Beziehungen und Verschwörungsdenken
Heute schreibe ich zum Thema der sogenannten Verschwörungstheorien und ihren Auswirkungen auf Selbstwert, Erhalt sozialer Aufmerksamkeit, Partnersuche und Beziehungsfähigkeit. Ich werde auch zum Thema der “Spaltung” schreiben, in der Gesellschaft und bei Gleichklang.
Ein paar Fragen sollen initial verdeutlichen, wie zentral das Thema ist und wie sehr es in unsere zwischenmenschlichen Beziehungen eingreift:
- Wie sollen wissenschaftlich arbeitende Menschen reagieren, wenn ihre eigenen Beziehungspartner:innen ihnen erklären, dass alle Statistiken sowieso gefälscht und 99% aller Wissenschaftler:innen Verbrecher:innen seien?
- Wie gehen wir damit um, wenn wir als lebenslang gesellschaftskritisch denkende und handelnde Menschen und Kritiker:innen der herrschenden Parteien plötzlich durch die eigenen Partner:innen oder Freund:innen zu unkritisch denkenden “Schlafschafen“ erklärt werden oder uns vorgeworfen wird, einer “Mutti hinterherzulaufen“, deren Politik wir in Wirklichkeit immer schärfstens kritisierten?
- Was kann getan werden, wenn unsere eigenen Beziehungspartner:innen oder Freund:innen uns im Rahmen unserer Tätigkeit als Ärzte:innen oder Pflegepersonal vorwerfen, “Genspritzen“ zu setzen und damit die Bevölkerung zu chippen?
- Was tun, wenn Beziehungspartner:innen darauf bestehen, eine notwendige medizinische Behandlung für die eigenen Kinder zu beenden und stattdessen zur antisemitischen und irrationalen Neuen Germanischen Medizin zu wechseln?
Die Liste der Fragen ließe sich fortsetzen.
Wir wissen von einem Gleichklang-Paar, welches 13 Jahre zusammen lebte und sich nun scheiden lässt, weil er die Pandemie ernst nimmt und sich impfen ließ und sie Informationen gegen Impfungen verbreitet und daran auch trotz zweier schwerer intensivmedizinisch behandelter Covid-Fälle in der eigenen Familie festhielt.
Deutlich wird:
- Dies Thema greift in den Kern zwischenmenschlicher Beziehung ein. Deshalb können wir uns als psychologisch fundierte Kennenlernplattform dieser Thematik nicht entziehen.
Was ist die psychologische Basis von Verschwörungstheorien?
Beginnen werde ich mit der Darstellung einiger psychologischer Untersuchungen, die sich mit der innerpsychischen Basis beschäftigen, warum Menschen beginnen, in Verschwörungen zu denken.
Was ist eine Verschwörungstheorie?
Ich möchte mich nicht aufhalten mit komplizierten Definitionen, was nun eine Verschwörungstheorie sei. Grundsätzlich besteht hier unter soziologisch und psychologisch orientierten Wissenschaftler durchaus ein weitgehender Konsens.
Verschwörungstheorien beziehen sich nicht auf tatsächlich und fraglos auch mögliche und sogar bestehende Verschwörungen einzelner Personen oder Gruppen, sondern auf Gedankengebilde, die oftmals sehr weitreichende Verschwörungs-Überzeugungen zum Ausdruck bringen, ohne dass die notwendige Bereitschaft besteht, diese inhaltlich und methodisch kritisch zu überprüfen.
Ein Befund, der zu dieser Definition recht gut passt, ist die wiederholte und klar in Studien abgesicherte Beobachtung, dass Menschen, die eine Verschwörungstheorie postulieren, oft gleichzeitig auch andere Verschwörungstheorien postulieren, selbst wenn diese im Widerspruch zu einander stehen.
Haben sich solche Denkweisen bei einer Person etabliert, können sie in tiefgreifendem Ausmaß ihre Weltsicht, ihre Beziehungen und ihr Verhalten beeinflussen.
Wir Menschen können schnell falsche Annahmen erwerben, an denen wir festhalten, selbst dann, wenn sie schädigend sind. Natürlich ist nicht jeder, der eine falsche Annahme hat, ein Verschwörungstheoretiker. Aber aus falschen Annahmen, die unkorrigiert werden, können Verschwörungstheorien werden, die nachfolgend nur noch schwer korrigierbar sind.
Studien zu Verschwörungstheorien
Ich möchte auf drei Studien eingehen, die nach meiner Einschätzung wichtige Zusammenhänge verdeutlichen:
Miller befragte 3,019 US-Amerikaner:innen zu verschiedenen Covid-Verschwörungstheorien, einem allgemeinen Verschwörungsdenken sowie zu persönlicher Unsicherheit und persönlicher Widerstandsfähigkeit (Resilienz).
Die persönliche Unsicherheit wurde anhand von Fragen erfasst, die sich darauf bezogen, wie unsicher sich Menschen mit sich selbst, ihrem Platz in der Welt und Ihrer Zukunft in diesem Moment fühlten. Die Widerstandskraft wurde mit Fragen erhoben, die das Vertrauen in die eigenen Bewältigungsstrategien erfassten, wie “Ich neige dazu, mich nach schwierigen Zeiten schnell wieder aufzuraffen.”
Als Ergebnisse zeigten sich:
- je stärker eine allgemeine Tendenz zur Verschwörungstheorie vorlag, je verunsicherter Menschen waren und je weniger psychische Widerstandsfähigkeit sie aufwiesen, desto eher vertraten sie Covid-Verschwörungstheorien
- allgemeines Verschwörungsdenken war bei stark verunsicherten Personen stärker mit Covid-Verschwörungsdenken assoziiert als bei weniger verunsicherten Menschen, wobei sich dieser Zusammenhang nur bei Republikanern zeigte, deren Präsidenten (Trump) vorgeworfen wurde, in der Pandemie nicht angemessen reagiert zu haben.
Eine allgemeine Disposition zu Verschwörungsdenken (egal, welcher Art), eine persönliche Verunsicherung und geringe psychische Widerstandsfähigkeit scheinen bei Menschen also die Annahme zu begünstigen, dass irgendetwas mit der Pandemie nicht stimme.
Verunsicherung kann dabei die Disposition zum Verschwörungsdenken insbesondere dann aktivieren, wenn Vorwürfe gegen eine Gruppe erhoben werden (in diesem Fall Republikaner), mit der sich die betreffenden Personen identifizieren.
Diese Befunde lassen Personen, die an Covid zweifeln, eher als Menschen erscheinen, die verunsichert sind und über eine geringe psychische Widerstandsfähigkeit gegenüber Belastungen verfügen.
Wie aber lässt sich dies mit den Bildern hochgradig selbstsicher wirkender Demonstrant:innen gegen die Covid-Maßnahmen vereinbaren?
Wie passt es zu den vielen Zuschriften, die ich von Menschen erhielt, die ebenfalls in ihrer Kritik betont selbstsicher auftraten?
Hierüber gibt eine Veröffentlichung von Cichocka et al. (2016) weiteren Aufschluss, die sich mit dem Zusammenhang von Narzissmus, Selbstwertgefühl und der Befürwortung von Verschwörungstheorien auseinandersetzte. Diese Studie wurde weit vor Covid veröffentlicht:
Narzissmus und Selbstwert
In einer Serie von drei Studien befragten die Autor:innen ihre Teilnehmer:innen zu ihrem eigenen Selbstwertgefühl, zu narzisstischen Tendenzen von Selbstüberschätzung, eine allgemeine Tendenz, Ereignisse mit Verschwörungen zu erklären, sowie zu einer Reihe spezifischer Verschwörungstheorien.
Beim Narzissmus unterschieden die Autor:innen zwischen individuellem, also auf die eigene Person bezogenen Narzissmus, sowie kollektivem Narzissmus (Amerikaner verdienen eine bevorzugte Behandlung).
Es wurde ebenfalls untersucht, wie sich diese Faktoren auf Verschwörungstheorien auswirken, die sich auf die eigene Gruppe (Amerikaner) oder eine Outgruppe (andere Nationen) bezogen.
Es zeigten sich etwas verkürzt zusammengefasst folgende Hauptergebnisse:
- Individueller Narzissmus korrelierte positiv mit einer allgemeinen Neigung zu Verschwörungsdenken, sowie mit einer Reihe spezifischer Verschwörungstheorien. Individueller Narzissmus korrelierte mit auf die eigene Gruppe und auf Außengruppen bezogenem Verschwörungsdenken, während kollektiver Narzissmus ausschließlich mit auf Außengruppen bezogenem Verschwörungsdenken korrelierte.
- Ein geringes Selbstwertgefühl korrelierte zunächst nicht mit Verschwörungsdenken, zeigte aber eine signifikante Korrelation mit Verschwörungsdenken in dem Moment, wenn für den Narzissmus kontrolliert wurde. Wurde also von Überlagerungen durch narzisstische Selbstüberschätzungstendenzen abgesehen, zeigte sich, dass Verschwörungsdenken in Wirklichkeit durch einen fragilen und damit unsicherheitsbesetzten Selbstwert gekennzeichnet ist.
- Weitere Analysen zeigten, dass die narzisstische Komponente vorwiegend über den Pfad des paranoiden Denkens zum Verschwörungsglauben führte. Paranoides – also hochgradig misstrauisches – Denken war bei Narzissten besonders stark vorhanden, was diese dann wiederum zu Verschwörungstheoretikern werden ließ.
- Geringes Selbstwertgefühl begünstigte Verschwörungsdenken demgegenüber vorwiegend über den Pfad der negativen Einstellung zu anderen Menschen. Wer ein geringes Selbstwertgefühl hat, neigt also dazu, negativ über andere zu denken und womöglich dadurch anfällig für Verschwörungsdenken zu werden.
Diese Erkenntnisse werden ergänzt durch eine Studie von Green und Douglas (2019):
Die Autor:innen untersuchten den Zusammenhang zwischen dem ängstlichen Bindungsstil und allgemeinen sowie spezifischen Verschwörungstheorien. Dabei fanden sie einen signifikanten Zusammenhang zwischen einem ängstlichen Bindungsstil und Verschwörungsdenken.
Nach der Bindungstheorie entsteht ein ängstlicher Bindungsstil, wenn Menschen in ihrer Kindheit von Bezugspersonen widersprüchliche Signale von Zuwendung und Abweisung erhielten bzw. die Bezugspersonen nur in einer nicht konsistent-verlässlichen Art und Weise emotional und körperlich zur Verfügung standen.
Hieraus soll sich bis in das Erwachsenenalter ein ängstlicher Bindungsstil mit Verlassensängsten, Anklammern und Eifersucht entwickeln, der über die Wahrnehmung von Bedrohungen aktiviert werden kann.
Die Autor:innen erklären den Zusammenhang zwischen ängstlichem Bindungsstil und Verschwörungsdenken folgendermaßen:
- Personen sehen sich mit einer Bedrohung konfrontiert, die unmittelbar ihr Bindungssystem aktiviert, um ein Gefühl von Sicherheit zurück zu erlangen.
- Personen mit ängstlicher Bindung neigen dazu, Bedrohungen, denen sie ausgesetzt sind, zu übertreiben oder zu katastrophisieren, weil sie früher Schutzlosigkeit erlebten.
- Die Autoren vermuten nun, dass Personen mit hoher ängstlicher Bindung, die Verschwörungstheorien vertreten, dies tun, um in ihrer Verwundbarkeit gesehen zu werden und Aufmerksamkeit von Bezugspersonen zu erhalten.
- Sicher gebundene Personen finden solche Bezugspersonen in ihrem Umfeld und erhalten von diesen ausreichende emotionale und praktische Unterstützung (Anmerkung: beispielsweise zum Umgang mit einem Lockdown). Sie können dadurch tatsächliche Bedrohungssituationen unter Annahme der Realität integrieren und bewältigen.
- Vermeidend gebundene Personen, mögen demgegenüber ihr Bindungssystem weiter deaktivieren und sich einfach zurückziehen, ohne weiter aufzufallen.
- Ängstlich gebundene Personen finden aber in ihrem unmittelbaren Umfeld keine ausreichend wirksame Unterstützung und haben erlernt, in Bedrohungssituationen ihr Bindungssystem zu hyperaktivieren, um sich in ihrer Verletzlichkeit zu zeigen und Aufmerksamkeit zu erhalten.
- Die Autoren folgern, dass eine Möglichkeit, dies zu erreichen, darin bestehe, ausgeklügelte Verschwörungstheorien zu vertreten. Der Glaube an Verschwörungstheorien könne daher – teilweise – eine hyperaktivierende Strategie des Bindungssystems sein.
Ich finde diese vor Covid geschriebene Arbeit gut anwendbar und auch konsistent mit den eigenen Beobachtungen, die wir im Rahmen der doch vielen Zuschriften von Corona-Zweifler:innen gemacht haben.
Diese übertreiben die Belastung durch Schutzmaßnahmen, wie Maskentragen, maßlos – bis hin zu erstickenden Kindern, steigern sich in eine extreme Bedrohungssituation hinein (Diktatur, Verfolgung) und erhalten dann gleichzeitig im Rahmen ihrer oft intensiven Kommunikation und ihrer Aktivitäten mit gleichdenkenden Menschen ein sehr hohes Ausmaß an Zuwendung, Aufmerksamkeit und wechselseitiger Verstärkung.
Manchmal schrieben sie uns ganz spontan, dass sie so erstmals politisch aktiv wurden in ihrem Leben. Andere hatten demgegenüber bereits ähnliche Aufmerksamkeitszuwendung bei früheren politischen Aktivitäten erlebt.
Der manchmal starke Schwenk von (jedenfalls scheinbar) links zu rechts und AfD kann psychologisch erklärt werden, wenn die Aktivitäten eher als Ausdruck eines hyperaktivierten Bindungssystems und entsprechender Zuwendungssuche denn als reflektierte politische Strategie verstanden werden.
Auch die Verwendung des Begriffs der Liebe und des Herz-Symbols auf den Demonstrationen passt gut zu einem tatsächlich nach Liebe schreienden hyperaktivierten Bindungsstil, der durch die reale Bedrohung der Corona-Pandemie aktiviert wurde. Der hyperaktivierte Bindungsstil förderte so die die eigene Angst vor Verlust wegen der Maßnahmen massiv, was zu Katastrophisierung und der Suche nach Aufmerksamkeit und Sicherheit bei anderen führte, die dies ähnlich erlebten.
Jetzt erhalten eine Reihe der Aktivist:innen und Anhänger:innen offenbar ein Ausmaß an Zuwendung wie nie zuvor.
Diese ängstlich-vermeidende Komponente, das Selbstwertdefizit, die Verunsicherung und die mangelnde Resilienz werden allerdings offenbar bei einigen ergänzt oder überlagert durch eine stark narzisstische Komponente, mindestens bei den Anführern, aber auch bei anderen, die sich in Selbstüberschätzung zeigt.
Diejenigen, die diesem Narzissmus anheimfallen, erreichen plötzlich ein enormes Selbstbewusstsein, berufen sich auf angeblich grandiose Wissenschaftler, denen sie wie Sektenführern folgen, und erklären allen anderen, einschließlich tatsächlich renommierten Fachwissenschaftlern, wie die Wirklichkeit nun sei – dies alles jenseits von Faktenkenntnis, frei von Verständnis von Wissenschaftsmethodik, ohne Kenntnis der Strukturen in Universitäten und Forschungsinstitutionen.
Es ist möglich, dass der Narzissmus bereits vorhanden war und nunmehr nur aktiviert wurde. Andere waren aber möglicherweise lediglich verunsichert in ihrem Selbstwertgefühl, zeigten geringe Resilienz oder einen ängstlichem Bindungsstil, und entwickelten dann im Verlauf durch das ungekannte Ausmaß an Zuwendung eine so starke Selbstaufwertung, dass ein grandioser Narzissmus entstand.
Im Ergebnis glauben sie besser als 99% aller Fachwissenschaftler:innen überall auf der Welt und in allen politischen Systemen diese Pandemie verstehen zu können.
Ich gönne den Menschen diese Euphorie durchaus, auch wenn ich an ihrer Nachhaltigkeit zweifele.
Das Problem bei dem Ganzen ist aber , dass dadurch die Pandemie befeuert wird und dadurch sich riesige Zahlen an Menschen infizieren, zu Schaden oder gar zu Tode kommen und dass – würden sich diese Positionen gesellschaftlich durchsetzen – ein Zusammenbruch der Gesundheitsversorgung aller betroffenen Länder resultieren würde.
Verschwörungstheorien suchen sich ihr Klientel bei Menschen, die sich Sorgen machen. Ihre Wirkung geht aber weit über ihre eigentlichen Vertreter:innen hinaus. Sie befördern Mythen oder scheinbar offene Fragen, die längst beantwortet sind, und können dadurch Ängste erzeugen, die auch von Menschen erlebt und weitergegeben werden, die eigentlich nicht als Verschwörungstheoretiker:innen zu bezeichnen sind.
So können Verschwörungstheorien am Ende die Verhaltenskontrolle über eine große Anzahl an Menschen ausüben, deren Handeln durch Ängste bestimmt wird, die durch Verschwörungstheorien erzeugt oder geschürt werden.
In einer Pandemie gehen die Folgen weit über den einzelnen Menschen hinaus, sondern betreffen uns alle und die gesamte Welt.
Damit leite ich auch bereits zu dem Thema der Spaltung über.
Spaltung der Gesellschaft und der Menschen
Ich möchte mich zunächst mit der Frage beschäftigen, inwiefern tatsächlich eine Spaltung besteht, wobei ich Spaltung definiere als Zerfall einer Gruppe in von beiden Seiten als essentiell wichtig erachtete Grundpositionen, die sich wechselseitig ausschließen. Natürlich können es auch mehr als zwei Positionen sein.
Es besteht wohl kein Zweifel, dass in diesem Sinne die Gesellschaft tatsächlich in vielen Ländern gespalten ist. Die Demonstrationen gegen Corona-Maßnahmen, die weltweit tausenden tätlichen Angriffe auf Maskenträger:innen, die Angriffe auf Impfzentren, der Zweifel einer Gruppe von Menschen an den grundlegenden medizinischen, wissenschaftlichen und pflegerischen Institutionen – all dies weist darauf hin, dass es aktuell zu Covid unvereinbare Positionen in der Gesellschaft gibt.
Für beide Seiten sind diese Positionen auch essentiell wichtig:
- Die Mehrheits-Seite geht davon aus, dass Maßnahmen und Impfungen notwendig sind, um aus der Pandemie herauszukommen und Leben zu retten. Sie können auf diese Position nicht verzichten, weil sie sonst überzeugt wären, nicht aus der Pandemie herauszukommen und Tote zu verursachen.
- Die Minderheits-Seite meint, man könne auf alle oder viele Maßnahme und insbesondere auf die Impfungen verzichten. Diese Seite sieht sich als in ihrer Freiheit eingeschränkt und fürchtet eine Corona-Dikatur. Diese Seite kann ebenfalls auf ihre Position nicht verzichten, weil sie die individuelle Freiheit derjenigen, die den Maßnahmen nicht zustimmen, in den Vordergrund aller ihrer Überlegungen stellt, die Impfungen für gefährlich hält oder gar die Pandemie als ganzes bestreitet, in dem ihre Existenz oder (häufiger) ihre Gefährlichkeit geleugnet wird.
Sachlage ist also, dass die Gesellschaft gespalten ist. Dies wirkt sich auch auf unsere zwischenmenschlichen Beziehungen, unsere Freundschaften, Partnerschaften, unsere Partnersuche und unser Dating-Verhalten aus.
Hierzu möchte ich einige Ergebnisse aus der noch laufenden aktuellen Gleichklang-Umfrage darstellen:
- Derzeit sind 78,4% unserer Mitglieder geimpft, 1,6% habe angegeben „noch nicht, aber bald“, 5,7 gaben an “ungeimpft, überlege noch“ und 14,3% gaben an “ungeimpft und werde ungeimpft bleiben“ – die Zahlen schwanken weiter leicht, weil es sich um Zwischenergebnisse einer noch laufenden Umfrage handelt.
- Vier von fünf Gleichklang-Mitglieder sind also bereits geimpft oder werden es demnächst sein. Ein Mitglied von 20 Mitgliedern überlegt noch, während ein Mitglied von sechs Mitglieder dezidiert nicht zu einer Impfung bereit ist.
Spielt der Impfstatus eine Rolle für die Partnerwahl?
- 72,5% unserer geimpften Mitglieder legen Wert darauf, dass Beziehungspartner:innen ebenfalls geimpft sind. 27,1% ist dies egal. Lediglich 0,4% suchen (warum auch immer, möglicherweise falsches Ankreuzen) ungeimpften Partner:innen.
- 50% unserer nicht impfbereiten Mitglieder suchen ungeimpfte Beziehungspartner:innen. Den anderen 50% ist der Impfstatus egal.
- Bei denjenigen, die noch nachdenken ist es 85,5% egal, 12,9% suchen einen ungeimpften Beziehungspartner:in und 1,6% geimpfte Beziehungspartner:innen.
- 76,5% derjenigen, die noch ungeimpft sind, sich aber jetzt impfen lassen wollen, ist dies kein Kriterium für die Partnerwahl. 23,5% legen Wert auf einen geimpften Partner:in.
Sachlage ist also, dass sich ein klarer und starker Einfluss des Impfstatus als Partnerwahlkriterium zeigt:
- Fast drei von vier Geimpften (die die große Mehrheit unserer Mitglieder darstellen) suchen geimpfte Beziehungspartner:innen.
- Den Nicht-Impfbereiten ist dies entweder egal oder Beziehungspartner:innen sollten ungeimpft sein.
- Bei denjenigen, die noch nachdenken, zeigt sich eine gewisse Zwischenstellung, wobei sie aber den Nicht-Impfbereiten ähnlicher erscheinen als den Geimpften.
- Diejenigen, die sich jetzt impfen lassen wollen, nehmen ebenfalls eine Zwischenstellung ein, sind aber den Geimpften ähnlicher als denen, die nicht impfbereit sind.
Welche Haltung sollten Beziehungspartner:innen zu Covid einnehmen?
Auch hier zeigen sich klare Zusammenhänge mit dem Impfstatus:
- 89,7% unserer geimpften Mitglieder legen Wert darauf, dass Beziehungspartner:innen die Pandemie ernst nehmen. 8,8% ist dies egal und 1,5% haben angegeben, dass Beziehungspartner:innen nicht die offizielle Linien glauben sollten.
- 68,6% derjenigen, die nicht impfbereit sind, legen Wert darauf, dass Beziehungspartner:innen nicht der offiziellen Linie glauben, 17,9% ist dies egal und 13,5% wünschen sich, dass Beziehungspartner:innen die Pandemie ernst nehmen.
- Bei denjenigen, die noch nachdenken, geben 38,7% an, dass es ihnen egal sei, 30,6% wollen, dass Beziehungspartner:innen nicht an die offizielle Linie glauben und weiteren 30,6% ist es wichtig, dass Beziehungspartner:innen die Pandemie ernst nehmen.
- 52,9% derjenigen, die noch ungeimpft sind, sich aber jetzt impfen lassen wollen, ist dies Kriterium für die Partnerwahl egal. 35,3% legen Wert darauf, dass die Pandemie durch Beziehungspartner:innen ernst genommen wird, 11,8% wollen, dass Beziehungspartner:innen nicht der offiziellen Linie folgen.
Erneut stehen sich Geimpfte und Nicht-Impfbereite weitgehend in ihren Suchwünschen oppositionell gegenüber mit den anderen beiden Gruppen im Mittelfeld; die noch Nachdenkenden näher bei den Nicht-Impfbereiten, die sich jetzt Impfenden näher bei den Geimpften.
Die Daten zeigen, dass der Impfstatus und die Einstellung zur Pandemie für unsere Mitglieder für ihre Partnersuche in großer Mehrheit eine bedeutsame Rolle spielen. Am wichtigsten ist dies den Geimpften, gefolgt von den Nicht-Impfbereiten mit den beiden verbleibenden kleinen Gruppen der noch Nachdenkenden und der sich jetzt Impfenden im Mittelfeld.
Wirkt sich der Impfstatus auf das Dating-Verhalten aus?
Hier interessierte uns die Frage, inwiefern Mitglieder bei der Partnersuche aufgrund der sich nun wieder verschärfenden Infektionsausbreitung verstärkt auf Sicherheit achten und was sie tun werden.
Es zeigen sich wiederum Unterschiede in Abhängigkeit vom Impfstatus:
- 63,6 % der Geimpften möchten Ihr Dating in der aktuellen Phase der Pandemie stärker auf die Online-Ebene, auf Telefon oder Video lenken. Bei den Nicht-Impfbereiten beträgt diese Prozentsatz 40,7%. Bei den beiden Zwischengruppen sind es 55% (über Impfung Nachdenkende) und 50 % (bald Geimpfte).
- 47,3% der Geimpften möchten Ihr Treffen zunächst einstellen oder reduzieren. Dies wollen ebenfalls 50% derjenigen, die bald geimpft sein werden und 35% derjenigen, die noch überlegen. Bei den Nicht-Impfbereiten erwägen lediglich 26% eine Reduktion von Treffen.
- 86,8% der Geimpftem wollen Aspekte eines sicheren Begegnungsverhaltens umsetzen, wie Treffen nur nach beiseitigem Test, Treffen draußen, Tragen einer Gesichtsmaske oder auf Abstand achten. Bei den Nicht-Impfbereiten beträgt dieser Prozentsatz 49,7 %. Bei den noch unentschlossenen liegt er bei 78% und bei denen, die bald geimpft werden wollen, bei 68,8%.
- Mindestens ein Verhalten aus allen drei Bereichen gleichzeitig bejahen 40,3% der Geimpften, 19,5 % der Nicht-Impfbereiten, 26,7% der noch überlegenden und 43,8 % der bald geimpften Personen.
Aus den Daten wird erkennbar, dass Geimpfte aus jedem Bereich häufiger Sicherheitsmaßnahmen ergreifen möchten als Nicht-Impfbereiche und zudem häufiger gleichzeitig Maßnahmen aus allen drei Bereichen ergreifen wollen.
Dabei ist zu berücksichtigen, dass Ungeimpfte ein höheres eigenes Infektionsrisiko haben und auch häufiger andere anstecken als Geimpfte. Zwar können sich Geimpfte auch anstecken, sie tun es aber seltener. Sie können andere infizieren, aber für einen kürzeren Zeitraum.
Obwohl also Ungeimpfte wesentlich höhere Risiken haben, zeigen sie zusätzlich noch ein geringeres Sicherheitsverhalten als Geimpfte.
Hinzu kommt, dass mit 56,7% eine Mehrheit der Geimpften – aber erwartungsgemäß 0% der Nicht-Impfbereiten – sich ohnehin ausschließlich mit ebenfalls Geimpften treffen möchten. Dadurch sinkt das Risiko weiter auf zweifache Art und Weise:
- Senkung des Risikos durch die Impfungen
- Senkung des Risikos durch das im Durchschnitt sicherere Verhalten von Geimpften
Gibt es weitere Zusammenhänge?
Aus der Umfrage zeigen sich ebenso Unterschiede in parteipolitischen Präferenzen je nach Impfstatus:
- 88,6% der Geimpften geben an, die Grünen, die Linke oder die SPD wählen zu wollen. AfD und Basispartei erreichen bei den Geimpften einen Prozentsatz von zusammen 1,6%.
Komplett anders ist die Parteienpräferenz bei denjenigen, die zu einer Impfung nicht bereit sind:
- 66,0% der Nicht-Impfbereiten geben an, die Basispartei oder die AfD wählen zu wollen. 32,0% geben an, die Grünen, die Linke oder die SPD wählen zu wollen. Die Basispartei dominiert hier mit 56,4% deutlich die AfD (9,6%).
Die bald Geimpften und die noch überlegenden Personen befinden sich erneut im Mittelfeld:
- Die bald Geimpften wählen zu 64,7% Grüne, die Linke oder SPD und zu 17,7% die Basispartei oder die AfD. Bei den noch überlegenden Mitgliedern betragen diese Prozentsätze 54,8% für Grüne, die Linke und SPD und 30,6% für Basispartei oder AfD.
Was sagen uns diese Umfrageergebnisse?
Die Ergebnisse zeigen klar, dass die Gleichklang-Community in vorwiegend zwei sich oppositionell gegenüberstehende Gruppen gespalten ist:
- die Gruppe der Geimpften und die Gruppe derjenigen, die zur Impfung nicht bereit sind.
Die Partnersuche beider Gruppen unterscheidet sich:
- Geimpfte wünschen sich mehrheitlich geimpfte Beziehungspartner:innen, wollen sich mehrheitlich beim Dating nur mit Geimpften treffen und wollen mehr Sicherheitsverhalten praktizieren als diejenigen, die zu einer Impfung nicht bereit sind. Sie legen zudem in überwältigender Mehrheit Wert darauf, dass die Pandemie ernst genommen wird, während dies den Ungeimpften entweder egal ist oder sie sich eine Ablehnung der offiziellen Linie bei Beziehungspartner:innen wünschen.
Schließlich zeigen sich grundlegende (extreme) Unterschiede insbesondere zwischen geimpften und nicht impfbereiten Gleichklang-Mitgliedern im politischen Wahlverhalten. Auffällig ist insbesondere die sehr hohe Affinität der nicht impfbereiten Mitglieder zur Basispartei, aber auch die höhere Affinität zu AfD als bei den geimpften Mitgliedern.
Bewertung der Suchpräferenzen
Sind Suchpräferenzen nach Einstellung zu Covid und Impfstatus Ausdruck von Intoleranz?
Nach meiner Ansicht nicht.
- Personen, die Corona und die Impfungen realistisch betrachten, akzeptieren den wissenschaftlichen Konsens, dass Impfungen notwendig, wirksam und nur selten mit schwereren Nebenwirkungen verbunden sind. Sie gehen davon aus, dass eine Impfung die eigene Person und andere schützt und damit auch zur Überwindung der Pandemie beiträgt.
Da ist es völlig normal, dass sich jemand eine Impfung auch für Beziehungspartner:innen wünscht. Schließlich müssten die Betreffenden ansonsten berechtigt eine erhöhte Sorge haben, dass Beziehungspartner:innen erkranken oder dass sie sich selbst anstecken durch Impfdurchbruch. Zudem sind Konflikte vorprogrammiert, zumal sich auch grundlegende Unterschiede in den politischen Einstellungen zeigen.
Hinzu kommt, dass die Nicht-Impfbereiten sich trotz ihres höheren Risikos deutlich weniger vorsichtig verhalten, so dass auch bei Treffen mit erhöhten Ansteckungsrisiken zu rechnen ist.
Viele, die nicht zur Impfung bereit sind, wünschen sich ebenfalls ähnliche Beziehungspartner:innen, vermutlich, um Konflikte zu vermeiden oder auch um sich gemeinsam gegen die Covid-Maßnahmen zu engagieren.
Zudem korrelieren die Haltung zu Corona und der Impfstatus mit darüber hinausgehenden politischen Einstellungen:
- Bei Gleichklang-Mitgliedern ordnen sich die Geimpften vorwiegend politisch im Spektrum Grüne-Linke ein, während die nicht Impfbereiten sich im Spektrum Basispartei/AfD einordnen.
In meinem nächsten Blog-Artikel werde ich auf der Basis unserer aktuellen Umfrage wie auch vorliegender wissenschaftlicher Befunde aufzeigen, dass die politische Haltung für eine Partnerschaft bedeutsam ist:
- Politische Ansichten spiegeln ethische Grundwerte wider, sie beeinflussen, wie wir unseren Alltag leben, sie können gemeinsames Engagement erleichtern oder erschweren und sie können zu Harmonie und konstruktiver Auseinandersetzung oder zu Streit und destruktivem Konflikt beitragen.
- Stehen sich politische Ansichten diametral gegenüber und legen die Partner:innen Wert auf Politik, werden Menschen nur selten als Paare zusammenkommen und wenn sie es tun, werden oft Konflikte zunehmen und die Beziehungszufriedenheit abnehmen.
Ich möchte zudem darauf hinweisen, dass eine Unterstützung der Basispartei hochproblematisch ist:
- Der Politiker der Partei DieBasis Bhakti äußerte sich u.a. gemäß Tagesschau folgendermaßen: “Das Volk, das geflüchtet ist aus diesem Land, aus diesem Land, wo das Erzböse war, und haben ihr Land gefunden, haben ihr eigenes Land in etwas verwandelt, was noch schlimmer ist, als Deutschland war. (…) Das ist das Schlimme an den Juden: Sie lernen gut. Es gibt kein Volk, das besser lernt als sie. Aber sie haben das Böse jetzt gelernt – und umgesetzt. Deshalb ist Israel jetzt living hell – die lebende Hölle.” Gemäß gleicher Quelle äußerte der Spitzenpolitiker der Partei DieBasis Reiner Fuellmich, “die geplanten Maßnahmen der Bundesregierung seien schlimmer als der Holocaust.“ Auf der offiziellen Facebook-Repräsentanz des Landesverbandes der Partei DieBasis in Baden-Württemberg steht seit dem 13. Juli 2021 ein Beitrag, der fremdenfeindliche Vorurteile bedient unter dem Titel “Unsere Steuergelder werden ins Ausland verschenkt, die Behebung der Hochwasserschäden im eigenen Land soll dann durch Spenden (mit)finanziert werden.” (zuletzt gesichtet am 24.10.2021).
Es zeigt sich also eine tatsächliche Spaltung:
- Zwischen geimpften und nicht impfbereiten Gleichklang-Mitgliedern besteht eine Kluft, die sich auf weit mehr als auf die reine Impfung bezieht und vielmehr sehr breite Unterschiede im Gesamtumgang mit der Pandemie, im Sicherheitsverhalten sowie in den politischen Einstellungen widerspiegelt.
Wie umgehen mit der Spaltung?
Aus den oben dargestellten Befunden wird deutlich, dass es eine Spaltung tatsächlich gibt.
Die meisten, die über diese Spaltung in den Kommentaren zu den Umfragen oder in Zuschriften an uns herantreten, sind Menschen, die Corona in seiner Gefährlichkeit anzweifeln, die Maßnahmen anzweifeln, die Impfungen anzweifeln und meistens alles drei zusammen.
In Zuschriften wird uns von diesen Mitgliedern vorgeworfen, uns an der Spaltung zu beteiligen, indem wir nicht neutral blieben und stattdessen Position für die Impfung bezögen, was nichts mit unserer Aufgabe als Dating-Plattform zu tun habe.
Die betreffenden Personen erleben sich als durch die Gesellschaft in ihrer Freiheit eingeschränkt, als Opfer von Diskriminierung und Unterdrückung. Manche sprechen von Diktatur. Sie werfen uns vor, komplett unkritisch sein, ein Mainstream-Narrativ zu verbreiten.
Ausdrücklich bestehen viele der uns Schreibenden auf Ihrem Selbstbestimmungsrecht, über ihre Gesundheit und ihren Körper zu entscheiden, ohne dass dies durch andere oder durch die Gesellschaft zu bewerten sei.
Eine Mitverantwortung für andere wird im Rahmen der Pandemie durch diese Schreiber:innen in aller Regel nicht oder höchst eingeschränkt gesehen. Der Tod gehöre zum Leben und die Betreffenden vertrauten auf ihre eigenen Immunsysteme.
Auf schwere Verläufe, Leid in Intensivstationen oder Todesfälle wird spontan nahezu nie eingegangen und auch im Verlauf der weiteren Korrespondenz werden diese Themen durch die Betreffenden in aller Regel ignoriert, selbst wenn wir direkt darauf zu sprechen kommen. In seltenen Fälle werden Formulierungen gebraucht, wie “Es sei für jeden einzelnen Toten schlimm, aber ….“ Manche bestreiten auch die Todesfälle oder halten ihre Zahl für sehr gering.
Recht oft werden häufige und schwerwiegende Nebenwirkungen der Impfungen, einschließlich einer angeblich sehr hohen Anzahl an Todesfällen behauptet – auf Nachfrage werden zu diesen Behauptungen keinerlei Referenzen genannt. Manchmal wird allgemein auf RKI-Zahlen verwiesen, die jedoch nicht das zeigen, was die Schreiber:innen annehmen.
Zusammenfassend, sehen sich Menschen, die Corona und/oder die Impfungen in Frage stellen, oft als durch die Gesellschaft und auch durch uns ausgegrenzt und verfolgt. Sie werfen der Gesellschaft eine Strategie der Ausgrenzung und Spaltung vor.
Eigene Anteil an dieser beschriebenen Spaltung werden nicht gesehen, Argumente der anderen Seite weitgehend nicht zur Kenntnis genommen, die schweren Folgewirkungen der Pandemie für die einzelne Schicksale und die gesamte Gesellschaft weitgehend geleugnet oder bagatellisiert.
Auch wenn wir als Beispiel darauf hinwiesen, dass nach unseren Umfragen jedes sechste Mitglied von Gleichklang schwere oder tödliche Verläufe im direkten Umfeld erlebte, löst dies bei der Mehrheit keine Reaktion aus und wird typischerweise in den Antworten übergegangen.
Auffällig ist insofern, dass diejenigen, die eine Spaltung beklagen, meistens für sich eine Opferrolle reklamieren und die Perspektiven der anderen konsequent aus ihren Überlegungen ausblenden, sogar bei direkter Kommunikation in der Regel nicht bereit sind, diese auch nur zu erwägen.
Zum Vorwurf, die Gesellschaft würde Spaltung betreiben, ist zu sagen, dass keine Spaltung betrieben wird, sondern eine Spaltung existiert. Die Spaltung zu verdecken, wäre eine Leugnungsstrategie, mit der die Sachlage der Spaltung nicht behoben werden kann, sondern sich eher verschlimmern würde.
Klar ist, dass sich die Neigung zu Verschwörungsdenken beziehungsdestabilisierend auswirken kann. Selbst Beziehungspartner:innen (z.B. Ärze:innen, die impfen) mögen sich plötzlich als vermeintliche Akteur:innen in einer Verschwörung wiederfinden.
Eine Möglichkeit wäre, die Meinungsunterschiede bewusst stehen zu lassen, die Themen zu vermeiden. In bestehenden Beziehungen mag in der Tat ein Punkt kommen, wo dies der letzte Rettungsanker für eine Beziehung sein kann. Dennoch ist dies sicherlich kein Ideal, zumal Spannungen bestehen bleiben werden.
Besser ist es, wenn es gar nicht soweit kommt und die Zeit von Partnersuche und Partnerwahl können dazu beitragen, dass dies gelingt.
Tritt das Problem in bestehenden Beziehungen erst auf, gibt es kein Erfolgsrezept:
Beziehungspartner:innen können versuchen, bei anderen Themen und Erlebnissen miteinander Verbundenheit zu erleben. Je nach Tiefe der Verstrickung von Beziehungspartner:innen kann es im Einzelfall helfen, zuzuhören, aber dennoch nicht aufzuhören, klar zu argumentieren und immer wieder die Denkfehler und die fehlende Quellenbasis aufzuzeigen.
Zweifel an der eigenen Verschwörungstheorie sollten durch Aufmerksamkeit und Bestätigung verstärkt werden.
Aber auch die psychischen Hintergründe können mit Beziehungspartner:innen herausgearbeitet werden, um eine Veränderung zu ermöglichen. Es mag helfen, stattdessen auf die Ängste und Sorgen einzugehen, Verständnis zu zeigen, aber auch konkret die betreffenden Personen dabei zu unterstützen, die wahrgenommenen Bedrohungen zu bewältigen, anstatt sich in sie hineinzusteigern und im Gegenzug andere, tatsächliche Bedrohungen zu leugnen.
In jedem Fall sollte möglichst den Anfängen gewehrt werden und nicht abgewartet werden, bis es immer schwieriger wird oder sogar zu spät ist.
Kommt es zu einer sozialen Vernetzung in Verschwörungskreise sollten – soweit es noch möglich ist – sofort Grenzen gesetzt werden. Letztlich ist nun die Frage gemeinsam zu klären, ob sich jemand für die Verschwörungstheorie oder für die Beziehung entscheiden möchte.
Eine Reihe von Beziehungen können so doch noch bewahrt werden und der betreffenden Person gelingt nach Abbruch der Kontakte zum verschwörungsgläubigen Netzwerk schrittweise eine auch innere Distanzierung oder wenigstens eine Entaktualisierung.
Wir sollten sicherlich vieles versuchen, um eine bestehende Beziehung zu retten. Ob wir uns aber bei der Partnerfindung in solch eine Konstellation überhaupt begeben sollten, muss jeder einzelne für sich selbst entscheiden.
Sollte Gleichklang ein Matching nach Impfstatus betreiben?
Es wird von beiden Seiten vorgeschlagen, dass wir ein Matching betreiben sollten, bei dem wir Geimpfte mit Geimpften und Ungeimpfte mit Ungeimpften zusammenbringen würden.
Wir tun dies nicht aus folgenden prinzipiellen Gründen:
- Wir verstehen uns als eine ökologisch-solidarische Community, die Menschen zusammenbringen möchte, um diese Welt mit allen ihren Problemen ein Stück weit zu verbessern, auf keinen Fall aber weiter zu verschlechtern.
- Wir teilen den internationalen wissenschaftlichen Konsens, gemäß dessen Maßnahmen und Impfungen erforderlich sind und gemäß dessen der Einzelne durch die eigene Impfung einen, wenn auch kleinen, eigenen Beitrag zur Überwindung dieser Pandemie leistet.
- Die Verweigerung der Impfung betrachten wir als einen Bruch der basalen gesellschaftlichen Solidarität, die wir als soziale Wesen brauchen, um gemeinsam leben und Krisen bewältigen zu können.
- Die Impfkritik ist oft in tiefergreifende Verschwörungstheorien eingebunden, die zudem mit rechtsgerichtetem politischen Denken statistisch korreliert sind.
Würden wir Ungeimpfte mit Ungeimpften matchen, würden wir den Aufbau von Beziehungen fördern, die die gesellschaftliche Solidarität weiter untergraben und sich auch politisch mit erhöhter Wahrscheinlichkeit antiemanzipatorisch engagieren würden.
Ein Matching von Ungeimpften käme einer Normalisierung der Verweigerung von Solidarität gleich und würde zur Radikalisierung der betreffenden Personen weiter beitragen.
Aus diesem Grund verfolgen wir aktuell zwei Ansätze:
- Der Anteil von Impfgegner:innen und Verschwörungstheoretiker:innen darf auf keinen Anfall ansteigen, weil damit Gleichklang als ein sozial-ökologisches und emanzipatorisches Projekt nicht weiterbestehen könnte.
- Ein geringer Anteil von Impfgegner:innen und Verschwörungstheoretiker:innen wird nicht die Radikalisierung der Community als Ganzes fördern, sondern höchstens, weil diese sich einer großen Mehrheit anders Denkender gegenüber sehen, im Einzelfall zur Ent-Radikalisierung der Betreffenden beitragen können. Wächst der Anteil allerdings, würde sich ein ganz anderer Effekt ergeben.
Der Anteil von Impfgegner:innen und Verschwörungstheoretiker:innen kann nicht auf 0% reduziert werden, sollte aber unter die aktuellen 15% sinken, um die Community als Ganzes zu schützen und Radikalisierungsprozesse aufeinander treffender Menschen mit Verschwörungsgedanken zu vermeiden.
Wir versuchen, dies zu erreichen durch Aufklärung, sowie durch die eindeutige und unübersehbare Außenpositionierung, weshalb wir auf unserer Startseite unübersehbar für die Impfungen als Erfordernis der Solidarität werben und dies ab jetzt auch in unserer Printwerbung tun werden.
Wir rechnen mit einer Abnahme des Anteils von Impfgegner:innen und Verschwörungstheoretiker:innen in den nächsten Wochen und Monaten. Wir rechnen aber auch damit, dass Einzelne erreichbar sein werden und es schaffen, sich aus der Verstrickung zu lösen. Hierzu können wir alle einen Beitrag leisten.
Wir möchten unseren Mitgliedern eine sichere Community ermöglichen, die ihnen hilft, den schweren kommenden Winter mitten in der vierten Welle solidarisch und sozial verbunden zu bewältigen.