Psychische Faktoren des Single-Daseins
Seit einigen Wochen setze ich mich in einer Serie von Blog-Artikeln mit psychischen Faktoren von Single-Dasein und Beziehungsglück auseinander. So beschäftigten sich meine letzten Blog-Artikel mit hilfreichen und schädlichen Wünschen bei der Partnersuche, Beziehungsvermeidung, dem ängstlich-abhängigen Bindungsstil, Möglichkeiten für eine sichere Bindung, den innerpsychischen Ursachen für das Single-Dasein wider Willen, sowie mit Strategien zum Ausstieg aus einer nicht selten zu beobachtenden Selbstsabotage von Partnersuche und Beziehungsglück.
Im heutigen abschließenden Artikel dieser Serie widme ich mich nun der Frage:
- was unterscheidet Menschen, die kurz oder die lange partnerlosbleben?
Es geht also darum, welche Faktoren über die Dauer der Partnerlosigkeit entscheiden?
Der Artikel beruht auf der bereits vorstellten Umfrage-Auswertung über die 10 Ursachen des Single-Daseins und bringt diese nunmehr in Beziehung mit der erhobenen Dauer des Single-Dasein. Verglichen werden die Stufen:
- bin kürzer als 6 Monate Single
- bin kürzer als ein Jahr Single
- bin ein Jahr oder länger Single
- bin länger als 3 Jahre Single
- war noch nie in Beziehung
Die letzten beiden Stufen (länger als drei Jahre, immer) entsprechen den sogenannten Langzeitsingles.
Ergebnisse
Es zeigten sich folgende nach meiner Ansicht sehr interessante Ergebnisse:
Keine besonderen Faktoren für kürzere oder mittlere Dauer
- zwischen den untersten drei Zeitstufen, also für einen Zeitraum von kürzer als 6 Monate bis maximal ein Jahr oder länger, zeigten sich keine Unterschiede in der Verteilung der 10 potentiellen Ursachen “Zufriedenheit mit dem Single-Dasein”, “negative Vorerfahrungen”, “andere Prioritäten”, “hohe Ansprüche”, “fehlende Liebesgefühle”, “allgemeine Hemmungen”, “sexuelle Hemmungen”, “Barrieren und Hindernisse”, “sexuelle Polygamie” und “Zufall” – für eine Erklärung der einzelnen Ursachen verweise ich auf den vorherigen Artikel.
Die selbst benannten Ursachen des Single-Daseins unterscheiden sich also nicht zwischen Singles, egal ob sie weniger als ein halbes Jahr, weniger als ein Jahr oder bis zu drei Jahren Single waren.
Dies bedeutet im Umkehrschluss, dass die hier untersuchten 10 psychischen Ursachen des Single-Daseins offenbar bis zu einer Zeitdauer von drei Jahren keinen Einfluss auf die Dauer des Single-Daseins ausüben. Sie mögen im aktuellen Moment eine Rolle spielen, aber ihre Ausprägung sagt bis zu einer Zeitdauer von drei Jahren nichts darüber aus, wie schnell jemand eine Beziehung finden wird.
Signifikante Faktoren für lange Zeitdauer
Ganz anders sieht es aus, wenn die beiden weiteren Zeitstufen “mehr als drei Jahre” und “noch nie in Beziehung” betrachtet werden:
- bei denjenigen, die mehr als drei Jahre Singles waren, zeigte sich – unabhängig vom Geschlecht – vor allem eine erheblich stärker ausgeprägte Tendenz in dem Faktor “allgemeine Hemmungen”.
- der Faktor der allgemeinen Hemmungen dominierte, aber ebenfalls waren bei Langzeitsingles im Vergleich zu den anderen Singles “sexuelle Hemmungen”, “fehlende Liebesgefühle”, “Barrieren und Hindernisse”, sowie die “Zufriedenheit mit dem Single-Dasein” stärker ausgeprägt.
- geringer ausgeprägt waren bei den Langzeit-Singles demgegenüber die Faktoren “andere Prioritäten” und “hohe Ansprühe”.
- all diese Unterschiede zeigten sich bereits für die Zeitdauer “mehr als drei Jahre”, nahmen dann für die Zeitstufe “noch nie eine Beziehung” aber weiter zu.
Psychologische Bedeutung
Zunächst noch einmal eine summarische Zusammenfassung der Befunde:
- es gibt eine Reihe von psychischen Faktoren, die Singles als Ursachen für Ihre Single-Dasein erleben und angeben können. Bis zu einem moderaten Zeitraum von bis zu drei Jahren Single-Dasein können diese Faktoren aber offenbar nicht die unterschiedliche Dauer des Single-Daseins erklären. Langzeitsingles (länger als drei Jahre) und “Absolute Beginners” (noch nie eine Partnerschaft) weisen jedoch deutliche Unterschiede zu Menschen auf, die kürzer Single sind.
- das Risiko, ein Langzeitsingle zu werden (oder nie eine Partnerschaft zu finden), steigt statistisch vor allem an mit dem Ausmaß an “allgemeinen Hemmungen” (Selbstunsicherheit, Insuffizienzgefühle, Zweifel, liebenswert zu sei, kommunikativen Defizite oder Unsicherheiten).
- zusätzlich gehen “sexuelle Hemmungen”, erlebte “Barrieren und Hindernisse” (Handicaps, gesundheitliche, ökonomische oder berufliche Probleme), sowie “Zweifel, Liebesgefühle zu entwickeln”, mit einer erhöhten Wahrscheinlichkeit eines Langzeitsingle-Daseins einher.
- zudem scheint bei Langzeitsingles vermehrt eine “erhöhte Zufriedenheit als Single” vorzuliegen.
- “andere Prioritäten” oder “hohe Ansprüche” scheinen demgegenüber mit einer geringeren Wahrscheinlichkeit eines Langzeit-Single-Daseins einzugehen.
Psychologisch ergibt sich folgende Interpretation:
- Hemmungen im Sinne von Selbstzweifeln, geringer Selbstsicherheit und Kommunikations-Defiziten sind der entscheidende Faktor, der vermutlich tatsächlich dazu beitragen kann, dass die Partnerlosigkeit lange Zeit fortbesteht.
- psychologisch ist hier von einer sich wechselseitigen negativ wirkenden Verstärkung auszugehen: Initiale Hemmungen können Kontaktmöglichkeiten und die Kontaktvertiefung erschweren und aufgrund der resultierenden Fortdauer der Partnerlosigkeit kommt es zu einer weiteren Zunahme von Hemmungen, die die Partnerfindung wiederum weiter erschweren. Hier kann ein Teufelskreislauf entstehen, der in Resignation, Aufgabe und Verbitterung mündet.
- Hemmungen können, aber müssen nicht, auch den Bereich der Sexualität umfassen, was sich ebenfalls in einem wechselseitig verstärkenden Sinn auf Fortdauer der Partnerlosigkeit sowie Zunahme von allgemeinen und sexuellen Hemmungen auswirken kann.
- der gleiche Zusammenhang ist zwischen Hemmungen und Barrieren zu vermuten. Barrieren sind nicht objektiv, sondern subjektiv. Menschen mit allen gesundheitlichen oder ökonomischen Konstellationen können Partnerschaft finden. Wer aber die eigene Situation als Barriere erlebt, mag im Sinne einer selbsterfüllenden Prophezeiung die eigenen Chancen mindern und dabei gleichzeitig auch verstärkt Hemmungen entwickeln.
Wie lässt sich nun die im Durchschnitt durchaus erhöhte Zufriedenheit von Langzeit-Singles mit dem Single-Dasein erklären?
- nach meiner Einschätzung handelt es sich hier um einen resignativen Prozess, der zu einer Gewöhnung an das Single-Dasein und letztlich seine mehr oder weniger implizite oder expliziten Bejahung führt. Das, was da ist, wird angenommen. Interessanterweise korrelieren sexuelle Hemmungen und erhöhte Zufriedenheit mit dem Single-Dasein miteinander. Womöglich mag in diesen Fällen das Fehlen einer Partnerschaft entlastend wirken, weil dadurch auch der “gefürchtete” (scheinbare) Zwang zur Sexualität entfällt.
Was bedeuten die Zweifel an der eigenen Entwicklung von Liebesgefühlen?
- Zweifel, lieben zu können, korrelieren mit allgemeinen Hemmungen, sexuellen Hemmungen, Barrieren und Hindernissen sowie der Zufriedenheit mit dem eigenen Single-Dasein. Je länger die Partnerlosigkeit fortdauert, desto mehr mögen Menschen beginnen, zu zweifeln, ob sie überhaupt lieben können, was dann wiederum die Schritte zur Beziehungsfindung erschweren mag.
Wieso gehen “hohe Ansprüche” oder “andere Prioritäten” nicht mit verlängertem Single-Dasein einher?
- Zu vermuten ist, dass im Verlauf der Partnersuche eine realistische Anpassung von Ansprüchen entsteht und zudem bei zunehmendem Bewusstsein des Partnerwunsches und womöglich auch sonstigen Lebensveränderungen sich Prioritäten ändern. Jedenfalls stellen andere Prioritäten oder hohe Ansprüche im Regelfall keineswegs eine dauerhafte Blockade bei der Partnersuche dar und gehen sogar mit einer geringeren Wahrscheinlichkeit von Langzeit-Single-Dasein einher.
Singles mit besonders “hohen Ansprüche” oder auch “anderen Prioritäten” werden also nicht typischerweise Langzeitsingles. Diese Faktoren wirken offenbar eher nur aktuell, behalten aber keine Dauerwirksamkeit.
Der entscheidende Faktor, der tatsächlich das Risiko erhöhen kann, Langzeitsingle zu werden, liegt vielmehr in dem Bereich der Hemmungen und verwandter Bereiche.
Übrigens handelt es sich hier um eine psychologische Interpretation, die Daten sind mit dieser konsistent, können sie aber nicht direkt beweisen, denn hierzu wären Beobachtungen im zeitlichen Verlauf erforderlich, die sehr aufwändig sind.
Trotzdem scheinen mir – vor dem Hintergrund allgemeiner psychologischer Befunde und Überlegungen sowie auch unserer eigenen Beobachtungen seit mehr als 15 Jahren als Kennenlern-Plattform – die hier folgende Annahme hochplausibel und aller Wahrscheinlichkeit nach zutreffend zu sein:
- bei bestehenden ausgeprägten Hemmungen besteht (im Zusammenspiel mit möglicherweise zusätzlich vorhandenen sexuellen Hemmungen, Barrieren und Hindernissen, oder auch dem Zweifel an den eigenen Liebesgefühlen) die Gefahr, dass Partnerlosigkeit bestehen bleibt. Dadurch nehmen Hemmungen weiter zu, noch mehr Zweifel an der eigenen Liebesfähigkeit entstehen und es kann schließlich zu einer resignative Anpassung an das Single-Dasein kommen. Dies kann also die Form eines Teufelskreislauf annehmen aus Selbstzweifeln und Unsicherheit, Rückzug, Fortdauer der Partnerlosigkeit und sich vertiefenden Selbstzweifeln und Unsicherheiten.
Was kann getan werden?
Veränderung möglich
So hinderlich Hemmungen (in ihren verschiedenen Facetten) auch für die Partnersuche sein mögen, so gilt gleichzeitig, dass sich gerade Selbstsicherheit besonders gut trainieren lässt. Hemmungen, Selbstzweifel und kommunikative Defizite können überwunden werden und so kann der Teufelskreislauf von sich verstärkenden Hemmungen und fortbestehender Partnerlosigkeit durchbrochen werden. Das Ausmaß der Chronifizierung (Dauerhaftigkeit der Hemmungen) sagt nichts aus über deren Veränderbarkeit.
Einsicht gewinnen
Kognitiv/gedanklich geht es zunächst darum, Einsicht in das Bestehen der eigenen Hemmungen, ihrer Auswirkungen auf die Partnersuche, einschließlich einer möglicherweise bereits vorhandenen resignativen Zufriedenheit mit dem eigenen Single-Dasein zu erlangen. Dabei geht es auch darum, zu verstehen, dass Partnerlosigkeit kein Schicksal zu sein braucht, sondern dass viel getan werden kann, um eine Beziehung zu finden.
Hier ergeben auch unsere Auswertungen zu den Erfolgsraten bei Gleichklang Grund zum Optimismus:
- Absolute Beginners (Menschen ohne vorherige Beziehungen) zeigen in der Gesamtauswertung gute Erfolgsaussichten. Sicherlich ist dies keine repräsentative Stichprobe von Absolute Beginnern, sondern es ist offenbar eine Gruppe von Absolute Beginnern, die sich entschieden hat, aus dem resignativen Rückzug auszusteigen und die Partnersuche durch eine Mitgliedschaft bei Gleichklang aktiv in die Hand zu nehmen. Ihre guten Erfolgsraten zeigen, dass dies möglich ist und geben insofern Mut.
Keinen Rückzug zulassen
Erkennen Sie bei sich Impulse zum Rückzug beim Online-Dating – wie beispielsweise Profile nicht anschauen, über Beendigung der Partnersuche nachdenken, keine Erstnachrichten schreiben, nicht antworten, Kontakte einschlafen lassen?
Setzen Sie in diesem Fall einen bewussten Verhaltensimpuls dagegen und machen Sie es sich auch übungsorientiert zur Gewohnheit, immer dann aktiv zu werden, wenn dies möglich ist. Wenn Sie diese Gewohnheit erworben haben, werden Sie merken, dass mögliche Hemmungen abnehmen werden und gleichzeitig steigt automatisch die Wahrscheinlichkeit an, dass Sie eines Tages einen Menschen kennenlernen, mit dem Sie glücklich werden.
An sich selbst glauben
Machen Sie sich auch noch einmal klar, dass scheinbare Barrieren und Hindernisse, wie gesundheitliche Probleme oder eine schwere ökonomische Situation, nur dann echte Barrieren sind, wenn sie als solche wahrgenommen werden. Wichtig ist das Erlernen eines selbstsicheren Umganges mit der eigenen Lebenssituation.
Selbstsicherheit einüben
Oft nehmen Unsicherheitsgefühle ab, wenn wir beginnen – trotz noch vorhandener Unsicherheit – uns selbstsicher zu verhalten. Dies kann geübt werden, wobei Sie in der Vorstellung (kognitives Probehandeln), vor dem Spiegel und mit näheren Bekannten beginnen können, bevor Sie die geübten Fertigkeiten auf neue Kontakte übertragen. Hilfreich sind Übungen im Rollenspiel, wie “Nein-Sagen”, “eigene Bedürfnisse ansprechen”, “widersprechen”, “eine Bitte stellen”, eine Bitte ablehnen, Komplimente machen, Interesse äußern, Blickkontakt halten.
Anfangs mag es etwas künstlich wirken, aber desto mehr Sie es in der Vorstellung, vor dem Spiegel, mit nahen Angehörigen und später mit Fremden üben, desto mehr werden sich solche selbstsicheren Verhaltensweisen automatisieren, selbstverständlich werden und dann auch beginnen, erlebte Selbstunsicherheit zu reduzieren. So kann dem Teufelskreislauf der Hemmung ein positiver Rückkoppelungskreislauf von wachsender Selbstsicherheit und verbesserter sozialer Resonanz entgegengesetzt werden.
Enorm hilfreich kann auch die Teilnahme an Kommunikationskursen oder Flirtkursen sein – in Pandemie-Zeiten Online. Über eine Google Suche mit Begriffen, wie Online Flirtkurs findet man zahlreiche Angebote.
Es können so Fertigkeiten erworben werden, die zu einem schrittweisen Abbau von Hemmungen und Unsicherheit führen werden.
Ist die Corona-Zeit vorbei, mögen hier auch Single-Treffen, Single-Reisen oder Speed-Dating hilfreich sein – zwar wird man meistens dort keinen Beziehungspartner*in finden, aber die Fertigkeiten zur natürlichen Kommunikation und die Selbstsicherheit werden zunehmen.
Nicht nur abwarten
Es gibt viele Gründe, warum Menschen Singles sind, einer der Hauptgründe für eine dauerhafte Partnerlosigkeit liegt in bestehenden Hemmungen. Wenn nichts geschieht, werden diese fortbestehen, sich verstärken und die Aussichten einer erfolgreichen Partnerfindung dauerhaft mindern. Es wäre ein Irrtum, nur auf Zeit oder Zufall zusetzen, wenn eigene Hemmungen die Partnerfindung blockieren.
Es ist also wichtig, die Ursache zu erkennen und dann konsequent an ihnen zu arbeiten, wenn eine Beziehung erwünscht wird.
Online-Möglichkeiten nutzen
Das Online-Dating bietet eine Vielfalt an Möglichkeiten, um Selbstsicherheit zu lernen – den ersten Schritt tun, nachfragen, Komplimente machen, sich zu einem Telefonat oder Video-Chat verabreden, trotz Zurückweisung beim nächsten Kontakt erneut den ersten Schritt tun etc.
Mitglieder-Betreuung in Anspruch nehmen
Wir sehen uns bei Gleichklang nicht als eine reine automatische Vermittlungsplattform, sondern wir stellen unseren Mitgliedern durch das Testportal sowie durch unsere individuelle Betreuung während der gesamten Zeit der Teilnahme eine Reihe von Möglichkeiten zur Verfügung, um zu selbstreflektiven Erkenntnisse und ausgehend hiervon konkreten Veränderungen zu gelangen.
Bitte scheuen Sie sich nicht, sich mit Fragen nach Tipps oder Rat an unser Team zu wenden, wenn Sie bei sich personale Hindernisse oder Schwierigkeiten wahrnehmen, die womöglich dem Erfolg ihrer Partnersuche bisher entgegengestanden haben.
Resümee
Nehmen Sie bei sich Hemmungen als (Mit)Ursache Ihrer Partnerlosigkeit wahr, könnte tatsächlich die Gefahr bestehen, dass sich diese Situation verstärken und fortbestehen könnte, wenn Sie die Überwindung Ihrer Hemmungen nicht konsequent angehen.
Stecken Sie also nicht den Kopf in den Sand, wenn Hemmungen vorliegen, sondern werden Sie aktiv, um diesen Hemmungen und den resultierenden Blockaden ein Training Ihrer Selbstsicherheit entgegenzusetzen und sie so gegenstandslos zu machen. Dies ist selbst dann möglich, wenn Partnerlosigkeit und Hemmungen bereits seit langem bestehen.
Nutzen Sie Ihre Teilnahme bei Gleichklang, um aus dem sich selbst verstärkenden Kreislauf von Hemmungen und Partnerlosigkeit auszusteigen und auch durch die Überwindung der hemmenden Blockaden Partnerschaft zu finden.