Welche Rolle spielen unsere sexuellen Präferenzen für die Partnersuche?
Manche von uns haben keine stark präferierten sexuellen Praktiken. Bei anderen ist sexuelle Lust und Erfüllung demgegenüber ganz an eine oder mehrere sexuelle Praktiken gekoppelt. Wiederum andere erleben starke sexuelle Aversionen, die oft eine Mischung aus kognitiv-gedanklicher Ablehnung und Gefühlen von Ekel sind.
Sexuelle Erfüllung ist einer der Einfluss-Faktoren auf unsere Beziehungszufriedenheit und unser Lebensglück.
Daraus folgt, dass sexuelle Kompatibilität wichtig ist. Dies gilt für unsere Partnersuche ebenso wie für unsere Beziehungsgestaltung:
- Liegt sexuelle Inkompatibilität in einer Partnerschaft vor, ist das Kind bereits in den Brunnen gefallen. Es gibt Möglichkeiten, jemanden aus dem Brunnen herauszuholen.
- Aber es ist einfacher und auch mit einer höheren Erfolgswahrscheinlichkeit gekrönt, wenn wir lieber von vornherein verhindern, dass Menschen in Brunnen fallen. Es lohnt sich daher, an die sexuelle Kompatibilität zu denken, wenn es um die Partnersuche geht.
So wie mit sexuellen Praktiken ist es auch mit dem Aussehen:
- Merkmale des Aussehens können einen wesentlichen Teil unserer sexuellen Orientierung bilden, brauchen dies aber nicht zu tun.
Manchmal ändern sich auch unsere Präferenzen – ob Sexualpraktiken oder Anziehung durch äußere Merkmale – und wir erleben eine uns vielleicht sogar überraschende eigene Flexibilität.
Die Kunst besteht darin, die richtige Balance zwischen Umsetzung unserer derzeitigen sexuellen Präferenzen und Flexibilität zu finden.
Mit meinem ▶ neuen Video „Sexualpraktiken und sexuelle Anziehung und psychologischer Sicht“ setze ich meine ▶ Video-Serie zur Sexualität fort, die ich jeweils mit ergänzenden Blog-Artikeln verbinde.
Der Artikel soll das Video einordnen, kann es aber nicht ersetzen. Alle von mir verwandten Studien finden sich in der Infobox unterhalb des Videos in den Literaturreferenzen. Ich habe es mir daher erspart, sie hier noch einmal aufzuführen.
Benennung zentraler Aspekte
Ich belasse es bei einer kurzen Aufzählung von Gedanken und Befunden, die Ihnen eine gute Einordnung des Videos und der Implikationen für Partnersuche und Beziehungsgestaltung ermöglichen:
- Oft denken wir bei sexueller Orientierung nur an heterosexuell, homosexuell oder bisexuell, womöglich noch an pansexuell. Aber all diese Bezeichnungen verkürzen den Blick auf unsere Sexualität. Warum sollten wir unsere Sexualität nur durch den Bezug auf Geschlecht/Gender definieren und nicht ebenso durch andere Aspekte, wie Alterspräferenzen, Anzahl der Partner:innen, Liebesbezug oder reine Lustbezug, präferierte sexuelle Praktiken, äußerliche Merkmale, die unsere sexuelle Anziehung aktivieren? Das klassische Modell ist in seiner Beschränktheit willkürlich und vereinfachend und am Ende für viele von uns fast nichtssagend.
- Die in meiner Video-Serie zugrunde gelegte sexuelle Konfigurationstheorie von Sari van Anders liefert eine wesentliche Erweiterung, indem unsere Sexualität nicht durch einen Begriff beschrieben, sondern in ihrer Detailliertheit und Ganzheitlichkeit als sexuelle Konfiguration über eine große Anzahl potenzieller Merkmale dargestellt und verstanden wird.
In den vorherigen Videos ging es um die ▶ Anzahl der Partner:innen (Monopartnersexualität, Polypartnersexualität), ▶ Geschlecht/Gender, sowie den Einfluss von körperlich lustbetontem ▶Erotizismus und Nurturance (liebevoller Zuwendung).
Im heutigen Video wird der sogenannte Sex-Parameter im Modell von Sari van Anders vorgestellt, unter dem sich eine große Anzahl möglicherweise unsere Sexualität mehr oder weniger prägender Faktoren verbergen können. Auf zwei dieser Faktoren gehe ich in meinem Video näher ein:
- Sexualpraktiken
- Anziehung durch das Äußere
Es ergeben sich folgende Beobachtungen:
- Es gibt eine große Vielzahl an Sexualpraktiken. Über Zärtlichkeit, Küssen, Oralverkehr, Vaginalverkehr, manuelle Befriedigung oder Analverkehr hinausgehend, gibt es weniger traditionelle oder unkonventionelle Sexualpraktiken, die von Sari van Anders unter dem Begriff “Kink” zusammengefasst werden. So selten sind diese Praktiken nicht, in Studien geben ca. 50 % der Befragten an, bereits Erfahrungen hiermit zu haben, mehr als 20 % ohne Erfahrungen gaben Fantasien an. Allerdings sind es nur weniger als 10 %, die solche Praktiken dezidiert als Teil ihrer sexuellen Orientierung betrachten.
- Wie auch immer die genauen Zahlen sind, es ist offensichtlich, dass wir eine Kompatibilität am besten erreichen, wenn wir dies bereits bei der Partnersuche zum Thema machen. Bei Gleichklang nehmen wir dies unseren Teilnehmenden in gewisser Hinsicht ab, indem wir all dies erfragen und sodann bereits eine ausreichende Grundpassung durch die Vorschläge gewährleisten. Grundpassung bedeutet allerdings nicht Identität, sondern sie bedeutet einen Rahmen der Möglichkeiten, aus denen die Beteiligten Kompatibilität miteinander herstellen können.
- Sachlage ist, dass dezidierte sexuelle Erfüllung nur wenigen vergönnt ist. Die Mehrheit der Menschen in Beziehungen steht im neutralen Bereich zwischen sexueller Zufriedenheit und sexueller Unzufriedenheit. Das ist schade, denn sexuelle Erfüllung ist möglich. Die Auseinandersetzung mit dem, was unsere Sexualität ausmacht, hilft uns, einen besseren Zugang zu uns selbst zu finden. Dadurch wiederum können wir, wenn wir Offenheit herstellen, gemeinsam Möglichkeiten für sexuelle Erfüllung erschließen.
- Die Sache mit der Offenheit wird von mir immer wieder wiederholt. Der Grund ist, dass sie so wichtig ist. Letzte Woche sprach ich im Coaching mit einer Klientin, die bereits langjährig verheiratet war. Aber über sexuellen Bedürfnisse hatte sie mit ihrem Ehemann nie gesprochen. Das ist ein verbreitetes Muster und so wundert es nicht, dass nur wenige von uns zur sexuellen Erfüllung gelangen.
- Es kann hilfreich sein, unseren sexuellen Rahmen zu erweitern. Bei einem meiner nächsten Videos wird es entsprechend um sexuelle Fluidität gehen. Aber die Erweiterung unserer sexuellen Präferenzen und Erlebensweisen stößt an Grenzen dessen, was wir möchten und können. Flexibilität ist anzuraten, sofern wir uns mit ihr wohlfühlen. Die Reflexion unserer eigenen Sexualität im Kontext der sexuellen Konfigurationstheorie erleichtert es uns, Ideen für sexuelle Erweiterungen zu gewinnen, uns aber ebenso unserer Grenzen bewusst zu werden.
- Mit den äußeren Körpermerkmalen, die unser sexuelles Interesse aktivieren, steht es ähnlich wie mit den präferierten Sexualpraktiken: Sie bilden einerseits einen Teil unserer Person und legen damit auch die Basis für unsere Partnersuche. Sie hängen andererseits aber auch von zahlreichen Lernprozessen bis zu kulturellen Trends und Veränderungen mit dem Lebensalter ab und sind insofern veränderlich. Auch hier gilt es, die richtige Balance zu finden, um rigide Beschränkungen zu überwinden, aber die Grenzen dessen, was wir als lustvoll erleben, zu respektieren.
- Außerdem gibt es eine riesige Anzahl auf den ersten Blick “sexualitätsferner” Merkmale, die in Wirklichkeit auch im Zentrum unserer individuellen Sexualität stehen können. Empirische Sachlage ist nämlich, dass wir auch von komplett anderen Merkmalen sexuell angezogen werden können, wie Lebensstil, ethischen Werten, Fähigkeiten und Intelligenz. Vegansexualität und Sapiosexualität sind zwei Beispiele für solche Sexualitäten, deren Wirklichkeit und Wirksamkeit wir übrigens auch bei Gleichklang beobachten. Zu solchen alternativen Sexualitäten werde ich ebenfalls noch ein eigenes Video machen.
Wie wichtig ist eine Passung der sexuellen Konfiguration für meine Partnersuche?
Dies ist eine Frage, die Sie sich noch während Ihrer Partnersuche beantworten sollten:
- An die Liebe tragen wir unterschiedliche Orientierungen heran. In einer großen Umfrage unter Gleichklang-Mitgliedern konnten wir statistisch neun Orientierungen der Liebe identifizieren, die ich in einem ▶ eigenen Artikel vorstelle. Eine dieser Orientierungen der Liebe ist die “Liebe als Lust und Sex“. Je stärker bei Ihnen diese Orientierung der Liebe ausgeprägt ist, desto essenzieller wird es, dass Sie bereits während der Partnersuche auf eine potenzielle Kompatibilität der sexuellen Konfigurationen achten. Ihre eigene Ausprägung in den neun Orientierungen der Liebe können Sie mithilfe dieses Testes herausfinden.
Derweil bemühen wir uns bei Gleichklang mit besten Kräften, um Sie bei Ihrer Beziehungssuche zu unterstützen und Ihnen dadurch nicht nur, aber auch sexuelle Zufriedenheit zu ermöglichen:
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