Selbstwert und Beziehungszufriedenheit
Die Suche nach einem passenden Menschen für eine Beziehung ist sicherlich wichtig. Aber auch ein passender Mensch ist noch keine Garantie für den Beziehungs-Erfolg.
Tatsächlich zeigen psychologische Studien, dass es Faktoren innerhalb der eigenen Person gibt, die maßgeblich mit darüber entscheiden, ob eine partnerschaftliche Beziehung glücklich oder unglücklich wird.
Die Passung mag gut sein, bringen wir aber bestimmte ungünstige Faktoren in eine Beziehung von Anfang an mit ein oder entwickeln sie im Verlauf, kann die Beziehung dennoch scheitern.
Einer dieser Faktoren ist unser Selbstwert:
- ein positiver Selbstwert fördert die Beziehungszufriedenheit
- ein negativer Selbstwert schadet der Beziehungszufriedenheit
Dieser Artikel erläutert die Hintergründe und zeigt, was Sie tun können.
Psychologische Studien
Die Auswirkungen des Selbstwertes auf die Beziehungszufriedenheit haben in eindrücklicher Art und Weise zwei Längsschnittstudien gezeigt, die im Fachjournal Developmental Psychology veröffentlicht wurden. Der Titel lautet: “Development of Self-Esteem and Relationship Satisfaction in Couples: Two Longitudinal Studies“ (freie deutsche Übersetzung: “Entwicklung von Selbstwertgefühl und Beziehungszufriedenheit bei Paaren: Zwei Längsschnittstudien”):
- in der ersten Studie wurden 884 Paare über einen Zeitraum von 12 Jahren beobachtet, wobei im Verlauf fünfmal der Selbstwert beider Beziehungspartner und die gemeinsame Beziehungszufriedenheit erfasst wurden.
- in der zweiten Studie wurden 6.116 Paaren über einen Zeitraum von 15 Jahren beobachtet, wobei im Verlauf dreimal der Selbstwert beider Beziehungspartner und die gemeinsame Beziehungszufriedenheit erfragt wurden.
Hauptergebnisse
In beiden Studien zeigten sich die gleichen Ergebnisse:
- der anfängliche Selbstwert beider Beziehungspartner korrelierte mit der anfänglichen gemeinsamen Beziehungszufriedenheit.
- Veränderungen des Selbstwertes zu einem vorherigen Zeitpunkt erlaubten es, die Beziehungszufriedenheit zu einem späteren Zeitpunkt vorherzusagen. Dabei wirkten sich die Veränderungen des Selbstwertes beider Beziehungspartners auf die gemeinsame Beziehungszufriedenheit aus.
- ein Anstieg des Selbstwertes eines Beziehungspartners und noch stärker beider Beziehungspartner führte zu einer höheren gemeinsamen Beziehungszufriedenheit in der Zukunft.
- ein Abfall des Selbstwertes eines Beziehungspartners und noch stärker beider Beziehungspartner führte zu einer Verminderung der Beziehungszufriedenheit in der Zukunft.
- die Auswirkungen des Selbstwertes auf die Beziehungszufriedenheit zeigten sich bei beiden untersuchten Geschlechtern und bei allen Altersgruppen.
- die Ähnlichkeit im Selbstwert zwischen den Beziehungspartnern hatte demgegenüber keinen Einfluss auf die spätere Beziehungszufriedenheit.
Die Frage nach dem “warum?”
Warum erhöht ein positiver Selbstwert die Beziehungszufriedenheit und warum schadet ein negativer Selbstwert der Beziehung?
Die oben genannten Studien haben die Frage nach dem “Warum?” nicht gestellt. Aus dem, was wir über Faktoren der Beziehungszufriedenheit und über Auswirkungen eines geringen Selbstwertes wissen, halte ich aber folgende Erklärungen für wahrscheinlich, wobei die Auflistung keine Vollständigkeit beansprucht:
- Menschen mit geringem Selbstwert übertragen ihr negatives Selbstbild auf die Beziehung und zweifeln an der Liebe und Wertschätzung des Partners. Sie reagieren mit Rückzug, Vermeidung, umgekehrt mit übermäßigen Klammern, Eifersucht und Vorwürfen oder mit beidem.
- ein geringer Selbstwert kann daran hindern, die eigenen Bedürfnisse und Wünsche ausreichend wahrzunehmen, ernstzunehmen, anzusprechen und umzusetzen. Darunter kann die Beziehungszufriedenheit leiden. Es wird Menschen mit geringerem Selbstwert schwerer fallen, ein ausgeglichenes Verhältnis von Autonomie und Gemeinsamkeit aufzubauen, dabei angstfrei Freiräume geben und nehmen zu können.
- ein negativer Selbstwert geht oft mit den Zweifeln am eigenen Äußeren einher und kann sexuelle Hemmungen verursachen oder vertiefen. Das kann die sexuelle Zufriedenheit und dadurch mittelbar auch die Partnerschaftszufriedenheit vermindern.
- ein negativer Selbstwert ist ein Risikofaktor für die Entwicklung depressiver und anderer seelischer Beeinträchtigungen. Hierunter können Antrieb, Initiative und Unternehmensbereitschaft leiden, was gemeinsame positive Erlebnisse in einer Beziehung reduzieren kann.
Implikationen für Beziehungszufriedenheit
Die Ergebnisse beider Studien legen nahe, dass ein positiver Selbstwert die Beziehungszufriedenheit fördert. Dabei übt der Selbstwert beider Beziehungspartner unabhängig voneinander einen Einfluss ausübt.
Entsprechend lässt sich die künftige Beziehungszufriedenheit aus dem Selbstwert am besten dann vorhersagen, wenn der Selbstwert beider Beziehungspartner berücksichtigt wird.
Beide Studien zeigen nicht nur, dass ein anfänglicher positiver Selbstwert sich günstig und ein negativer Selbstwert sich ungünstig auf die anfängliche Beziehungszufriedenheit auswirkt. Vielmehr zeigen die Studien darüber hinaus, dass Veränderungen des Selbstwertes möglich sind und dass diese sich nachfolgend je nach Richtung auch in einem positiven oder negativen Sinne auf die Beziehungszufriedenheit auswirken.
Hieraus ergeben sich Handlungsoptionen, wie Sie als einzelne Person und zudem (später) gemeinsam als Paar eine positive Beziehungszufriedenheit erreichen und aufrechterhalten können.
Handlungsoptionen für eine erhöhte Beziehungszufriedenheit
- noch vor dem Beginn einer Beziehung den eigenen Selbstwert zu stärken, kann dazu beitragen, dass eine künftige Beziehung unter guten Voraussetzungen gestartet wird. Gelingt diese Selbstwertstabilisierung, dürfte sich dies positiv auf die initiale Beziehungszufriedenheit auswirken. Auch wenn die Beziehungszufriedenheit sich im Verlauf verändern kann, erhöht eine hohe Beziehungszufriedenheit zu Beginn einer Partnerschaft die Aussichten, dass eine positive Beziehungszufriedenheit erhalten werden kann.
- während der Beziehung kann die Prävention des Einbruchs des eigenen Selbstwertes oder die Steigerung eines defizitären Selbstwertes nicht nur zur eigenen Lebenszufriedenheit beitragen, sondern ebenfalls zur gemeinsamen partnerschaftlichen Zufriedenheit. Es ist wichtig, auch in einer Beziehung nach wie vor an die eigene Selbstfürsorge zu denken und an einem positiven Selbstwertgefühl zu arbeiten.
- in einer Beziehung ist jeder zwar nach wie vor eine eigene Person, aber es liegt ein hoher wechselseitiger Beeinflussungsgrad vor. Den Beziehungspartner dabei zu unterstützen, seinen oder ihren Selbstwert zu stärken, dürfte sich ebenfalls günstig auf die gemeinsame Beziehungszufriedenheit auswirken, da diese nicht nur vom eigenen Selbstwert, sondern auch vom Selbstwert des Partners abhängt. Umgekehrt können partnerschaftliche Gespräche und gemeinsame Strategien natürlich ebenfalls bei der eigenen Selbstwertstabilisierung helfen.
Arbeit an der Selbstwertstabilisierung der eigenen Person, des Beziehungspartners oder beider Beziehungspartner ist dabei vor allem dann verstärkt erforderlich, wenn bei einer oder beiden Seiten eine Selbstwertproblematik vorliegt.
Je stärker Sie bei sich eine Selbstwertproblematik wahrnehmen, desto eher und intensiver sollten Sie beginnen, Schritte zu unternehmen, um zu einem positiven Selbstwertgefühl zu gelangen.
Strategien für ein positives Selbstwertgefühl
Das entscheidende Spannungsfeld für ein positives Selbstwertgefühl liegt in dem richtigen Verhältnis der beiden Pole Akzeptanz versus Veränderung zueinander. Hier lautet die Grundregel:
- akzeptieren Sie das, was Sie nicht ändern möchten oder können
- gehen Sie dort Veränderungen an, wo Sie sie möchten und umsetzen können
Im Einzelnen gelten folgende Empfehlungen:
- Nicht alle Schwächen und Fehler ändern wollen: Fehler machen wir alle und manche Schwäche mag sich gar bei genauer Betrachtung als eine Stärke entpuppen. Wir stärken unseren Selbstwert indem wir das, was wir nicht ändern können oder wollen, akzeptieren. Wir können uns so annehmen wie wir sind und brauchen uns nicht permanent kritisieren oder abwerten.
- Optimierungs-Potential entdecken und nutzen: So einiges wollen und können wir zum Positiven verändern. Wichtig ist es, den Fokus nicht vorwiegend grüblerisch darauf zu richten, was schlecht war oder ist, sondern darüber nachzudenken, was wir erreichen möchten und welche Wege wir hierzu einschlagen können. Es geht darum, Ziele zu entwickeln, Lösungsmöglichkeiten zu entdecken, Verhaltensvorsätze zu fassen und diese umzusetzen. Wer positive Ziele hat und diese angeht, steigert das eigene Selbstwertgefühl.
- Sinn in das eigene Leben bringen: Dies ist einer der wirksamsten Faktoren, um das Selbstwertgefühl zu stärken. Was kann ich tun, um mich sinnvoll zu betätigen? Gesellschaftliches Engagement, Nachbarschaftshilfe, Einsatz für Menschen, Umwelt oder Tiere, etwas lernen, zum Beispiel eine neue Sprache, sich künstlerisch oder musisch betätigen – alles, was geeignet ist, Sinn in das eigene Leben zu bringen, hilft einen positiven Selbstwert zu entwickeln.
- Vergangenes vergangen sein lassen oder Schlüsse ziehen: Befreien Sie sich vom dem häufigen Irrtum, dass es wichtig sei, immer wieder über die eigenen Fehler der Vergangenheit nachzudenken, um sich zu verbessern. Das reine Nachdenken an sich hilft nicht und wird schnell zu einem ewigen selbstkritischen Grübeln. Nachdenken ist gut, aber der Schwerpunkt sollte immer darauf liegen, Probleme und Schwierigkeiten anzugehen und zu verändern oder sie zu akzeptieren.
- Gelassener Umgang mit selbstkritischen Gedanken: Es ist keine Katastrophe, wenn selbstkritische Gedanken auftreten. Dies geht jedem Menschen manchmal so. Gehen wir gelassen mit ihnen um, beeinträchtigen sie unser Selbstwertgefühl nicht. Wir brauchen und sollten solche Gedanken also weder zwanghaft herbeiführen noch sie zwanghaft unterdrücken. Treten sie auf, treten sie halt auf und wir können ihnen wie ein neutraler Beobachter gegenübertreten. So gelingt es leichter, eine Distanz zu ihnen aufzubauen, ihnen keinen unnötigen Raum zu geben und sie vorbeiziehen zu lassen.
- Positives Erleben aktivieren: Nicht wenige Menschen haben die Angewohnheit, zu wenig über Positives nachzudenken. Wir ärgern uns, wenn die Ampel rot ist, vergessen uns aber zu freuen, wenn sie grün ist. Lenken Sie die Aufmerksamkeit bewusst auf schöne Erinnerungen und Dinge, die Sie erreicht haben, ebenso wie auf das, was Ihnen in Ihrer jetzigen Lebenssituation gefällt. Machen Sie sich Ihre Ressourcen bewusst und freuen Sie sich darauf, sich immer wieder Ziele setzen und diese angehen zu können. Hilfreich kann es dabei auch sein, ganz bewusst die Aufmerksamkeit für Momente immer wieder auf positive Sinneswahrnehmungen zu richten, z. B. auf ein eindrucksvolles Landschaftspanorama oder auch den Geschmack des Lieblingstees. Je mehr und öfter wir uns dies zur Gewohnheit machen, desto mehr können wir positives Erleben stärken, was sich dann wiederum positiv auf unseren Selbstwert auswirkt.
Der Schlüssel zu einem positiven Selbstwertgefühl liegt also darin, Gelassenheit gegenüber unseren eigenen Fehlern und Schwächen aufbauen, uns punktuell herausgreifen, was wir ändern möchten und dies anzugehen, eine sinnvolle Alltagsgestaltung aufzubauen und dabei auch immer wieder bewusst auf positive Sinneswahrnehmungen zu achten, eigene Ressourcen und Stärken zu erkennen, sowie selbstkritische Gedanken nicht zu katastrophisieren, sondern sie wie ein Beobachter vorbeiziehen zu lassen.
Nehmen Sie sich dies zu Herzen, können Sie lernen, beides zu tun:
- sich zu verbessern und sich so anzunehmen, wie Sie sind.
Im Regelfall kann eine Verbesserung des eigenen Selbstwertes im Selbstmanagement erreicht werden. Gelingt Ihnen dies aber nicht und Ihr Selbstwertgefühl bleibt gering, kann eine psychotherapeutische Behandlung weiterhelfen.
Matching-Ansatz allein nicht ausreichend
Für die Beziehungszufriedenheit ist die Positivität des Selbstwertes entscheidend, nicht aber die Ähnlichkeit zwischen den Beziehungspartnern an sich:
- haben beide Beziehungspartner einen positiven Selbstwert, sind die Chancen für eine glückliche partnerschaftliche Beziehung optimal.
- haben beide Beziehungspartner einen negativen Selbstwert, sind die Chancen für eine glückliche partnerschaftliche Beziehung minimal.
- hat ein Beziehungspartner einen positiven und der andere einen negativen Selbstwert, sind die Chancen für eine glückliche Beziehung geringer als wenn beide Beziehungspartner einen positiven Selbstwert haben, aber immerhin höher als wenn beide Beziehungspartner einen negativen Selbstwert haben.
Damit wird auch deutlich, dass beim Selbstwert ein Matching nach Ähnlichkeit keinen Sinn ergibt. Darüber hinaus werden hieraus die Grenzen eines jeden Matching-Ansatzes deutlich:
- würden lediglich Personen mit positivem Selbstwert zueinander vermittelt, würde in den resultierenden Beziehungen eine erhöhte Beziehungszufriedenheit entstehen. Dies geschähe aber auf Kosten des Ausschlusses von Personen mit negativem Selbstwert aus der Partnervermittlung, was offensichtlich keine Lösung sein kann.
In die eigenen Hände nehmen
Das Partner-Matching – wie wir es bei Gleichklang anbieten – ist nur eine Komponente, die die Aussichten auf eine zufriedene Beziehung durch eine Passung der Werthaltungen erhöhen kann. Allein genügt dies Matching aber nicht.
Die eigene Persönlichkeit und der eigene Selbstwert sind eine zweite Komponente, die ebenso wichtig ist wie die Passung.
Indem Sie an der Entwicklung eines positiven Selbstwertgefühls arbeiten, können Sie einen aktiven Beitrag für Ihre künftige Beziehungszufriedenheit leisten. Gehen Sie es an!