenpflichtige Websites alles tun, um mir nicht bei der Suche nach einem Partner zu finden, und mich zu zwingen, mein Abonnement zu verlängern”.
Anmerkungen
Alle diese Bewertungen und Einschätzungen kennen wir auch von Gleichklang-Mitgliedern. Ich begegne ihnen ebenfalls im Einzelcoaching.
Aus meiner Sicht können folgende Einordnungen vorgenommen werden:
- In der Tat ist Online-Dating vor allem eine Erweiterung des Suchraumes, Menschen können sich kennenlernen, die sich sonst niemals kennengelernt hätten. Allerdings sollte der qualitative Aspekt (passende Person) und nicht der quantitative Aspekt (viele Optionen) im Vordergrund stehen, da sich sonst ungünstige Nebenfolgen ergeben: Plötzlich mag sich alles nicht mehr um die Begegnung mit dem einen passenden Menschen drehen, sondern darum, viele Vorschläge zu erhalten. So geht es von Vorschlag zu Vorschlag. Der Wert eines einzelnen Vorschlages sinkt gegen Null und manche Partnersuchenden geraten in den Unterhaltungsmodus, der an die Stelle der Partnerfindung tritt. Entscheidend ist es daher, den Kompass immer fest auf das Ziel der Partnerfindung zu richten, welches sich dadurch erfüllt, dass eines Tages der eine Mensch kennengelernt wird, mit dem eine Beziehung entsteht. Welche Zusammenhänge tatsächlich bestehen zwischen der Quantität an Kontaktoptionen und der Partnerfindung wird in “Alles zur Vorschlags-Anzahl bei Gleichklang” erläutert. Der qualitative Aspekt, auf den es eigentlich ankommt, wird prägnant und bewegend in dieser Zuschrift geschildert, die heute bei uns eintraf: „Hallo liebes Gleichklangteam, Dank euch, konnte ich meine Liebe endlich finden. So ein netter und liebevoller Mann – wir können uns ewig in die Augen schauen und ständig sagen, wie ist das möglich, dass wir einander gefunden haben“.
- Es ist verständlich, dass Partnersuchende die Einfachheit des Online-Dating als Vorteil erleben. Doch tatsächlich ist nur die Partnersuche, nicht aber die Partnerfindung einfacher geworden. So zeigen umfassende Daten des Soziologen Rosenfeld von der Stanford Universität in den USA, dass in den USA mittlerweile 40 % aller Beziehungen Online entstehen, dafür aber die anderen traditionellen Wege der Partnerfindung sehr stark an Chancen verloren haben. Online-Dating ist hinzugekommen, die vorherigen Wege der Partnerfindung sind aber dafür schwieriger geworden. Insgesamt gelingt die Partnerfindung heute nicht häufiger, sondern sogar seltener als zuvor! So fasst Jackson (2018) die Trends in den USA folgendermaßen zusammen: In den 1950er und 60er seien 31 % der Erwachsenden Single, gewesen, mittlerweile sei diese Prozentsatz bis 2015 auf fast die Hälfte angestiegen, wobei 28% der Erwachsenen nie verheiratet gewesen seien, 11 % geschieden und 6 % verwitwet seien. Auch das durchschnittliche Alter bis zur ersten Ehe habe sich von 23 Jahren auf 29 Jahre erhöht. Trotz all dieser Entwicklungen gäben aber nach wie vor 93 % der erwachsenen Bevölkerung an, dass eine Heirat für sie eines ihre wichtigsten Lebensziele sei. Es liegt also nicht daran, dass die Menschen keine Beziehung mehr wollen. Die Einfachheit existiert nur scheinbar. Online-Partnersuche (und Partnersuche im Allgemeinen ) ist mit Anforderungen verbunden, um Erfolg zu haben. Diese Anforderungen sind insbesondere, realistisch zu suchen, authentisch zu kommunizieren und vor allem die notwendige Geduld aufzubringen. So dauert die Partnersuche bei Gleichklang im Durchschnitt zwei Jahre, oft kürzer, oft aber auch erheblich länger. Gerade diejenigen, die das Online-Dating als leicht erleben, laufen Gefahr, von den tatsächlich einfachen Tätigkeiten, wie durch Bilder zu scrollen, sich den Blick verstellen zu lassen und so den Anforderungen nicht gerecht zu werden.
- Die weit verbreiteten Metaphern der Online-Partnersuche als „Partnershopping“ oder als „Bewerbung“ führen zu einem Verlust an Authentizität und Ehrlichkeit. Je stärker diese Metaphern bei einzelnen Plattformen oder einzelnen Personen dominieren, desto weniger sicher können sich die dort nach Beziehungen suchenden Mitglieder über die wirklichen Eigenschaften und Absichten der anderen Person sein. Es hilft nichts, sich nun seinerseits verzerrt positiv darzustellen, im Gegenteil, dies macht nur alles schlimmer. Das einzige wirksame Heilmittel ist die eigene radikale Authentizität und Ehrlichkeit, zu der die Achtsamkeit gehört, festzustellen, ob die andere Person ebenfalls bereits ist, diesen Anspruch zu erfüllen. Mit diesen Themen setzen sich die vorherigen Blog-Artikel “Online-Partnersuche ist keine Bewerbung” und “Radikale Ehrlichkeit ist möglich” etwas vertiefter auseinander.
- Es ist ein Vorurteil, dass nur Menschen mit bestimmten Eigenschaften sich am Online-Dating beteiligen würden. Mit weltweit Milliarden Nutzer:innen und heute einem großen Online-Anteil an neuen Beziehungen ist es wenig plausibel, dass die gesuchte Person Online nicht existieren oder nicht zu finden wäre. Durch die Auswahl einer passenden Plattform haben Partnersuchende hier vieles in der Hand: Wer sich selbst stark von Mainstream-Werten, Prestige oder Status orientiert, wird sich von Plattformen angesprochen fühlen, wo diese Werte vertreten werden. Wem es um ökologische Nachhaltigkeit geht, wird sich demgegenüber von anderen Plattformen angesprochen fühlen. Menschen mit bestimmten Grundausrichtungen treffen sich verstärkt bei bestimmten Plattformen und können so einander kennenlernen. Mit den Eigenschaften und Erwartungen von Menschen, die bei Green-Dating-Plattformen zu finden sind, beschäftigt sich mein vorheriger Blog-Artikel “Dating für eine bessere Welt: Wer trifft sich auf ökologischen Kennenlernplattformen?”
- Das Misstrauen gegenüber Dating-Plattformen ist grundsätzlich berechtigt. Dies zeigt allein der Erfolg der Plattformen mit bezahlten Chat-Moderatoren, die mit Mitgliedern intensiv kommunizieren, um diese bei der Stange zu halten und weiter abzukassieren. Der Versuch, mit allen Mitteln Gewinne zu erzielen, ist in unser Wirtschaftssystem geradezu eingeschweißt, was an den Gewinnen von Waffenhandel und Tierausbeutungsindustrie bestens erkennbar ist. Wer sollte sich da wundern, dass auch gegenüber Dating-Plattformen Misstrauen herrscht? Trotzdem wird dies Misstrauen – so verständlich es ist – zum Problem und zwar dann, wenn es unberechtigt ist. In diesem Fall kann das Misstrauen nämlich die Aussichten auf eine Partnerfindung reduzieren, indem die Suche gar nicht erst begonnen oder vorschnell beendet wird. Wie sich Misstrauen auf die Partnersuche auswirkt, beschreibe ich in dem Artikel “Diese fünf Arten von Misstrauen behindern Ihre Partnersuche“.
2. Rolle von Dating-Fertigkeiten
- Dating als Ausdruck von positiver Selbstpräsentation: Einige der befragten Langzeit-Singles sahen einen engen Bezug zwischen den Ergebnissen des Online-Dating und eigenen Dating-Fertigkeiten. Es gehe darum, sich positiv darzustellen und effektiv zu kommunizieren, um Interesse bei anderen zu erzeugen und einen guten Eindruck zu hinterlassen – Zitat: “Es stellte sich heraus, dass ich ein Problem mit qualitativ schlechten Fotos und unsympathischen Beschreibungen habe, die mich nicht als interessante Person zeigen. Ich habe meine Beschreibung und meine Fotos geändert, und daraufhin ist meine Beliebtheit auf Dating-Websites automatisch gestiegen“.
- Befürchtung, unzulänglich zu sein: Andere Teilnehmende äußerten die Befürchtung, über die notwendigen Fertigkeiten für die Online-Partnersuche nicht zu verfügen – Zitat: „Vielleicht werde ich eines Tages beschließen, Online-Dating zu nutzen. Wenn ja, werde ich viel darüber lernen müssen, wie ich mich … von meiner besten Seite zeige. Als Idee ist es für mich in Ordnung, aber ich kann das nicht tun.“
- Dating als Lernprozess: Wiederum andere betonen die Möglichkeit, Fertigkeiten zu erwerben und beim Dating Erfahrungen zu sammeln, die für die Online-Kommunikation und persönliche Begegnungen wichtig sein können. Hier wird Dating zur Persönlichkeits-Entwicklung – Zitat: „Ich habe gelernt, nein zu sagen, wenn ich mich nicht mit jemandem treffen möchte, und mich um mich selbst zu kümmern …. Ich habe gelernt, dass jemand Nein zu mir sagen kann, und dass ich damit leben muss“.
Anmerkungen
Das Thema der Dating-Fertigkeiten ist von hoher Bedeutsamkeit, damit Partnersuchende die Kontrolle über ihr Online-Dating übernehmen und dadurch auch ein Stück weit die Ergebnisse beeinflussen können.
Bedenklich ist allerdings die zum Ausdruck kommende Assoziation von Dating-Fertigkeiten mit einer besonders positiven Selbstdarstellung. Menschen sollten sich so kennenlernen, wie sie sind, damit sie sich auch so lieben lernen, wie sie sind. Durch eine besonders positive Selbstpräsentation steigt das Risiko von Desillusionierungen, unbefriedigenden oder gar toxischen Beziehungen, die unter falschen Voraussetzungen begonnen werden. Tatsächlich sind die Kernfertigkeiten des Dating „Authentizität“, „offene Kommunikation“, „Kenntnis der eigenen Bedürfnisse und Grenzen“, „Kompromiss- und Veränderungsbereitschaft“, sowie „Durchhaltevermögen und Geduld“. Partnersuchende, die eine positive Selbstpräsentation in den Vordergrund stellen, laufen Gefahr, für sich und andere letztlich nur Frustrationen zu erzeugen. In einer vorherigen Auswertung hatten wir „positive Selbstpräsentation“ und „Ausmaß an Vertrauenswürdigkeit“in den Profilen zwischen Mitgliedern in einer fortbestehenden Beziehung, in einer getrennten Beziehung und Mitgliedern ohne Beziehung verglichen. Die positive Selbstdarstellung war bei Mitglieder in fortbestehenden Beziehungen am geringsten und das Ausmaß vertrauenswürdiger Informationen war bei diesen Mitgliedern am höchsten. Es lohnt sich offenbar, authentisch und ehrlich zu sein.
Problematisch ist auch der resignativ-vermeidende Zugang, in dem Partnersuchenden an ihren Fertigkeiten zweifeln, sich für unzulänglich halten. Nur an sich zu zweifeln, ohne etwas zu ändern, führt zu Stillstand und blockiert die Partnersuche. Der Artikel “Vier Dating-Ängste, ihre Folgen und ihre Überwindung” erklärt, wie Hemmungen und Befürchtungen beim Online-Dating überwunden werden können.
Konstruktiv ist demgegenüber die Sichtweise von “Online-Partnersuche als Persönlichkeitsentwicklung”. Eine solche Sichtweise ermöglicht es Partnersuchenden, durch ihre Online-Suche zu lernen, ihre kommunikativen Fertigkeiten zu verbessern und sich klarer über die eigenen Grenzen und Bedürfnisse zu werden, was für einen guten Verlauf von Partnersuche und Beziehungsaufbau wesentlich ist.
Die Thematik der Dating-Fertigkeiten verweist insofern auf Chancen und Risiken, die mit der Online-Partnersuche verbunden sind:
- Diejenigen, die Dating-Fertigkeiten vor allem als Fertigkeit sehen,sich besser darzustellen als sie sind, laufen Gefahr, in Unauthentizität abzugleiten und dadurch Desillusionierungen und Frustration zu erzeugen.
- Diejenigen, die vor wiegend an sich selbst zweifeln, sich als unzulänglich erleben und sich nichts zutrauen, werden meistens mit Vermeidung oder Flucht reagieren, wodurch sie die Chancen der Online-Partnersuche blockieren – sie werden die Online-Partnersuche gar nicht erst beginnen oder schnell wieder beenden.
- Hervorragende Aussichten haben demgegenüber diejenigen, die die Online-Partnersuche als Chance für ihre Persönlichkeits-Entwicklung betrachten. An die Stelle von Flucht und Vermeidung treten das Sammeln von Erfahrungen und Übung. An die Stelle von verzerrter Selbstpräsentation tritt eine wachsende Kenntnis und ein verbesserter Ausdruck der eigenen Bedürfnisse.
Teilnehmende, die Partnersuche als eine Phase ihrer Persönlichkeits-Entwicklung sehen, können von der Partnersuche noch vor ihrem Erfolg profitieren und sogar dann, wenn der Erfolg nicht eintreten sollte. Dies ist daher der Ansatz , den wir bei Gleichklang empfehlen, und der übrigens auch den Kern meines Buches “A Perfect Match? Online-Partnersuche aus psychologischer Sichtweise” darstellt.
3. Schwierigkeiten und Frustration bei der Nutzung
Teilnehmende berichteten von ihren Schwierigkeiten und frustrierenden Erfahrungen mit ihrer Online-Partnersuche:
- Unsicherheit über die Reaktion der anderen Person: Mehrere Teilnehmende schilderten eine belastende Unsicherheit darüber, ob und wann andere Personen antworten würden und ob sich aus einer solchen möglichen Antwort ein Anknüpfungs-Faktor für ein weiteres Kennenlernen ergeben werde oder nicht. Einige Teilnehmende erlebten das Online-Dating quasi wie eine Blackbox, in die sie eine Erstnachricht hinein senden, ohne jede Kontrolle darüber zu haben, ob sie eine Rückmeldung erhalten werden – Zitat: „Ich mag diese Art von Situation nicht, die bei der Online-Partnersuche sehr häufig vorkommt, wenn eine Teilnehmende eine Woche lang nicht antwortet, dann zwei Wochen lang, und schließlich gibt es keine Antwort, weil sie nicht den Mut hat zu sagen, dass es keine Zukunft für diese Beziehung gibt“.
- Probleme, eine passende Erstnachricht zu schreiben: Einige der Teilnehmenden berichteten, dass es für sie schwierig sei, auf der Basis nur begrenzter Informationen über eine andere Person eine wirksame Erstnachricht zu schreiben – Zitat: “Ich kann drei Stunden damit verbringen, eine Nachricht zu schreiben, diese erste, Begrüßungsnachricht. Ich denke darüber nach, was ich schreiben will, und kenne nur das Titelbild und eine kurze Beschreibung der Person, die mir geschrieben hat. Soll ich um etwas bitten, etwas tun? Es blockiert mich“.
- Bevorzugung eines direkten Kontaktes: Mehrere Teilnehmende gaben an, dass ihnen das Medium der Online-Partnersuche nicht liege und sie stattdessen den direkten Kontakt bevorzugten. Dieser persönliche Kontakt komme beim Online-Dating oft nicht oder nur verzögert zustande – Zitat: „Ich bevorzuge den persönlichen Kontakt, aber beim Online-Dating kommt man nicht sofort dazu. Manchmal ist es zeitaufwändig, und man muss geduldig sein“. Entsprechend erlebten Teilnehmende den Wechsel zu einem direkten Kontakt als schwierig: „Es war schwierig für mich, direkt Kontakt aufzunehmen. Der Übergang von einem Online-Kontakt zu einer Beziehung würde sich zeitlich verzögern, es wird sich zeitlich verzögern, es wäre etwas, was ich aufschieben würde und was einer Vereinbarung bedürfte.“
- Erfolglosigkeit der Suche: Bei machen Teilnehmende dominierte die Erfahrung ihrer (bisherigen) Erfolglosigkeit. Diese Teilnehmenden erlebten ihre Online-Partnersuche als ineffektiv oder gar aussichtslos – Zitat: „Es gab eine Zeit, in der ich eigentlich einen Partner haben wollte, und ich war sogar auf Partnervermittlungs-Seiten. Es hat aber überhaupt nicht geklappt. Ich habe nette Leute kennengelernt, aber es ist mir nicht gelungen, eine Beziehung mit einem dieser Männer zu führen.“ Hieraus resultierte bei manchen Teilnehmenden ein sich wiederholendes On-Off-Muster, bei dem sie immer wieder die Partnersuche mit Hoffnung und dem dringenden Wunsch nach einer Beziehung starteten und sie sodann später immer wieder mit ebenso starker Enttäuschung beendeten – Zitat: „Diese Versuchsphasen dauern in der Regel etwa zwei bis drei Monate, und dann kommt die Entmutigung. Das dauert auch etwa zwei, drei Monate und dann fange ich normalerweise wieder an zu probieren. Es ist ein “Versuchen-Entmutigen-Versuchen-Entmutigen“. Die Fokussierung auf die bisherige Erfolglosigkeit konnte bei den Teilnehmenden bis zu Selbstwertzweifeln gehen – Zitat: „Ich habe keine Übereinstimmung, und dann kommt dieses negative Szenario zu mir: “Was stimmt nicht mit mir? Bin ich nicht gut genug?” Dieses Warten ist in Ordnung. Am Anfang ist es irgendwie motivierend, aber später, wenn es sich in die Länge zieht, wird meine Stimmung schlechter und mein Selbstwertgefühl sinkt“.
Anmerkungen
Die Teilnehmenden schilderten Schwierigkeiten und Frustrationen, wie sie viele Teilnehmende bei der Online-Partnersuche erleben.
Wir sehen solche Frustrationen auch in den Rückmeldungen von Mitgliedern an uns. Ich erlebe sie immer wieder im Einzelcoaching mit Gleichklang-Mitgliedern oder anderen Partnersuchenden. Diese Frustration kann die Partnersuche der Betreffenden prägen und zu Abbrüchen führen. Umgekehrt kann die Frustration sich aber in einer Partnerfindung auch final auflösen. So wissen wir aus Befragungen von Gleichklang-Paaren, dass manche der nunmehr erfolgreich Verpartnerten zuvor während eines Großteils ihrer Suche bis direkt zum Zeitpunkt der Partnerfindung genau unter diesen Schwierigkeiten oder sogar quälenden Frustrationserfahrungen litten. Manche befanden sich bereits zuvor in einem On-Off-Muster oder dachten darüber nach, die Partnersuche zu beenden.
Es gibt keine Möglichkeiten für die Teilnehmenden oder für uns als Anbieterin, diese Schwierigkeiten oder Frustrations-Erfahrungen zu verhindern. Außer wenn jemand einfach Glück hat und es sofort klappt, ist Partnersuche oft eine steiniger Weg mit zahlreichen Barrieren und Umwegen und der permanenten Unsicherheit, ob der Weg zum Ziel führen wird. Wir können statistisch auf die Sachlage hinweisen, dass irgendwann die meisten fündig werden und dass ein Erfolg auch noch nach vielen Jahren der Erfolglosigkeit eintreten kann. Aber auch dieser Hinweis kann die Schwierigkeiten und erlebten Frustrationen nicht außer Kraft setzen.
Es kann daher nur darum gehen, die Schwierigkeiten möglichst gut zu bewältigen, damit die Betreffenden trotz Frustrationen auf Zielkurs bleiben können, ohne sich während dieses Prozesses ständig zu grämen. Dies kann erreicht werden durch eine innere Haltung der Gelassenheit und einen beobachtend-erprobenden Zugang zur Online-Partnersuche:
- Die Überwertigkeit der Partnersuche und des Online-Dating reduzieren: Online-Partnersuche ist eine Möglichkeit der Partnerfindung. Da der Erfolg nur einmal eintreten muss, sollten Phasen der Erfolglosigkeit mit Gelassenheit betrachtet werden. Weil wir auch als Single sinnerfüllt leben können, sollte zudem das Nicht-Eintreten des Erfolges nicht als Katastrophe, sondern als eine ebenfalls bewältigbare Möglichkeit angenommen werden. Gehen Teilnehmende ihre Partnersuche aktiv, aber erwartungsoffen an, erreichen sie die Gelassenheit und Lockerheit, die es ihnen ermöglicht, ohne innerpsychische Belastung dabei zu bleiben, bis der Erfolg eingetreten ist.
- Fertigkeiten für Erstnachrichten einüben: Zu Erstnachrichten gibt es den vorherigen Blog-Artikel “Was ist die richtige Erstnachricht?”. In “A Perfect Match?” gebe ich zudem zu allen erdenklichen Aspekten von Erstnachrichten umfangreiche Hinweise. Grundsätzlich gilt, dass die Erstnachricht ausführlich sein kann, aber nicht muss. Wichtig ist, dass sie einen persönlichen Charakter hat und den Wunsch nach einer weiteren Begegnung zum Ausdruck bringt. Positiv reagieren viele Menschen, wenn sie in der Erstnachricht lesen, warum gerade sie kontaktiert worden sind. Hierfür ist es wiederum hilfreich, beispielsweise einige Gemeinsamkeiten zu benennen, die anhand des freien Textes oder der anderen Profil-Informationen erkennbar sind. Vermeiden sollten Sie den Ausdruck sofortiger Zweifel an dem Sinn eines Kennenlernens, ein Stöhnen über die Entfernung etc., da solches als sehr demotivierend erlebt wird. Wenn Sie zu denen gehören, die Schwierigkeiten haben, Erstnachricht zu schreiben, sollten Sie sich zunächst klarmachen, dass Perfektions-Ansprüche unangebracht sind. Es geht um eine erste Kontaktaufnahme. Legen Sie sich ein Schema einer Nachricht zurecht, in der sie auf individuelle Besonderheiten und Gemeinsamkeiten eingehen, den Grund darlegen, warum Sie die betreffende Person kontaktieren und Ihren Wunsch nach einem weiteren Kennenlernen zum Ausdruck bringen.
- Verzögerungen und ausbleibende Antworten akzeptieren: Natürlich möchten auch wir als Online-Anbieter, dass alle Teilnehmenden auf alle Nachrichten zeitnah antworten. Sachlage ist aber, dass dies oft nicht dem menschlichen Verhalten entspricht. Es gibt zahlreiche Gründe, warum Teilnehmende am Online-Dating nicht oder verzögert antworten, die ich in meinem Artikel “So steigen die Antwortraten beim Online-Dating” diskutiere. Teilnehmende sollten sich an ihrem Ziel einer Partnerfindung orientieren und nicht dem Erhalt von Antworten als Zwischenziel und sich gar den Nicht-Erhalt als Verlust oder Scheitern bewerten. Am Ende genügt es, wenn eine Person irgendwann antwortet und aus dieser Kommunikation eine Beziehung entsteht. So sehr solch ein Ansatz unserer schnelllebigen Zeit auch widerspricht, so ist es doch genau diese Grundhaltung, die bei der Partnersuche die notwendige Gelassenheit und Initiative ermöglicht, um zum Erfolg zu gelangen.
- Das Beste aus der Online-Ebene machen: Es mag ja sein, dass der direkte Kontakt präferiert wird. Aber Sachlage ist nun einmal, dass auf dieser Ebene offenbar bisher die gewünschte Beziehung noch nicht gefunden wurde. Sonst wären die Betreffenden ja gar nicht beim Online-Dating! Sie fahren besser, wenn Sie keine Klagehaltung einzunehmen („der Online-Kontakt entspricht nicht dem direkten Kontakt“), sondern das Beste aus dem Online-Kontakt machen. Manche Gleichklang-Paare schilderten, bereits vor dem ersten Kennenlernen zusammen gewesen zu sein. Bei einem Freund von mir bestand bei ihm und seiner späteren Frau bereits nach den ersten Online-Austauschen kein Zweifel, dass eine Beziehung entstehen werde. Sicherlich ist dies die Ausnahme und meist sind vorher direkte Treffen für eine Beziehungsentscheidung notwendig, dennoch sollten Sie keine negative Brille aufsetzen und die Begegnungs-Möglichkeiten des Online-Kontaktes nicht unterschätzen.Wenn die Online-Ebene wirklich so ungeeignet für ein Kennenlernen wäre, wie sollten dann mittlerweile bereits vier von 10 Beziehungen Online entstehen?
4. Online-Dating als Selbstverpflichtung
Unter den Befragten war eine (kleine) Gruppe von Personen, die das Online-Dating als eine selbst auferlegte Verpflichtung erlebten, um zu zeigen, dass sie aktiv dafür sind, ihre Partnerlosigkeit zu beenden. Die Betreffenden wollten damit sich selbst zeigen, dass sie die Initiative ergreifen – Zitat: „Ich fordere mich selbst auf, jemanden anzuschreiben, die Aktion zu starten, den ersten Schritt zu tun, anstatt zu nörgeln, dass ich nichts tue. Ich fordere mich selbst auf, irgendetwas zu tun, um das Gefühl zu bekommen, “Ok, jetzt bin ich allein, aber ich tue etwas, um das zu ändern, damit ich in Zukunft nicht mehr allein bin“. Dabei ging es dieser Person auch darum, eine Wut auf sich selbst durch das Zeigen von Initiative zu mindern – Zitat: „Ich fühle Wut. Es ist keine Traurigkeit, sondern eher Wut. Wut auf mich selbst, gereizt zu sein, weil ich Single bin, Wut, die aus dem Wunsch entsteht, nicht allein zu sein, und das Gefühl: “Hey, tu was!” Es ist, als würde ich mit meinem kleinen Bruder schimpfen, weil er etwas nicht tut. Und ich schimpfe mit mir selbst: “Abends hast du etwas Zeit, also tu etwas, suche, schreibe jemandem, anstatt zu sitzen, sich zu ärgern und darüber nachzudenken, nichts zu tun“. Eine andere Befragte betonte, sie wolle sich selbst beweisen, alles Mögliche getan zu haben – Zitat: „Es gab eine Zeit, in der ich den Wunsch hatte, jemanden zu haben, und ich habe diese Dating-Websites genutzt. Ich habe eine Zeit lang versucht, mir selbst zu beweisen, dass ich alles Mögliche getan habe. Aber es hat nicht funktioniert. Ich wollte nicht unzufrieden sein mit dem, was ich getan habe, um jemanden zu finden, und mir vorwerfen, dass ich auf einen Prinzen auf einem weißen Pferd warte“.
Anmerkungen
Online-Partnersuche als Selbstverpflichtung kann enorm hilfreich sein, wenn aus den richtigen Gründen heraus die richtige Form von Selbstverplichtung gewählt wird. Diese Beobachtungen haben wir hierzu bei Gleichklang-Mitgliedern gemacht:
- Manche Partnersuchenden – und unter ihnen durchaus besonders viele Langzeit-Singles und Absolute Beginner – hadern mit ihrer Partnerlosigkeit, werden aber nicht (ausreichend) aktiv, um etwas zu ändern. Sie verleiben in Passivität, Klagehaltung, Unzufriedenheit und Verbitterung. Genau hier kann Online-Dating als eine Selbstverpflichtung helfen, um aus der Passivität und Verbitterung herauszukommen und dadurch die Option einer Beziehungsentstehung durch eigenes Handeln möglich zu machen.
- Selbstverpflichtung zur Partnersuche sollte allerdings nicht zu einer Selbstverpflichtung zu einer Beziehung werden. Es gibt valide, tragfähige und sozial vernetzte Lebensmodelle ohne Partnerschaft, die nicht allein aus (internalisiertem) gesellschaftlichem Druck verworfen werden sollten und an denen im Übrigen als Alternative auch dann bereits gearbeitet werden kann, wenn die Partnersuche weiterhin fortbesteht. So war ein Coaching-Klient von mir sehr erleichtert, als er feststellte, dass er sich tatsächlich nicht partnerschaftlich binden möchte und dies auch nicht muss.
- Bei Gleichklang fördern wir Prozesse der von Partnerschaft unabhängigen sozialen Vernetzung, u.a. über die Kontaktliste „Projekte und Gemeinschaften“, die auch dann einen ausreichend dichten und stützenden sozialen Bezug etablieren können, wenn eine Partnerschaft nicht besteht, auf sie verzichtet wird oder sie nicht zustande kommt. Allen Mitglieder stehen diese Kontaktlisten über die Freundschaftssuche zur Verfügung. Auch Partnersuchenden möchte ich die aktive Nutzung dieser Projektliste ausdrücklich ans Herz legen, zumal unter Projekt-Teilnehmer:innen übrigens ebenfalls romantische Beziehungen entstehen können. Unter “Mehr als 1000 Projekte von Gleichklang-Mitgliedern” wird aufgezeigt, welche Projekte Mitglieder suchen oder starten möchten und welche Chancen mit den Kontaktlisten verbunden sind.
Zusammenfassung
Resümee und psychologische Empfehlungen
Einstellungen zur Online-Partnersuche
Partnersuchende Singles berichten über ambivalente Bewertungen von Dating-Plattformen und Online-Partnervermittlungen: Einerseits wird die Online-Partnersuche als gute Möglichkeit gesehen, den Suchraum auszudehnen und auch die Suche zu vereinfachen. Andererseits fürchten Partnersuchenden, dass die anderen Personen nicht ehrlich seien, fragen sich, ob sie überhaupt die passenden Person Online kennenlernen können und zweifeln an der Seriosität und Ehrlichkeit der Dating-Plattformen.
Diese ambivalenten Einstellungen haben sicherlich auch Auswirkungen auf die Motivation und das Durchhaltevermögen bei der Online-Partnersuche:
- Online-Dating als eine wirksame und einfache Möglichkeit zu betrachten, mit Menschen außerhalb des eigenen Umfeldes in Kontakt zu gelangen, kann die Motivation für eine Online-Partnersuche erhöhen. Wenn aber der Fokus auf eine große oder wechselnde Anzahl an Kontakten gelegt wird oder wenn die wahrgenommene Einfachheit den Anforderungen (z.B. Durchhaltevermögen) widerspricht, können die Chancen sogar sinken und Online-Dating wird so eher zum Zeitvertreib als zu einer echten Beziehungssuche.
- Die Befürchtung vor einem Mangel an Ehrlichkeit anderer Personen ist nachvollziehbar und – je nachdem auf welcher Plattform sich die Betreffenden aufhalten – mehr oder weniger berechtigt. Manche Teilnehmenden nehmen dies zum Anlass, sich selbst übermäßig positiv darzustellen, was aber die Chance auf ein authentisches Kennenlernen weiter reduziert. Helfen kann nur radikale Ehrlichkeit und die Achtsamkeit dafür, ob die anderen Personen dazu ebenfalls bereit sind.
- Online-Dating verlangt ein gewisses Vertrauen in die Plattform. Anders geht es nicht, weil in aller Regel eine längere Zeit notwendig sein wird, um die Partnersuche erfolgreich abzuschließen. Auf dem Weg der Partnerfindung wird es meistens zu Enttäuschungen, Irritationen, Wartezeiten etc. kommen. Umso wichtiger ist es, zwischen kritischem Denken, berechtigten Vorbehalten und Misstrauen zu unterscheiden, um sich nicht selbst die Möglichkeiten für eine Partnerfindung zu nehmen.
Fertigkeiten bei der Online-Partnersuche
Online-Partnersuche ist gleichzeitig, wie jeder Raum, in dem sich Menschen bewegen, auch ein Raum, in dem Fertigkeiten zum Tragen kommen, die mit darüber entscheiden können, ob die Partnersuche zum Erfolg führt oder nicht:
- Oft glauben Teilnehmende, es gehe vor allem um die Fertigkeit, sich positiv darzustellen und einen guten Eindruck zu hinterlassen.
- Manche Teilnehmende halten sich für unzulänglich und zweifeln an ihrem Vermögen, die Online-Dating zu einem positiven Ende zu verbringen.
- Andere wiederum betonen die Erlernbarkeit von Fertigkeiten, von denen sie später auch in anderen Kontexten profitieren können. Für diese Teilnehmenden geht es um die Reflexion ihrer eigenen Bedürfnisse und Grenzen und deren authentischen Ausdruck beim Online-Dating. Die Online-Partnersuche wird so zu einer Persönlichkeits-Entwicklung, von der die Betreffenden auch in anderen Kontexten profitieren können.
Welc he Rollen spielen Fertigkeiten?
- Bezüglich Fertigkeiten ist die Annahme problematisch, dass es vor allem um einen positiven Eindruck gehen. Die echten Kernfertigkeiten des Online-Dating sind nämlich „Authentizität“, „offene Kommunikation“, „Kenntnis der eigenen Bedürfnisse und Grenzen“, „Kompromiss- und Veränderungsbereitschaft“, sowie „Durchhaltevermögen und Geduld“. Übermäßig positive Selbstdarstellung führen letztlich zu Desillusionierung und Frustration.
- Ebenso problematisch sind Selbstzweifel und das Erleben der eigenen Unzulänglichkeit. Die Betreffenden können und sollten das Online-Dating vielmehr als einen Übungsprozess sind, in dessen Verlauf sie lernen, besser und selbstsicherer zu kommunizieren und ihre Ängste zu überwinden.
- Demgegenüber ist die Sichtweise von Online-Partnersuche als Persönlichkeitsentwicklung unbedingt zu unterstützen. Durch diese Sichtweise lernen Partnersuchenden, ihre kommunikativen Fertigkeiten zu verbessern und sich klarer über die eigenen Grenzen und Bedürfnisse zu werden. Dadurch wachsen ihre Aussichten, Partnerschaft zu finden.
Schwierigkeiten und Frustrationen
Vielfach erleben sich Partnersuchende mit Schwierigkeiten und Frustrationen konfrontiert, die daraus stammen, dass sie nie wissen, ob jemand ihnen antworten wird, oder weil dass unsicher sind, was sie in Erstnachrichten schreiben sollen. Viele vermissen den direkten Kontakt und nicht weniger sind über die bisherige Erfolglosigkeit ihrer Partnersuche frustriert.
SchwiSolche Frustrationen können die Beteiligten dazu verleiten, die Partnersuche vorzeitig abzubrechen. Manche geraten auch in On-Off-Muster, wo sie es immer wieder versuchen und immer wieder aufgeben.
Da sich diese Schwierigkeiten nicht vermeiden lassen, kann es nur darum gehen, die Schwierigkeiten möglichst gut zu bewältigen. Dies kann erreicht werden durch eine innere Haltung der Gelassenheit:
- Da der Erfolg nur einmal eintreten muss, sollten Phasen der Erfolglosigkeit mit Gelassenheit betrachtet werden. Weil wir auch als Single sinnerfüllt leben können, sollte zudem das Nicht-Eintreten des Erfolges nicht als Katastrophe, sondern als eine ebenfalls bewältigbare Möglichkeit angenommen werden. Ein aktiver, aber erwartungsoffener Zugang zur Online-Partnersuche ermöglicht die Gelassenheit, mit der die Online-Partnersuche ohne innerpsychische Belastung fortgesetzt werden kann.
- Zu dieser Gelassenheit gehört auch, das Nicht-Eintreffen oder die Verzögerung von Nachrichten zu akzeptieren und dennoch weiter dabei zu bleiben. Zudem geht es darum, das Beste aus der Online-Ebene zu machen. Es mag ja sein, dass der direkte Kontakt präferiert wird. Aber Sachlage ist nun einmal, dass auf dieser Ebene offenbar bisher die gewünschte Beziehung noch nicht gefunden wurde. Sonst wären die Betreffenden nicht beim Online-Dating. Wir sollten auch nicht vergessen, dass aktuell ungefähr vier von 10 Beziehungen Online entstehen. So schlecht kann die Online-Ebene also gar nicht sein, denn sonst könnten diese Beziehungen nicht entstehen.
- Die Fertigkeit zum Schreiben von Erstnachrichten lässt sich zudem einüben. Wichtig ist vor allem, dass Erstnachrichten einen persönlichen Charakter haben und den Wunsch nach einer weiteren Begegnung zum Ausdruck bringen. Positiv reagieren viele Menschen, wenn sie in der Erstnachricht lesen, warum gerade sie kontaktiert worden sind. Hierfür ist es wiederum hilfreich, beispielsweise einige Gemeinsamkeiten zu benennen, die anhand des freien Textes oder der anderen Profil-Informationen erkennbar sind. Vermieden werden sollten der Ausdruck von Zweifeln über den Sinn, die Chancen oder die Entfernung, da dies nur demotiviert. Wer Schwierigkeiten bei Erstnachrichten hat, kann sich ein Schema einer Nachricht zurechtlegen, welches sie dann jeweils individualisieren, um Gemeinsamkeiten zu benennen und rüber zu bringen, wie es zu dem Wunsch kommt, die andere Person zu kontaktieren.
Online-Partnersuche als Selbstverpflichtung
Manche Singles erleben die Teilnahme am Online-Dating auch als eine selbst auferlegte Verpflichtung, um sich selbst zu zeigen, dass sie aktiv dafür sind, ihre Partnerlosigkeit zu beenden. Die Betreffenden wollten damit sich selbst zeigen, dass sie die Initiative ergreifen
Solch eine Selbstverpflichtung kann hilfreich sein:
- Manche Partnersuchenden – und unter ihnen durchaus besonders viele Langzeit-Singles und Absolute Beginner – hadern mit ihrer Partnerlosigkeit, werden aber nicht (ausreichend) aktiv, um etwas zu ändern. Sie verleiben in Passivität, Klagehaltung, Unzufriedenheit und Verbitterung. Online-Dating als eine Selbstverpflichtung kann die Betroffenen aus der Passivität und Verbitterung herausbringen und ihnen ein Handeln für eine Beziehungsentstehung ermöglichen.
- Selbstverpflichtung zur Partnersuche sollte allerdings nicht zu einer normativen Selbstverpflichtung zu einer Beziehung werden. Es gibt valide, tragfähige und sozial vernetzte Lebensmodelle ohne Partnerschaft. Wer solch ein Lebensmodell präferiert, sollte sich jedem internalisiertem, gesellschaftlichem Druck entziehen und sich für diese Alternative entscheiden. Manche Menschen sind erleichtert, wenn sie feststellen, dass sie sich partnerschaftlich nicht binden möchten und dies auch nicht müssen.
- Für 93 % aller Erwachsenen gehört nach wie vor eine feste und dauerhafte Beziehung zu ihren wichtigsten Zielen im Leben. Die Online-Partnersuche ist ein geeigneter Weg, diesem Ziel nachzugehen, wenn die Etablierung einer gelassenen und realistischen Haltung gelingt, die Bereitschaft zu Authentizität vorhanden ist, Schwierigkeiten und Frustrationen als zu überwindende Barrieren auf dem Weg gesehen werden und die Partnersuche als eine Phase der Persönlichkeitsentwicklung betrachtet wird. Gerade Langzeit-Singles können von einem solchen ruhigen, entkatastrophisierenden und effektiven Zugang nachhaltig profitieren.
In der nächsten Woche werde ich das Thema „Singles bei der Partnersuche“ fortsetzen, indem ich die Ergebnisse einer bereits oben kurz angesprochenen Analyse des Psychotherapeuten Jackson (2018) vorstelle, der sich Menschen beschäftigt, die noch niemals eine partnerschaftliche Beziehung hatten (sogenannte Absolute Beginner).
Jackson sieht diese Absolute Beginner in einem Zustand der ambivalenten Trauer um eine mental gewollte und insofern psychisch präsente Beziehung, die jedoch physisch nicht präsent ist und von es zudem unklar ist, ob sie künftig physisch präsent sein wird oder nicht. Daraus entsteht nach Jackson die Schwierigkeit, dass aktuell für die Betreffenden ein Abschluss der Trauer nicht möglich ist, da die Trauer um die physisch nicht präsente Beziehung nur abgeschlossen werden könnte, wenn auf die mental gewollte Beziehung verzichtet werden würde.
Nächste Woche wird es darum gehen, mit welchen Strategien eine Bewältigung einer solchen ambivalenten Trauer möglich ist, wobei diese Überlegungen keineswegs nur für Absolute Beginner gelten, sondern sind für alle Langzeit-Singles relevant sind, die mit ihrem Single-Dasein oder ihrer Partnersuche hadern.
Zielstellung ist es Menschen, die seit langem Single sind, dabei zu unterstützen, einen verbesserten Umgang mit dem Single-Dasein zu finden und gleichzeitig die Option für eine künftige Beziehung offenzuhalten.
Genau dies sehen wir im Übrigen bei Gleichklang als eine unserer Kernaufgaben an.
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