Geduld und Beziehung
Obwohl über die Dating-Apps und sozialen Netzwerke so viele Kontaktmöglichkeiten wie noch nie zuvor in der Menschheitsgeschichte zur Verfügung stehen, steigt der Single-Anteil. Dies, obgleich die große Mehrheit dieser Singles sich Partnerschaft wünscht.
Es liegt also nicht daran, dass die Menschen Single sein wollen, sondern dass es ihnen schwerfällt, Partnerschaft zu finden oder diese aufrechtzuerhalten. Die große Anzahl der Möglichkeiten scheint oft keine Hilfe zu sein.
Ich glaube, die Ursache hierfür liegt in einer auf Ungeduld konditionierten Gesellschaft, einer Konditionierung, die im Übrigen nach meiner Überzeugung nicht nur die Schwierigkeiten von Menschen bei der Partnersuche erklären mag, sondern ebenso das gesellschaftliche Versagen bei der Eindämmung des Klimawandels oder aktuell bei der Eindämmung der Corona-Pandemie.
In diesem Artikel gehe ich darauf ein, warum Geduld wichtig und Ungeduld schädlich ist, wie wir Geduld erlernen und so unser eigenes Lebensglück in allen Bereichern verbessern und gleichzeitig positiven Einfluss auf die Gesellschaft nehmen können.
Konditionierte Ungeduld
Wie komme ich darauf, dass wir gesellschaftlich auf Ungeduld konditioniert sind?
Dazu las ich soeben eine hochinteressante Studie in Psychological Science. Die Ergebnisse finde ich ebenso bemerkenswert wie erschütternd:
Versuchspersonen wurden 12 Millisekunden die Logos der Fastfoodketten McDonald’s, KFC, Subway, Taco Bell, Burger King und Wendy’s an den Bildschirmrändern präsentiert, ohne dass sie dies überhaupt bemerkten.
Dennoch führte diese unbewusste Präsentation mit Fastfood-Symbolen zu einer Reihe von ungeduldig-impulsiven Verhaltensweisen in nachfolgenden Aufgaben, die nichts mit dem Thema Essen zu tun hatten:
- sie lasen Texte schneller, selbst wenn es keinen Zeitdruck gab.
- sie trafen schnellere Produktwahlen und berücksichtigen weniger Produktdimensionen.
- sie nahmen lieber eine kleine sofortige finanzielle Belohnung in Anspruch, als später mehr zu erhalten.
Dies alles nur deshalb, weil für ein paar Millisekunden Fastfood bezogenen Symbole präsentiert wurden, deren Präsentation die Versuchsteilnehmer ebenso wenig bemerkten wie ihre eigene Verhaltensänderung!
Wir können uns alle selbst vorstellen, wie oft wir solchen und vergleichbaren Symbolen ausgesetzt sind. Ein Vorbeigehen an ihnen mag reichen, um unser Verhalten zu beeinflussen.
Alles sofort und schnell
Muss es da wundern, dass ich vor wenigen Tagen auf die Zuschrift eines Mitgliedes aufmerksam wurde, der sich wiederum darüber wunderte, dass er seit einigen Tagen keine neuen Partnervorschläge erhalten habe?
Wir sollten sofort Vorschläge zustellen oder das Geld zurückerstatten.
Sachlage ist, dass das, worüber sich das Mitglied wunderte, bei Gleichklang gar nicht verwunderlich ist. Es ist völlig normal, dass Wartezeiten auftreten, bis jemand vorgeschlagen werden kann, der in den zahlreichen Suchkriterien übereinstimmt.
Das Mitglied hatte aber eine völlig andere Erwartung. Was also aus seiner Sicht tun, wenn er derzeit nichts anderes sofort tun kann?
Sofort Vorschläge oder Geld zurück – mit anderen Worten sofortige Belohnung!
Sofortige Belohnung (allerdings nicht in Form von Partnerschaft) gibt es bei den Dating-Apps. Vermutlich waren es Erfahrungen mit diesen Dating-Apps, die zu den Erwartungen des Mitgliedes führte.
Bevor ich ausführlich auf die Themen Partnersuche und Geduld, Ursachen und Auswirkungen von Ungeduld und Lernen von Geduld eingehe, möchte aber zwei weitere gesellschaftliche Beispiele geben, die deutlich machen, wie wichtig dies Thema für uns alle ist.
Geduld und Ungeduld in der Gesellschaft
Umweltschutz
Im Fachjournal Environmental Research wurde eine Studie unter dem “Geduld und Eindämmung des Klimawandels: Globale Erkenntnisse” veröffentlicht (Original-Titel: Patience and climate change mitigation: Global evidence).
Mithilfe von Fragebögen wurde die Bereitschaft und Fähigkeit zur Geduld im Sinne zukunftsorientierten Handelns in verschiedenen Gesellschaften erfragt. Diese Ergebnisse wurden mit Maßnahmen in den jeweiligen Ländern zur Eingrenzung des Klimawandels korreliert.
Die Autoren beobachteten Folgendes:
- zukunftsorientierte Gesellschaften sind eher bereit, die Kosten aufzubringen, um den Klimawandel zu begrenzen.
Covid-19
Ich selbst lebe in Kambodscha und bin hier selbst gänzlich ungeplant zum teilnehmenden Beobachter eines gigantischen Experiments in gesellschaftlicher Geduld und seiner Folgen geworden:
- nach dem dritten Corona-Fall im Land wurden landesweit alle Schulen und Bildungseinrichtungen geschlossen. Kurze Zeit später wurde – weiterhin quasi ohne Fälle im Land – das höchste kambodschanische Fest (Khmer Neues Jahr), einschließlich des mit ihm verbundenen Urlaubs, abgesagt. Alle Religionen (Buddhisten, Muslime, Christen) stellten religiöse Gruppenaktivitäten ein. Für ca. eine Woche wurden Reisen von einer Provinz in die andere ausgesetzt. Zudem wurden besonders gefährliche Einrichtungen, wie Bars, Diskotheken, Sportstudios etc. geschlossen. Grenzschließungen erfolgten ähnlich wie in Europa und wurden nach relativ kurzer Zeit mit folgender weiterhin gültiger Maßgabe zurückgenommen: Jeder kann mit negativem Covid-10 Test einreisen, bei der Einreise wird ein zweiter Test gemacht, der Betreffende geht dann in Quarantäne und nach 14 Tagen erfolgt ein abschließender Test. Für eines der ärmsten Länder Südost-Asiens waren diese Maßnahmen zweifelsohne ein enormer Verzicht und entsprechend eine Übung in gesellschaftlicher Geduld. Sie wurde von der überwältigenden Mehrheit der Bevölkerung aktiv mitgetragen und begrüßt. (mehr hierzu finden Sie in meincoronablog.de)
Dies sind die Ergebnisse:
- seit mehr als drei Monaten gab es hier keine einzige Infektion innerhalb des ganzen Landes mehr
- insgesamt gab es in Kambodscha bisher nur 291 Infizierte, davon bis 24 Personen alles importierte Fälle
- aktuell gibt es noch 7 aktiv Infizierte
- innerhalb des Landes ist seit mehreren Monaten nahezu alles geöffnet
- auch der kürzlich nachgeholte Urlaub mit großem Reiseandrang ging mit keinen neuen Fällen einher
- mittlerweile betrachten eine Reihe von Menschen aus Europa und den USA Kambodscha als Zufluchtsort, um das Ende der Epidemie von hier aus abzuwarten
- Kambodscha steht an der Weltspitze bezüglich der Eindämmung der Ausbreitung des neuen Coronavirus, was neulich übrigens auch durch die international renommierte Fachzeitschrift The Lancet gewürdigt wurde
Wer von Kambodscha die Nachrichten über explodierende Infektionszahlen in Europa und den USA verfolgt, hat tatsächlich den Eindruck, sie kommen aus einer anderen Welt.
Diese Situation kam nicht als Geschenk des Himmels:
- die Covid-Situation in Kambodscha ist das Ergebnis praktizierter gesellschaftlicher Geduld. Diese Bereitschaft zu zukunftsgerichtetem Handeln macht sich nun in Kambodscha mit Freiheit für alle bezahlt.
Was ist Geduld?
Etwas genauer zum Begriff Geduld, wie ich ihn hier verwende.
Geduld bezieht sich auf unser Streben und Vermögen, zukunftsorientiert zu handeln:
- wer ungeduldig ist, möchte Ergebnisse sofort sehen.
- wer geduldig ist, kann Handlungen fortsetzen und zwischenzeitlich abwarten, bis sie zum Ziel führen.
Unter dem Titel “Belohnungsaufschub” ist dies ein geradezu klassisches Thema der Psychologie:
- Was wählen wir: die kleinere Belohnung sofort oder die größere Belohnung in der Zukunft?
Eine verwandte Frage lautet:
- wieviel Schaden oder Verzicht nehmen wir jetzt in Kauf, um größeren Schaden in der Zukunft zu vermeiden?
Geduld in diesem Sinne ist eines der wichtigsten Themen im Leben – für uns als Individuen, für die Gesellschaft als Ganzes und selbstverständlich auch für unsere Suche nach Beziehungen, den Beziehungsaufbau und den Erhalt von Beziehungen.
Geduld ist aber etwas anderes als bloßes Aushalten oder reines Abwarten. Bloßes Aushalten (ohne aktive Lösungssuche) von unglücklichen Situationen ist kein Zeichen von Geduld, sondern von Fatalismus, Initiativlosigkeit oder Resignation. Aushalten ist Zeichen von Geduld, wenn so eine Lösungsfindung ermöglicht wird.
Abwarten ist ebenfalls nur dann Zeichen von Geduld, wenn Abwarten angesagt ist und nichts anderes zielführendes getan werden kann.
- Die Kunst der Geduld besteht also darin, durch zukunftsorientiertes Handeln, notwendiges Abwarten oder temporäres Aushalten von Schwierigkeiten von einer unbefriedigenden Situation in eine positive Situation zu gelangen.
Geduld ist daher so etwas wie unser personale Glückspotential, welches wir selbst in unglücklichen Situation in uns tragen.
Dies Glückspotential können wir entwickeln. In diesem Sinne bedeutet “Geduld lernen” durchaus zu lernen, wie wir glücklich werden.
- Wenn wir Geduld lernen, werden wir nicht nur die Corona-Zeit gut durchstehen und an ihr wachsen. Wir werden ebenso unsere Aussichten für ein nachhaltiges Partner- und Beziehungsglück verbessern und insgesamt glücklichere Menschen werden.
Es lohnt sich, damit zu beginnen. Mit diesem Artikel möchte ich Ihnen einige Anregungen geben, wie Sie vorgehen können.
Was treibt zu ungeduldigem Handeln?
Die Ursachen für ungeduldiges Handeln sind sicherlich vielfältig, einige Ursachen seien kursorisch genannt:
- Mangel an langfristigen Zielen führt zur Orientierung an Kurzzeitkonsequenzen: Wir denken kurzzeitig an wirtschaftlichen Gewinn und nicht an den Klimawandel. Wir denken kurzzeitig an (scheinbare) Freiheit und nicht an den Freiheitsverlust aller durch rasant steigende Infektionszahlen. Wir denken kurzzeitig an einen schnellen Chat oder Sex und nicht daran, die Basis für unser langfristiges Beziehungsglück zu schaffen.
- Fokus auf sofortige Belohnung lässt Menschen verfrüht aufgeben, wenn Belohnung ausbleibt: Je stärker wir tatsächlich darauf ausgerichtet sind, möglichst schnell oder sofort belohnt zu werden, desto weniger halten wir Handlungsweisen durch, für die keine schnelle Belohnung möglich ist. So mögen wir vorzeitig anstrengende Ausbildungen abbrechen, wir lockern zu schnell Maßnahmen des Infektionsschutzes oder wir erachten die Online-Partnersuche als sinnlos, weil sich einige Wochen nichts getan hat.
- Erwartung automatischer Belohnung blockiert zielorientiertes Handeln: Je mehr wir bereits die Erwartung haben, dass ohnehin unsere Bedürfnisse erfüllt werden, desto weniger tun wir selbst, um dafür etwas zu tun. Umso schlimmer ist es umgekehrt, wenn automatische Belohnungssysteme aufgrund gesellschaftlicher oder persönlicher Veränderungen (Covid-Krise, partnerschaftliche Trennung etc.) plötzlich zusammenbrechen und wir mit uns selbst nichts anzufangen wissen.
- Hohe Anspruchshaltungen und Gewohnheiten lassen Verzicht unerträglich erscheinen: Es ist ein altbekanntes Phänomen – haben wir uns erst einmal an ein höheres Gehalt gewöhnt, wäre eine Kürzung ein großer Verlust. Betrachten wir den Konsum nicht-existenzieller Güter als unser Recht, mag es unerträglich erscheinen, wenn der Konsum ausgesetzt wird. Erwarte ich, dass eine Dating-Plattform mich unterhält oder mir den Beziehungspartner serviert, finde ich dies nicht hinnehmbar und trete aus.
- Mangelnde Übung in Verzicht regt Katastrophisierungen an: Verzicht ist nichts, was wir automatisch können, sondern Verzicht muss gelernt sein. Dies können wir jederzeit selbst tun, indem wir uns immer wieder fragen, was wirklich wichtig und unverzichtbar und was verzichtbar ist und für letzteres Verzicht einüben. Wasser ist nicht verzichtbar, Cola sehr wohl. Ernährung ist notwendig, Fleisch nicht. Menschliche Nähe und Solidarität sind unverzichtbar, Zeiten des Alleinseins sind es nicht. Partys und Reisen mögen schön sein, wir können sie aber auch unterlassen, wenn es dafür Gründe gibt. Wer nicht gelernt hat, zu verzichten, verfällt in Katastrophendenken, wenn Verzicht erforderlich ist. Katastrophendenken führt zu unüberlegtem Denken. Ein Lockdown wegen einer weltweiten Pandemie wird so plötzlich zur Diktatur, ein Mund-Nasenschutz wird zum Folterinstrument und so verliert das eigene Verhalten jedes Maß und jede Vernunft. Wer eine Zurückweisung beim Dating katastrophal findet, lässt die Partnersuche bald sein.
- Hilflosigkeit kann ungesteuert-ungeduldige Handlungsmuster bedingen: Wenn Menschen von Situationen überfordert sind und keinen Lösungsweg sehen, handeln sie verstärkt impulsiv. “Ich hasse Dich“, bedeutet in so manchen Beziehungen tatsächlich “ich liebe Dich, aber bitte gehe anders mit mir um“.
- die Ausblendung der Zukunft kann zur Leugnung bestehender Gefahren führen: So mag man in die Gefahr hineinlaufen, anstatt ihr auszuweichen. Ein besonders eindrückliches Beispiel hierfür wurde mir gerade durch ein Gleichklang-Mitglied und Kritikerin der Covid-Schutzmaßnahmen per E-Mail zugesandt: “Undanks allem ist laut BAG Bundesamt für Gesundheit die schweizweite Spitalbesetzung im normalen Bereich, das ist erstaunlich, nicht? Erklärbar? Widersprüchlich? Das BAG lügt?” Die Schreiberin hat recht und Unrecht. Die Belegung der Intensivbetten in der Schweiz liegt derzeit bei ca. 50 %, der Anteil der Covid-Patienten an dieser Belegung liegt aktuell zwischen 1/4 bis 1/3. Aber, was die Verfasserin ausblendet, ist die Sachlage, dass in den letzten 10 Tagen die Belegung durch Covid-Patienten von fast Null ausgehend stark zugenommen hat und dass dann, wenn die Kurve fortgesetzt wird, in wenigen Wochen alle Betten belegt sind. Die Fixierung auf den heutigen Tag kann morgen bereits zur Katastrophe führen. Ähnlich fand es ein Mitglied nicht angemessen, dass wir einen Love-Scammer aus ihren Vorschlägen löschten, also eine Person, die sich betrügerisch bei uns eingerschlichen hatte, um Mitglieder finanziell auszunehmen. Hintergrund der Kritik war, dass wir keinen weiteren Kontakt mehr ermöglichten. Das Mitglied wollte aber den Kontakt unbedingt. Ihr seien noch keine Love-Scammer begegnet, wobei die Dame gar nicht merkte, dass sie bereits dabei war, selbst zum Opfer zu werden, da sie auf die Komplimente angesprungen war. Das ist gar nicht selten.
Das Ergebnis ungeduldigen Handelns ist, dass keine optimierte Anpassung unserer Handlungen an die tatsächlichen situationalen Rahmenbedingungen stattfindet. Das Endresultat ist negativ.
Warum aber ist ungeduldiges Handeln (und Denken) dann so weit verbreitet, wenn die Folgen doch negativ sind?
Hinter diesem Problem steckt einer der mächtigsten Lernprozesse, der unter dem Begriff des instrumentellen oder operanten Lernens bekannt ist:
- wird Verhalten sofort belohnt, steigt seine Wahrscheinlichkeit in der Zukunft an, selbst dann, wenn die Langzeitfolgen negativ sind.
Hieraus kann sich ein Teufelskreis der Ungeduld ergeben:
- kurzfristig wird ungeduldiges Verhalten durch den unmittelbaren Wegfall von unangenehmen Ereignissen oder durch das Hinzutreten von positiven Ereignissen belohnt. Durch die sofortige Belohnung nimmt die Wahrscheinlichkeit ungeduldigen Handelns für die Zukunft zu.
- Langfristig führt das gleiche ungeduldige Handeln zu einem Belohnungsverlust oder einer Schädigung. Dieses langfristige Resultat beeinflusst das ungeduldige Handeln jedoch kaum, weil Verhalten vorwiegend durch Kurzzeitkonsequenzen (mehr oder weniger automatisch) reguliert wird.
Blicken wir auf Menschen, die sehr viel Zeit in Dating-Apps verbringen:
- kurzfristig werden Sie belohnt durch Spannung, Abwechselung, Selbstbestätigung (“ich bin begehrt”) oder Sex.
- langfristig kann ihre Bindungsfähigkeit und -bereitschaft sinken, sie starten Beziehungen mit den falschen Personen oder vergessen gar über die Dating-App ihr ursprüngliches Beziehungsziel.
- da die sofortige Belohnung jederzeit erhalten bleibt, wird das Verhalten fortgesetzt, wodurch die Bindungsfähigkeit sich weiter reduzieren mag.
Oder schauen wir auf die Leugnung der Gefährlichkeit der Corona-Pandemie und die damit verbundenen Demonstrationen:
- kurzfristig werden die Demonstranten belohnt durch Wegfall der Angst (“ist ja nicht gefährlich”), das Gefühl der Verbundenheit miteinander (“wir als Wahrheitsbewegung gegen den Rest der Welt“), die eigene Bedeutung (“ich bin FreiheitskämpferIn“) und die beobachtbare ausgelassene Partystimmung (Feierlaune). Zudem werden sie permanent kurzfristig belohnt durch Selbstbestätigung, indem sie immer wieder gleichlautende Informationen miteinander austauschen und inkonsistente Informationen ausblenden (“Lügenpresse”).
- langfristig tragen sie zur Erodierung und Verspätung von gesellschaftlichen Schutzmaßnahmen bei. Weil zu spät reagiert wird, sind Einschränkungen damit stärker und müssen länger andauern. Der Ausbreitung der Epidemie wird Vorschub geleistet und zahlreiche Menschen werden gefährdet.
- da die sofortige Belohnung jedoch erhalten bleibt, wird das Verhalten fortgesetzt und mag gar bei sich verschärfenden Schutzmaßnahmen eskalieren (Anschlag auf RKI-Institut, Unruhen in Spanien/Italien).
Im schlimmsten Fall kann es bei hohen Fallzahlen im Land durch solche Veranstaltungen zu dem kommen, was in den USA nun eingetreten ist:
- eine umfassende Analyse der Standfort Universität gelangt zu dem Schluss, dass durch 18 Wahlveranstaltungen von Donald Trump mehr als 30000 Infektionen und 700 Tote verursacht wurden.
Ich glaube, dies alles macht deutlich, dass Geduld zentral für unser gesamtes Leben ist. Ich Folgenden widme ich mich dem Thema Geduld und Ungeduld beim Online-Dating.
Ungeduldiges Handeln beim Online-Dating
Manche wundern sich übrigens über meinen Blog, dass ich so oft über Probleme schreibe. Jemand meinte neulich, das klinge defensiv.
Der Grund liegt darin, dass die Probleme fortbestehen, wenn wir nicht über sie reden.
Positivbotschaften allein genügen nicht – das wären dann auch eher platte Werbebotschaften.
Trotzdem versuche ich natürlich schon, den Weg vom Problem zur positiven Bewältigung zu skizzieren. Dies ist auch nicht ganz ohne Effekte. Jedenfalls kommen immer wieder Nachrichten herein, die aussagen, dass eine Beziehung auch wegen dieser Tipps gefunden wurde.
Bei Gleichklang können wir ungeduldiges Handeln beim Online-Dating oft beobachten. Wieso haben wir bei Gleichklang manchmal Probleme mit der Geduld?
Ursache hierfür ist, dass unsere Plattform so strukturiert ist, dass die Erfolgswahrscheinlichkeit der Partnersuche maximiert wird, also die Wahrscheinlichkeit dafür, dass irgendwann tatsächlich eine dann auch dauerhafte partnerschaftliche Beziehung entsteht.
Dass irgendwann ein Mensch kennengelernt wird, mit dem eine Beziehung entsteht, ist das einzige leitende Prinzip unserer gesamten Tätigkeit.
Eine solche Maximierung der Erfolgswahrscheinlichkeit setzt aber geradezu naturnotwendig geduldiges Handeln voraus.
Um zu verdeutlichen, was ich meine, möchte ich kurz das Gegenkonzept, nämlich die Dating-Apps, umreißen. Diese sind nämlich so strukturiert, dass sofortige Belohnung maximiert wird:
- Dating-Apps können sofort kostenlos gestartet werden, der Aufwand geht gegen null
- sofort sind dann Profile sichtbar
- es können jederzeit und wiederum sofort neue Profile gefunden werden
- Fotos sind der Kernteil des Profils, Profile können in Sekunden gescannt werden
- sofortige Aktionen einfachster Art haben sofortige Konsequenzen (Anstupsen, wegwischen etc.)
- zahlreiche Nutzer sind Online, was auch angezeigt wird, denn es geht um Sofortkontakt
- es werden Profile in direkter Wohnortnähe angezeigt, man soll sich sofort treffen können
- Nachrichtenfelder begünstigen sehr kurze Nachrichten, die ohne jeden Aufwand verfasst werden können
Was ist das Ergebnis dieser Struktur:
- es kommen viele Menschen, die ohne Aufwand sofortige Ergebnisse wünschen
- zahlreiche Menschen nutzen Dating-Apps, die gar keine Partnerschaft suchen
- Motive sind vertreten, wie Abwechslung, Selbstbestätigung, Online-Erotik
- Dating-Apps machen Täuschung sehr einfach und sie wird vielfältig eingesetzt, wenn jemand nur virtuellen Kontakt sucht
- die Tendenz ist, schnell von einem zum anderen Kontakt zu gehen
- erotische Treffen finden noch relativ oft statt, Partnerschaften entstehen selten
- selbst nach Beginn von Beziehungen wird die Nutzung oft (heimlich) fortgesetzt
- Bindungsverhalten wird erschwert und Beziehungen scheitern
- manche Menschen werden regelrecht süchtig
Nebenbei setzen die Dating-Apps hier für den Bereich der Liebe lediglich fort, was die Fastfood-Konzerne für den Bereich der Ernährung längst in die Wege geleitet haben.
Die Gedulds-Anforderung der Struktur von Gleichklang an seine Mitglieder ist wirklich hoch:
- Ausfüllen zahlreicher Fragebögen und Reflexion über die eigenen Suchkriterien
- Vorschläge über die Zeit, wenn die eingegebenen Suchkriterien passen und sich dadurch Matches ergeben
- Wartezeiten, wenn sich keine Matches ergeben
- eigeninitiative Kontaktaufnahme, was die Aussichten deutlich verbessert
- dies alles in der (begründeten) Hoffnung, dass eines Tages der künftige Beziehungspartner vorbeikommt
- es geht oft nicht schnell- es gibt eine beträchtliche Anzahl an Gleichklang-Paaren, wo ein oder beide jetzigen Beziehungspartner zuvor mehrere Jahre bei uns auf der Suche waren.
Wohlgemerkt, das Grundprinzip ist hocheffektiv:
- es vergeht kein Tag ohne Erfolgsmeldungen und wir haben auch hier eine umfassende Auswertung der Erfolgsaussichten vorgelegt.
Aber – und hier liegt die Crux begraben – die Zeit bis der Erfolg eintritt mag durchaus als leer oder langweilig erlebt werden und gleichzeitig bleibt es wichtig, eigeninitiativ – wann immer möglich – den Kontakt aufzunehmen.
Denn Gleichklang ist kein Chat-System, wo hochfrequent einander geschrieben wird.
Wir verzichten auch auf alle sogenannten Incentives (Anreize), mit denen Leseraten oder Nachrichtenraten artifiziell gesteigert werden können. Solche anreizbasierten Systeme mindern die Tiefe der Kommunikation, ersetzen die intrinsische Motivation durch eine extrinsische Motivation und reduzieren die Chancen für eine Partnerfindung, auch wenn sie das Kommunikationsverhalten erhöhen (einschließlich der Konkurrenz der Kommunikationsprozesse).
In den ersten Jahren hatten wir ausschließlich auf die Lösung der Geduld-Frage dadurch gesetzt, dass sich bei Gleichklang eben Menschen einfinden, die diese Geduld bereits haben. In den zurückliegenden Jahren haben wir uns aber zusätzlich darauf konzentriert, diese Geduld zu vermitteln und dadurch Mitgliedern zum Erfolg ihrer Partnersuche zu verhelfen, die uns sonst verlassen hätten.
Im Ergebnis haben wir unseren Kundensupport stark ausgedehnt und bitten alle Mitglieder ausdrücklich, immer an uns heranzutreten, wenn sie an irgendeiner Stelle Probleme mit ihrer Partnersuche bei uns haben.
Wunder können wir keine wirken, aber nach der Umfrage aus der letzten Woche konnten wir immerhin 72 % von allen Mitgliedern, die sich in den letzten vier Wochen an uns wandten, auf die eine oder andere Art helfen.
So Geduld lernen
- nehmen Sie die jetzige Covid-Situation und den Lockdown als Chance, nachhaltige Denk- und Handlungsmuster zu erlernen und einzuüben. Verzichten Sie auf Risikosituationen und üben Sie damit gleichzeitig Verzicht ein. Schützen Sie sich selbst und andere und machen Sie die Erfahrung, dass Geduld als emotional positiv erlebt werden kann, wenn man sie beherrscht. Verwenden Sie einen Mund- und Nasenschutz ohne Katastrophisierung, reden Sie sich keine Atemnot ein und lernen sie, eine kleine Unpässlichkeit annehmen zu können. In anderen, ärmeren LÄndern sind Menschen sehr dankbar, wenn Ihnen Masken gespendet werden. Durch konsequente Übung wird Geduld zur Belohnung und sie können aus den konditionierten Systemen der Steuerung Ihres Handelns durch kurzfristige Belohnungen aussteigen.
- machen Sie sich Ihre Ziele bewusst, finden Sie Wege zum Ziel, die Sie durchaus nicht sofort einschlagen müssen, sondern erst dann, wenn sie möglich und sinnvoll sind. Über alles noch einmal nachdenken, in sich gehen.
- erkennen Sie eigenen Katastrophisierungen und ersetzen Sie diese durch realistische und zielführende Gedanken. So können wir Einschränkungen annehmen und leiden nicht unter ihnen, während Ungeduld diese als überrollende Katastrophe erscheinen lässt. Das gilt beim Online-Dating auch dafür, dass jemand Ihr Profil nicht anschaut, Ihnen nicht schreibt, Ihnen nicht antwortet oder Sie gar kritisiert. All dies ist nicht schön, aber letztlich gar nicht schlimm. Werden Sie gelassener und erhöhen Sie Ihre Toleranz gegenüber Barrieren auf einem Weg, die Sie wegräumen können. Beim Online-Dating geht es nur darum, dass Sie einem Menschen begegnen, mit dem Sie in Beziehung treten, dass es vorher Zeiten des Wartens, der Enttäuschung und der Verärgerung gibt, ist nicht wichtig und diese ändern auch nichts an ihren Erfolgsaussichten.
- versuchen Sie gründlich und nicht oberflächlich zu denken. Nehmen Sie sich die Zeit, um Dinge genauer zu studieren und sich nicht durch ein paar Schlagworte bereits zu Meinungen oder Handlungsweisen verleiten zu lassen. Wenn Sie bis an diese Stelle in diesem Artikel gekommen sind, können Sie dies bereits – Gratulation!
- achten Sie darauf, wo Sie durch den Wunsch nach sofortiger Belohnung getrieben oder beeinflusst werden, obwohl diese sofortige Belohnung letzten Endes gar nicht zu Ihren wahren Zielen führt. Reflektieren Sie über sich selbst, überlegen Sie auch, welche Sehnsüchte oder Wünsche Sie vielleicht künftig doch angehen und zur Wirklichkeit werden lassen können.
- Entspannungsübungen, Yoga und Meditation können nachweislich helfen, Geduld zu erlernen und zufriedener zu werden. Machen Sie davon Gebrauch.
- hadern Sie nicht mit Ihrem Single-Dasein. Nehmen Sie Ihr Single-Dasein an und tun Sie gleichzeitig die Schritte zu dessen nachhaltiger Veränderung. Beides ist möglich. Es ist überhaupt nicht schlimm, dass man sich jetzt oftmals nicht treffen kann, es schadet auch nichts, wenn sich diese Situation weiter hinzieht. Nutzen Sie alle Mittel der analogen und digitalen Kommunikation, um soziale Kontakte aufzubauen oder zu pflegen, sich auszutauschen und sich gegenseitig zu unterstützen.
- gehen Sie alles – auch die Partnersuche – entschleunigt an. Dies senkt die Effektivität nicht, sondern kann sie sogar erhöhen. Sicherlich, oft ist eine schnelle direkte Begegnung nach dem Online-Kennenlernen hilfreich. Aber wir können mit den Zeiten gehen und uns auf sich verändernde Situationen einstellen. Zahlreiche Beziehungen bei Gleichklang hatten in der ersten Corona-Welle ihren Ausgangspunkt gefunden – manchmal geht es entschleunigt doch sehr schnell! Der längere Online-Austausch und der ebenso oft wesentlich längere Gebrauch von Telefon oder Messenger-Diensten vor der ersten Begegnung hatte der Partnersuche nicht geschadet und die Paare konnten zwischen der ersten und zweiten Welle dort in der direkten Begegnung anknüpfen, wohin sie zuvor bereits gelangt waren. So wird es auch jetzt wieder der Fall sein.
- betrachten Sie alles, was geschieht, unter dem Oberbegriff des individuellen Lernens und der personalen Veränderung. Tun Sie dies, halten Sie nicht nur länger durch, wenn es nötig ist, sondern Sie werden in Zeiten von Verzicht und Krise Sinn und Glück erleben können, welches sie behalten und mitnehmen können, wenn sich die Zeiten wieder ändern. Dies wünsche ich Ihnen von ganzem Herzen.