Kennen Sie Phubbing?
Vielleicht nicht den Namen, aber das Phänomen kennen sie bestimmt:
- Menschen verbringen Zeit miteinander und was tun sie? Sie beschäftigen sich mit ihren Smart-Phones oder I-Phones. Nicht selten ignorieren siedas, was die andere Person gerade sagt. Oder sie bekommen nur die Hälfte mit.
Phubbing kommt von Ph = Phone und Snubbing = ignorieren.
Wir ignorieren einander, weil wir uns mit unseren Telefonen beschäftigen.
Das bleibt nicht ohne Auswirkungen auf unseren Alltag und auf unsere Beziehungen:
- Früher gab es viele Menschen, die sich auf eine Bank oder anderswo hinsetzten und die Natur betrachteten, die Vögel beobachteten, miteinander redeten Heute sind es weniger, denn wir sitzen auf einer Bank und bedienen unsere Telefone.
Eine besondere Form des Phubbing ist das Partner-Phubbing. Es meint genau das, was es sagt:
- Menschen in romantischen Beziehungen ignorieren einander, um sich mit ihren Smartphones zu beschäftigen. Freizeitaktivitäten werden zum gemeinsamen Smartphone-Schauen. “Gemeinsamkeit” bedeutet hier jedoch keine inhaltliche Verbindung miteinander, sondern sie bedeutet separate Inhalte, die auf verschiedenen Geräten laufen. Gemeinsamkeit reduziert sich so letztlich darauf, physisch am gleichen Ort, mental aber woanders zu sein.
In gewisser Weise bedeutet Partner-Phubbing „gemeinsam einsam“, aber durch die Phone-Aktivitäten fällt es nicht sofort auf.
Was ist jedoch, wenn wir mit unseren Partner:innen reden möchten, wenn wir uns wünschen, dass sie zuhören, Interesse zeigen, selbst etwas sagen?
Dies hat neulich der Psychologe Faruk Caner Yam untersucht und er gelangte zu beunruhigenden Ergebnissen:
Phubbing, Beziehungen und Lebenszufriedenheit
Yam gab seinen verpartnerten Teilnehmenden mehrere Fragebögen vor:
- Ein eigener Fragebogen für das Partner-Phubbing erhob, wie oft es passierte, dass Partner:innen durch ihre Telefonaktivitäten zwar physisch präsent, aber tatsächlich für eine Kommunikation nicht erreichbar waren.
- Ein Fragebogen zur Beziehungsqualität erfasste, als wie wertvoll und förderlich die Befragten ihre Beziehung erlebten.
- Mit einem weiteren Fragebogen wurde die Beziehungszufriedenheit wurde erhoben, wie zufreiden die Befragten letztlich mit ihrer Beziehung waren. Beziehungsqualität und Beziehungszufriedenheit sind etwas sehr ähnliches, sie sind aber nicht identisch. So kann es vorkommen, dass wir mit einer Beziehung mit insgesamt geringer Beziehungsqualität doch zufrieden sind, z.B. weil Partner:innen uns Freiheit lassen oder weil die Erotik sehr interessant ist.
- Ein vierter Fragebogen erhob die Lebenszufriedenheit der Befragten. Wie sehr wir mit unserem Leben insgesamt zufrieden sind, hängt auch von unserer Beziehungszufriedenheit ab, aber eben zusätzlich von vielen anderen Dingen, wie beispielsweise Arbeitstätigkeit, Einkommen, Gesundheit, Freundeskreis, Familie, Lebensziele und mehr.
Dies waren die Ergebnisse:
- Partner-Phubbing reduzierte direkt sowohl die wahrgenommene Beziehungsqualität als auch die Beziehungszufriedenheit.
- Geringe Beziehungsqualität und geringe Beziehungszufriedenheit verminderten die allgemeine Lebensfreude. Zwar hängt die Lebenszufriedenheit von vielen Aspekten ab, aber unsere romantischen Beziehungen haben auf sie doch einen starken Einfluss.
- Partner-Phubbing verminderte ebenfalls die allgemeine Lebenszufriedenheit. Dieser Effekt war jedoch nicht direkt, sondern wurde erst durch die negativen Auswirkungen auf die Beziehungsqualität und die Beziehungszufriedenheit erzeugt. Anders ausgedrückt: Partner-Phubbing reduzierte die wahrgenommene Beziehungsqualität und die Beziehungszufriedenheit und diese verminderten dann wiederum die allgemeine Lebenszufriedenheit.
Psychologische Bedeutung
Phubbing macht uns also nicht zufrieden. Ganz im Gegenteil, es vermindert die Qualität und die Zufriedenheit mit unseren Beziehungen und führt dadurch zur Abnahme unserer Lebenszufriedenheit.
Warum aber ziehen wir dann an allen Ecken und Enden unsere Telefone aus der Tasche und führen unsere Café-Besuche mit Smartphone durch?
Auch hierzu gibt es Studien und diese geben eine klare Antwort:
- Die Telefone machen uns süchtig!
Wir erleben ein starkes Verlangen, unsere Smartphones zu bedienen, obwohl dadurch unsere Beziehungen leiden.
Kurzfristig belohnt werden wir durch einfache Abwechslung und Unterhaltung, es poppt etwas auf, eine neue Nachricht geht ein. Alles ist außerdem unglaublich einfach, Benutzerfreundlichkeit heißt dies. Keine Anstrengung, kein Warten, alles klar, sprich Kurzlebigkeit und Spaß.
Langfristig ist die Bilanz aber negativ – und genau dies ist die Definition von Suchtverhalten. Unsere Beziehungen werden unglücklicher und unsere Lebensfreude sinkt. Was tun wir nun? Wir greifen zum Smartphone!
Selbst der Entzug tritt ein:
- Viele fühlen sich nicht mehr wohl, werden nervös, wenn das Telefon nicht griffbereit ist.
Sogar neue Phobien sind entstanden:
- Von Nomophobie wird gesprochen, wenn Menschen Angst haben, ohne Smartphone zu sein.
- Als Plagonomie wird die Angst beschrieben, dass der Akku des Telefons leer werden könnte.
Fertigkeiten gehen verloren
Durch die ständige Präsenz der Telefone gehen uns Fertigkeiten verloren, mit einem anderen Menschen an sich glücklich zu sein, uns aufmerksam, achtsam und gefühlsbezogen auszutauschen. Ruhe und Stille werden unerträglich.
Die Natur spielt höchstens noch als Fotoobjekt eine Rolle, wenn wir nicht lieber das Selfie wählen.
Haben uns die Telefone erst im Griff, finden wir nicht ohne weiteres zur alten Ruhe und zwischenmenschlichen Bezogenheit zurück:
- Wir haben uns an die Telefonunterhaltung gewöhnt. Sitzen wir mit unseren Partner:innen ohne Telefone zusammen, wird uns langweilig. Wir werden nervös, unzufrieden, vielleicht sogar gereizt. Wir denken nicht an die Partner:innen, sondern an das Telefon.
Doch das Telefon, es lenkt uns nur ab. Auf Dauer glücklich macht es uns nicht, sondern löscht im Gegenteil unsere wirklichen Glücksquellen aus, sodass wir noch abhängiger von ihm werden.
Dabei können uns diese Telefone eigentlich verbinden und tun es auch, beispielsweise wenn Partner:innen in Fernbeziehungen leben. Sind sie aber zusammen, werden sie durch die Telefone getrennt.
Womöglich ist dies sogar ein weiterer Grund, warum Paare in Fernbeziehungen nach allen vorliegenden psychologischen Studien und auch nach unseren eigenen Auswertungen, trotz der vielen Erschwernisse, mindestens die gleiche Beziehungsqualität und Beziehungszufriedenheit wie Paare haben, die zusammen wohnen.
Schließlich zeigt die Studie von Yam, dass es der Beziehungszufriedenheit genau nicht hilft, wenn wir am gleichen Ort unsere Telefone bedienen. Vor der Entfernung haben alle Angst, vor den Telefonen jedoch nicht!
Was tun?
Gegen Sucht hilft nur Entzug, Entwöhnung und Abstinenz, wenn wir nicht mit einem ständigen Problem leben wollen, sondern das Problem tatsächlich überwinden möchten.
Freilich brauchen wir uns nicht komplett von den Telefonen zu entwöhnen, sondern es genügt, wenn wir lernen, in bestimmten sozialen Situationen konsequent abstinent zu sein und auf die Telefone zu verzichten.
Hierzu müssen wir den Entzug meistern, die Unruhe und Langeweile auszuhalten, um so wieder Interesse an der anderen Person oder überhaupt anderen Dingen entwickeln zu können.
Dies können Sie auch bereits ohne Partner:innen einüben, beispielsweise indem sie einen Waldspaziergang ohne Smartphone unternehmen oder indem Sie bei Verabredungen mit Freund:innen das Smartphone zu Hause lassen. Sprechen Sie es mit Ihren Freund:innen ab, vielleicht machen diese es mit.
Gemeinsame Aktivitäten ohne Smartphone bringen verschütt gegangene Erlebnisfähigkeiten in uns hervor und lehren uns, wie wir wieder in einen tieferen, geistig-emotionalen Bezug mit Menschen treten können.
Wochenenden ohne Smartphone oder wenigstens Nachmittage oder Abende können die Romantik in Partnerschaften wiederbeleben und uns dadurch eine Welt zeigen, die uns womöglich bereits entglitten war.
Gehen Sie es an!
Smartphones und Online-Dating
Mit den Dating-Apps haben die Smartphones und I-Phones das Online-Dating weitgehend übernommen. Nicht nur formal, sondern auch inhaltlich.
Bevölkerungsrepräsentative Untersuchungen des Soziologen Rosenfeld von der Stanford Universität in der USA zeigen, dass Smart und I-Phones bei der Online-Partnersuche das gleiche tun, wie beim Treffen mit Paaren:
- Sie ersetzen tiefere Ziele und Strebungen durch Unterhaltung, Chat und Flirten.
Rosenfeld kommt zu dem Ergebnis, dass die Dating-Apps für die tatsächliche Partnerfindung keine bedeutsame Rolle spielen, sondern ganz andere Bedürfnisse befriedigen, wie Fotos anzuschauen, sich zu unterhalten oder virtuell zu flirten. 80 % der Nutzer:innen von Dating-Apps hatten demgegenüber nach seinen Daten in den letzten 12 Monaten kein einziges Treffen.
Diese Daten sind bevölkerungsrepräsentativ und ich finde sie bemerkenswert.
Leider geht dies aber auch an uns bei Gleichklang nicht vorbei:
- Eine Reihe von Mitglieder fordern uns ultimativ auf, am besten genau so zu werden, wie die Dating-Apps. Sie fordern Benutzerfreundlichkeit, schnelle Funktionen, ein besseres Feel und Look.
Mit anderen Worten:
- Sie fordern all das ein, von dem wir ganz genau wissen, dass es unterhaltsam ist, aber der Partnerfindung gerade nicht hilft, sondern ganz im Gegenteil bei immer mehr Menschen Partnerfindung durch virtuelle Unterhaltungsaktivitäten ersetzt.
Unterhaltung und Partnerfindung sind nämlich leider keine Aktivitäten, die sich gegenseitig ergänzen oder quasi in einem Abwasch durch ein Smart-Phone erledigt werden können.
Vielmehr blockieren Unterhaltung und Partnerfindung sich meistens wechselseitig, wie sich anhand der erschütternd geringen Vermittlungsraten der äußerst unterhaltsamen Dating-Apps bestens erkennen lässt:
- In einer belgischen Studie fanden Psychologen immerhin eine Vermittlungsrate von ca. 12 % für die lebenslange, also im Durchschnitt mehrjährige Nutzung von Dating-Apps. 50 % der Nutzer:innen hatten nie eine Offline-Verabredung über die genutzte Dating-App. Von dem Rest, die Treffen hatten, hatten 27 % eine Beziehung gefunden, woraus sich die Gesamtquote von ca. 12 % ergab.
- Allerdings wurde nur erfasst, ob überhaupt zeitweise eine Beziehung entstand, nicht ob sie auch fortbestand oder glücklich wurde. Da Trennungsraten im ersten Jahr bei nicht verheirateten Paaren bei 70 % liegen, dürfte nach diesen Daten die wahre Erfolgsrate der untersuchten Dating-Apps bei geschätzt 3,6 % gelegen haben!
Der hohe Unterhaltungsgrad der Dating-Apps, die ständigen Vorschläge, die schnellen und kurzen Online-Kontaktmöglichkeiten, die permanente Hoffnung auf ein besseres Match – all dies ersetzt die Partnerfindung und lässt gleichzeitig die für eine Partnerfindung notwendigen Fertigkeiten zu Geduld und Durchhaltevermögen einbrechen.
Wegen der permanenten Unterhaltung bei fortdauernder Partnerlosigkeit bleiben die Nutzer:innen bei den Dating-Apps Kunden, während sie uns täglich wegen gefundener Partnerschaften verlassen oder aber vorzeitig aufgeben, weil sie den Smartphone-Modus vermissen und Abwarten nicht mehr gewohnt sind.
Zitate von zwei typischen Rückmeldungen:
- Liebes Gleichklang Team, nachdem ich eine ganz wunderbare Partnerin im Herzen gefunden habe, möchte ich mich gern bedanken bei Euch und mich abmelden …..
- zu spät habe ich erfahren das hier keine eigene Suchmöglichkeit besteht. einfach nur langweilig. ich werde kündigen.
Ich glaube aber, dass trotz des Siegeszuges der Smartphone-Unterhaltung alternative Begegnungsmöglichkeiten, wie Gleichklang, bestehen bleiben werden.
Schließlich zeigen die Befunde der Studie von Yam, dass Phubbing die Menschen nicht glücklich, sondern unglücklich macht, unglücklich in ihren Beziehungen und unglücklich im Leben. Einige werden dies merken und umzusteuern.
Dass so ein Umsteuern bei der Partnersuche notwendig ist, darüber habe ich ich auch mein neues Video über effektive Scripte der Online-Partnersuche gemacht. In 30 Minuten können Sie hier die typischen Fehler beim Online-Dating erkennen und Ihr eigenes Script so korrigieren, dass die Chancen Ihrer Partnersuche bedeutsam anwachsen.
Die YouTube-Videos haben wir übrigens eingeführt, weil das Interesse, Texte zu lesen, nun einmal gesellschaftlich abnimmt. Videos sind hier eine gute Alternative, weil sie ebenfalls dazu in der Lage sind, komplexe Sachverhalte darzustellen, ohne alles endlos zu vereinfachen und dadurch es am Ende sogar falsch zu machen. Zu den meisten Blog-Artikeln wird es also künftig auch ein Video geben.
Community-Kontakte
Phubbing beeinträchtigt nicht nur unsere Beziehungen, sondern auch unsere Beziehung zur Natur. Dabei zeigt eine länderübergreifende Studie der Psychologin Margarita Triguero-Mas
und Kolleg:innen, dass Aktivitäten in der Natur die seelische Gesundheit fördern und Stress reduzieren.
Anders als Naturaktivitäten ist Smartphonegebrauch nach einer Metaanalyse mit Stress und Angst assoziiert. Eine weitere Meta-Analyse mit Student:innen aus Asien fand eine Assoziation von Smartphonegebrauch mit Schlafstörungen, Stress, Angst und Depression.
- Wer sieht heute noch die Seerosen am Teich oder blickt in den Wald?
Denen, die dies noch tun oder wieder tun wollen, möchte ich herzlich unsere Community-Kontaktliste „Naturaktivitäten” ans Herz legen oder auch die Kontaktliste „Projekte und Gemeinschaften“. Dort finden sich viele wunderbare Einträge!
Es gibt bei uns ja nicht nur die durch den Algorithmus angeleitete Partnersuche. Wir haben auch die sogenannten Community-Kontaktlisten, mit deren Hilfe sich Mitglieder auf der Basis gemeinsamer Themen kennenlernen können.
Wir hören immer wieder, dass sich Mitglieder über diese Community-Kontaktlisten kennenlernen und daraus dann auch Liebesbeziehungen entstehen. Manche wundern sich dann, warum wir sie nicht auch als Partner:innen vorgeschlagen haben.
Der Grund liegt nahezu immer darin, dass irgendein eigentlich meistens eher unwichtiges Kriterium, wie die Körpergröße, das Alter, der Wohnort doch nicht zu der Suche passte.
Beim direkten Kennenlernen über Aktivitäten in der Natur oder gemeinsame Projekte stellen die betreffenden Mitglieder dann fest, dass eine Liebe zwischen ihnen beginnt.
In diesem Sinne wünsche ich allen Leser:innen viel Glück bei Ihrer Partnersuche, dem Beziehungsaufbau und der Erhaltung des Beziehungs-Glücks.
Bei Gleichklang stehen wir Ihnen hierbei weiterhin mit allen unseren Möglichkeiten und Kräften zur Seite:
Mehr in der Tiefe lesen zu Beziehung und Beziehungs-Suche?
In meinem Buch ▶“A Perfect Match? Online-Partnersuche aus psychologischer Sicht” werden viele weitere Aspekte von Partnersuche und Beziehungsaufbau umfassend erörtert und es werden zahlreiche Anregungen und Empfehlungen gegeben. In das E-Book können Sie auch hier ein wenig reinschauen, bevor Sie sich zum Kauf entschließen.
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In unserem ▶ YouTube-Kanal finden Sie viele interessante Themen und jede Woche kommen weitere hinzu.