In diesem Artikel möchte ich Antworten geben auf folgende Fragen:
- Wie kommt es dazu, dass Hass in einer Liebesbeziehung auftritt?
- Wie kann oder sollte mit dieser Situation umgegangen werden?
- Gibt es guten und schlechten Hass?
- Was sagt Hass über meine Beziehung und über mich selbst?
- Wie lässt sich vorbeugen, sodass destruktiver Hass in Liebesbeziehungen gar nicht erst entsteht?
Ich beginne mit einigen ersten Ergebnissen unserer nach wie vor laufenden ➨ Umfrage zu Liebe und Hass (weitere Teilnehmende erwünscht!), stelle in aller Kürze einige psychologische Studien vor und gelange dann zu einer psychologischen Einordnung und darauf beruhenden Empfehlungen.
Die Darstellung der Ergebnisse der Befragung erfolgt vorwiegend qualitativ, indem die Betreffenden selbst zu Wort kommen, wobei zur Strukturierung ihre Schilderungen unter übergeordneten Thematiken gesammelt werden.
Welcher Zusammenhang besteht zwischen Liebe und Hass?
In unserer quantitativen Befragung zu Liebe und Hass mit aktuell etwas über 400 Teilnehmenden gaben 60 % der Befragten an, dass Hass das Gegenteil von Liebe sei. 49 % meinten, dass Liebe und Hass nicht miteinander verbunden seien. 36 % der Befragten stimmten demgegenüber der Aussage zu “ohne Liebe, kein Hass“. 27 % vertraten die Ansicht, dass Hass eine Form der Liebe sei.
Die Ergebnisse zeigen sehr unterschiedliche Ansichten, wobei es noch verwirrender wird, wenn sich beispielsweise zeigt, dass 17 % derjenigen, für die Hass das Gegenteil von Liebe ist, dennoch ebenfalls die Frage bejahten, dass Hass eine Form der Liebe sei. Immerhin 15 % derjenigen, die keinerlei Zusammenhang zwischen Liebe und Hass sahen, bejahten dennoch die Aussage “ohne Liebe, kein Hass“.
Die Erklärung für diese teilweise widersprüchlichen Befunde liegt wohl darin, dass Hass und Liebe komplexe Phänomene sind und dass manches auf den ersten Blick unvereinbar erscheinen mag, was in Wirklichkeit zusammenhängt.
Nach Eifersuchtsmorden ist die Berufung auf die große Liebe übrigens eher Standard als Ausnahme. Die betreffenden Täter:innen beschreiben oft gleichzeitig oder abwechselnd intensive Gefühle von Liebe und Hass.
Einige psychologische Befunde sprechen dafür, dass dies nicht nur ein Lamentieren ist:
Yin et al. (2017) veröffentlichten eine Studie unter dem bezeichnenden Titel “Je größer die Liebe, desto größer der Hass“ (übersetzt).
Die Autor:innen ließen Befragte in die Rolle von Protagonisten und deren Gefühl von Liebe und Hass schlüpfen, indem sie ihnen Geschichten vorgaben über die Protagonisten selbst, andere mit diesen verbundene Personen, sowie Ereignisse zwischen den Protagonisten und diesen anderen Personen. Konfrontiert wurden die Befragten dabei mit einem Betrug der anderen Personen (z.B. Fremdgehen) gegenüber den Protagonisten. Die Befragten wurden jeweils zu verschiedenen Zeitpunkte gebeten, die Gefühle von Liebe oder auch Hass anzugeben, die die Protagonisten, in deren Rolle sie waren, gegenüber den anderen Personen empfanden.
Es zeigten sich folgende Hauptbefunde:
- Je ähnlicher die anderen Personen den Protagonisten waren, desto mehr Liebe erlebten die Protagonisten gegenüber diesen.
- Die Konfrontation mit einem Betrugs-Ereignis führte zu Gefühlen von Hass.
- Hassgefühle waren umso höher, desto stärker die Protagonisten die anderen Personen liebten.
- In der höchsten Liebesgruppe blieb die Liebe dennoch stärker als der Hass, in der mittleren und der untersten Liebesgruppe war der Hass aber größer als die Liebe.
Im Grunde lassen sich die Befunde intuitiv leicht verständlich machen:
- Wir lieben insbesondere Menschen, mit denen uns zentrale Gemeinsamkeiten verbinden.
- Enttäuschen geliebte Menschen unsere Erwartungen in einem fundamentalem Sinn, reagieren wir emotional intensiver als wenn dies Menschen tun, für die wir keine Liebe verspüren.
- So kann auch der Hass höher sein, wenn wir jemanden lieben, der uns enttäuscht, als wenn die Enttäuschung durch eine Person ausgeht, mit der wir nicht emotional verbunden sind.
- Wenn wir Menschen besonders stark lieben, mögen wir sie also ebenfalls (künftig oder temporär) besonders stark hassen, wenn sie uns enttäuschen.
- Dennoch tendiert eine hohe Liebe (jedenfalls zunächst) dazu, den Hass zu übersteigen, was erklären mag, warum gerade bei einer besonders starken Liebe die wenigsten bei der ersten Enttäuschung, selbst wenn diese schwer ist, sogleich aufgeben.
Für einen engen Zusammenhang zwischen Hass und Liebe sprechen zudem einige hirnphysiologische Befunde. So berichteten Zeki und Romaya (2008) über die Aktivierung überlappender Hirnareale bei Liebes- und Hasserleben, auch wenn ebenfalls sich zwischen beiden emotionalen Reaktionen unterscheidende Strukturen erkennbar werden.
Grund genug also, sich mit dem Thema Hass zu beschäftigen, wenn es um die Liebe geht.
Häufigkeit und Folgen von Hass in Beziehungen
Wie die oben angedeutete Beziehung zwischen Liebe und Hass bereits vermuten ließ, ist Hass in Liebesbeziehungen kein seltenes Phänomen.
In der aktuellen Umfrage unter Gleichklang-Mitgliedern gab eine Mehrheit der Befragten (53,33 %) an, sich an Hasserleben in einer Liebesbeziehung zu erinnern.
Dieser Hass war für die Befragten keineswegs ein Randereignis oder gar eine Kleinigkeit:
- 90 % der Befragten erlebten ihn vielmehr als eine sehr starke (62,86 %) oder starke (26,67 %) Belastung.
- Weniger als 3 % sprachen demgegenüber von nur einer schwachen (1,90 %) oder sehr schwachen (0,95 %) Belastung.
Die Befragten wurden gebeten, ihr eigenes Erleben in freien Worten zu beschreiben. Aus der Analyse dieser Texte wurde deutlich, dass das Geschehen nicht selten noch lange Zeit Spuren hinterließ. Das Erleben der Situation wurde als eine enorme Hilflosigkeit geschildert, die bis hin zu einer akuten Blockade der Denk- und Handlungsprozesse führen konnte:
- Körperlich zeigte sich Hass in Erregungs- und Unruhezuständen. Berichtet wurden Kopfschmerzen, Durchfall, Übelkeit, Gewichtsabnahme, Herzrasen, Schlafstörungen, innere Unruhe, sowie ein letztlicher Erschöpfungszustand.
- Emotional traten bei den Befragten extremer Ärger und Wut auf, die sich nicht ausschließlich auf eine störende oder verletzende Handlung, sondern auf die Person als Ausgangspunkt der erlittenen Verletzung fokussierten. Ärger und Wut wurden dabei oft begleitet durch Gefühle von Trauer, Angst und Verzweiflung, wobei die jeweiligen Gefühle gleichzeitig auftraten oder sich abwechselten.
- Gedanklich schilderten die Befragten Suizidgedanken, Selbstzweifel, Selbstabwertungen, Mordgedanken, Foltergedanken, Wünsche, dass die andere Person leide, geistige Rachefantasien der verschiedensten Art, Wünsche, die andere Person nie mehr zu sehen, Fluchtgedanken, Zweifel an Gerechtigkeit und der ganzen Welt. Manche schilderten ein Gedankenchaos mit sich abwechselnden widerstreitenden Gedanken.
- Verhaltensreaktionen waren verbaler Angriff, Schreien, Brüllen, Beschimpfungen, Bedrohungen, Weinattacken, körperliche Angriffe, Verlassen des Ortes, Trennung, vollständiger Kontaktabbruch, aber auch Klärung der Situation und offenes Gespräch, nicht selten nach temporärem Abstand. Auch hier wurden Szenen mit stark schwankendem, wechselhaftem und turbulentem Verhalten berichtet.
Auch in der quantitativen Befragung zeigte sich ein erhebliches Ausmaß, mit der Hass in das eigene Erleben und Verhalten eingreifen kann:
- 70 % gaben an, die Beziehung beendet zu haben. 64 % gaben an, dass sie damals die Person nie mehr sehen wollen. 63% schilderten eine Blockade, aufgrund derer sie nicht mehr hätten vor oder zurück können. 61% schilderten verbale Angriffe ihrerseits. 53 % gaben an, dass sie sich ausmalten, dass die Person leide. 50 % liefen weg. 28 % dachten an Suizid und 10 % berichteten über körperliche Angriffe ihrerseits auf die ihren Hass auslösende Person.
Eine knappe Mehrheit der Befragten (55,24 %) berichtete, nur selbst Hass erlebt zu haben. Eine starke Minderheit (44.76 %) schilderte, dass bei beiden Seiten Hass aufgetreten sei:
- Wenn bei beiden Hass auftrat, lagen oft hochgradig dysfunktionale Beziehungen vor, die immer wieder zu Verletzungen führten.
- Trat nur bei einer Person Hass auf, war dies oft Folge von überraschenden Einzelereignissen (Fremdgehen, Vertrauensbruch, Trennung) oder die Reaktion auf sich toxisch verhaltene Beziehungspartner:innen mit einer deutlichen Machtasymmetrie in der Partnerschaft.
Aus den Schilderungen der Befragten ergab sich, dass es einer Mehrheit der Befragten letztlich gelang, den Hass und die Folgen zu bewältigen oder sogar im Verlauf etwas Positives aus dieser Erfahrung für die Kenntnis der eigenen Person und die eigenen Beziehungen zu entnehmen.
So berichteten einige der Befragten, durch den Hass zur Selbstliebe gekommen zu sein:
Was wollte der Hass Ihnen sagen?
- Liebe dich selbst :-).
- In Achtsamkeit zu mir zu stehen.
- Komm zu dir und konzentriere dich voll und ganz auf dich und das Schöne im Leben. Diesen Stress hast du nicht verdient.
- Spätere Erkenntnis: ich war mir selbst nicht zugewandt, hasste mich für meine unzähligen, ins Leere laufenden Gesprächsangebote, mir ist mein Wert begegnet, Liebe zu empfinden, das war das Geschenk dieser Partnerschaft.
Mehrere Befragte berichteten aber über lang andauernde Belastungen. Sie gaben an, Therapie gebraucht zu haben oder weiterhin mit dem Erleben zu ringen:
Was wollte der Hass Ihnen sagen?
- Es dauert Jahre, bis wirklich der innere Friede in diesem Punkt erreicht ist. “Ausrutscher” werden seltener. … Ich will diese Akzeptanz der Vergangenheit, weil ich für neue Begegnungen wirklich offen sein will. Verzeihen fällt mir noch sehr schwer, leider.
- Hass kam neben der Liebe, es war schlimm, ich habe ignoriert, verleugnet, heile Welt gespielt. Gründe waren die Unfähigkeit meines Mannes sich für mich mal Zeit zu nehmen oder pünktlich zu sein, “was willst du ich habe dich doch geheiratet?”, ich habe mich verändert und verbogen, er nicht. Ich habe die Trennung erwogen bis er anfängt in seinen Problemen aufzuräumen, darauf hat er sich umgebracht. Und ich habe viele Jahre Therapie gebraucht um aus dieser Co-Abhängigkeit raus zu kommen.
Eine Befragte schilderte den Verlust des Glaubens an die Liebe als Konsequenz:
- Dass Liebe unmöglich ist.
Für manche endeten die Langzeitbelastungen aber in einem Happy-End:
- … Ich fühlte mich enttäuscht, gedemütigt, verletzt, emotional missbraucht und unglaublich “dumm”. Dies zog meinen Selbstwert massiv in den Keller. Ich litt unter Schlafstörungen, nächtlichen Weinattacken und redete mir meine Gefühle bei Freunden, Arbeitskollegen, Familie und meiner Therapeutin von der Seele. Um nicht durchzudrehen und stark für die Kinder und mich zu bleiben, trieb ich Sport, traf Freunde, meine Familie und suchte mir Hobbys, die mich erfüllen (Tanzen, Yoga, Joggen). Zusätzlich hatte ich eine gute Anwältin, die mich während der gesamten Zeit gut unterstützte. Am Ende war es ein “langer Atem”, den ich benötigte und auch besaß. Geduld war der Schlüssel zum Ziel….denn nach 3 Jahren Geduld und Zielstrebigkeit nahm alles ein gutes Ende. Er hat es nicht geschafft, uns aus unserem Haus und Wohnumfeld der Kinder zu schmeißen. Wir bleiben. Er hat mir die Kinder nicht wegnehmen können. stattdessen brach er den Kontakt vor 2 Jahren ab, als die Beteiligten anfingen seine Spielchen zu durchschauen. Die Scheidung ist durch und die Anwaltskosten sind endlich. Über Gleichklang habe ich einen tollen Partner kennengelernt, der mich mit Glück erfüllt und dem ich vertraue, trotz meiner Erlebnisse der Vergangenheit. Es ist ein tolles Gefühl, nun nur noch zurückblicken zu können und zu wissen-es ist vorbei. Wir sind zur Ruhe gekommen. Es hat ein neues Lebenskapitel begonnen, das umso schöner nun ist.
Warum hassen Menschen ihre Partner:innen?
Die am häufigsten beschriebenen Auslösesituation waren Fremdgehen von Partner:innen, oder plötzliche Trennung.
Weitere Auslösesituationen war das Brechen als bedeutsam erlebter Vereinbarungen oder Versprechen, fortdauernder missbräuchlicher Alkohol- oder Drogenkonsum, verletzende verbale Äußerungen, körperliche Gewalt, Isolierung von eigenen Freund:innen und sozialen Bezügen durch Partner:innen, Lügen über die Lebenssituation, extreme Eifersucht durch Partner:innen, Abwertungen durch Eltern oder Familienangehörige von Partner:innen.
Als die Hassreaktion bedingende Faktoren wurden zusammenfassend durch die Befragten geschildert seelische Grausamkeit, Betrug und Verrat, emotionale Verletzung, mangelndes Lernen aus Fehlern, Fehlen von Loyalität, Rücksichtslosigkeit und Gewalt, Nicht-Beachtung von Bedürfnissen, Vertrauensverlust, manipulativer Umgang, emotionales Kaltstellen (am langen Arm verhungern lassen), Erniedrigung, Gleichgültigkeit, Ausnutzung, Leugnung von Problemen und Übergriffen, Schuldzuweisungen, Gefühlskälte und gebrochene Versprechen.
Die Gemeinsamkeit all dieser Schilderungen war, dass sich die Befragten als vernachlässigt, zurückgestoßen oder betrogen erlebten.
Grundlegende mit einer Beziehung verbundene Erwartungen wurden durch Beziehungspartner:innen nicht erfüllt, ohne dass dies zu einer Klärung, einem Einsehen oder einer Veränderung führte. Die Befragten fühlten sich als nicht gesehen und nicht in ihren Bedürfnissen wahrgenommen.
Oft verstärkten ein berichteter Kontrast zwischen eigenen Bemühungen und Beziehungsinvestment und dem Desinteresse, der Gleichgültigkeit und mangelnden Klärungsbereitschaft von Beziehungspartner:innen das Gefühl von Ungerechtigkeit und Hilflosigkeit.
Alle Befragte schilderten eine tiefe Kränkung, die dem Hasserleben vorausging.
Hass trat bei den Befragten sowohl als Reaktion auf singuläre, besonders gravierende Ereignisse auf als auch als eine Reaktion auf ein überdauerndes oder sich wiederholendes Verhaltens-Muster von Partner:innen, welches als Zurückweisung, Vertrauensbruch, Manipulation oder Egoismus erlebt wurde.
Als eine mögliche Verlaufsform schilderten Befragten einen Hass, der sich aufgrund von anhaltender Enttäuschung aufnaue und schrittweise verfestigte, um schlussendlich sogar durch Kleinigkeiten aktiviert werden zu können:
- Der Hass bzw. Wut trat später auf, nach Enttäuschung, Zurückweisung und Verletzung wie mich herunter machen war es erst Enttäuschung, dann Verlust von Vertrauen und wurde später zu Wut bzw Ärger über Kleinigkeiten, die Nähe des anderen kaum ertragen, Aggression, keine Freude beim Wiedersehen etc.
Ob Hass plötzlich, schnell oder langsam entstand, ob er einseitig oder beidseitig war, ob er schnell verging oder sogar noch nach Jahren andauerte, ausnahmslos schilderten alle Befragten eine von Beziehungspartner:innen ausgehende Verletzung und Kränkung, sodass sich Gefühle von Ärger und Wut steigerten und sich nicht ausschließlich auf die auslösenden Verhaltensweisen, sondern auf die Person der Beziehungspartner:innen richteten.
Verarbeitung von Hass
Trotz oft enormer Belastung zum Zeitpunkt des Hasserlebens, schilderten eine Reihe von Befragten positive Auswirkungen im Sinne von Hass als Ausgangspunkt und Anreiz für Klärung und Veränderung. Jedenfalls rückblickend erlebten viele Befragte ihren damaligen Hass als eine Art Wendepunkt.
Sehr oft wurde der erlebte Hass als Aufforderung zu Abgrenzung oder Trennung betrachtet:
- Ich muss mich von ihm trennen.
- Die endgültige Trennung zu vollziehen.
- Loszulassen.
- Das ich mich schützen und gehen muss, damit der Hass mich nicht verzehrt.
- Dass jetzt etwas überschritten ist. Das Maß ist voll.
- Weg mit diesem Mensch! Er zerstört dich. Bevor er dich zerstört, zerstör du ihn. Reiner Selbstschutz. Das letzte Aufbäumen.
Ebenfalls wurden Selbstreflexionen der eigenen Anforderungen und Reaktionsweisen als Ergebnis des eigenen Hasserlebens berichtet – mit ganz unterschiedlichen Ergebnissen:
- du bist vielleicht doch nicht so friedlich wie du glaubst zu sein.
- Dass ich nicht einen anderen Menschen in MEINE Vorstellungen zwingen kann. Und ich selbst viel zu abhängig von ihm war.
Dass meine Wünsche nicht berechtigt waren. - Vielleicht, dass er es nicht wert ist, dass ich ihn so geliebt habe. Oder auch, dass ich ihn falsch eingeschätzt habe. Vielleicht war es auch ein Stück Selbsthass, weil ich so vertraut habe.
- Ich komme nicht klar mit dem Leben.
- Werde gelassener und du kannst nicht einen anderen Menschen um jeden Preis zu zur Liebe bringen bzw loslassen und verlassen akzeptieren.
- Ich war zu besessen von der geliebten Person und zu Besitz ergreifend. Ich brauchte das, um mich selbst wieder wahrzunehmen.
Dass ich mit mir nicht glücklich war und nicht in der Lage, meine Befindlichkeiten und Bedürfnissen zu kommunizieren. - gehe nicht so (abwertend, kleinmachend) mit mir um – wenn ich gerade darüber nachdenke, Bin ich es jedoch selbst, die mit mir selbst oft so umgeht.
- Du hast Dich selbst in eine sehr blöde Situation manövriert und erlebst jetzt starke Frustration…!
Wie sehr Hass mit eigenen Erwartungen zusammenhängen kann, macht diese Schilderung sehr plastisch deutlich:
- Hass und Liebe traten zeitnah aber nicht ganz gleichzeitig auf. Zunächst war ich in Kontakt mit meiner Liebe, den angenehmen, Gefühlen für diesen Menschen, meinem Wunsch nach mehr Nähe und Anerkennung. Meine Liebe war vermutlich mit bestimmten Erwartungen verknüpft. Als die sich nicht erfüllten, schlug meine Liebe in Hass um. Ich war zunächst sehr wütend, spürte meine Wut im Bauch, im ganzen Körper, habe geschrien, Vorwürfe gemacht. Mir schien als würde sich dieselbe Situation von Missverständnis und Zurückweisung immer und immer wieder wiederholen. Hilflosigkeit, die in Hass umschlägt. Ich unterstellte dem anderen Menschen mich demütigen und in die Knie zwingen zu wollen. Das hineinsteigern in diese negativen Gedanken erzeugten in mir Hass. Als ich meinen Hass spürte und mir dessen bewusst wurde, bin ich aus der Situation gegangen. Hass ist kein Gefühl, dem ich Raum lassen möchte. Ich habe mich von diesem anderen Menschen zurückgezogen und mich lange Zeit damit beschäftigt, wie Hass in mir entstehen konnte. Ergebnis: Meinen Hass als mir zugehörig annehmen, dann bin ich ihm nicht ausgeliefert.
Hass wurde zudem als diagnostische Situation erlebt. Dabei wurde Hass als Bestätigung oder Validierung bereits vorheriger eigener Gefühle wahrgenommen, die es gleichzeitig ermöglichte, für die eigenen Bedürfnisse einzutreten:
- Das, was ich damals empfunden habe, möglicherweise Hass, war die Bestätigung eines unguten Gefühls, das ich bereits vorher hatte und über das ich leider hinweggegangen bin:
- dass mir die Situation nicht gut tat – eigentlich war er ein guter Hinweis darauf, dass ich mich verteidigen sollte, aber nicht durch Rache an meinem Liebhaber, sondern durch Eintreten für meine Bedürfnisse – doch damals habe ich das so nicht sehen können.
Eine Reihe der Befragten nahmen den Hass zum Anlass, um ihre ursprüngliche Partnerwahl zu reflektieren:
- Falsche Partnerwahl nach Mustern.
- falsche Beziehungsperson.
- Dass dieser Mensch mir nicht gut tut. Das hätte ich schon viel früher wissen können. Ich hab’s aber verdrängt.
- Dass ich diesen Menschen schon viel früher als nicht geeignet für eine gemeinsame Beziehung hätte halten sollen.
Einige der Befragten schilderten, dass das Gefühl des Hasses es ihnen erleichtert habe, sich für eine Trennung zu entscheiden, eine eingetretene Trennung zu verarbeiten oder mit den Verlust- und Liebesschmerzen umzugehen – auch wenn dies manchmal nur temporär im Sinne eines Zurückdrängens gelang:
- Für mich war es eigentlich eine Art mit dem Verlust umzugehen.
- Es war ein starkes Gefühl, dass mir half, Abstand zu gewinnen.
- er wollte mich vor den schlimmsten Verletzungen schützen, indem ich sie so schlecht dastehen lasse, dass ihr Verhalten nicht mehr so ernst zu nehmen ist.
- Dass ich ihn liebte und nur mit Hass reagieren konnte, um es ertragen zu können. Wenn der Zorn über aktuelle Ereignisse sich gelegt hatte, kam immer wieder, trotz allem, ein Gefühl des Vermissens auf. Diese Ambivalenz der Gefühle ist grundsätzlich schwer erträglich.
Eine Befragte stellte ihren Hass kritisch in Frage und kam zu dem Ergebnis, dass sie ihren Hass für eine selbstentlastende Schuldzuweisung an Partner:innen und eine (bequeme) Ausblendung eigener Anteil genutzt habe:
- am ehesten diente er wohl dazu, die Gründe für die Trennung nur bei ihr zu suchen und mich davon abzuhalten zu versuchen sie zu verstehen und meine Anteile am Scheitern zu betrachten.
Mehrere Befragte berichteten, dass sie aus ihrem Hass Schlüsse für die Zukunft und den künftigen zwischenmenschlichen Umgang gezogen haben:
- Vielleicht, dass schneller entschieden werden kann, was ein absolutes No-Go ist.
- Nächstes Mal schneller einen Schlussstrich zu ziehen
- Pass auf, sei Realist und handele endlich.
- dass ich für meine Partnerin wichtig sein soll
Von zentraler Bedeutung für die Bewältigung der Situation waren für viele Befragten die Kommunikation mit Partner:innen oder anderen Personen, soziale Bezüge oder auch der Einbezug professioneller Hilfspersonen:
- Offenheit, Selbstreflexion, Freundinnen, Gespräche, Veränderung des Blickwinkels, Selbstliebe, eigene Verantwortung fürs Leben sehen
Mit Empathie Gesprächen und gemeinsamen Lösungen mit einem Mediator - Wir konnten in Gesprächen Monate später die Dinge klären und Versöhnungsarbeit leisten. Inzwischen sind wir Freunde. Bis heute entstehen in mir sowohl Zuneigung als auch Gefühle des Hasses, wenn ich an sie denke, aber diese “Hassgefühle” beziehen sich eben nur auf bestimmte Verhaltensweisen von ihr.
- Eingeladen zu Zwiegesprächen,ohne Erfolg,Hilfe beim Therapeuten gesucht und allein in Anspruch genommen,Briefe als Hilferufe formuliert und dem Partner zur Kenntnis gegeben,Bücher zum Thema gelesen,Seminare besucht. Es gab kein gemeinsames Weiter,Scheidung eingereicht,allein den weiteren Weg bestritten mit ganz viel Herzweh,hab mehr geglaubt zu sehen im Gegenüber als es tatsächlich vorhanden war.
- Therapie, Begleitung, Gespräch, körperlicher und emotionaler Selbstausdruck, so vielfältig wie möglich
- Kommunikation, Paartherapie oder -Beratung, auf die eigenen Gefühle achten, wenn man zu lange leidet, der Hass nicht aufhört, krank macht… unbedingt neue Wege gehen, egal wie lange die Beziehung andauerte ( bei mir über 40 Jahre) und unabhängig vom eigen Alter. Mut haben, Mut holen,
- Ich habe eine Therapie gemacht. Es ging gut, weil ich es loslassen konnte.
Ratschläge von Betroffenen
Was raten Menschen, die selbst Hass auf eine geliebte Person erlebten, anderen in einer ähnlichen Situation? Wie glauben sie kann Hass überwunden werden?
Die Antworten lassen sich überlappend den Schwerpunktempfehlungen (1) Beziehung prüfen, abgrenzen und ggf. trennen, (2) Sich selbst reflektieren und regulieren, sowie (3) Kommunizieren und Klären zuweisen:
(1) Beziehung prüfen, abgrenzen und ggf. trennen:
- wenn möglich die situation ehrlich miteinander besprechen und sofern es keine gewollte verletzung gab, es nochmal versuchen. wenn einer den anderen gewollt verletzt, dann unbedingt trennen.
- eine Trennung in Erwägung ziehen.
- Überprüfe, ob du in dieser Beziehung bleiben kannst.
- Temporäre Trennung, um sich selbst neu z7 sortieren und um von außen auf die Situation zu schauen. eventuell über alles ausführlich reden – alle Seiten und Einzelheiten anschauen.
- Kontakt komplett abbrechen bzw nur schriftlich stattfinden lassen, Hilfe suchen bei Psychologen, öffentlichen Einrichtungen und eigenes Selbstwertgefühl und das der Kinder staerken, Mutter – Kindkuren wahrnehmen, entsprechende Sachbücher lesen, Ziele für Zukunft setzen, Selbstreflexion.
- Überprüfe, ob du in dieser Beziehung bleiben kannst.
- Bleib bei DIR, verliere Dich nicht in einer Beziehung, passe Dich nicht Gewohnheiten an, die Du nicht magst, Guck, dass Du immer auch einen Raum der Selbstfürsorge hast [mit Dir, mit Freundinnen, …] Und trenne Dich frühzeitig !!!
- klaren Schlussstrich ziehen, sich selbst nicht partiell über die andere Person bewerten.
- Mach Schluss, und dann lass alle Gefühle zu, ohne sie in die Tat umzusetzen – und halte Abstand von ihr/ihm.
(2) Sich selbst reflektieren und regulieren:
- sich genau anschauen, sich zurücknehmen, den eigenen Anteil erkennen den Gefühlen nicht freien Lauf lassen
Schau, dass Du (immer wieder) selber hinbekommst, was Dir so wichtig ist oder verlasse die Situation oder akzeptiere sie.
Hass ist ein Ausdruck dafür, dass einem etwas fehlt. Man sucht es fälschlicherweise beim andern und wird enttäuscht. Selbstachtung ist, ganz und gar ehrlich mit sich selbst zu sein. Das muss man bewusst üben. Dann kann man sich auch irgendwann selber alles das beschaffen, was man zum “Funktionieren” braucht. - Frage dich, was du vom Leben noch erwartest und dann überlege dir, was du dafür tun musst.
- Auf keinen Fall auf Impulse und Emotionen hin handeln. Gefühle genau betrachten, da sie oft schon eine persönliche Wertung mit enthalten.
- Sich selbst zu hinterfragen. Sich helfen zu lassen. Auf Distanz zu gehen, um sich selbst wieder spüren zu können. Hass und Wut gelten lassen. geht nicht, wenn sie die Basis der Beziehung bestimmen.
- Sich auf sich besinnen und versuchen den anderen zu verstehen warum er so gehandelt hat, wie er gehandelt hat. Die Wir, die Trauer zu fühlen und auszuleben. Wieder zu sich kommen, hinfallen, aufstehen, Krönchen richten und weiter geht’s.
- Vermeiden lässt es sich, wenn ich wieder anfange mich selbst mir selbst zu begegnen und mich zu lieben. Dann muss kein Partner herhalten, mir dies zu reflektieren
- Ihrem Gefühl zu trauen und sich damit eingehend zu beschäftigen, um zu klären, was hier eigentlich los ist und ob die Beziehung überhaupt eine Grundlage hat; bzw. zu schauen, ob sie sich in der Beziehung tatsächlich sicher und geborgen fühlt
Indem man tiefer schaut, sein Selbstmitgefühl stärkt und auch Mitgefühl mit dem anderen und seinen Verletzungen … - Nicht so egoistisch denken. Niemand ist dazu verpflichtet, deine Bedürfnisse zu erfüllen. Wenn du jemanden wirklich liebst, ohne Gegengaben zu erwarten, wirst du ihn nie hassen.
- Gut zu sich selbst sein und den Blick vom anderen weg und “hinaus in die Welt” richten.
- Achte auf dich und deine Bedürfnisse. Gute, liebevolle Gedanken dir selbst gegenüber und Empathie für die Beweggründe anderer lösen jeden Hass auf.
- Indem man mit sich selbst in innerem Gleichgewicht bleibt
(3) Kommunizieren und Klären – ggf. nach einem temporären Abstand:
- hat die Beziehung eine Chance und Kommunikationsregeln vereinbaren, das geht auch aus der Ferne!
- Seine Wünsche/Bedürfnisse klar zu kommunizieren und der Partnerin einen Spiegel ihres Verhaltens zeigen und schauen wie sie darauf reagiert. Wenn der gewünschte Umgang miteinander von der Partnerin danach dennoch dauerhaft missachtet wird, dann möglichst schnell das Weite suchen, sonst geht man zu Grunde…
- Eine Nacht drüber geschlafen, dann ein klärendes, gewaltfreies Gespäch, Gefühle ausgedrückt. Die Verbindung auf Herzebene war wieder möglich.
- Versuchen miteinander zu sprechen, bevor sich eine Wand aufbaut, die nicht mehr zu überwinden ist.
- Sich die Gefühle eingestehen, die da sind, sie wahrnehmen und dem Partner ganz wahrhaftig sagen, was bei mir durch sein Verhalten passiert.
- Wenn möglich, mit dem anderen zu reden, um ihn zu verstehen und so irgendwann den Hass zu überwinden. Wenn reden nicht geht, dann den Kontakt abzubrechen. Aber das trifft ja nur auf meine Situation zu.
- Offene, vorbehaltlose Kommunikation. Sich seine Vorstellungen, Wünsche etc. ganz klar mitzuteilen und auch nicht nur seins aufzudrängen, sondern sich gegenseitig zu respektieren, auch in gegensätzlichen Dingen. Und dann zu schauen ob es dennoch insgesamt stimmig ist, bzw ob man Wege finden könnte Hürden zu überwinden. Wenn das nicht funktioniert, dann passt es nicht und man muss sich trennen, BEVOR es soweit kommt.
- Indem man redet, den anderen ernst nimmt und sich austauscht, so, dass man versteht.
- Ehrliche Kommunikation sich selbst und dem Anderen gegenüber.
- respektvolle Kommunikation & Problemlösung.
- Mit Achtsamkeit, ehrlichem respektvollen Umgang miteinander.
- über Probleme reden – alle Standpunkte anschauen und besprechen.
Manche Ratschläge ließen sich allen Bereichen zuordnen:
- Reden, Hilfe holen, nicht aushalten, frühzeitig Beziehung beenden, wenn sie zerstörerisch ist. Eigenes Verhalten aufarbeiten…
- Temporäre Trennung, um sich selbst neu zu sortieren und um von außen auf die Situation zu schauen. eventuell über alles ausführlich reden – alle Seiten und Einzelheiten anschauen.
- Nimm die eigene Wut ernst. Werde dir klar, wo du dich verletzt fühlst und was du ändern willst. Lass die Wut nicht zu Hass verfestigen, sondern sondern würdige sie, indem du sie angemessen und zeitnah ausdrückst und diese, wenn dir die erste Distanz zur eigenen Wut möglich ist, auch auf die Person richtest, die dich verletzt hat. Bleib bei dir und begründe deine Gefühle und sei offen für Klärung und Versöhnung. Fühle dich und deine eigenen Bedürfnissee, das stärkt deine Selbstliebe. Liebe dich selbst, dann entfällt der Hasse auf dein Gegenüber.
- Ehrlichkeit, Empathie, Vertrauen, tiefe Kommunikation, Zärtlichkeit, Verantwortung, Wertschätzung, Achtsamkeit, Authentizität, Liebe, Sexualität, Spiritualität, Kompromisse.
- Sich etwas Gutes tun (seelisch, geistig und körperlich); in die Nähe von Wasser gehen (Wellen); in den Wald gehen (Licht und Schatten, grün, Stille, Duft), schwimmen, Musik, den Wolken zuschauen, den Insekten, Schmetterlingen zuschauen, altes Telefonbuch zerreißen, im Auto so laut und lange schreien wie möglich, allein sein oder sich einer guten Freundin/ einem Freund anvertrauen, zur Therapeutin gehen, einen schönen Film sehen, eine Aussicht über eine Stadt oder eine Landschaft genießen, …
- Offenheit, Selbstreflexion, Freundinnen, Gespräche, Veränderung des Blickwinkels, Selbstliebe, eigene Verantwortung fürs Leben sehen.
Die Unterschiedlichkeit der Ratschläge hängt natürlich maßgeblich mit den unterschiedlichen Konstellationen zusammen.
Bei Durchsicht der Schilderungen zeigte sich, dass insbesondere bei toxisch-chronifizierten Beziehungsmustern, narzisstischem Missbrauch und bei fortbestehender, schwerer Suchtproblematik ohne erkennbar werdende Veränderungsschritte in der Regel eine Abgrenzungsempfehlung gegeben wurde.
Bestanden aber Ambivalenzen, wurden positive Seiten beschrieben, lagen deutliche eigene Anteile vor, waren Vorkommnisse singulär oder besprechbar, orientierten sich Ratschläge stärker an der Nutzung kommunikativer Strategien mit ggf. möglicher Klärung/Verbesserung der Beziehung.
In allen Konstellationen wurde sehr oft zu Selbstreflexion und Stärkung des eigenen Selbstwertes geraten.
Geschlecht, Alter und Bildungsstand
Grundsätzlich zeigten sich in der Befragung vergleichbare Erfahrungen bei verschiedenen Geschlechtern, Altersstufen und Bildungswegen.
Hasserleben in Liebesbeziehungen wurde von den Befragten – in Abhängigkeit von der konkreten Situation – in ähnlichen Mustern erlebt.
Persönlichkeitsaspekte
Bisher ging es vorwiegend um die Situationen, die in Liebesbeziehungen Hass auslösen können. Einige Befragten berichteten aber ebenfalls über eine durch den Hass ausgelöste Selbstreflexion oder darüber, dass der Hass auch dazu gedient habe, eigene Anteile zu verdecken.
Der entscheidende Faktor, der zu Hass führen kann, ist, dass eine andere Person grundlegende Erwartungen verletzt. Solche Erwartungen hängen jedoch nicht nur von der anderen Person, sondern auch von der eigenen Person ab und es stellt sich die Frage nach ihrer Funktionalität und ihrem Realitätsgehalt.
Hass wird durch Kränkung, Enttäuschung und Verletzung ausgelöst, aber Menschen unterscheiden sich ebenfalls in dem Ausmaß und der Art, wie oder ob sie Kränkungen wahrnehmen und wie oder ob sie mit Hass reagieren.
So werden bei Menschen mit hoher emotionaler Instabilität (Borderline-Typus) häufiger Hassgefühle beobachtet, was Jerold J. Kreisman und Hal Straus zu ihrem Buchtitel “I hate you – don´t leave me“ motivierte.
Personen mit narzisstischer Struktur sind zudem besonders leicht kränkbar, wenn sie sich in ihrem Selbstbild angegriffen fühlen. Auch mögen sie zu besonders hohen Ansprüchen an ihrer Partner:innen neigen, was sie wiederum mit Personen teilen können, die sich durch eine zwanghafte, übergenaue Persönlichkeitsstruktur kennzeichnen.
Auch der Realitätsgehalt des Hass auslösenden Verstoßes mag sich zwischen Menschen unterscheiden:
Paranoide Persönlichkeitszüge begünstigen das Auftreten von negativen Vermutungen, unbegründetem Verdacht und erschweren gleichzeitig aufgrund der mit ihr einhergehenden hohen Egozentrik die Klärung von Konflikten und Befürchtungen.
Menschen mit chronifizierter Ärgerneigung und Hasserleben waren besonders oft negativen Ereignissen in ihrer Lebensgeschichte ausgesetzt. Wenn Menschen durch andere wiederholt Unrecht, Gewalt oder Zurücksetzung erleben, mag dies zur Hyperaktivierung eines auf die Feststellung von Enttäuschung, Zurückweisung und Kränkung bezogenen Schutzsystems führen.
Bei Hyperaktivierung kann dies Schutzsystem jedoch zu falschen Unterstellungen, objektiv unberechtigem Hasserleben oder zu einer überhöhten Hassintensität führen. Der lebensgeschichtliche Hass auf andere Personen kann auf neue Situationen und Personen übertragen werden, die damit gar nicht im Zusammenhang stehen.
Hass kann ebenfalls ein Indikator dafür sein, dass es etwas Unerwünschtes in der eigenen Person gibt, welches sich nun als Hass gegen andere Personen wendet. Gut dokumentiert ist dies im Bereich der Homophobie (Hass auf Homosexuelle):
- Adams et al. (1996) zeigten, dass Männer, die homosexuelle Männer hassten, mit einer deutlich stärkeren Durchblutung ihres Penis auf die Präsentation von homosexueller Pornographie reagierten als heterosexuelle Männer, die Homosexuelle nicht hassten.
- Reihenweise dokumentiert sind zudem heimliche sexuelle Liebschaften mit Männern und Escort-Besuche von homophoben religiösen männlichen Predigern.
Im Grunde sehen wir also selbst hier – weit entfernt von romantischen Beziehungen – einen Zusammenhang zwischen Liebe und Hass:
- Die Zuneigung und Attraktion, die homophobe Personen für das eigene Geschlecht empfinden, wird zurückgewiesen und wendet sich – unbefriedigt – als Hass gegen Homosexuelle nach außen.
Auch Neid ist übrigens eine Form von Hass, die aus einer (nicht-erfüllten) Liebe stammt:
- Weil Menschen etwas erleben, haben oder besitzen möchten und dieses – ob Mensch oder Sache – insofern als positiv oder attraktiv erleben, reagieren sie mit Neid, wenn nicht ihnen, sondern anderen diese Möglichkeit zur Verfügung steht. Im Ergebnis entwickeln sie Hass auf die betreffenden Menschen, weil diese haben oder tun, was sie selbst gerne möchten, aber nicht können.
Ich werde diesen Abschnitt zur Persönlichkeit nicht vertiefen, er sollte nur kurz umreißen und deutlich machen, dass es beim Erleben von Hass durchaus sinnvoll und notwendig sein kann, jenseits der konkreten Auslösesituation auch über eigene Persönlichkeitsanteile nachzudenken und gegebenenfalls daran zu arbeiten, diese zu ändern.
Guter und schlechter Hass
In Ihrem Buch Anger – the conflicted history of an emotion zeichnet Barbara H Rosenwein (2020) drei Denklinien unserer Einstellungen zu Ärger nach, die sich auch auf das verwandte, aber nicht identische Thema Hass übertragen lassen:
- die komplette Zurückweisung von Ärger als zu überwindende Emotion, die sich in buddhistischen und stoischen Lehren findet.
- die Unterscheidung zwischen einem meistens schädlichem und insofern lasterhaftem Ärger und einem gelegentlich tugendhaften Ärger.
- die Bejahung und Forderung von Ärger als natürliche menschliche Emotion, die gleichzeitig sich gegen individuelles und gesellschaftliches Unrecht wenden kann – hier wird Ärger quasi gefeiert.
Ich glaube, alle drei Denklinien haben wichtige Wahrheitskerne, aber unter ihren jeweiligen Voraussetzungen und situationalen Bedingungen. Sich dieser bewusst zu machen, kann hilfreich sein beim Umgang mit Situationen, die Ärger, Wut und Hass auslösen:
- So wichtig für uns unsere Gefühle auch sind, so sehr lassen wir uns ebenfalls oft von ihnen treiben. Eine Distanz zu unseren Emotionen herzustellen, sie quasi von oben zu betrachten und zu lernen, sich von ihnen weder treiben noch mitziehen zu lassen, kann eine wichtige Komponente für eine verbesserte Selbststeuerung und Zufriedenheit sein.
- Dies gilt umso mehr, wenn unsere Gefühle womöglich stark sind, aber doch durch Kleinigkeiten ausgelöst wurden, was wir insbesondere dann feststellen können, wenn wir von ihnen Abstand nehmen und aus der Welle der Erregung und (oft auch ) Katastrophisierung aussteigen.
- Betrachten wir die geradezu unermesslichen negativen Folgen von Ärger, Wut und Hass auf der Welt und in unseren Beziehungen, wäre eine solche Welt mit mehr Distanz zu Ärger und Hass sicherlich eine weniger unglückliche Welt und vieles an Verletzung und Gewalt könnte vermieden werden.
Aber gelänge uns eine komplette Deregulation von Ärger tatsächlich – wie wäre unsere Position in einer Welt, in der vieles nicht richtig ist?
Bestünde nicht die Gefahr einer emotionalen Abstumpfung, die uns insensitiv werden ließe gegenüber dem Leid der anderen und von uns selbst und die dadurch womöglich durch Nicht-Tätigkeit dazu beitrüge, dass das Leid aufrechterhalten bleibt?
In der Tat sollten wir den positiv-aktivierenden, handlungsantreibenden Charakter von Emotionen nicht ausblenden:
- So sehr Ärger zu Gewalt und Zerstörung führen kann, so sehr mag Ärger zur Überwindung von echtem Übel und Missständen beitragen. Dies betrifft nicht nur die Gesellschaft, sondern ebenso uns selbst und unsere Beziehungen – wie die obigen Erfahrungen der befragten Gleichklang-Mitglieder eindrucksvoll zeigen.
- Ärger, Wut und auch Hass als eine besonders gesteigerte Form sind natürliche Reaktionsweisen und als solche haben sie jedenfalls aus psychologischer Sichtweise ihren Sinn. Ärger lässt Unterdrückte aufbegehren in kollektiven Freiheitskämpfen, aber auch individuell in zwischenmenschlichen Beziehungen.
- Ärger kann uns helfen, uns aus toxischen Konstellationen zu befreien, die Trauer über den Verlust auszuhalten und zu neuen Ufern aufzubrechen.
- Die Aufforderung, nicht wütend zu werden, ist nicht selten eine Aufforderung, sich zu fügen und die eigenen Bedürfnisse zurückzustellen.
Es kommt insofern auf die Richtung, das Maß und die zeitliche Dauer an, die darüber entscheiden, ob unser Hass gut oder schlecht ist:
- Gut ist unser Hass, wenn er uns hilft, Probleme zu erkennen, zu reflektieren, uns vor Schäden zu bewahren, aus toxischen Konstellationen auszusteigen, oder umgekehrt Konflikte miteinander zu klären und zu einem neuen positiven Miteinander zu gelangen.
- Schlecht ist unser Hass, wenn er uns zu Gewalttäter:innen macht, blind ist, kein Ziel vor Augen hat, niederreißt, was nicht erneut aufbaubar ist, vereinseitigt, dämonisiert, andere zerstört, von eigenen Anteilen ablenkt, zur Verbitterung und Negativität oder zum sich selbst zelebrierenden, gar gesellschaftlich gefeierten Selbstzweck von Rache und Vergeltung wird.
In einer Phase, wo Menschen hilflos und wehrlos sind, mag Ärger, Wut und Hass ihnen helfen, aus der Wehrlosigkeit herauszukommen, sich selbst besser kennenzulernen und zu entwickeln, zu etwas Neuem und Besserem zu finden.
Destruktiv wird Hass, wenn er keine positiven Veränderungen anregt, sondern beim Hass an sich stecken bleibt oder gar anstatt der Weiterentwicklung der eigenen Person sich auf tatsächlich praktizierte Rache und Schädigung ausrichtet.
Erleben wir Hass geht es also darum, die Situation und die eigene Person zu begreifen und durch zielbezogenes Handeln schnell aus dem Hass heraus und in die Klärung und Veränderung hinein zu gelangen.
Chronifiziert Hass, macht er uns verbittert, sozial unverträglich und reduziert unsere Lebensfreude.
Es ist von daher hilfreich, sich bei Hasserleben an den engen Zusammenhang zwischen Hass und Liebe zu erinnern, um letztere wieder stärker in den Vordergrund zu bringen, was in verschiedener Form möglich sein kann:
- durch notwendige Abgrenzung als Ausdruck von Selbstliebe, was eine Trennung einschließen kann.
- durch das Herausarbeiten und Verändern eigener Anteile als Ausdruck von Selbsterkenntnis, um Wachstum und Zufriedenheit zu ermöglichen.
- mithilfe einer gemeinsamen Klärung in einer Beziehung, die einen Neubeginn begründet.
Einordnung und Empfehlungen
Hassgefühle in Liebesbeziehungen sind ein recht häufiges Phänomen. Dies erklärt sich damit , dass Hass auftritt, wenn ein tiefgreifender Verstoß gegen Erwartungen vorliegt, der als Angriff, Entwertung oder Degradierung erlebt wird.
Je stärker wir Menschen lieben, desto positiver sind unsere Erwartungen und desto näher sind wir ihnen meistens:
- Bereits durch die größere Nähe können Verstöße gegen Erwartungen eher auftreten und leichter bemerkt werden.
- Gleichzeitig sind unsere Erwartungen an Zuwendung, Verstehen und Empathie für Menschen, die wir lieben, größer als für Menschen, mit denen wir keine emotionale Bindung unterhalten.
- So stellen – auf den ersten Blick paradoxerweise – gerade Liebesbeziehungen Kontexte dar, in denen Hass besonders leicht auftreten kann.
Hass bedeutet nicht, dass das Ende einer Beziehung notwendig ist. Gerade wenn die Liebe groß ist, kann der Hass groß werden, aber oft bleibt die Liebe stärker als der Hass. Auch in jahrzehntelangen aktuell glücklichen und stabilen Beziehungen kann Hass temporär aufgetreten sein.
Allerdings sollten Sie Hass auch nicht einfach ausblenden. Denn Hass hat eine Signalfunktion. Er zeigt Ihnen, dass Sie mit etwas in Ihrer Beziehung unglücklich sind. Schließlich tritt Hass vorwiegend auf, wenn Sie seelische Grausamkeit, Betrug und Verrat, emotionale Verletzung, mangelndes Lernen aus Fehlern, Fehlen von Loyalität, Rücksichtslosigkeit und Gewalt, Nicht-Beachtung von Bedürfnissen, Vertrauensverlust, manipulativen Umgang, emotionales Kaltstellen (am langen Arm verhungern lassen), Erniedrigung, Gleichgültigkeit, Ausnutzung, Leugnung von Problemen und Übergriffen, Schuldzuweisungen, Gefühlskälte oder gebrochene Versprechen erlebten.
Kein “weiter so”, sondern den Hass zum Anlass für Veränderung zu nehmen, ist das Geheimnis einer gesunden Selbstregulation und einer reifen Beziehungspflege.
Handeln Sie nicht blind und nicht nur von einem Gefühl getrieben, sondern nehmen Sie sich die Zeit, um sich selbst Fragen zu stellen:
- Was löst diesen Hass bei mir aus? Welche Verhaltensweisen von Partner:innen sind der Grund?
- Gibt es eigene Anteile bei mir? Was könnte ich selbst anders machen?
- Entspricht meine Reaktion der Situation – oder agiere ich Erleben aus der Vergangenheit aus?
- Welche Veränderungen seitens der Beziehungspartner:innen wünsche ich mir?
- Liegen diese gewünschten Veränderungen im Rahmen des Möglichen und Realistischen?
- Möchte ich die Beziehung fortsetzen oder sie beenden?
- Wenn ich die Beziehung fortsetzen möchte, unter welcher Konstellation wäre dies möglich?
Nehmen Sie mögliche Rachefantasien; Gewalt- und Tötungsfantasien zur Kenntnis. Lassen Sie sie einfach vorbeiziehen, natürlich ohne sie umzusetzen, aber auch ohne sich selbst Vorwürfe zu machen. Wissenschaftliche Studien zeigen beispielsweise, dass die Mehrheit aller Frauen und Männer bereits Tötungsfantasien hatte – es gibt also keinen Grund, sich über solche Fantasien zu beunruhigen. Lassen wir sie liegen und lösen ein gegebenenfalls bestehendes Problem, ziehen sie vorbei.
Wird klar, dass Sie sich in einer toxischen Beziehung befinden, dass Hoffnung auf Veränderung eine Illusion ist, dass Partner:innen oder Sie selbst zu keinem Neuanfang bereit sind, sind Distanz und Trennung der richtige Weg. Versuchen Sie in diesem Fall, loszulassen, aktivieren Sie Ihre sozialen Bezüge, unternehmen Sie etwas in Ihrer Freizeit und bauen Sie Sinn in Ihren Alltag ein.
Oft aber werden Versöhnung und Neuanfang möglich und gewünscht sein:
- Radikale Ehrlichkeit miteinander ist der Weg, um die Quelle des Hasses gemeinsam miteinander zu lokalisieren und zu verstehen und mithilfe von Offenheit und einem achtsamen Umgang auszutrocknen.
Hass wird überwunden, wenn die erkannten Ursachen klar benannt und mögliche eigene Anteile (auch im Rahmen der Lebensgeschichte) wechselseitig eingebracht werden.
Es geht darum, zu lernen, miteinander angstfrei zu reden und Verabredungen über den künftigen Umgang zu treffen und diese im Regelfall wechselseitig einzuhalten, wobei eine Perfektion nicht zu erwarten ist.
Wichtig ist es, positive, aber realistische Erwartungen zu pflegen, wozu auch Fehlertoleranz und Gelassenheit gehören.
Je stärker die Liebe, desto stärker der Hass – dieser Befund aus der oben zitierten Untersuchung von Yin et al. (2017) macht deutlich, dass es schwerlich möglich sein wird, jedes mögliche Auftreten von Hass ganz zu vermeiden, es sei denn Sie wollten auf die Liebe selbst verzichten.
Trotzdem haben Sie viel in der Hand, um die Gefahr von destruktivem Hass zu senken:
- Wenn Sie es sich von Vornherein zur Gewohnheit machen, gemeinsam offen zu reden und an einem wechselseitigen Verstehen ohne Druck und Angst zu arbeiten, sinkt das Risiko, dass sich aus Ärger tatsächlich Hass entwickelt und dass dieser, sollte er doch entstehen, so groß und unkorrigierbar wird, dass der einzige Ausweg die Trennung ist.
Sofern Sie jetzt erst auf Partnersuche sind, haben Sie gegenüber schon bestehenden Paaren die besondere Chance, von Anfang an neu beginnen und so darauf achten zu können, gar nicht erst in dysfunktionale Beziehungsmuster, die Hass erzeugen, abzugleiten, sondern eine neue Liebe auf dem Boden von Offenheit und Verstehen zu kultivieren.
Indem Sie auf eine richtige Art des Umgangs achten und sich auch eigener Anteile bewusst werden, können Sie mindestens dem destruktiven Hass bereits vorbeugend seine Basis entziehen, die er für sein Gedeihen braucht: mangelnder Offenheit und ein Defizit an Wechselseitigkeit.