Selbstsabotage in Beziehungen
Soeben habe ich eine hochinteressante, psychologisch-qualitative Arbeit gelesen, die im Journal of Couple & Relationship Therapy im Jahr 2000 veröffentlicht wurde unter dem Titel:
- Warum sabotieren wir die Liebe? Eine thematische Analyse von Erfahrungen mit Beziehungsabbrüchen und Beziehungserhalt.
Befragt wurde eine Stichprobe von 696 Teilnehmern im Alter von 15 bis 80 Jahren. Es beteiligten sich 524 weibliche und 172 männliche Personen an der Befragung.
Ziel der Autoren war es durch eine qualitative Analyse freier Selbstschilderungen herauszufinden, warum und auf welche Art und Weise Menschen dazu neigen können, ihre partnerschaftlichen Beziehungen selbst zu sabotieren.
Was kann getan werden, um ein Muster aus unglücklichen oder scheiternden Beziehungen oder dauerhafte, ungewollte Partnerlosigkeit zu verhindern?
Im diesem Artikel stelle ich die Ergebnisse und Schlussfolgerungen der Autoren dar und ergänze sie um erläuternde Beispiele, eigene Überlegungen sowie Abschnitte zur Partnersuche.
Destruktives Beziehungsverhalten
Ausgangspunkt der Studie der Autoren waren bereits seit langem dokumentierte psychologische Beobachtungen, dass sich ein Scheitern partnerschaftlicher Beziehungen vorhersagen lässt durch destruktive Verhaltensweisen, wie permanente Kritik, Missachtung, Verteidigungshaltung und Blockade der Kommunikation.
Daraus können dysfunktionale Paar-Dynamiken in Form von Angriff-Angriff, Angriff-Rückzug und Rückzug-Rückzug entstehen. Eigentliches Motiv dieser Verhaltensweisen ist Selbstschutz, der jedoch übersteigert werden und die Fähigkeit zu Perspektivenübernahme und Klärung verlieren kann. So schützt man sich am Ende nicht selbst, sondern ruiniert seine Beziehungen.
Zwar lassen sich lebensgeschichtlich wiederholende Muster beobachten, andererseits machen die Autoren deutlich, dass es sich nicht um ein unverrückbares Schicksal handelt, sondern dass “Individuen ihr Verhalten abhängig von ihrer Kognition und ihren emotionalen Reaktionen ändern können.” Zudem “können Beziehungen auch innerhalb dieser Dynamik gut funktionieren, wenn Elemente wie Akzeptanz, Zugänglichkeit, Reaktionsfähigkeit und Engagement ebenfalls vorhanden sind”.
Gründe für Selbstsabotage
Aus den Selbstschilderungen der Befragten konnten die Autoren fünf Ursachen ableiten, warum Menschen ihre Liebesbeziehungen sabotieren:
- Angst als Angst vor Zurückweisung, Angst vor dem Verlassenwerden, Angst vor der Bindung, Angst, verletzt zu werden, Angst vor Verrat, Angst vor Intimität oder Angst vor Versagen. Aus Angst werden Beziehungen vermieden, werden Beziehungsprozesse abgebrochen, wird zu Angriff oder Rückzug oder auch zu Klammern und Überanpassung übergegangen, ohne dass echte Klärungen erfolgen.
- Schwierigkeiten mit dem Selbstwert in Form von niedrigem Selbstwertgefühl, negativen Zuschreibungen über sich selbst, Minderwertigkeitskomplexe. Schwierigkeiten mit dem eigenen Selbstwert lassen an der eigenen Liebesfähigkeit zweifeln, machen unzufrieden, senken die Motivation für Beziehungsaufbau und Konfliktklärung, können schnell zu Aufgeben und Resignation führen. Ebenfalls können so leichter abhängige Muster entstehen, die jedoch zur dauerhaften Frustration der eigenen Bedürfnisse führen. Mit diesem Thema beschäftigt sich übrigens auch ein vorheriger Artikel in diesem Blog unter dem Titel “mit positivem Selbstwert zum Beziehungsglück”.
- Gebrochenes Vertrauen, oft als Ergebnis von Erfahrungen, verraten oder betrogen worden zu sein, mit der Konsequenz, dass es schwerfällt, zu vertrauen oder dass starke Eifersucht auftritt. Mangelndes Vertrauen und Eifersucht belasten Beziehungen, können in Klammern, Kontrollen und Aggressionen resultieren. Es entsteht keine emotionale Sicherheit und Stabilität, die jedoch die Basis für wechselseitige Beziehungszufriedenheit und ausreichende Freiräume ist.
- Hohe Erwartungen an den Beziehungspartner im Sinne unrealistischer Standards, Perfektionismus und dem daraus resultierenden Eindruck, nicht verstanden zu werden oder dass die eigenen Bedürfnisse nicht erfüllt werden. Die perfekte Beziehung mit einem Beziehungspartner, der alle emotionalen Bedürfnisse bruchlos erfüllt, gibt es nicht. Jede Beziehung hat Konfliktpotentiale. Überhohe Erwartungen an eine Beziehung können chronische Unzufriedenheit bedingen, können beim Beziehungspartner zu Überforderung und bei beiden Seiten zu dauerhafter Frustration führen.
- Mängel an Beziehungsfähigkeiten im Sinne eines mangelnden Verständnisses der Dynamik einer Beziehung mit Inflexibilität, Unreife oder erlernter Hilflosigkeit. Werden Beziehungsdynamiken nicht verstanden, werden keine klärenden, verstehenden und deeskalierenden Strategien angewandt. So können schnell schädigende Muster aus Angriff oder Rückzug entstehen, der Eindruck der Unbeeinflussbarkeit und Hilflosigkeit mag auftreten, unreife, gereizte, schmollende, klammernde, drohende, erpresserische Verhaltensmuster mögen aktiviert werden.
Selbstsabotage in Aktion
Die Autoren identifizierten eine Reihe von Strategien, die eigentlich zum Selbstschutz dienen, jedoch in Beziehungen zu Selbstblockade führen können:
- Rückzug von romantischen Partnern oder Beziehungen – Verletzungen sollen vermieden werden. Hierzu gehören auch Strategien der emotionalen Loslösung, des Abschaltens und Abschottens, der Reduktion von Investition und Beziehungsarbeit. So sollen Konflikte vermieden oder ausgeblendet werden. Solche Strategien können übrigens sowohl dem Ziel der Aufrechterhaltung der Beziehung dienen (Kopf in den Sand stecken, Probleme nicht sehen) als auch der Beendigung der Beziehung (Flucht vor Auseinandersetzung durch kompletten Rückzug). Mit beiden Zielsetzungen ist jedoch die Blockade einer Beziehungsentwicklung verbunden, so dass letztlich die Wahrscheinlichkeit eines Beziehungsendes selbst dann ansteigt, wenn die Strategien genau dies verhindern sollen.
- Verteidigungshaltung und Annahme einer Opferhaltung – auch hier geht es um den Selbstschutz. Der Beziehungspartner wird als der Aggressor gesehen, vor der man sich schützen müsse. Der eigenen Person wird die Rolle des Opfers zugewiesen mit resultierender Vorwürfigkeit und Empörung. Erschwert werden dadurch jedoch die Wahrnehmung, Klärung und konstruktive Veränderung wechselseitiger Anteile. Die Rettung der Beziehung kann so höchstens noch einseitig erfolgen durch Leisten von Abbitte des (scheinbaren oder echten) Aggressors, ohne dass aber eine reife Basis für die Anerkennung von Wechselseitigkeit entsteht. So sinken die Chancen auf eine glückliche und dauerhafte Beziehung, womöglich entstehen Verbitterung und eine Negativhaltung, die auch eine künftige Beziehungsfindung erschweren mag.
- Vorspielen, so tun als ob – Menschen beginnen, sich selbst und/oder den Partner bezüglich der eigenen Gefühle und der eigenen Beziehungswahrnehmung zu belügen. Sie tun dies aus Angst, aufgrund von Minderwertigkeitsgefühlen, aufgrund von mangelndem Vertrauen, wegen uneinlösbarer perfektionistischer Ansprüche, weil Wissen über Beziehungsdynamiken fehlt. Die Beziehungssituation wird verdreht, ausgeblendet, gerechtfertigt. Man mag gar versuchen, vorzuspielen, so zu sein, wie der Partner es will oder scheinbar will, auch wenn es nicht dem eigenen Erleben entspricht. Oder ein anderes Beispiel: Treue wird versprochen, ohne sie einzuhalten. So bleiben oder werden die Beziehungspartner einander fremd. Innere Dissonanzen mögen eine Zeitlang ausgeblendet werden können, werden aber immer wieder durchbrechen und das seelische Gleichgewicht belasten. Verbesserungen sind bei Beibehaltung des Vorspielens kaum möglich, weil der Blick auf die Wirklichkeit verstellt wird.
- Aufrechterhaltung der Beziehung um jeden Preis (abhängiges Muster) – um Verletzung zu vermeiden, soll ein Ende der Beziehung unbedingt vermieden werden. Motive der Angst oder des geringen Selbstwertes können solche abhängigen Verhaltensmuster besonders aktivieren. Um ein Beziehungsende oder ein Verlassenwerden zu verhindern, erfolgt eine Selbstaufgabe, eigene Bedürfnisse werden zurückgestellt, alles wird auf den Partner ausgerichtet, Bestätigung wird gesucht. Indem der Partner über die eigene Person gestellt wird, geht jedoch letztere verloren und häufig nehmen solche Beziehungen kein gutes Ende. Sie mögen gar emotional traumatisierend verarbeitet werden und die Motivation für eine künftige Beziehung absenken.
- Angriff als beste Verteidigung – der Partner wird kritisiert, kontrolliert, alle Schuld wird dem Partner zugewiesen, es wird versucht, Macht über den Alltag des Beziehungspartners auszuüben, den Beziehungspartner nach den eigenen Bedürfnissen zu formen. Das eigene Beziehungsmodell wird als unumstößlich zugrundgelegt und es wird versucht, eine Anpassung des Beziehungspartners zu erzwingen. Es mögen perfektionistische Vorstellungen sein, aber ebenso mögen Angst, geringer Selbstwert, Vertrauensverlust und mangelnde Beziehungsfertigkeiten hinter diesem (scheinbar) dominanten Muster stecken.
- Wechsel zwischen Zuwendung und Rückzug – es werden gleichzeitig oder abwechselnd sowohl Rückzugs- wie Zuwendungsstrategien angewandt, wobei beide extremes Ausmaß annehmen können. Dies mag einschließen temporären Kontaktabbruch, Schweigen, Trennung, endlose Diskussionen, Klammern oder gar Verfolgung (Stalking). On-Off-Beziehungen sind gute Beispiele für so einen permanenten Wechsel zwischen Kontaktintensivierung und Rückzug. Es resultiert ein ständiges Auf und Ab. Geht dies Muster nur von einem Beziehungspartner aus, wird der andere Beziehungspartner mit Unverständnis, Verunsicherung, irgendwann ggf. auch mit permanenter Trennung reagieren. Geht das Muster von beiden Partnern aus, kann es lange weiterlaufen, eskalieren, ohne dass Beziehungsstabilität entsteht.
Während einzelne dieser Strategien im Verhaltensrepertoire einer Person oder in der Dynamik einer Beziehung dominieren mögen, können alle Strategien ebenfalls gleichzeitig oder abwechselnd bei der gleichen Person und in der gleichen Beziehung auftreten.
Einsicht als Wendepunkt
Aus den Selbstschilderungen der Befragten wird deutlich, dass die Einsicht in den selbstsabotierenden Charakter des eigenen Beziehungspartners ein wichtiger Ausgangspunkt für Veränderung sein kann.
Entscheidend ist, zu erkennen, dass die eigenen Muster einen Beziehungserfolg verhindern, die Bereitschaft für konstruktive Beziehungsarbeit reduzieren oder nur noch dazu dienen, das Scheitern einer Beziehung zu rechtfertigen, anstatt eine bessere Beziehung zu etablieren.
Sicherlich ist es nicht so einfach nach dem Motto “Gefahr erkannt – Gefahr gebannt”, denn Verhaltensweisen können selbst dann automatisiert ablaufen, wenn sie als unerwünscht oder schädigend erkannt wurden.
Dennoch ist es bei vorhandener Einsicht bei weitem einfacher, destruktive Verhaltensweisen zu stoppen, über alternative, förderliche Verhaltensweisen nachzudenken und diese umzusetzen.
Einsicht in die eigenen Muster zur Selbstsabotage ist insofern ein notwendiger, wenn auch noch nicht unbedingt ein hinreichender Schritt.
Selbstsabotage durchbrechen
Ausgehend von Einsicht in selbstsabotierende Verhaltensweisen konnten die Autoren aus den Selbstschilderungen der Befragten folgende Hauptstrategien herausarbeiten, um Liebe zu fördern, zu entwickeln und wachsen zu lassen:
- Kommunikation und Offenheit – so lassen sich wechselseitige Erwartungen klären und managen, Konflikte lösen und eine gemeinsame Basis für Alltag, Ziele und Lebensbezüge herausarbeiten. Hierzu gehört auch die Kommunikation der eigenen Ängste, Enttäuschungen, perfektionistischen Erwartungen (als perfektionistisch reflektiert), Vertrauensprobleme oder des eigenen Unverständnisses der Beziehungsdynamik und der resultierenden Ratlosigkeit. Liegt ein Verstehen erst wechselseitig vor, mögen die gleichen dysfunktionalen Verhaltensweisen ihre destruktive Auswirkung auf die Beziehung bereits verlieren. Ebenso wichtig ist es neben den Gründen auch die selbstsabotierenden Strategien selbst (Rückzug, Verteidigungshaltung, Angriff, abhängige Muster oder auch Wechsel zwischen Zuwendung und Rückzug) zu thematisieren mit dem Ziel zu reiferen Strategien zu gelangen, die einen tatsächlichen Selbst- und Beziehungsschutz bewirken können.
- Engagement – hier geht es darum, sich für die Beziehung einzusetzen, sich zu bemühen, sich für eine Beziehung auch anstrengen, damit den Wert der Beziehung einander zeigen und sich für Klärung und Kooperation einzusetzen. Solche bewusste Anstrengung kann helfen, Bewältigungsstrategien für Beziehungsprobleme herauszuarbeiten, Vertrauen zu schaffen, Ängste zu überwinden, zu echter Gemeinsamkeit zu gelangen. Nehmen sich beide Beziehungspartner als für die Beziehung engagiert wahr, werden sabotierende Strategien weniger aktiviert und die wechselseitige Basis von Sympathie, Liebe und Kooperation kann sich vertiefen.
- Sicherheit herstellen – auf schwankendem Boden und mit permanentem Zweifel ist es schwierig, ein stabiles Fundament zu bilden. Miteinander zu dem ehrlichen und geteilten Streben zu gelangen, an der Beziehung arbeiten zu wollen, nicht sofort bei kleinen Störungen zu fliehen oder die Beziehung in Frage zu stellen, Konflikte auch aushalten und angehen zu wollen, vermittelt eine emotionale Sicherheit. Solch eine emotionale Sicherheit lässt vieles, was vorher belastete, in einem anderen, milderen Licht und vor allem als lösbar erscheinen. Es sind nicht immer die objektiven Fakten, die uns beunruhigen oder belasten, sondern deren Bewertung. Geben wir uns wechselseitige Sicherheit, können sich vorheriger Belastungen sogar ohne objektive Situationsveränderung auflösen. Sicherheit ist ein menschliches Grundbedürfnis und die Herstellung von Sicherheit ist ein wichtiger Beitrag zum Erhalt einer Beziehung.
- Akzeptanz – dies ist einer der zentralen Motoren für unsere Lebenszufriedenheit und eben auch für unsere Beziehungszufriedenheit. Nicht alles lässt sich ändern, nicht alles sollte geändert werden, selbst wenn es möglich wäre, und sicherlich sollte eine Beziehung nicht vorwiegend darum gehen, den anderen zu verändern. Akzeptanz für die Persönlichkeit und die Eigenartigen des Beziehungspartners ist eine wichtige Voraussetzung für eine gesunde Beziehung. Das zeigt übrigens auch immer wieder in Befragungen von Paaren, die jahrzehntelang zusammen sind. Es geht dabei aber nicht nur um die Akzeptanz so mancher Marotte des Beziehungspartners, sondern notwendig ist ebenso die Akzeptanz dafür, dass in jeder Beziehung Verletzungen stattfinden werden. So bereichernd eine Beziehung auch für die eigene Lebenszufriedenheit sein kann, so werden selbst in der glücklichsten Beziehung Verletzungen nicht ausbleiben. Verletzungen sind ein natürlicher Teil von Beziehungen und wer sie ganz vermeiden will, wird nur zur Beziehungsvermeidung greifen können, die aber dauerhaft nach zahlreichen psychologischen Untersuchungen weniger glücklich macht als die Akzeptanz der natürlichen Verletzungen und deren Management, die in jeder Beziehung auftreten werden.
Resümee der Autoren
Die Autoren gelangen zu folgenden Schlussfolgerungen
- “Individuen sabotieren Beziehungen aus einem Hauptgrund – um sich selbst zu schützen. Diese selbstschützenden Strategien werden nicht mit der Absicht eingesetzt, destruktiv zu sein. Obwohl sie manchmal hilfreich oder notwendig sein können, können diese Strategien selbstzerstörerisch werden … Infolgedessen können Individuen in einem kontinuierlichen Kreislauf von Beziehungsversagen und Bestätigung ihrer unsicheren Überzeugungen stecken bleiben. … “
Aber es ergeben sich für die Autoren ebenso positive Implikationen, die aufzeigen, dass aus dem Kreislauf der Selbstsabotage ausgestiegen werden kann:
- “Die Ergebnisse der aktuellen Studie unterstreichen auch die Wichtigkeit der Einsicht und des Blicks auf das Selbst in der Paarbeziehung. … Es ist auch bekannt, dass Selbstreflexion zu einem besseren Verständnis von Emotionen, Kognitionen und Verhaltensweisen führt … Beziehungsfähigkeiten helfen Individuen dabei, zu lernen, wie man in einer Beziehung ist, und persönliches Wachstum zu erreichen … Insgesamt können Beziehungsfähigkeiten helfen, Stressoren, die in einer Paarbeziehung unvermeidlich sind, mit Widerstandskraft und Durchhaltevermögen zu begegnen, um zusammen zu bleiben. Auch die Akzeptanz, dass es ein natürlicher Teil einer romantischen Beziehung ist, verletzt zu werden, scheint ein wichtiger Teil des Prozesses zu sein, um den Kreislauf der Selbstsabotage zu durchbrechen. Insgesamt deuten die Antworten der Teilnehmer darauf hin, dass das Management von Beziehungserwartungen ein Schlüsselaspekt zur Aufrechterhaltung einer gesunden Beziehung ist. … In ähnlicher Weise deuten die Ergebnisse der aktuellen Studie darauf hin, dass hohe Erwartungen an Beziehungen und ein allgemeiner Mangel an Wissen darüber, was eine Paarbeziehung mit sich bringt, in romantischen Beziehungen sehr destruktiv sein können und erheblichen Stress verursachen. Ein bekanntes Mittel gegen destruktive Verhaltensweisen in Beziehungen ist die Übernahme von Verantwortung für die eigenen Handlungen und Erwartungen. Es scheint also, dass das Heilmittel die Einsicht ist, das Managen von Erwartungen und die Zusammenarbeit zwischen den Partnern mit Raum (Akzeptanz) für Verletzlichkeit, um die Bindung zu festigen. ….”
Selbstsabotage bei der Online-Partnersuche
Alle dargestellten Muster der Selbstsabotage von Beziehungen beginnen nicht erst, wenn eine Beziehung entstanden ist (auch wenn die Autoren sich hieraus fokussierten), sondern können bereits das Entstehen einer Beziehung von Anbeginn an sabotieren.
Sie können sich bei der Online-Partnersuche u.a. in folgenden Verhaltensweisen zeigen:
- Rückzugsverhalten: Vorschläge werden nicht angeschrieben oder es wird ihnen nicht geantwortet, das Kennenlernen wird verzögert oder im letzten Moment abgesagt, in der Beziehungsentstehung entstehen plötzlich massive Bedenken und die Beziehungsentstehung wird abgebrochen. Zweifel an dem eigenen Beziehungswunsch treten auf, wenn es ernst wird. Vorschläge mögen auch (für den anderen überraschend) gelöscht werden oder im Verlauf einer sich vertiefenden Begegnung mag plötzlich die Kategorie Partnersuche ganz abgewählt werden, so dass keine Kontaktmöglichkeit mehr besteht.
- Hyperkritische Bewertung und negative Brille: Vorschläge werden nicht nach Passung durchsucht, sondern nach Unpassung, kleinere Unstimmigkeiten werden überbetont, verletzende Kritik wird geäußert, schon in der Kennenlernphase werden Methoden der Beeinflussung und Machtausübung eingesetzt. Meistens stößt man damit Online auf wenig Gegenliebe und die Kontakte brechen ab. Ist die andere Seite beeinflussbar, mögen Kontakte fortbestehen oder sogar Beziehungen entstehen, die aber kaum auf eine reife und beidseitige Basis kommen und meistens dann doch nicht lange von Bestand sind.
- Abhängige Muster, Kontrolle und Eifersucht: Wieso erfolgt die Antwort nicht sofort? Wird noch mit anderen kommuniziert? Warum will er oder sie sich nicht sofort treffen? Sind ihm oder ihr andere Dinge wichtiger als meine Person? Ängstlich-klammernde oder kontrollierend-eifersüchtige Muster können bereits Online und im Verlauf der ersten Begegnungen auftreten. Dies kann zum Rückzug eines potentiellen Beziehungspartners führen, aber auch zum eigenen Rückzug wegen der resultierenden seelischen Belastung.
- Vorspielen und so tun als ob: Die eigene Person wird nicht authentisch eingebracht, wie sie ist, sondern es wird eine Selbstpräsentation vorgenommen, die sich an sozialer Erwünschtheit, gesellschaftlichen Erwartungen oder den vermeintlichen Erwartungen des Gegenübers orientiert. Es erfolgt keine ehrliche Reflexion eines aktuellen Kennenlernprozesses, so dass dieser auf der Basis illusorischer Voraussetzungen entsteht. Extremfälle sind Beispiele, wo komplett falsch Fotos oder fiktive Altersangaben verwandt werden – ein Phänomen, was allerdings bei Flirt- und Dating-Apps häufiger vorkommt als bei einer a priori auf dauerhafte Beziehungen ausgerichteten Kennenlernplattform wie Gleichklang.
- Verteidigungshaltung und Opferrolle: Enttäuschungen, Zurückweisungen oder mangelnder bisheriger Erfolg werden katastrophisiert, als Angriff auf die eigene Person bewertet. Teilnehmern oder uns als Anbieterin wird die Schuld zugewiesen. Die Partnersuche wird als Kampf gegen (vermeintliche) Angreifer verstanden und zum Eigenschutz die Opferrolle übernommen. Bei Männern treten bei diesem Muster nicht selten frauenfeindliche-misogyne Haltungen auf. Frauen mögen umgekehrt allen Männern unterstellen, nur auf Jugendlichkeit, Aussehen und Sex zu achten. Vorschnelles Aufgeben oder die felsenfeste Überzeugung, man werde hinters Licht geführt, getäuscht, abgezockt. Alles sei sowieso aussichtslos. Auch wir werden in solchen Fällen übrigens manchmal Projektions-Objekt regelrechtere Aggressionsattacken oder Mitglieder meinen, uns auf Bewertungsseiten offenbar zur Selbstentlastung zerreißen zu müssen. Leider werden die Betreffenden bei ihrer Partnersuche selten erfolgreich, wenn sie ihr Muster nicht reflektieren und verändern. Es mag entlastend sein, die Verantwortung für (übrigens nur temporären Misserfolg) anderen zuzuweisen, tatsächlich sabotieren die Betreffenden damit aber ihre dauerhaften Beziehungsmöglichkeiten.
- Wechsel zwischen Rückzug und Zuwendung: Auch dies kann bereits Online auftreten – es wird intensiv kommuniziert und plötzlich geschwiegen, Begegnungen finden statt und plötzlicher Rückzug, eine gemeinsame Zukunft wird gesehen und plötzlich angezweifelt. Wechseln sich solche Reaktionsweisen mehrfach ab, entspricht dies dem oben angesprochenen selbstsabotierenden Wechsel zwischen Zuwendung und Rückzug. Online gibt dann irgendwann eine Seite meistens auf.
Die Ursachen für all diese selbstsabotierenden Handlungsmuster beim Online-Dating können wiederum gefunden werden in Angst, Schwierigkeiten mit dem Selbstwert, gebrochenem Vertrauen, hohen Erwartungen im Sinne unrealistischer Standards und Perfektionismus, sowie Mängel an Beziehungsfähigkeiten.
Ursachen des Single-Daseins
Es ergeben sich vielfältige Bezüge zu den Ursachen des Single-Daseins, über die ich in der letzten Woche schrieb und zu deren Erfassung wir in unserem Testportal einen Selbsttest zur Verfügung stellen.
- Angst und Selbstwertdefizite können offensichtlich zu Hemmungen und Selbstunsicherheit führen, die die Kontaktaufnahme und das Kennenlernen erschweren und Vermeidungstendenzen auslösen können.
- Vertrauensverlust und negative Vorerfahrungen spiegeln direkt die entsprechende Skala “Negative “Vorerfahrungen und Befürchtungen” im Selbsttest wider.
- Sie mögen aber in indirekter Art und Weise zusätzlich dazu beitragen, dass ein Rückzug aus der Partnersuche oder der Beziehungsthematik überhaupt erfolgt und dies hinter anderen Prioritäten oder auch einer (nur scheinbaren) Zufriedenheit mit dem Single-Dasein verborgen wird.
- Perfektionistische Vorstellungen und eine geringe Akzeptanz führen zu erhöhten Ansprüchen, bei denen letztlich wirklich beziehungswichtige Themen sogar aus dem Blick verloren gehen können. Aber auch die Angst, sich nicht verlieben zu können, mag Ausdruck eines Perfektionismus sein, der sich einer schrittweisen Entwicklung von Sympathie und Liebe durch Maximalerwartungen an sofortige und große Gefühle in den Weg stellt.
- Eine mangelnde Reflexion kann der Erklärung “alles nur Zufall” zusätzlich zum Durchbruch verhelfen, wodurch Veränderungen freilich erschwert werden – man kann ja sowieso nichts tun.
- Eine prekäre berufliche oder finanzielle Situation mit erlebter Zurückweisung mag – gerade bei Männern – Anlass geben, allen Frauen monetäre oder statusbezogene Motive zu unterstellen und so für sich die Opferrolle zu reklamieren. Dadurch wird der selbstbewusste Umgang mit der eigenen Lebenssituation erschwert.
- In so manchen Fällen mag eine polygame Tendenz die Partnersuche blockieren, weil die ehrliche Kommunikation unterbleibt und stattdessen einem potentiellen Beziehungspartner/in etwas vorgespielt wird, was keine Basis im eigenen Erleben hat.
- Aber auch eine erlebte Blockade der Partnersuche durch sexuelle Schwierigkeiten mag nicht nur mit Hemmungen zusammenhängen, sondern ebenso damit, dass nicht offen, authentisch und ehrlich genug kommuniziert wird – in diesem Fall würde sich recht oft zeigen, dass das Hindernis tatsächlich gar nicht besteht.
Selbstwirksame Partnersuche
Die positive Botschaft lautet, dass all diese Selbstblockaden überwunden werden können:
- die Kenntnis der eigenen Muster und der konsequente Einsatz von offener Kommunikation, Engagement und Akzeptanz kann die Online-Partnersuche, den Beziehungsaufbau und die Beziehungsaufrechterhaltung zum Erfolg führen.
Übrigens geht es nicht ausschließlich um Selbstreflexion, sondern es geht auch darum, die Perspektive besser wechseln und ein Gegenüber besser verstehen zu können:
- so mag es sogar möglich werden, einen plötzlichen Kontaktabbruch durch das Gegenüber durch eine klärende Nachfrage wieder aufzufangen und zurück miteinander ins Gespräch zu gelangen.
- auch mag es so leichter fallen, sich zum ersten Schritt für die Kontaktaufnahme zu motivieren oder gar noch einmal freundlich nachzufragen, wenn eine Antwort ausbleibt.
- Ärger, Wut, Verbitterung, Enttäuschung oder Ratlosigkeit aus der Vergangenheit mögen ebenfalls weichen oder abnehmen, wenn man beginnt zu verstehen, was womöglich beim früheren Beziehungspartner innerpsychisch abgelaufen ist. Dies wiederum kann dann für die eigene aktuelle oder künftige Partnersuche hilfreich sein.
- umgekehrt ist es ebenfalls denkbar, dass durch ein beim Gegenüber beobachtetes Muster berechtigte Abgrenzungssignale wachgerufen werden. Unterschwelliges oder explizites Beeinflussungs- und Kontrollverhalten, Rigidität und Anpassungsanforderungen, latente oder manifeste Aggressionen des Gegenübers mögen hierfür Anlass geben und vor einem Hineinschlittern in eine negative Beziehungserfahrung schützen. Wird die Abgrenzung mit einem klaren Hinweis an das Gegenüber verbunden, mögen gar beide Seiten davon profitieren.
Bedeutung selbstwirksame Partnersuche
Selbstwirksame Partnersuche in diesem Sinne bedeutet, sich über die eigenen Muster aus der Vergangenheit und mögliche selbstsabotierende Reaktionsweisen sowie deren Ursachen klar zu werden und auf der Grundlage dieser Einsicht an Veränderung und einem reifen Kennenlern- und Beziehungsverhalten zu arbeiten.
Es bedeutet gleichzeitig, mit dem Gegenüber in einen offene und authentischen Kommunikationsprozess einzutreten und mit Engagement, aber auch Akzeptanz auszuloten, ob Möglichkeiten für eine Beziehung miteinander bestehen.
Selbstwirksame Partnersuche bedeutet, nicht nur sich selbst, sondern auch den potentiellen Beziehungspartner besser zu verstehen und auf dieser Basis eine effektive gemeinsame Entscheidung für oder auch gegen eine Beziehung treffen zu können.
Dabei kann es dem eigenen seelischen Wohlbefinden und den Aussichten der Partnersuche nur guttun, Verbitterung, Vorwürflichkeit, überhöhte Erwartungen und die Opferrolle hinter sich zu lassen, die Verantwortung für die eigene Partnersuche zu übernehmen und diese entsprechend mit Geduld, Ausdauer, Engagement und Zuversicht anzugehen.