Soeben habe ich im Fachjournal Personal Relationship eine Studie gefunden, die mich sofort an eine Reihe mancher Rückmeldungen von Mitgliedern erinnerte, die sich direkt an mich wenden (gebauer@gleichklang.de). Die Studie widmet sich der Frage des Übergangs vom Online-Dating zum Treffen außerhalb des Internets. Die Studie zeigt Ergebnisse auf, die uns allen helfen können, das Online-Dating noch erfolgreicher zu gestalten.
Über den Übergang vom Online-Modus zum ersten Treffen habe ich bereits vorher hier in diesem Blog-Artikel geschrieben. Die aktuelle Studie macht aber vieles noch klarer, präziser und gibt unmittelbar anwendbare Handlungsempfehlungen für die das eigene Dating-Verhalten aufseiten der Teilnehmer und für die Gestaltung der Dating-Plattform aufseiten der Anbieter.
Informationen zur Erhebung
Die Studie und die Ergebnisse wird von mir nur in für diesen Artikel relevanten Umrissen dargestellt.
An der Studie beteiligten sich ursprünglich 186 Nutzer verschiedener Dating-Plattformen. 94, also ungefähr die Hälfte, schloss die Studie mit einem tatsächlichem ersten Treffen ab.
Der Erfolg dieses Treffens wurde durch folgendes Erfolgsmaß bewertet: Wie sicher ist sich eine Person nach dem ersten Treffen, dass sie selbst und die getroffene Person einander wieder begegnen möchten. Es wurde außerdem nach dem Treffen die Höhe der sozialen und physischen Anziehung erhoben.
Noch VOR dem ersten Treffen gaben die befragten Personen Bewertungen ab zu u. A. folgenden Fragen:
- Wie ähnlich ist mir die betreffende Person vermutlich?
- Wie gut kenne ich die betreffende Person bereits?
- Wie hoch wird die soziale und physische Anziehung gegenwärtig eingeschätzt?
Außerdem sandten die Personen die von Ihnen selbst geschriebenen Emails an die Wissenschaftler. Aus den Emails wurden folgende weitere Maße gebildet:
- Ausmaß der Kommunikation (Anzahl der Worte)
- Wie stark wurden angenommene Ähnlichkeiten in den Emails selbst thematisiert?
- Ausmaß der „Selbstoffenbarung“ (Bereitstellung wirklich relevanter Informationen zur eigenen Person)
Wesentliche Ergebnisse
Im Durchschnitt sank die soziale und physische Attraktivität nach dem ersten Treffen ab (im Vergleich zu der vorher angenommenen sozialen und physischen Attraktivität). Es gibt also im Durchschnitt einen Desillusionierung-Effekt.
Das erste Treffen war umso häufiger erfolgreicher, desto
- höher die selbst angegebene vermutete Ähnlichkeit vor dem ersten Treffen war
- stärker gemeinsame Ähnlichkeiten bereits in den Nachrichten vor dem ersten Treffen identifiziert wurden
- geringer die Unsicherheit bereits vor dem ersten Treffen war
Zudem ergaben sich aus den Datenanalysen Belege/Hinweise dafür, dass diese Zusammenhänge vorwiegend/verstärkt dann galten, wenn ein hohes Ausmaß an Kommunikation erfolgte und Personen auch ein hohes Ausmaß an Selbstoffenbarung zeigten.
Was bedeuten diese Ergebnisse für Partnersuchende? Wir können sie mit unseren eigenen Beobachtungen vereinbart werden?
(1) Desillusionierung
- In Emails an mich und auch an das Team wird von Mitgliedern immer wieder der Desillusionierung-Effekt beschrieben („wir passen gar nicht“, „war ganz anders als erwartet“, „konnten keinen draht zueinander finden“).
- Es handelt sich hier tatsächlich um ein allgemeines Phänomen beim Online-Dating, welches international beobachtet werden kann: Wenn zwei Menschen sich das erste Mal treffen, können ihre Erwartungen erfüllt oder übertroffen werden oder aber sie werden nicht erfüllt und die Menschen sind enttäuscht. Wohl auch weil Erwartungen und Hoffnungen erst einmal hoch sind (weshalb man sich trifft), tritt im Durchschnitt eher Desillusionierung auf. Im Durchschnitt ist dieser Effekt allerdings auch gering, weil es natürlich genau so Personen gibt, bei denen die Erwartungen erfüllt oder übertroffen werden.
- Ist die Desillusionierung gering oder moderat, mögen weitere Treffen trotzdem zu einer glücklichen Partnerschaft führen. Stichwort: Sich eine zweite Chance geben. Allerdings geben sich viele Partnersuchende keine zweite Chance. So mögen tatsächlich mögliche glückliche Beziehungen gar nicht erst entstehen.
- Ist die Desillusionierung hoch oder liegt gar eine dezidierte Ablehnung vor, wird mit hoher Wahrscheinlichkeit sowieso keine Beziehung entstehen und der Kontakt braucht nicht weiterverfolgt zu werden.
(2) Welche Zusammenhänge bestehen zwischen Dating-Verhalten und den Erfolgsaussichten?
- Die Erfolgsaussichten für das erste Date können verbessert werden, wenn Mitglieder vor dem ersten Treffen auf der Basis einer möglichst ausführlichen Kommunikation mit Offenlegung von Merkmalen, Wünschen und Sehnsüchten eine realistische Einschätzung über die wechselseitige Ähnlichkeit/Übereinstimmung erwerben und so Unsicherheiten vorab reduzieren.
- Auf der Basis einer derartigen tragfähigen Vorab-Kommunikation wirken sich die wahrgenommene Übereinstimmung und höhere Sicherheit günstig auf den Verlauf des ersten Treffens aus. Dadurch werden gleichzeitig die Aussichten verbessert, dass keine Desillusionierung eintritt.
- Es ist ratsam, Desillusionierung im Vorfeld zu reduzieren, weil Desillusionierungs-Prozesse recht oft zum Abbruch eines potenziellen Beziehungsaufbaus führen – selbst wenn eine Beziehung möglich wäre.
- Dies bedeutet allerdings keineswegs, dass hier die Empfehlungen ausgesprochen wird, sich möglichst spät zu treffen und zeitlich lange zu kommunizieren. Im Gegenteil, zeigen unsere eigenen Ergebnisse und auch internationale Forschungsergebnisse (siehe diesen und diesen Blog-Artikel), dass ein herausschieben des ersten Treffens eher schädlich ist. Es ist günstiger, sich zeitnah zu treffen. Längere Wartezeiten verstärken Desillusionierungs-Prozesse und zudem schlafen viele Kommunikationsprozesse bei langem Verschieben des ersten Treffens selbst dann ein, wenn eigentlich eine gute Passung besteht.
- Die Online-Kommunikation sollte sich also nicht besonders lang hinziehen, aber sie sollte vertieft und aussagekräftig sein. Die eigene Person in ihren seelischen und körperlichen Aspekten transparent machen, Fragen stellen, Wünsche, Hoffnungen, Bedürfnisse zum Ausdruck bringen – dies fördert den Dating-Erfolg. Hilfreich können hierfür auch sein der Austausch von mehreren Fotos, Audio-/Videodateien, Telefonate, Angabe von eigenen Internetseiten etc. Sehr wichtig ist auch der freie Text, der aussagekräftig und nicht zu kurz sein sollte.
- Aus einer vertieften Kommunikation werden sich auch Auswirkungen darauf ergeben, wen man trifft und wen man nicht trifft. Beruht dies auf einem tragfähigen Kommunikationsaustausch, ist dies erwünscht. Es bedeutet übrigens keineswegs vorwiegend, von einem Treffen lieber Abstand zu nehmen – also die Anzahl der Treffen zu reduzieren. Es kann und sollte ebenso dazu führen, dass jemand getroffen wird, den man vielleicht sonst eher nicht getroffen hätte.
- Menschen sind jedoch unterschiedlich und erleben auch Desillusionierungs-Prozesse unterschiedlich. Insofern möchte ich die oben genannten Ratschläge nicht pauschalisieren. Manche Menschen sind bei erlebter Desillusionierung schnell enttäuscht, verzagt, traurig, frustriert, gehemmt, demotiviert oder auch ärgerlich, ob auf die andere Person, die andere Person oder auf Gleichklang. Andere gehen mit Desillusionierung wesentlich gelassener um und lassen sich nicht verunsichern.
- Je geringer die Toleranz gegenüber Desillusionierungs-Prozessen ist, desto eher ist zu einer entsprechenden tragfähigen vorherigen Kommunikation vor dem ersten Treffen dringend zu raten.
- Je höher die Toleranz gegenüber Desillusionierungs-Prozessen ist, desto eher mag auch ein Treffen ohne vorherige aussagekräftige Kommunikationsbasis möglich und hilfreich sein.
- Grundsätzlich sind an einem Dating-Prozess immer zwei Menschen beteiligt und die Interessen beider Seiten sind zu berücksichtigen. Das Beste ist, sich abzusprechen, ob die Empfehlung zu einer tragfähigen Vorab-Kommunikation umgesetzt werden soll oder ob beide Seiten sich gerne einfach so – und unter beidseitigem Wissen und Akzeptanz einer möglichen Desillusionierung – treffen möchten.
Welche Schlüsse ziehen wir bei Gleichklang?
- Als Haupterkenntnis nehme ich mit, dass wir als Dating-Anbieter uns bemühen sollten, tragfähige Kommunikationsprozesse anzuregen. Denn Sachlage ist, dass viele Menschen durch Desillusionierungen belastet werden und dann drohen, bei der Partnersuche zu verzagen. Insofern ist es typischerweise sicherlich sinnvoll, Desillusionierung möglichst zu reduzieren. Zudem können tragfähige Kommunikationsprozesse dazu führen, dass eher die „richtigen“ als die „falschen“ Personen getroffen werden. Dies ist insbesondere für solche Mitglieder wichtig, die nur einen kleinen Teil der ihnen vorgeschlagenen Personen treffen.
- Wir werden ab der Neuaufsetzung (die sehr bald erfolgen wird) für neue Mitglieder den freien Text verpflichtend machen, was auch den Ergebnissen einer früheren Mitglieder-Umfrage entspricht. Dadurch wollen wir die Wahrscheinlichkeit erhöhen, dass Menschen die Möglichkeiten nutzen, bedeutsame Informationen zu kommunizieren.
- Wir werden mit der Neuaufsetzung ebenfalls weitere kommunikative Möglichkeiten einführen, um durch Signalsetzungen den Austausch von Wahrnehmungen, Gefühlen und Wünschen etwas zu erleichtern und dadurch die Chance zu erhöhen, dass sich Menschen vielleicht noch mehr schreiben.
- Wir sollten aber ebenfalls noch deutlicher machen und besser kommunizieren, dass Desillusionierungen beim Dating keine Katastrophe sind und kein Hindernis zu sein brauchen. Wir können sie als das annehmen, was sie sind: eine Erfahrung.
- Letztlich fehlen uns noch viele Daten, um wichtige Fragen dezidiert beantworten zu können. Ist es zum Beispiel günstiger, sich mit einer eher sehr begrenzten Anzahl oder mit möglichst vielen der vorgeschlagenen Personen zu treffen? Wir werden diese und weitere Zusammenhänge künftig noch systematischer erforschen und bitten bereits jetzt um Beteiligung, wenn wir mit den entsprechenden Datenerhebungen beginnen werden.
- Im theoretischen Idealfall sollte das psychologische Matching Desillusionierung im Vorfeld verhindern können. Alle vorgeschlagenen Personen sollten sich wechselseitig als passend erleben. In der Wirklichkeit ist dies unerreichbar. Statistisch führt das Matching zu einer deutlich erhöhten Wahrscheinlichkeit der Passung, als wenn Menschen nur durch Zufall vorgeschlagen werden würden. Aber es gibt zahlreiche Merkmale, die wir gar nicht kontrollieren können. Menschen sind viel zu individuell, als dass wir auch nur annähernd das Ziel erreichen könnten, dass sich tatsächlich alle vorgeschlagenen Personen als wechselseitig passend erleben. Trotzdem steht auch die Verbesserung unseres Matching-Algorithmus tagtäglich auf unserer Agenda und auch hier wird es demnächst weitere Verbesserungen geben.