Online-Dating für Autisten
In meinem heutigen Artikel geht es um Autismus und insbesondere darum, wie die Partnersuche für Autisten erleichtert werden kann und was Gleichklang dafür tut.
Freilich wendet sich der Artikel keineswegs nur an Autisten:
- In manchen autistischen Merkmalen können sich auch Nicht-Autisten wiedererkennen, wie Hochsensible oder Introvertierte.
- Autismus kann alternativ (zu einem gewissen Grad oder zusätzlich) als Dimension betrachtet werden. Demnach können wir alle – mehr oder weniger – autistische Merkmale haben. Wir können uns so womöglich besser selbst verstehen, wenn wir uns mit Autismus auseinandersetzen.
- Autisten können soziale Angst entwickeln aus Furcht, sozialen Normen nicht zu entsprechen. Dies kann auch selbstunsicheren oder sozial-phobischen Menschen so gehen, wenn es ihnen an Fertigkeiten zum selbstsicheren Auftreten oder zum Small Talk mangelt.
- Für manche nicht-autistischen Personen können autistische Merkmale (Direktheit, Ehrlichkeit, Faktenorientierung) attraktiv sein und es können so tragfähige Beziehungen zwischen Autisten und Nicht-Autisten entstehen. Dies ist auch für Ihre Sucheinstellungen bei Gleichklang wichtig.
Der Artikel stellt eine Reihe psychologischer Studien vor. Er erhält auch viele Informationen, die für die Partnersuche im allgemeinen von Bedeutsamkeit sind.
Der Artikel ist sehr lang. Wenn Sie keine Zeit oder kein Interesse haben, einen so langen Artikel zu lesen, können Sie einfach per Klick zu der Zusammenfassung springen.
Die Grundstruktur des Artikels ist folgendermaßen:
- Was ist Autismus?
- Beziehungen von Autisten
- Probleme in Beziehungen mit nicht-autistischen Personen
- Ressourcen in Beziehungen mit Autisten
- Wie kann Online-Dating die Partnersuche von Autisten unterstützen?
- Online-Partnersuche und Autismus
- Sicherheit des Online-Dating für Autisten
- Hintergrund der Partnersuche für Autisten bei Gleichklang
- Begrenzungen
- Zusammenfassung und Empfehlungen
Was ist Autismus?
Autisten fällt es schwer, soziale und emotionale Informationen zu verarbeiten, Blickkontakt zu halten, die Körpersprache zu deuten und sich so körpersprachlich auszudrücken, dass dies allgemein verstanden wird. Hieraus ergeben sich Erschwernisse oder Besonderheiten der sozialen Interaktion, was auch Freundschaften und Partnerschaften betrifft.
Ursprünglich wurde Autismus als eine schwere Entwicklungsstörung verstanden, die oft mit tiefgreifende Auffälligkeiten und einer Intelligenzminderung einherging. Diese Sichtweise hat sich aber in den zurückliegenden Jahrzehnten grundlegend geändert mit der Beschreibung zunehmend leichter und leichter Formen des Autismus bis hin zum Asperger-Syndrom, welches viele nicht als psychische Störung, sondern als Besonderheit oder sogar als Ressource auffassen. Es gibt also Autisten mit einem hohen Funktionsniveau, wobei mittlerweile das ganze Phänomen des Autismus, einschließlich Asperger-Syndrom, unter dem Begriff des Autismus-Spektrum oder bei einer klinischen Sichtweise Autismus-Spektrum-Störung zusammengefasst wird.
Gerade beim Asperger-Syndrom (welches ab ICD-11 ebenso als Autismus-Spektrum diagostiziert wird) werden nicht nur Symptome oder Schwierigkeiten im Bereich der emotional-sozialen Kommunikation geschildert, sondern hier liegt der Fokus stärker auf Ressourcen. So kann hier sogar Hochintelligenz auftreten. Es gibt auch besondere Teilbegabungen (Insel-Begabungen), dei bei Autisten auftreten können. Menschen mit Asperger und auch mit anderen Formen des “hochfunktionalen” Autismus können grundsätzlich alle Arten von Schul- und Universitätsabschlüssen erwerben und sie können auch an exponierter Stelle künstlerisch, wissenschaftlich oder in anderen Bereichen tätig sein.
Ein Hinweis zur Wortwahl:
- Im ICD-11 taucht Asperger nicht mehr auf. Aber viele Betroffene bezeichnen sich weiterhin als Asperger. Es bleibt abzuwarten, ob sich künftig der Begriff Autismus-Spektrum tatsächlich auch in der Terminologie der Betroffenen komplett durchsetzen wird. In der wissenschaftlichen Literatur, auch neuen Studien, wird der Begriff ebenfalls von einer Reihe von Forscher:innen weiterhin verwandt. So findet beispielsweise eine aktuelle Studie aus diesem Jahr Belege dafür, dass sich innerhalb des Autismus-Spektrum Personen mit Asperger von anderen Formen unterscheiden und insofern empirisch einen Subtyp darstellen würden.
Ergänzung vom 12.09.2022:
- In einer Twitter-Diskussion wurde kritisch eingewandt, dass der Begriff Asperger veraltet und damit auch mein Artikel veraltet sei. Die Diskussion machte deutlich, dass der Begriff tatsächlich bei einer Reihe von Autisten auf starke Ablehnung stößt, auch weil er als Ausdruck einer Asperger-Supremacy verstanden werden könnte. Umgekehrt ist es aber ebenfalls Sachlage, dass andere den Begriff weiterhin für sich verwenden und dass er als möglicher Subtyp auch weiterhin in der Forschung diskutiert und untersucht wird. Zu denen, die sich weiterin als Asperger bezeichnen und Asperger positiv in den Autismus-Begriff einordnen, gehört beispielsweise Greta Thunberg, die weit von jedem Überlegenheitsdenken gegenüber anderen entfernt ist. Die Ergebnisse dieses Artikels zur Online-Partnersuche sind von dieser Diskussion aber unberührt. Wir werden unter unseren autistischen Mitgliedern demnächst eine Umfrage zur gewünschten Terminologie durchführen und auf dieser Basis ggf. Veränderungen in der durch uns verwandten Terminologie durchführen.
- Kritik wird auch an der Verwendung des Begriffs “hochfunktional” (Anm: in diesem Artikel) geäußert. Dieser Begriff wird vereinfach ausgedrückt für Autisten verwandt, die keine tiefgreifenden Beeinträchtigungen aufweisen und entsprechend beispielsweise auch Schul- und Universitätsabschlüsse erreichen können. Der Begriff wird in Studien zur Online-Partnersuche auch deshalb verwandt, weil die Online-Partnersuche in der aktuellen Form von Dating-Apps oder auch von Gleichklang sprachliche und kognitive Anforderungen stellt, um an ihr teilnehmen zu können. Dazu gehört nicht nur der Online-Teil, sondern auch die späteren Begegnungen außerhalb des Internet. Deshalb beziehen sich die hier referenzierten Studien nicht auf alle Autisten, sondern auf Autisten, die an der Online-Partnersuche teilnehmen können. Im abschließenden Abschnitt “Begrenzungen” problematisiere ich dies auch. Ich stelle in meinem Artikel die Studienbefunde vor und verwende die Begriffe, die in den Studien verwandt werden, auch um deutlich zu machen, welche Aussagekraft die Befunde haben, also für wen sie gelten. Ich habe den Begriff “hochfunktional” in Anführungszeichen in diesem Artikel gesetzt, um deutlich zu machen, dass einerseits Studien zum Online-Dating von Autisten Personen aus dem Spektrum dieses Begriffs untersuchten (sodass die Befunde auch nur auf sie generalisiert werden können), andererseits aber womöglich ein besserer Begriff gefunden werden kann, da einige diesen Begriff als Abwertung anderer Autisten verstehen, auch wenn er nicht so gemeint ist. Ergänzen möchte ich noch (16.09.2022), dass mit dem ICD-11 Autisten nicht nur als im Autismus-Spektrum diagnostiziert werden, sondern es werden eine Reihe von weiteren Zusatzeinordnungen (Spezifikationen) vorgenommen, wie Autisten mit und ohne Beeinträchtigung der intellektuellen Entwicklung, mit oder ohne Verlust vorher erworbener Fertigkeiten. Zudem kann auch die Ziffer “andere spezifizierte Autismus-Spektrum-Störung” verwandt werden, wobei in diesem Fall die genaue Bezeichnung zu benennen ist. Oder es kann eine andere, nicht weiter spezifizierte Autismus-Spektrum-Störung diagnostiziert werden. Der ICD-11 greift mit diesen Einordnungen die vorherigen Konzepte inhaltlich durchaus auf, hat sich aber dazu entschieden, aufgrund diagnostischer Unklarheiten der vorherigen Einzelkonzepte diese nunmehr unter einem Begriff zusammenzufassen, der nachfolgend mit einer Reihe Spezifizierungen versehen wird. Der Begriff des Spektrums macht noch einmal deutlich, dass die Diversität sehr hoch ist, wir es hier also mit einer heterogenen diagnostischen Kategorie zu tun haben. Entsprechend intensiv wird aktuell auch an Subgruppen im Autismus-Spektrum geforscht, wobei diese Studie aus dem Jahr 2021 nur eine von zahlreichen Studien aus den letzten 2-3 Jahren ist. Wenn wir also von Autisten sprechen, bezieht sich dieser Begriff auf eine Vielgestalt von unterschiedlichen Personen, die einander mehr oder weniger in zentralen Merkmalen und kognitiv-emotionalen Verarbeitungsprozessen ähnlich oder unähnlich sind.
Es gibt übrigens auch eine Reihe Prominente, bei denen ein “hochfunktionaler” Autismus oder ein “Asperger-Syndrom” vorliegen. Bekannte Beispiele aus dem Prominenten-Bereich sind neben Greta Thunberg beispielsweise Susan Boyle, Courtney Love, Dan Harmon, Dan Aykroyd, Daryl Hannah, Sir Anthony Hopkins und Andy Warhol.
Diese Prominentenbeispiele erwähne ich hier lediglich, um das Vorurteil weiter zu entkräften, dass Autisten quasi nicht beziehungsfähig oder nicht handlungsfähig seien.
So wichtig es ist, auf die mit Autismus einhergehenden möglichen Ressourcen hinzuweisen, so gilt aber dennoch, dass insbesondere die nicht-verbale Kommunikation oftmals für Menschen auch mit leichteren Formen des Autismus erschwert ist, was ihre Beziehungen beeinflusst. Autisten gehören zu den neurodiversen oder neurodivergenten Personen. Personen mit ADHS stellen eine weitere Form der Neurodiversität dar.
Beziehungen von Autisten
Wie steht es nun mit dem Beziehungswunsch und der Beziehungsfähigkeit von Autisten?
Strunz et al. (2016) untersuchten den Beziehungsstatus, die Beziehungszufriedenheit und das Interesse an partnerschaftlichen Beziehungen in einer Stichprobe von 229 Personen mit Autismus-Spektrum-Störung (ASD), die jeweils ein hohes Funktionsniveau zeigten, unter ihnen auch viele Asperger Personen. Das hohe Funktionsniveau zeigte sich auch daran, dass bis auf eine Person alle Befragten einen Schulabschluss hatten. 37 % hatten eine abgeschlossene Berufsausbildung und 31 % einen Hochschulabschluss. In der Allgemeinbevölkerung liegt der Akademiker-Anteil lediglich bei ca. 18 %.
Sie gelangen zu folgenden Befunden zu aktuellen und vorherigen Beziehungen:
- 73 % der Befragten gaben an, aktuell oder in der Vergangenheit in einer Partnerschaft gewesen zu sein.
- Aktuell in einer Beziehung waren 44 % der Befragten.
- 27 % hatte noch keine Beziehungserfahrungen.
- Lediglich 7 % berichteten, sich keine Beziehung zu wünschen (Aromantiker).
- Autistische Männer verfügten etwas seltener über Beziehungserfahrungen als Autistinnen, obgleich die Männer einen etwas stärkeren Wunsch nach einer Beziehung angaben.
- Unter den Männern war der Anteil der Befragten höher, die angaben, verzweifelt nach einer Beziehung zu suchen.
Folgendermaßen bewerteten die Befragten ihre Beziehungszufriedenheit:
- Die Befragten, die aktuell in einer Beziehung lebten, berichteten im Durchschnitt über eine gute Beziehungszufriedenheit.
- Dies galt sowohl für die 20 % der Befragten, die mit autistischen Beziehungspartner:innen zusammen waren, als auch für die 80 % der Befragten, deren Partner:innen keine Autisten waren.
- Allerdings war die Beziehungszufriedenheit in der Konstellation autistisch-autistisch im Durchschnitt höher.
Die Befunde von Strunz et al. geben Anlass zum Optimismus bezüglich der Beziehungsmöglichkeiten von Personen mit einem “hochfunktionalem” Autismus. Die große Mehrheit verfügte bereits über Beziehungserfahrungen. Fast die Hälfte lebte aktuell in einer Partnerschaft.
Auch wenn diese Zahlen geringer als in der erwachsenen Allgemeinbevölkerung sind, zeigen sie dennoch, dass Autismus und Partnerschaft miteinander vereinbar sind.
Deutlich wurde ebenfalls, dass die überwältigende Mehrheit der befragten Autisten sich eine Beziehung wünschte. Der Anteil der Aromantiker, also von Personen, die dezidiert keine Beziehung wünschten, lag mit 7 % nicht so weit entfernt von der Allgemeinbevölkerung.
Besonders erfreulich sind die Befunde zur Beziehungszufriedenheit:
- Typischerweise gaben die Befragten an, mit ihren Beziehungen zufrieden zu sein, wobei die Zufriedenheit besonders hoch war, wenn bei beiden Beziehungspartner:innen Autismus vorlag.
Womöglich fördert ein beidseitiger Autismus in einer Beziehung das wechselseitige Verstehen und vermindert die Gefahr von Missverständnissen und negativen Reaktionen auf als unangemessen wahrgenommene Verhaltensweisen.
Erfüllte Beziehungen sind aber auch zwischen Autisten und Nicht-Autisten möglich. Autismus stellt demnach keine Barriere gegenüber einer Beziehung mit Personen dar, die nicht zum Autismus-Spektrum gehören.
Die Befunde gelten allerdings nur für die untersuchte Stichprobe von Personen mit hohem Funktionsniveau, einschließlich Personen, die in den Studien als Asperger bezeichnet wurden. Sie können nicht auf Personen mit schwerem und anhaltendem frühkindlichen Autismus bezogen werden, der oft mit einer Intelligenzminderung und auch Beeinträchtigungen der sprachlichen Kommunikation einhergeht, auch wenn durch Behandlungsmaßnahmen Kompensationen möglich sind.
Für die Partnersuche und Freundschaftssuche bei Gleichklang sind derzeit vorwiegend genau solche Befunde zu Personen mit “hochfunktionalem” Autismus interessant, da dies die Personengruppe ist, die über Online-Dating und auch bei Gleichklang nach Beziehungen sucht.
Trotz dieser positiven und allen Anlass zum Optimismus gebenden Befunde, ist die Partnersuche für Menschen mit Autismus dennoch eine besondere Herausforderung. Autistische Merkmale greifen in die Partnersuche, den Beziehungsaufbau und die Beziehungsgestaltung ein.
Dies wird aus einer Studie von Girardi et al. (2020) sehr deutlich:
Die Autor:innen haben einen Überblicksartikel geschrieben zu den Herausforderungen autistischer Personen beim Aufbau von Freundschaften und romantischen Beziehungen. Ich konzentriere mich hier auf den Teil zu den sozialen Fertigkeiten:
- Die Autor:innen stellen dar, dass das Erlernen von sozialen Regen für intime Beziehungen bei Autisten erschwert sei und der Ausdruck von Zuneigung in einer anderen Weise erfolge als bei neurotypischen (nicht autistischen) Personen. Entscheidend sei es dabei, zu verstehen, dass die Gefühle von Liebe und Zuneigung bei Autisten genau so vorhanden seien wie bei neurotypischen Personen, ja sogar im Durchschnitt stärker ausgeprägt seien.
- Für die Beziehungszufriedenheit könne es kritisch sein, dass das Verständnis bei Autisten darüber fehlen könne, wie typischerweise diese Gefühle von Zuneigung und Liebe ausgedrückt werden. Auch könne es Autisten schwerfallen, die Gefühle und das innere Erleben der Beziehungspartner:innen zu verstehen. Dabei könnten Mimik und non-verbale Signale schnell missverstanden werden. Es könne so auch zu als unangemessen erlebten Verhaltensweisen oder Bemerkungen kommen.
- Erschwert sei auch das Flirten, was oft zum Aufbau von Beziehungen erforderlich ist. Die Autor:innen schreiben hierzu, dass autistische Verhaltensweisen, wie mangelnder Augenkontakt, “roboterhaftes” Sprechen oder als unangemessen erscheinendes Lächeln, als bizarr erlebt werden könnten. Auch könne irrtümlich gedacht werden, dass Autisten desinteressiert seien, wenn dies tatsächlich gar nicht der Fall sei.
- Erschwert seien schließlich auch Verabredungen, weil Autisten bestimmte typische Örtlichkeiten, wie Cafés oder Bars, als Reizüberlastung erleben können, weil es ihnen schwerfalle, Reize zu filtern, was übrigens auch bei Hochsensiblen und Introvertierten der Fall ist.
- Die Autor:innen betonen aber, dass soziale Bezüge für Autisten sehr wichtig seien, um Gefühlen von Isolation und Einsamkeit und daraus folgenden Depressionen und Ängsten entgegenzuwirken. Intime Beziehungen könnten die Lebensqualität und Zufriedenheit von Autisten erhöhen.
Auch aus den Ausführungen von Girardi et al. wird deutlich, dass grundsätzlich bei Autisten sehr wohl eine Beziehungsfähigkeit und oft ein Beziehungswunsch gegeben sind. Die autistischen Merkmale können aber zu Missverständnissen und Erschwernissen in der Kommunikation führen, wodurch wiederum Prozesse des Kennenlernens und Flirtens erschwert werden können.
Probleme in Beziehungen mit nicht autistischen Personen
Bei allen Herausforderungen und Schwierigkeiten haben die bisherigen Ausführungen gezeigt, dass autistische Personen sich Liebesbeziehungen wünschen, dass viele von ihnen auch Liebesbeziehungen finden und dass ihre Beziehungszufriedenheit in diesen Beziehungen typischerweise gut ist.
Allerdings zeigte sich auch, dass die Beziehungszufriedenheit von Autisten in Beziehungen mit nicht autistischen Menschen geringer ist als in Beziehungen mit anderen Autisten.
Wie aber sieht es mit der Beziehungszufriedenheit der nicht autistischen Personen in Partnerschaften mit Autisten aus?
Millar-Powell und Warburton (2020) haben eine qualitativ-quantitative Studie vorgelegt, die erhebliche Herausforderungen zeigt und zudem indirekt noch einmal deutlich macht, wie wichtig eine gute Partnerwahl ist. Denn eine Reihe der durch die Autorinnen beschriebenen Schwierigkeiten sind wohl auch darauf zurückzuführen, dass sich die falschen Personen gefunden haben:
- Die Autorinnen zitieren in ihrem Überblick Befunde andere Autor:innen, die aufzeigen, dass nicht autistische Personen in Beziehungen mit Autisten unzufrieden und belastet werden können – und zwar offenbar deshalb, weil die autistischen Partner:innen weniger beziehungsbezogene Verhaltensweisen zeigen, die für die Vermittlung von Intimität, Vertrauen und Beziehungszufriedenheit wichtig seien.
- Ebenfalls werden Befunde dargestellt, dass der Schweregrad autistischer Besonderheiten/Symptome negativ mit der Beziehungszufriedenheit der nicht autistischen Partner:innen korreliere.
- Solche negativen Auswirkungen auf die Beziehungszufriedenheit zeigten sich demnach aber stärker in Beziehungen mit autistischen Männern als in Beziehungen mit autistischen Frauen, die hier mehr Ressourcen aufweisen als Männer.
Schließlich schildern Millar-Powell und Warburton Befunde zu einem “einzigartigen Interaktionsmuster” von Paaren mit autistischen und nicht autistischen Partner:innen:
- Die nicht autistischen Partner:innen wenden demnach in der sozialen Interaktion häufig sogenannte Prompte an, worunter Signale zu verstehen sind, die den autistischen Partner:innen helfen, ihre Reaktionen besser an soziale Kontexte anzupassen. Gesprochen wird dabei von einem Souffleur-Verhalten der nicht autistischen Beziehungspartner:innen, welches es den autistischen Partner:innen u.a. erleichtere, Verhaltensweisen zu zeigen, die die Intimität zwischen den Partner:innen vergrößere.
- Trotzdem wird geschildert, dass dies für die nicht autistischen Personen mit Belastungen und Unzufriedenheit einhergehen könne, da es zu einer Rollenverschiebung komme, bei der die nicht autistischen Personen eine Art “Betreuer-Rolle” übernähmen.
Genau diese Rollenverschiebung und ihre Folgen wurde nunmehr von den Autor:innen in einer Fragebogenstudie und in qualitativen Interviews genauer untersucht.
Es zeigten sich folgende Ergebnisse:
- Im Durchschnitt waren die nicht autistischen Partner:innen weniger zufrieden mit ihrer Partnerschaft als die autistischen Partner:innen.
- Die Unzufriedenheit der nicht autistischen Partner:innen nahm umso mehr zu, je stärker sie über eine von ihnen als belastend erlebte “Betreuer-Rolle” berichteten.
- Die Dauer der Beziehung wirkte sich nicht auf die Zufriedenheit aus, es war also nicht so, dass mit zunehmenden Jahren Belastung und Unzufriedenheit kumulativ zugenommen hätten.
- Die Mehrheit der Befragten waren mit ihren autistischen Partner:innen weit vor der Autismus-Diagnose zusammen gekommen.
In der qualitativen Analyse wurde folgendes deutlich:
- Die Autorinnen zeigen auf, dass die nicht autistischen Partner:innen sich aktiv an dem Management der Interaktionen ihrer autistischen Partner:innen mit anderen Personen beteiligten und dabei soziale Verhaltensnormen vermittelten:
- Die autistischen Partner:innen waren sich dieser Rolle ihrer Partner:innen bewusst und waren mehrheitlich dankbar dafür, manchmal ging ihnen das Management ihrer nicht autistischen Partner:innen aber auch zu weit.
- Manche, aber keineswegs alle nicht autistischen Partner:innen, schilderten, dass die von ihnen übernommene Managementrolle zu körperlicher oder psychischer Erschöpfung führe.
- Ebenfalls berichteten viele nicht autistische Partner:innen Gefühle von Einsamkeit und Isolation, da ihre autistischen Partner:innen ihre emotionalen Zuwendungsbedürfnisse nicht voll erfüllen könnten.
- Zum Ausgleich von Beziehungsdefiziten griffen nicht autistische Personen auf Kompensationsstrategien zurück, wie Community-Engagement, Sport oder auch Auszeiten, in denen sie allein etwas unternahmen oder Kurzurlaube allein verbrachten.
Die Ergebnisse der Untersuchung belegen, dass echte Herausforderungen bestehen in Beziehungen zwischen Autisten und Nicht-Autisten, was wiederum die bereits zitierten Befunde erklären mag, dass auch aus Sichtweise der autistischen Partner:innen im Durchschnitt die Beziehungszufriedenheit in Partnerschaften, wo beide Autist:innen sind, höher ist als in Beziehungen zwischen Autisten und neurotypischen (nicht autistischen) Personen.
Autisten haben wahrscheinlich ein besseres Verständnis und besseren Zugang zu dem Beziehungsverhalten von ebenfalls autistischen Personen. Sie leiden vermutlich weniger an als unangemessen erlebten Verhaltensweisen oder an der Wahrnehmung, dass Partner:innen Intimität nicht ausreichend ausdrücken würden. Auch kommt es bei Paaren, wo beide autistisch sind, vermutlich weniger zu einer Rollenverschiebung, wo eine Person eine Art “Betreuer-Rolle” übernimmt, so wie es in den Studien einige Nicht-Autisten und Autisten berichteten.
Umgekehrt zeigen die Befunde aber ebenfalls, dass auch Nicht-Autisten in Beziehungen mit Autisten glücklich werden können und dass es ausgleichende Verhaltensweisen gibt, die für Belastungen kompensieren können. Hierzu gehört auch der temporäre Rückzug mit Einbindung in andere Kontakte, der zudem bei Autisten, die durchaus auch gerne einmal allein sind, auf eine hohe Akzeptanz stoßen dürfte.
Zudem wurde in den Studien, die negative Effekte fanden, die Autismus-Diagnose weit nach dem Beziehungsbeginn gestellt. Zu Beginn und bei der Partnerwahl war der Autismus also nicht bekannt. So haben vermutlich auch solche Personen eine Beziehung mit einer autistischen Person begonnen, die für solch eine Beziehung eigentlich nicht geeignet sind.
Anders dürfte die Lage demgegenüber sein, wenn Menschen sich bewusst für eine Beziehung mit einer autistischen Person entscheiden. Wenn die Bereitschaft zu einem romantischen Einlassen mit einer autistischen Person von vornherein vorhanden ist, wird es den betreffenden Paaren vermutlich besser gelingen, zu einem guten Ausgleich zu gelangen und eine Balance in ihrer Beziehung herzustellen.
Ressourcen in Beziehungen mit Autisten
Es ist zu einseitig, Beziehungen zwischen Nicht-Autisten und Autisten ausschließlich unter dem Blickwinkel einer “Betreuer-Rolle”, die die nicht autistische Person ausübt, zu betrachten. Bei Bereitschaft, Interesse und Neugier, sich auf eine autistische Person einzulassen, kann auch die autistische Person der nicht autistischen Person Rückhalt und Unterstützung geben, zumal Autismus ein besonders hohes Ausmaß an Ehrlichkeit, Direktheit und insofern (bei Verständnis der autistischen Besonderheiten) auch Klarheit mit in eine Beziehung einbringen können. Auch das Streben, sich vor Reizüberlastung zu schützen, teilen viele Menschen mit Autisten und so mag mit Autisten eine ruhigere, in eine Wertschätzung von Einfachheit und Natur eingebettete Lebensgestaltung leichter möglich sein als mit vielen anderen Personen. Dies mag gerade für hochsensible Personen oder Introvertierte attraktiv und hilfreich sein.
Wenn nicht autistische Partner:innen nicht von ihren autistischen Partner:innen eine komplette Änderung erwarten, sondern deren autistische Merkmale annehmen und wertschätzen lernen, sind stabile und glückliche Beziehungen zwischen Autisten und nicht autistischen Personen möglich.
Dass Autisten keineswegs nur “Nehmen”, sondern in Beziehungen auch “Geben”, wird auch aus einer Studie von Renty und Roeyers (2007) deutlich, wo sich nämlich zeigte, dass die Beziehungszufriedenheit anstieg mit dem Erhalt von mehr sozialer Unterstützung sowohl durch nicht autistische als auch durch autistische Partner:innen.
Nicht autistische Partner:innen erhalten also ebenfalls von ihren autistischen Partner:innen soziale Unterstützung, wodurch die Zufriedenheit mit der Beziehung wächst. Entscheidend ist neben der Beziehungsarbeit, dass bei der Partnersuche von vornherein solche Personen zusammenfinden, wo eine entsprechende Reziprozität der Unterstützung möglich ist. Dabei mag sich die Art der gegebenen und erhaltenen Unterstützung autistischen und nicht autistischen Partner:innen unterscheiden. Dies ist unproblematisch, da es bei Reziprozität und Kompatibilität nicht um Identität geht, sondern um Balance.
Das Beziehungsverhalten von Autisten als unterstützend erleben zu können, kann demnach als ein wichtiges Kriterium für die Partnerwahl nicht autistischer Personen gewertet werden, also ihre Entscheidung für oder gegen eine Beziehung mit einer autistischen Person. Gleiches gilt für die Partnerwahl der autistischen Person, die sich ebenfalls autistische Partner:innen suchen oder sich für eine Beziehung zu einer nicht autistischen Person entscheiden kann.
In einer qualitativen Studie von Sala et al. (2020) schilderten autistische und nicht-autistische Befragte ein sehr ähnliches Verständnis von Intimität, wobei die Befragten Aspekte benannten, wie Teilen, gegenseitiger Respekt und Unterstützung.
Sowohl die autistischen als auch die nicht-autistischen Befragten betonten die Bedeutung von ehrlicher Kommunikation für eine Beziehung.
Autisten verwiesen hier allerdings stärker auf die direkte sprachliche Kommunikation, während Nicht-Autisten weniger die Direktheit betonten, sondern auch die Rolle der non-verbalen Kommunikation und ein implizites Verständnis benannten.
Ähnlich zwischen den autistischen und neurotypischen Befragten war das Erleben von Barrieren gegen Intimität in Form von Konflikten innerhalb der eigenen Person oder mit anderen Personen im Kontext von Lebensgeschichte, psychischen Problemen und Selbstwertgefühl, wobei bei den Autisten allerdings selbstredend die Diagnose des Autismus eine Rolle spielte.
Soziale Ängste, Hemmungen, Selbstzweifel wurden von beiden Gruppen benannt. Autisten schilderten dabei eine stärkere Stigmatisierung durch die Gesellschaft.
Zudem benannten spezifisch Autisten Schwierigkeiten beim Flirten und mehr Unsicherheit in Beziehungen bezüglich der Erwartungen.
Sehr viel häufiger – dies zeigen auch andere Studien – gaben Autisten übrigens ein nicht-binäres Geschlecht oder auch eine nicht heterosexuelle Orientierung an.
Insgesamt zeigen sich weitreichende Konvergenzen in dem Konzept von Intimität von Autisten und Nicht-Autisten. Hier stehen sich keineswegs Personen gegenüber, deren Beziehungsmodelle unvereinbar wären.
Die ausgeprägte Direktheit der autistischen Kommunikation mag von einer Reihe Nicht-Autisten als positiv bewertet werden und kann gerade Menschen, die selbstunsicher sind oder Schwierigkeiten mit impliziten-unklaren Botschaften haben, mehr Sicherheit im Beziehungskontext geben. Erkennbar werden aus der Studie insofern vielfältige Möglichkeiten für Beziehungen zwischen Autisten und Nicht-Autisten.
Sicher ist, dass nicht alle mit autistischen Partner:innnen glücklich werden, ebenso wie autistische Personen nicht mit allen neurotypischen Personen glücklich werden.
Eine reflektierte Partnerwahl mit einer ausreichenden Basis an verbindender Gemeinsamkeit kann vor Beziehungsunzufriedenheit schützen und so gleichzeitig Beziehungen mit hoher Zufriedenheit zwischen Autisten und Nicht-Autisten ermöglichen.
Es liegt im Interesse aller Beteiligten (und hat nichts mit Exklusion zu tun), dass manche Menschen eine Entscheidung für und andere eine Entscheidung gegen eine Beziehung mit Autisten treffen:
- Werden die autistischen Merkmale vorwiegend als negativ, störend, zu verändernd oder überfordernd erlebt, sollte sich jemand nicht auf eine partnerschaftliche Beziehung mit einer autistischen Person einlassen.
- Werden aber autistische Merkmale akzeptiert, angenommen und mindestens in Teilen auch als Ressource geschätzt, steht einem Beziehungsglück zwischen Autisten und nicht autistischen Personen nichts im Wege. Manche nicht autistische Menschen können mit autistischen Beziehungspartner:innen glücklicher werden als mit neurotypischen Personen. Das gleiche gilt für Autisten, von denen viele womöglich mit autistischen Partner:innen glücklicher, andere aber mit nicht autistischen Partner:innen glücklicher werden.
Wie kann Online-Dating die Beziehungssuche von Autist:innen unterstützen?
Hierzu hat Carrie Leigh Mitran (2021) eine instruktive qualitative Analyse auf der Basis von Tiefeninterviews mit drei hoch-funktionalen Autisten vorgelegt:
- Ausgangssituation für die Studie war die Beobachtung, dass Autisten Probleme haben können, eine Partnerschaft zu finden. Andere leben in Partnerschaften mit nicht-autistischen Personen, in denen Probleme im Verständnis und in der Kommunikation entstehen können, wenn die autistischen Personen nicht die emotionalen und non-verbalen Reaktionen zeigen, die nicht autistische Personen erwarten. Dabei können bei Autisten Befürchtungen entstehen, sozialen Normen nicht zu entsprechen, was wiederum zu erheblicher Angst und Unsicherheit führen kann.
- Profitieren können Autisten aber offenbar von computerbasierten Kommunikationstechnologien. So berichteten Befragte, dass ihnen die Verbindung zwischen Gefühlen und Körpersignalen im Sinne der non-verbalen Kommunikation unklar sei. Bei der computerbasierten Kommunikation können sie ihre Gefühle leichter durch Verwendung von Emojis zum Ausdruck bringen und so Kommunikationsschwierigkeiten überbrücken.
Diese Beobachtungen legen die Annahme nahe, dass die Online-Partnersuche gerade auch für Personen mit Autismus eine aussichtsreiche Möglichkeit ist, um sich zu artikulieren und Beziehungen zu finden.
Entsteht beim Online-Dating ein tragfähiger Online-Kontakt, kann es auf dieser Basis leichter fallen, an die Online-Kommunikation face to face anzuknüpfen, als wenn eine vorherige Online Kommunikationsebene gänzlich gefehlt hätte. Dies gilt umso mehr, als dass durch die vorgeschaltete Online-Ebene Autisten eine bessere Möglichkeit haben, ihre Situation zu erklären. Die nicht autistische Person kann so besser feststellen, ob sie hiermit umgehen, die autistischen Merkmale annehmen und wertschätzen kann. Die autistische Person kann feststellen, ob eine wertschätzende Kommunikation entsteht, sodass sie sich deren Vertiefung bis hin zu einer Beziehung vorstellen kann.
Wird der Kontakt als insgesamt positiv erlebt, kann dadurch die Bereitschaft und die Fähigkeit auf beiden Seiten wachsen, wechselseitig mit den autistischen und nicht autistischen Merkmalen umzugehen und diese in eine Partnerschaft zu integrieren.
Autismus kann alternativ als ein dimensionales Konstrukt gesehen werden, also nicht als vorhanden oder nicht vorhanden, sondern als ein mehr oder weniger. Insofern können auch Personen, die nicht als autistisch bezeichnet werden, durchaus autistische Merkmale haben, die aber unter der Diagnoseschwelle liegen. Womöglich zeigen solche Personen wiederum mehr Akzeptanz für eine Liebesbeziehung mit Autisten. Auf diese Annahme weisen Befunde von Mc Mahon et al. (2000), wo Nicht-Autisten mit höherer Ausprägung in autistischen Merkmalen eine größere Akzeptanz gegenüber dem Dating-Verhalten von Autisten zeigten als Nicht-Autisten mit geringeren autistischen Merkmalen.
Gerade die von Girardi et al. (2020) beschriebenen Schwierigkeiten beim Flirten und Kennenlernen lassen sich durch eine vorherige Online-Ebene besonders gut umschiffen:
- Über den Weg der Online-Partnersuche haben Menschen mit Autismus die Möglichkeit, ihre Situation zu erklären und können dadurch wiederum leichter Menschen begegnen, die eine Akzeptanz, ein Verständnis und eine Wertschätzung für ihre Merkmale mitbringen. Durch die Verwendung von Emojis und anderen Möglichkeiten der computergesteuerten Kommunikation können sie ihre Gefühle besser zum Ausdruck bringen, als wenn sie sofort in einer Situation des realen Lebens unter Zeitdruck reagieren müssten.
Online-Partnersuche und Autismus
Burke et al. (2019) gelangten in Interviews mit “hochfunktionalen” Autisten zu dem Ergebnis, dass sehr viele Autisten die Möglichkeiten computervermittelter Kommunikation nutzen, wodurch sie sich von überfordernden Kontextinformationen freihalten können.
Wie aber wird auf Profile von Autisten beim Online-Dating reagiert?
- Gavin et al. (2019) beobachteten, dass Profile von Autisten bei der Online-Partnersuche als ebenso attraktiv, vertrauenswürdig und begehrenswert für eine Verabredung bewertet werden wie die Profile von nicht autistischen Personen. Als weniger interessant wurden lediglich solche Profile bewertet, wo in einem verwirrenden und widersprüchlichen Sinn autistische und nicht-autistische Merkmale vermischt wurden. Die positive Einordnung vorhandener autistischer Merkmale im Profil sowie der explizite Hinweis auf den eigenen Autismus erhöhten die wahrgenommene Attraktivität und Vertrauenswürdigkeit von Dating-Profilen von Autisten.
- Auch Bronan und Gavin (2021) beobachteten, dass die positive Einordnung autistischer Merkmale und die klare Benennung der Autismus-Diagnose die wahrgenommene Attraktivität eines Profils steigert. Nur Personen, die Autisten stigmatisierten, verloren das Interesse bei Darstellung einer Autismus-Diagnose. Demgegenüber stieg bei nicht-stigmatisierenden Personen das Interesse an einem Treffen sogar an, wenn eine Autismus-Diagnose im Profil genannt wurde.
Es kann Autisten beim Online-Dating daher geraten werden, ihren Autismus von Anfang an offenzulegen und auch ihr Profil offen zu gestalten, ohne zu versuchen, ihre autistischen Merkmale zu verdecken.
Sicherheit für Autisten beim Online-Dating
Autisten kann es schwerer fallen, Signale für Bedrohung und Übergriffigkeit zu erkennen. Andererseits sollten Gefahren auch nicht übertrieben und die Fertigkeiten von Autisten, das Internet zu nutzen, nicht unterschätzt werden.
Der “Internet Safety Guide for People With Autism Spectrum Disorder” von Ben Pilkington betont, dass durch Wissensvermittlung über Risiken auch Autisten das Internet sicher nutzen können.
Partnervermittlung für Autisten bei Gleichklang
Viele Autisten wünschen sich eine romantische Beziehung und die meisten Menschen mit “hochfunktionalem” Autismus, einschließlich derjenigen, die als Asperger benannt wurden, sowie andere Formen aus dem Spekturm sind auch dazu in der Lage, eine Partnerschaft mit einer guten Beziehungszufriedenheit zu führen. Dennoch ist der Anteil an Singles bei Autisten höher als in der Allgemeinbevölkerung. Auch der Anteil an sogenannten Absolute Beginnern, also Personen ohne Beziehungserfahrungen, ist bei Autisten höher als in der Allgemeinbevölkerung. Dabei haben autistische Männer etwas größere Schwierigkeiten mit der Partnersuche als autistische Frauen. Zu nicht binären Autisten liegen noch keine Studien vor.
Grundsätzlich ist die Online-Partnersuche ein für Autisten geeigneter Weg, nach einer Beziehung zu suchen. Die computergesteuerte Kommunikation ist bei autistischen Merkmalen eine besonders zielführende Form der Kommunikation und kann die Basis für eine spätere effektive Kommunikation außerhalb des Internet schaffen.
Dennoch berichten Autisten auch bei der Online-Partnersuche über Erschwernisse und immer wieder waren auch autistische Mitglieder und Interessent:innen an uns herangetreten mit dem Vorschlag einer speziellen Vermittlungsoption für Autisten bei unserer Partnervermittlung und Freundschaftsvermittlung.
Sachlage ist nämlich, dass viele Online-Dating Angebote ungünstige Elemente enthalten, die Autisten trotz der grundsätzlich geeigneten Online-Ebene doch die Partnersuche und Beziehungssuche erschweren:
- So ist es bei den Dating-Apps und Singlebörsen für Menschen mit Autismus kaum möglich, das Spektrum der in Frage kommenden Personen so einzugrenzen, dass sie Menschen kennenlernen, die gegenüber ihrem Autismus aufgeschlossen sind und bereit sind, an einem gemeinsamen Verständnis zu arbeiten.
- Genau diese Personen müssen Autisten jedoch identifizieren können, wenn ihre Partnersuche zum Erfolg und eine glückliche Partnerschaft entstehen soll.
- Dating-Apps, bei denen ausschließlich nach Foto und Geodaten Kontakte entstehen, sind hierfür ungeeignet. Die Suche nach Beziehungspartner:innen ist für Menschen mit Autismus bei solchen Angebote etwa so wie die berühmte Suche nach der Nadel im Heuhaufen, die leider oft nicht gefunden wird.
Auch die großen Partnervermittlungen verbessern die Situation für Autisten nur unwesentlich, weil hier letztlich das gleiche Problem besteht:
- Wie können diejenigen unter den Partnersuchenden identifiziert werden, die bereit und in der Lage sind, sich auf das Ausloten einer Beziehungsentstehung mit Personen mit autistischen Merkmalen einzulassen und eine solche Beziehung aufzubauen?
Wir haben daher bei Gleichklang ein besonderes Angebot für Mitglieder mit Autismus eingeführt, welches helfen soll, genau diese Frage zu beantworten und so in den Kontakt mit der richtigen Person zu kommen.
Bei unserer Partnervermittlung und Freundschaftsvermittlung für Autisten gehen wir folgendermaßen vor:
- Wir erfragen von allen unseren Mitgliedern, ob sie Autisten sind.
- Gleichzeitig fragen wir jedes Mitglied nach der Bereitschaft und Motivation, eine Beziehung mit einer autistischen Person einzugehen.
- Bei der Partnervermittlung und Freundschaftsvermittlung matchen wir nun das Vorhandensein eines Autismus mit der Bereitschaft, sich auf die Beziehungsentstehung mit einer autistischen Person einzulassen.
- Es liegt nunmehr eine verbesserte Vorauswahl vor, so dass Menschen mit und ohne Autismus besser zueinander finden können, um gemeinsam eine kommunikative und im besten Fall partnerschaftliche Basis zu erarbeiten.
- Dadurch steigt gleichzeitig die Wahrscheinlichkeit, dass Personen zusammenkommen, die beide autistische Merkmale aufweisen. Aber es findet diesbezüglich keine absolute Einschränkung statt, da auch Menschen ohne autistische Merkmale bei entsprechender Bereitschaft und Fähigkeit glückliche Beziehungen mit Autisten führen können.
- Durch dieses Vorgehen sinkt ebenfalls die Schwelle für die effektive Kontaktaufnahme und es werden Ablehnungen, Irritationen und Enttäuschungen reduziert.
- Zielstellung ist es, dass Autisten so solche Personen kennenlernen, mit denen sie eine glückliche und stabile Beziehung führen werden.
Diesen Akzeptanz-Ansatz praktizieren wir bei Gleichklang bereits seit Langem für Personen mit anderen Merkmalen und Besonderheiten:
- Wir erheben die Akzeptanz für die Situation als alleinerziehendes Elternteil, um alleinerziehenden Personen nur solche Vorschläge zu machen, wo eine Beziehung nicht durch ihre Rolle als alleinerziehendes Elternteil erschwert oder beeinträchtigt wird.
- Wir erheben die Akzeptanz für Hochsensibilität, damit hochsensible Partnersuchende gezielt Menschen kennenlernen können, die ihre Hochsensibilität annehmen, mit dieser umgehen und sie als Ressourcen schätzen können.
- Wir erheben die Akzeptanz für Behinderungen und Handicaps, körperliche Erkrankungen, seelische Erkrankungen, HIV-Infektion und sexuelle Funktionsstörungen, um Menschen mit diesen Bedingungen das Kennenlernen wertschätzender und akzeptierender Personen zu ermöglichen.
Diesen Akzeptanz-Ansatz haben wir im Rahmen der Ermittlung der Erfolgsraten umfassend ausgewertet und es ergeben sich für alle Gruppen, wo wir die Akzeptanz der Vermittlung zugrundelegen, durchschnittliche oder sogar überdurchschnittliche Vermittlungsraten. Der Akzeptanz-Ansatz ist insofern ein bewährter und evaluierter Ansatz, der sicherlich auch für Autisten funktionieren wird.
Unsere spezielle Partnervermittlung für Autisten besteht erst seit einigen Monaten. Wir werden die Erfolgsraten in ein und zwei Jahren umfassend auswerten und veröffentlichen.
Bereits jetzt stellen wir eine positive Resonanz fest, einschließlich einer Bereitschaft doch einer Reihe von nicht-autistischen Mitgliedern, sich auf einen Kennenlernprozess mit Autisten einzulassen. Die entsprechenden prozentualen Raten sehen folgendermaßen aus:
- 1% unserer Mitglieder geben an, dass sie Autisten seien. 55 % der autistischen Mitglieder wünschen, dass ihr Autismus bei der Partnervermittlung im Rahmen der Ableitung von Partnervorschlägen berücksichtigt wird. Entsprechend möchten 45 % der autistischen Mitglieder auf diese Berücksichtigung verzichten.
- 11 % unserer Mitglieder weisen mindestens eine Basisakzeptanz für eine Partnerschaft mit einer autistischen Person auf. Eine Basisakzeptanz liegt vor, wenn es für die betreffende Person auf den Einzelfall ankommt und sie daher mit vielleicht antwortet. Eine dezidierte positiv bejahte Akzeptanz für eine Beziehung mit einer autistischen Person weisen 4 % unserer Mitglieder auf.
Diese Zahlen bedeuten, dass die Berücksichtigung von Autismus zu einer starken Auswahlbegrenzung führt, was aber auch in der Logik und im Interesse dieses Prozesses liegt, damit stabile und tragfähige Beziehungen entstehen.
Die Anzahl von Personen mit Grundakzeptanz für Autisten als Partner:innen liegt immerhin 10-fach höher als die Anzahl der Autisten insgesamt, sodass es genug Spielraum für Vermittlungen gibt.
Unsere autistischen Mitglieder entscheiden selbst, ob sie diese Fokussierung der Vermittlung möchten oder nicht – sie wird ihnen nicht aufgezwungen. Dies Grundprinzip der Freiwilligkeit der Berücksichtigung legen wir auch für andere Personen zugrunde, wie für Personen mit Behinderungen und Erkrankungen.
Wir werden weiter im Gespräch mit unseren autistischen Mitgliedern bleiben, um weitere Verbesserungen für Autisten bei ihrer Partnersuche und Freundschaftssuche zu ermöglichen.
Gleichklang als Plattform für die Partnersuche von Autisten leistet gleichzeitig einen Beitrag zur Sicherheit:
- Als kostenpflichtige Plattform mit manueller Prüfung jedes Profils und einer aktiven Community, die Missbrauch sofort meldet, kann Gleichklang ganz allgemein und damit natürlich auch für Autisten eine sehr sichere Online-Partnersuche gewährleisten. bei den Dating-Apps mit Abermillionen Profilen, die kostenlos in zwei Minuten erstellt werden können, besteht sicherheitstechnisch eine völlig andere Situation.
Hintergrund der Partnersuche für Autisten bei Gleichklang
Die Vermittlung für Autisten bei Gleichklang beruht auf der Sachlage, dass Menschen mit Autismus Beziehungsbedürfnisse haben, aber ein besonderes Gegenüber brauchen, um gemeinsam zu einer tragfähigen partnerschaftlichen Beziehung zu gelangen.
Dabei stehen die pro-sozialen Möglichkeiten im Erleben und Verhalten von Menschen mitAutismus außer Frage. Bereits das Beispiel von Greta Thunberg zeigt, wie jemand, der sich in diesem Fall selbst als Aspegr bezeichnet, Sensitivität und Empathie für die durch die Zerstörung unseres Planeten gefährdete Menschheit und Tierwelt erleben und in die Praxis umsetzen kann.
Ebenso können Menschen mit Autismus wertvolle, liebevolle und tragfähige partnerschaftliche Beziehungen finden und erhalten.
Entscheidend für dieses Beziehungsglück ist die wechselseitige Akzeptanz und das wechselseitige Bemühen zu einem beidseitigem kognitiv-emotionalen Verständnis zu gelangen und die entstehende Zuneigung und Liebe dabei auch wechselseitig wahrzunehmen.
Online-Partnersuche ist nach den vorliegenden Befunden ein für Autisten im hohen Maße geeignetes Medium, um ihre Partnersuche zum Erfolg zu bringen. Dieser Prozess kann gleichzeitig die Persönlichkeitsentwicklung fördern.
Die Online-Ebene kann dabei helfen, Defizite zu kompensieren, Stärken zum Ausdruck zu bringen und die notwendige Vorbereitung für ein Kennenlernen außerhalb des Internet zu schaffen.
Autisten brauchen sich bei der Online-Partnersuche nicht zu verstecken. Im Gegenteil, je offener und positiver sie mit ihren autistischen Merkmalen umgehen, als desto attraktiver werden ihre Profile bewertet und desto eher möchten sich aufgeschlossene Personen mit ihnen treffen.
Partnervermittlungen sind grundsätzlich für Autisten eher geeignet als Dating-Apps oder Singlebörsen, weil ihnen bereits eine Auswahl an Menschen im Sinne einer Vorauswahl vorgestellt wird. Leider ist diese Vorauswahl aber bei den meisten Partnervermittlungen nicht zielführend genug, weil die spezifische Akzeptanz für Autismus, die von entscheidender Bedeutung ist, nicht erfasst wird.
Mit unserer Partnervermittlung für Autisten setzen wir hier bei Gleichklang neue Maßstäbe und ermöglichen unseren autistischen Mitgliedern so eine potenziell besonders effektive Form der Partnersuche und Freundschaftssuche.
Von dieser besonderen Form der Partnervermittlung profitieren jedoch nicht nur Menschen mit Autismus:
- Die große Mehrheit der Autisten in einer Beziehung führt diese Partnerschaft mit einer nicht autistischen Person. Diese Beziehungen erreichen dabei meistens eine gute Beziehungszufriedenheit, auch wenn nicht autistische Partner:innen teilweise besondere Belastungen und eine Rollenveränderung (“Betreuer-Rolle”) beschreiben. Dies lässt sich aber durch eine reflektierte Partnerwahl verhindern, sodass entstehende Beziehungen eine Bereicherung für alle sind: für Autisten und nicht autistische Personen.
- Die Merkmale von Autisten können bei einigen Menschen sogar das Interesse erhöhen, Menschen mit diesen Merkmalen kennenzulernen und durch einen wechselseitigen Prozess des Verstehen-Lernens eine glückliche Beziehung aufzubauen. Eine Personengruppe, die hierfür besonders in Frage kommt, sind hochsensible Menschen und Introvertierte, die mit Autisten die rasche Reizüberlastung teilen und so gemeinsam einen geschützten und stabilen Rahmen einer wechselseitig bereichernden Alltagsgestaltung mit mehr Ruhe und Einfachheit aufbauen können. Auch Minimalisten und stark ökologisch-nachhaltig orientierte Personen sind potenziell für eine Beziehung mit Autisten besonders geeignet.
Begrenzungen
Aktuell wendet sich unsere Partnervermittlung für Autisten an alle Autisten aus dem Spekturm, die keine Intelligenzminderung aufweisen oder sich sogar durch eine erhöhte Intelligenz oder besondere Teilbegabungen kennzeichnen. Voraussetzung ist die Bereitschaft und Möglichkeit, unsere Fragebögen auszufüllen, Online in unserem System zu kommunizieren, Offline sich zu verabreden, eine Beziehung aufzubauen und zu führen. Die in diesem Artikel zitierten Studien bezogen sich ebenfalls auf derartige Personen im Autismus-Spektrum.
Sachlage ist aber, dass auch Personen mit Intelligenzminderung oder erheblichen Funktionsbeeinträchtigungen sich oft partnerschaftliche Beziehungen wünschen. Für diese Personen leistete jahrelang die Schatzkiste als Partnervermittlung für Menschen mit Behinderungen wichtige Unterstützungs- und Vermittlungsarbeit. Leider löst sich die Schatzkiste nun auf. Allerdings wird ein Teil der Vermittlung fortgeführt durch das Webportal Herzenssache, sowie durch einige regionale Schatzkisten, bei denen nachgefragt werden kann, ob sie weiter tätig sind.
Wir möchten künftig ebenfalls Menschen mit geistiger Behinderung gerne bei ihrer Partnersuche unterstützen und waren hierzu auch bereits im Gespräch mit Betroffenen und Verbänden. Erforderlich wird hierfür eine Umstrukturierung unserer Vermittlung sein, die für diese Gruppe andere Fragebögen verwendet und Angehörige/Betreuungs-Personen einbezieht.
Wir möchten diesen Ansatz künftig bei uns integrieren, können die erforderlichen Umarbeitungen unserer Programmierung aber leider nicht kurzfristig leisten.
Zusammenfassung
Einordnung und Empfehlungen
Wer sind Autisten?
- Autisten fällt es schwer, soziale und emotionale Informationen zu verarbeiten, Blickkontakt zu halten, die Körpersprache zu deuten und sich so körpersprachlich auszudrücken, dass dies allgemein verstanden wird. Hieraus ergeben sich Erschwernisse oder Besonderheiten der sozialen Interaktion, was auch Freundschaften und Partnerschaften betrifft.
- Während ursprünglich Autismus als eine schwere frühkindliche Entwicklungsstörung, die oft mit Intelligenzminderung einhergeht, verstanden wurde, wurden in den zurückliegenden Jahrzehnten immer mehr leichtere und leichte “hochfunktionale” Formen des Autismus entdeckt. Bei Asperger – was heute als Teil des Spektrums aufgefasst wird – geht dieser “hochfunktionale” Autismus sogar manchmal mit einer besonders hohen Intelligenz einher. Auch können sich bei Autisten besonders ausgeprägte Teilbegabungen zeigen. Personen mit “hochfunktionalem” Autismus können alle Schul- und Universitätsabschlüsse erreichen und erfolgreich beruflich, künstlerisch oder auch wissenschaftlich tätig sein.
Autismus und Beziehungen
- Autisten haben das gleiche Bedürfnis nach Sexualität, Partnerschaft und Freundschaften wie nicht autistische Personen. Das Bedürfnis nach einer Liebesbeziehung entsteht bei Autisten lediglich typischerweise etwas später. Nur ca. 7 % der Autisten sind aromantisch, wünschen sich also keine Partnerschaft.
- Die Mehrheit der erwachsenen “hochfunktionalen” Autisten aus entsprechenden Studien hat bereits Erfahrungen mit Beziehungen und knapp die Hälfte der erwachsenen Autisten befindet sich aktuell in einer romantischen Beziehung. Es gibt keine Belege dafür, dass Beziehungen von Autisten kürzer andauern würden als bei Beziehungen von nicht autistischen Personen. Autisten zeigen zudem in bestehenden Partnerschaften im Durchschnitt eine gute Beziehungszufriedenheit. Autisten sind also mehrheitlich dazu in der Lage, Liebesbeziehungen zu finden und aufrechtzuerhalten.
- Trotzdem ist der Anteil der Singles und auch der Absolute Beginner (noch niemals eine Beziehung) unter Autisten höher als in der Allgemeinbevölkerung. Autisten haben insofern im Durchschnitt größere Schwierigkeiten als Nicht-Autisten bei ihrer Partnerfindung.
- Die große Mehrheit der Autisten, die eine Partnerschaft haben, befinden sich in einer Liebesbeziehung mit nicht autistischen Personen. Ungefähr eine von fünf autistischen Personen befindet sich in einer Beziehung mit einer ebenfalls autistischen Person. Da Autismus selten ist, weist dies bereits auf eine selektive Partnerwahl hin, bei der Personen mit Autismus bevorzugt werden.
Beziehungen zwischen Autisten und Nicht-Autisten
- Befunde zeigen, dass Autisten im Durchschnitt in Beziehungen mit anderen Autisten glücklicher sind als in Beziehungen mit nicht autistischen Personen. Aber auch die Beziehungszufriedenheit in Beziehungen mit nicht autistischen Personen wird im Durchschnitt seitens der Autisten als gut erlebt. Allerdings zeigen andere Befunde, dass die Beziehungszufriedenheit der nicht autistischen Personen in einer Beziehung mit Autisten im Durchschnitt geringer ist als die Zufriedenheit der autistischen Personen.
- Ursachen für die im Durchschnitt geringere Beziehungszufriedenheit der nicht autistischen Personen in Beziehungen mit Autisten liegen u.a. in einer Rollenverlagerung, bei der die nicht autistischen Partner:innen betreuende und anleitende Funktionen übernehmen. Dieses Management der sozialen Interaktion der Partner:innen kann als belastend erlebt werden. Auch können bei den nicht autistischen Partner:innen Gefühle von Einsamkeit auftreten, wenn ihre emotionalen Zuwendungsbedürfnisse nicht voll erfüllt werden. Zum Ausgleich greifen nicht autistische Partner:innen auf Kompensationsstrategien zurück, wie Community-Engagement, Sport oder auch Auszeiten, in denen sie allein etwas unternehmen oder Kurzurlaube allein verbringen.
Obgleich sich Herausforderungen zeigen, sprechen die Befunde nicht dafür, dass Autisten vorwiegend Partnerschaften mit Autisten eingehen sollten:
- Autisten und Nicht-Autisten haben nach Studien ein ähnliches Verständnis von Intimität, wobei die Befragten Aspekte benannten, wie Teilen, gegenseitiger Respekt und Unterstützung. Sowohl die autistischen als auch die nicht-autistischen Befragten betonten die Bedeutung von ehrlicher Kommunikation für eine Beziehung. Autisten legen allerdings deutlich mehr Wert auf die Direktheit der sprachlichen Kommunikation, während Nicht-Autisten die Rolle der non-verbalen Kommunikation und ein implizites Verständnis betonen. Andererseits kann genau diese Direktheit, die direkte Ehrlichkeit und der Faktenbezug von Autisten für Nicht-Autisten attraktiv sein und Unsicherheiten reduzieren.
- Die vorliegenden Befunde belegen, dass Nicht-Autisten in Beziehungen mit Autisten glücklich werden können und umgekehrt und dass ein Ausgleich möglich ist. Dabei zeigen Studien ebenfalls, dass die Beziehungszufriedenheit beider Seiten um so mehr wächst, desto mehr beide Seiten sich in der Beziehung als unterstützt erleben. Autisten verfügen über Ressourcen, wie höhere Ehrlichkeit und Direktheit, die durchaus von nicht autistischen Partner:innen geschätzt werden können. Auch eine eher ruhige Lebensweise ohne Reizüberflutung kann von nicht autistischen Partner:innen geschätzt werden, z.B. von Hochsensiblen oder Introvertierten.
- Entscheidend ist die richtige Partnerwahl. Menschen, die bereit und interessiert sind, sich auf Autisten einzulassen und die autistischen Merkmale annehmen, akzeptieren und wertschätzen können, können in Beziehungen mit Autisten glücklich werden, wodurch umgekehrt auch die Beziehungszufriedenheit der Autisten ansteigt.
Autisten und Partnersuche
Es bestehen größeren Schwierigkeiten von Autisten bei der Partnersuche:
- Eine Ursache für größere Schwierigkeiten bei der Partnersuche liegt an den Besonderheiten der sozialen Interaktion von Autisten und ihrer Schwierigkeit insbesondere in kontextintensiven Situationen die Gefühle und Reaktionen von anderen Personen zu lesen und sich selbst so auszudrücken, dass sie richtig verstanden werden. Dabei unterscheidet sich die Stärke der Liebesgefühle von Autisten nicht von der Stärke der Liebesgefühle nicht autistischer Personen oder kann sogar höher sein. Erschwert ist aber der Ausdruck, insbesondere der non-verbale Ausdruck. Besonders schwer fallen kann Autisten auch die Situation des Flirtens, die für die Entstehung von partnerschaftlichen Beziehung oft wichtig ist.
Online-Partnersuche
- Autisten können nachhaltig von computerbasierter Kommunikation und den Möglichkeiten der Online-Partnersuche und der Online-Partnervermittlung profitieren. Im Kontext des Online-Austausches werden Autisten weniger überfordert mit der Kommunikation, können ihre Gefühle durch Emojis verständlicher machen und ihre autistischen Eigenschaften erklären. Dadurch kann ein vertieftes Verstehen eintreten, an das dann in der spätere face to face Situation viel leichter angeknüpft werden kann.
- Studien zeigen, dass Dating-Profile von Autisten durch Nicht-Autisten als ebenso attraktiv, vertrauenswürdig und begehrenswert für ein Treffen erlebt werden wie Profile von Nicht-Autisten. Die Offenlegung des Autismus und dessen positive Einbettung erhöhen die Motivation, sich zu treffen, bei denjenigen Nicht-Autisten, die keine stigmatisierenden Einstellungen zu Autisten haben. Autisten können Online insofern eine ebenso positive Resonanz erleben wie Nicht-Autisten. Der Online-Weg ist daher für Autisten der geeignete Zugang für ihre Partnersuche.
- Allerdings kann es bei den meisten Dating-Apps und Singlebörsen für Autisten sehr schwer sein, diejenigen Personen herauszufinden, die für eine Beziehung mit Autisten aufgeschlossen, bereit und fähig sind. Hier besteht das bekannte Problem der Suche nach der Nadel im Heuhaufen. Dies kann zu falschen Auswahlentscheidungen und ungünstigen Erfahrungen beim Online-Dating führen.
Partnervermittlung für Autisten bei Gleichklang
- Bei Gleichklang haben wir eine spezielle Partnervermittlung für Autisten eingeführt, die Autisten dabei unterstützt, solche Personen kennenzulernen, mit denen sie eine glückliche und tragfähige Beziehung führen können. Dies können andere Autisten sein, es können aber ebenso nicht autistische Personen sein, die die autistischen Merkmale annehmen, wertschätzen und mindestens in Teilen als eine Ressource erkennen können. Von einer Beziehung mit autistischen Personen potenziell profitieren können Introvertierte und auch ein Teil der hochsensiblen Personen, die ebenso wie Autisten eine Reizüberlastung vermeiden wollen und sich gerne auf ein ruhigeres Leben ausrichten möchten. Besonders geeignet für eine Beziehung mit Autisten können ebenfalls Personen sein, die bei sich selbst autistische Merkmale entdecken, auch wenn sie selbst keine Autisten sind.
- Bei Gleichklang wenden wir für die Partnervermittlung und Freundschaftsvermittlung für Autisten das Akzeptanz-Prinzip an, welches sich bereits für andere Personengruppen bewährt hat. Wir fragen alle Mitglieder, ob sie Autisten sind, und wir erfragen gleichzeitig von allen Mitgliedern, ob bei ihnen die Bereitschaft und das Interesse besteht, sich auf eine partnerschaftliche Beziehung mit Autisten einzulassen. Autisten entscheiden dabei selbst, ob sie möchten, dass diese Akzeptanz berücksichtigt wird oder nicht. Wer dies möchte, erhält nur Personen vorgeschlagen, bei denen eine Grundakzeptanz für ihren Autismus vorhanden ist und damit von Anfang an eine verbesserte Basis für eine gemeinsame Beziehung besteht.
- Diese Form der Partnervermittlung für Autisten hilft nicht nur Autisten bei ihrer Partnersuche, sondern unterstützt auch nicht-autistische Personen bei ihrer Partnersuche, die in einer Beziehung mit Autisten zufrieden werden können. Ebenso unterstützen wir so auch Personen, die mit autistischen Merkmalen nicht umgehen können und die daher keine entsprechenden Vorschläge erhalten, sofern das Merkmal gemäß des Wunsches der Autisten einbezogen wird. Es wird durch die Partnervermittlung für Autisten also die Treffsicherheit unserer Vermittlung für alle erhöht, sodass alle Mitglieder bei ihrer Partnersuche davon profitieren.
Autisten bei Gleichklang
- Aktuell bezeichnet sich ca. 1 % unserer Mitglieder als autistisch. Ca. 11 % unserer Mitglieder sind an einer Beziehung mit Autisten interessiert. Damit erfolgt einerseits die gewünschte Fokussierung der Vermittlung und andererseits gibt es bei einem Verhältnis von 1 zu 11 genug Spielraum für die Vermittlung.
Ausblick
Wir werden die Vermittlung in ein bis zwei Jahren umfassend evaluieren und die Ergebnisse veröffentlichen, erwarten aber vor dem Hintergrund unserer positiven Erfahrungen mit dem Akzeptanz-Prinzip für andere Gruppen (z.B. Menschen mit Behinderungen und Erkrankungen) eine hohe Effektivität der neuen Vermittlungsoption.
Mit dem Einbezug von Autismus stärken wir gleichzeitig unseren Inklusivitäts-Anspruch, alle Personen, die sich mit dem ökologisch-nachhaltigen Dach der Gleichklang-Community identifizieren können, effektiv bei ihrer sozialen Vernetzung und ihrer Partnersuche zu unterstützen.
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