Umfrage zur Häufigkeit negativer Gefühle bezüglich erster Begegnungen bei der Online-Partnersuche
In einem vorherigen Artikel habe ich über die Ergebnisse einer qualitativen Analyse von Selbstschilderungen von Gleichklang-Mitgliedern berichtet, denen die Vorstellung eines ersten Treffens außerhalb des Internets mit einem Dating-Kontakt unangenehm war.
Aus der qualitativen Analyse ihrer Selbstschilderungen konnten wir 18 Gründe identifizieren, warum die Vorstellung einer ersten Begegnung beim Online-Dating als unangenehm erlebt werden kann.
Zwar konnten wir anhand dieser qualitativen Analyse auch eine Abschätzung der relativen Häufigkeit dieser Gründe vornehmen, die Abschätzung der absoluten Häufigkeit ist aber bei qualitativen Analysen nicht möglich. Denn wenn jemand in einem freien Text einen bestimmten Grund nicht spontan angibt, bedeutet dies noch keineswegs, dass der Grund nicht vorlegen würde. Wird der Grund direkt erfragt, mag er also bejaht werden, auch wenn er nicht spontan genannt wurde. Qualitative Analysen gelangen deshalb typischerweise zu einer erheblichen Unterschätzung der tatsächlichen Häufigkeit von Ereignissen.
Deshalb haben wir nunmehr auch eine quantitative Befragung der Häufigkeit der in in der qualitativen Analyse identifizierten Gründe für negative Gefühle, die mit der Vorstellung eines ersten Treffens verbunden sein können, durchgeführt.
Hierfür haben wir die zuvor identifizierten 18 Gründe partnersuchenden Mitgliedern vorgegeben und diese gebeten, für jeden Grund anzugeben, ob dieser Grund bei ihnen vorliegt oder nicht. Eingeschlossen wurden dabei ausschließlich solche Personen, die zuvor angegeben hatten, dass die Vorstellung eines ersten Treffens beim Online-Dating für sie auch tatsächlich unangenehm sei.
Ebenfalls wurde danach gefragt, ob die Betreffenden zu Strategien griffen, einem Treffen aus dem Weg zu gehen, indem Treffen ganz vermieden, aufgeschoben oder abgesagt werden oder aber jemand einfach zu einem Treffen nicht erscheint. Auch die Fragen hierzu konnten jeweils mit “Ja” oder “Nein” beantwortet werden.
Außerdem erfragten wir das Geschlecht (Frau, Mann, nicht binär), das Alter (in Jahren), sowie den Bildungsstand (neun Stufen von kein Abschluss bis Habilitation) der Teilnehmenden, um mögliche Zusammenhänge dieser Faktoren zu unangenehmen Gefühlen beim Online-Dating untersuchen zu können.
An der Umfrage beteiligten sich 1472 Mitglieder, unter ihnen waren 756 Frauen, 693 Männer und 23 Personen mit nicht-binärem Geschlecht. Das durchschnittliche Alter betrug 52,9 Jahre und schwankte zwischen minimal 19 und maximal 82 Jahren.
Wichtigkeit der Fragestellung
Warum wir haben wir so hohen Aufwand getrieben, um diese Frage zu untersuchen?
Der Grund liegt darin, dass unangenehme Gefühle in Erwartung eines ersten Treffens sich negative auf die Erfolgsaussichten aller Partnersuchenden auswirken können:
- Betroffene können Treffen vermeiden, aufschieben, absagen oder zu ihnen nicht erscheinen, sodass Begegnungschancen verloren gehen. Werden Treffen ganz vermieden, kann eine Beziehung nicht entstehen. Werden Treffen aufgeschoben, besteht die Gefahr, dass ein Online-Kontakt einschläft, auch weil die andere Person an der Ernsthaftigkeit zweifeln mag, keine weitere Geduld hat oder jemanden anderen kennenlernt. Werden Treffen abgesagt, kann dies zu Verärgerung und Kontaktbeendigung führen. Gleiches gilt in noch stärkerem Ausmaß für den Fall, dass jemand bei einem vereinbartem Treffen nicht erscheint.
- Personen, für die das erste Treffen nicht unangenehm ist, sind ebenfalls betroffen, weil die andere Person ein Treffen mit ihnen vermeiden, aufschieben oder absagen mag oder gar zu einer Verabredung nicht erscheint. Die Betreffenden sehen dies möglicherweise als Anzeichen von Desinteresse an und beenden einen Kontakt, obwohl durchaus eine Beziehungschance bestünde, diese aber durch die innere Blockade der anderen Person, die ein Treffen fürchtet, zunichte gemacht wird.
Es handelt sich also offensichtlich um ein wichtiges Thema, welches untersucht werden muss, um Teilnehmenden beim Online-Dating und der Online-Partnervermittlung wirksame Empfehlungen geben zu können, wie sie mit dieser Problematik umgehen oder sie überwinden können. Hierfür ist jedoch eine Kenntnis der genau Gründe erforderlich, warum emotionale Vorbehalte gegenüber einem Treffen bei der Online-Partnersuche auftreten.
Ergebnisse der Umfrage
Häufigkeit unangenehmer Gefühle vor dem ersten Treffen
- 25,1 % der Befragten und damit eine von vier Personen bejahten die Frage, ob ihnen die Vorstellung eines ersten Treffens bei der Online-Partnersuche unangenehm sei.
Dieser Prozentsatz war bei allen Geschlechtern vergleichbar. Es zeigten sich ebenfalls keine signifikanten Zusammenhänge zum Bildungsstand. Mit wachsendem Alter der Befragten nahm die Häufigkeit negativer Gefühle leicht ab, wobei der entsprechende Zusammenhang zwar statistisch signifikant, aber nur sehr geringgradig war.
Auswirkungen unangenehmer Gefühle
57,6 % der Befragten, die über unangenehme Gefühle bezüglich eines ersten Treffens berichteten, gaben an, Verabredungen in mindestens einer der folgenden Art und Weisen aus dem Weg zu gehen:
- 45,3 % gaben an, eine Verabredung ganz vermieden zu haben.
- 39,7 % berichteten vom Aufschieben einer Verabredung.
- 18,4 % schilderten, eine bereits getroffene Verabredung abgesagt zu haben.
- 1,7 % gaben an, zu einer getroffenen Verabredung nicht erschienen zu sein.
25,3 % der Betroffenen gaben nur eine Art und Weise an, 21,6 % berichteten über zwei, 10,6 % über drei und 1,1 % sogar über alle vier Art und Weisen, Verabredungen aus dem Weg zu gehen.
Frauen mit negativen Gefühlen bezüglich des ersten Treffens neigten statistisch signifikant Vergleich stärker zum Vermeiden und zur Absage von Verabredungen als die Männer:
- 50 % der entsprechenden Frauen, aber nur 39,1 der Männer gaben an, Treffen bereits ganz vermieden zu haben.
- 24,0 % der entsprechenden Frauen, aber nur 10,9 % der Männer berichteten, eine Verabredung abgesagt zu haben.
(Nur für die Interessierten: Als signifikant wurde ein Ergebnis bewertet, wenn mit einer Wahrscheinlichkeit von 95 % dieses Ergebnis nicht durch Zufall erklärbar ist. Da viele Einzelvergleiche durchgeführt wurden, wurde der sogenannte alpha-Fehler konservativ adjustiert, indem die für einen Einzelvergleich in Kauf genommene Fehlerwahrscheinlichkeit von 5 % durch die Anzahl der Vergleiche dividiert wurde).
Keine Unterschiede zwischen Männern und Frauen zeigten sich beim Aufschieben von Verabredungen oder beim Nicht-Erscheinen bei bereits getroffenen Verabredungen. Leider gab es in der Stichprobe zu wenige nicht binäre Personen, so dass zu dieser Gruppe keine Aussagen gemacht werden können.
Ein höheres Alter ging statistisch signifikant, aber in nur geringradigem Ausmaß mit einer höheren Häufigkeit von Nicht-Erscheinen bei Verabredungen einher. Es zeigten sich keine weiteren Einflüsse des Alters oder auch des Bildungsstandes auf Strategien, um Verabredungen aus dem Weg zu gehen.
Ursachen für negative Gefühle
Dies sind sortiert nach ihrer Häufigkeit die 18 Gründe, warum die Befragten die Vorstellung eines ersten Treffens als unangenehm erlebten.
Einbezogen sind ausschließlich diejenigen 25,1 % der Gesamtstichprobe, die die Vorstellung eines ersten Treffens tatsächlich als unangenehm erlebten. Die Prozentsätze beziehen sich also nicht auf alle Teilnehmenden, sondern nur auf diejenigen, die tatsächlich angegeben haben, dass die Vorstellung eines ersten Treffens für sie unangenehm sei. Dies gilt im folgenden auch für alle weiteren Ergebnisse:
- 82,1 %: Angst vor Bewertung und Ablehnung – die Sorge, den Erwartungen der anderen Person nicht zu entsprechen und von dieser abgelehnt zu werden.
- 74,6 %: Desillusionierung – die Befürchtung, enttäuscht zu werden oder dass die andere Person ganz anders ist als erhofft.
- 57,6 %: Selbstunsicherheit – die Einschätzung der eigenen Person als schüchtern, sozial ängstlich oder gehemmt.
- 64,3 %: Anstrengungs-Empfinden – Planung und Umsetzung des ersten Treffens werden als anstrengend erlebt.
- 61,7 %: Aufregung und Nervosität – die Vorstellung eines ersten Treffens aktiviert Nervosität, Aufregung und Anspannung.
- 59,9 %: Sorge vor unbefriedigender Kommunikation – die Befürchtung, dass die Kommunikation ins Stocken gerät und dadurch eine peinliche Situation entstehen könnte.
- 55,6 %: Angst, andere abzulehnen – die Befürchtung, jemanden anderes ablehnen oder zurückweisen zu müssen.
- 55,0 %: Abneigung gegen künstliche Situation – die Ansicht oder das Gefühl, dass Verabredungen beim Online-Dating zu unnatürlichen Begegnungen führen.
- 49,1 %: Negative Erfahrungen – die Erinnerung an frühere negative Erlebnisse bei Verabredungen.
- 39,8 %: Angst vor Beziehung – der Zweifel am eigenen Beziehungswunsch und die Angst vor Verbindlichkeit.
- 36,9 %: Wunsch nach längerem Online-Kontakt – das Bedürfnis, die andere Person noch intensiver zunächst rein Online kennenzulernen.
- 34,3 %: Keine Vorerfahrungen – das Fehlen von Vorerfahrungen mit dem Online-Dating, so dass ein mögliches Treffen schwer einzuschätzen ist.
- 33,6 %: Angst vor Kontaktverlust – die Befürchtung, dass ein guter Online-Kontakt nach einem ersten Treffen verloren gehen könnte.
- 33,1 %: Negatives Körperselbstbild – die Überzeugung, hässlich und nicht begehrenswert zu sein.
- 28,4 %: Angst vor Entscheidungsunfähigkeit – die Sorge, sich nicht für oder gegen eine Beziehung entscheiden zu können.
- 23,1 %: Angst vor Übergriffen – die Befürchtung, von der anderen Person bedrängt oder unter Druck gesetzt zu werden.
- 14,3 %: Sorge vor Outing – die Angst vor dem Verlust der Anonymität und dem Bekanntwerden des Online-Dating.
- 1,8 %: : Schuldgefühle wegen Fremdgenen – das schlechte Gewissen, weil bereits eine Partnerschaft besteht.
Cluster-Analyse der verschiedenen Gründe
Wir haben ebenfalls untersucht, ob sich die 18 verschiedenen Gründe statistisch in übergeordnete Kategorien zuweisen lassen. Hierzu haben wir eine hierarchische Cluster-Analyse auf der Basis der Phi-Koeffizienten durchgeführt, die die Zusammenhänge zwischen der Zustimmung oder Ablehnung der 18 Gründe untereinander beschreiben.
- Cluster 1: Ablehnungssensitivität und Selbstunsicherheit (Angst vor Bewertung und Ablehnung, Selbstunsicherheit, Angst vor unbefriedigender Kommunikation, Aufregung und Nervosität, negatives Körperselbstbild und Angst vor Kontaktverlust).
- Cluster 2: Angst vor dem Übergang in die Offline-Welt (Angst vor Übergriffen, Wunsch, sich länger Online kennenzulernen, Fehlen von Vorerfahrungen, Sorge vor Entscheidungsunsicherheit, Angst vor Outing, Angst vor Beziehung und Verbindlichkeit).
- Cluster 3: Belastung durch Enttäuschung und Anstrengung (Desillusionierung, Angst, absagen müssen, künstlicher Charakter, Anstrengung, negative Erfahrungen).
Geschlechter-Unterschiede
Lediglich bei vier der 18 Gründen traten signifikante Häufigkeits-Unterschiede zwischen Männern und Frauen auf:
- Angst vor Übergriffen: 34,0 % der Frauen, aber nur 8,6 % der Männer befürchteten Übergriffigkeit beim ersten Treffen.
- Selbstunsicherheit: 70,9 % der Männer, jedoch lediglich 46,6 % der Frauen gaben an, für ein erstes Treffen zu selbstunsicher zu sein.
- Abneigung gegen künstliche Situation: 62,8 % der Frauen, aber nur 44,4 % der Männer sorgten sich wegen der Künstlichkeit der Situation.
- Wunsch nach längerem Online-Kontakt: 46,6 % der Frauen, aber lediglich 25,2 % der Männer wünschten sich eine längeres Verbleiben des Kontaktes auf der Online-Ebene.
(Wohlgemerkt, die Prozentsätze beziehen sich nicht auf alle Frauen oder alle Männer der Stichprobe, sondern lediglich auf denjenigen Anteil von 25,1 % der Stichprobe, die zuvor angaben, dass ihnen die Vorstellung eines Treffens unangenehm sei.)
Einflüsse von Alter und Bildungsstand
- Ein höheres Alter ging einher mit einer statistisch signifikant geringeren Häufigkeit von Selbstunsicherheit, Aufregung und Nervosität, sowie mit einer geringeren Häufigkeit der Sorge vor einer unbefriedigenden Kommunikation. Der Effekt zwar zwar signifikant, aber nur sehr schwach ausgeprägt.
- Ein geringerer Bildungsstand ging mit einer leichten, aber statistisch signifikanten Zunahme der Häufigkeit von Selbstunsicherheit und einem negativen Körperbild einher. Umgekehrt war ein höherer Bildungsstand mit einer ebenfalls leichten, aber statistisch signifikanten Zunahme der Häufigkeit der Abneigung gegen die künstliche Situation des ersten Treffens assoziiert.
Die Effekte von Alter und Bildung waren so gering, dass sie für die Interpretation kaum eine Rolle spiele. Womöglich lernen Partnersuchende mit wachsendem Alter Hemmungen und Aufregung besser zu kontrollieren. Personen mit höherem Bildungsstand haben auch insgesamt ein positiveres Selbstbild, was auch die Körperlichkeit einbezieht, zumal Aussehen kein objektives Merkmal ist und Personen mit hohem Status von einigen Menschen auch körperlich als attraktiver bewertet werden als Personen mit geringerem Status und dem gleichen Aussehen. .
Multiple Gründe
- Fast alle Befragten, die berichteten, die Vorstellung eines ersten Treffens bei der Online-Partnersuche als unangenehm zu erleben, bejahten hierfür mehr als einen Grund. Im Durchschnitt stimmten die Befragten jeweils acht der 18 Gründe zu.
Zusammenfassung und psychologische Empfehlungen
Ohne Verabredungen außerhalb des Internet macht die Online-Partnersuche und die Teilnahme an einer Partnervermittlung keinen Sinn. Trotzdem erlebt nach den Ergebnissen der aktuellen Umfrage jede vierte Person, die Online nach der Liebe sucht, die Vorstellung eines ersten Treffens als unangenehm.
Für einen Teil der Betroffenen bleibt dies eine rein emotionale Problematik. Für die Mehrheit der Betroffenen wirken sich diese unangenehmen Gefühle jedoch auch auf ihr Dating-Verhalten aus, indem sie Treffen vermeiden, aufschieben oder absagen:
- Mehr als 57 % derjenigen, für die die Vorstellung eines ersten Treffens unangenehm ist, gehen nach den Ergebnissen dieser Umfrage tatsächlich Verabredungen aus dem Weg.
Dies macht deutlich, dass es sich bei unangenehmen Befürchtungen bezüglich des ersten Treffens für eine Reihe von Partnersuchenden um ein erhebliches Problem handelt.
Die Umfrage zeigt ebenfalls, dass unangenehme Gefühle bei der Vorstellung eines Treffens unabhängig von Geschlecht, Alter und Bildungsstand auftreten. Betroffene Frauen neigen aber etwas stärker dazu als betroffene Männer, Treffen tatsächlich zu vermeiden oder abzusagen.
Es gibt eine Vielzahl von Ursachen, warum Teilnehmende beim Online-Dating die Vorstellung eines ersten Treffens als unangenehm erleben, wobei die meisten Betroffene hierfür nicht nur einen, sondern mehrere Gründe angeben. Das unangenehme Gefühl Erwägung eines ersten Treffens ist also ein multifaktorielles Geschehen, was sich in der Regel nicht nur durch eine einzige Ursache erklärt:
- Die beiden häufigsten Gründe, die für eine große Mehrheit zutreffen, sind die Angst vor Bewertung und Ablehnung, sowie die Befürchtung, dass durch das erste Treffen vorherige Hoffnungen enttäuscht werden könnten.
- Sehr oft erleben Teilnehmende beim Online-Dating aber auch die Vorstellung eines ersten Treffens als anstrengend oder sie schildern ein hohes Ausmaß an eigener Aufregung und Nervosität. Weitere häufig auftretende Gründe sind die Sorge, dass die Kommunikation ins Stocken geraten könnte, eine hohe eigene Schüchternheit, Angst, jemanden ablehnen zu müssen oder auch das Gefühl, dass die erste Verabredung beim Online-Dating einen künstlichen Charakter habe.
- Seltener, aber nach wie vor von jeder dritten bis zweiten Person mit negativen Geschildert geschildert werden negative Erfahrungen mit ersten Verabredungen in der Vergangenheit, eine Angst vor Beziehung und Verbindlichkeit, der Wunsch nach einem längeren Online-Kennenlernen, die Sorge, dass ein guter Online-Kontakt nach einem Treffen enden könnte oder auch ein negatives Körperselbstbild mit der Befürchtung, körperlich nicht begehrenswert zu sein.
Alle andere Gründe treten erheblich seltener auf:
- Ungefähr jede vierte Person, für die die Vorstellung eines ersten Treffens negativ ist, hat Angst davor, sich nicht entscheiden zu können oder Angst vor Übergriffen beim Treffen. Jede siebte Person fürchtet sich davor, ihre Anonymität zu verlieren. Weniger als 2 % leiden unter Schuldgefühlen, weil sie in Wirklichkeit nicht auf Partnersuche sind, sondern nur fremdgehen wollen.
Nur bei vier Gründen bestehen bedeutsame Häufigkeits-Unterschiede zwischen Männern und Frauen:
- Jede dritte Frau, aber nur jeder 12. Mann fürchtet Übergriffe. Frauen äußern zudem häufiger den Wunsch nach einem längeren Online-Austausch und erleben das erste Treffen häufiger als künstlich.
- Männer geben eine eigene Selbstunsicherheit häufiger als Grund dafür, dass ihnen die Vorstellung eines ersten Treffens unangenehm sei.
Die häufigere Angst von Frauen vor Übergriffen spiegelt die Sachlage wider, dass Übergriffe gegen Frauen häufiger vorkommen als gegen Männer. Auch fühlen sich Frauen im Durchschnitt gegenüber Übergriffen schutzloser als Männer.
Die weiteren Unterschiede zwischen Frauen und Männern sind womöglich Ergebnis – trotz aller Gleichberechtigung – nach wie vor wirksamer internalisierter Geschlechter-Rollenerwartungen, gemäß derer der Mann den ersten Schritt tun, die Frau ansprechen und als “Eroberer” auftreten solle. Insofern mögen Frauen das erste Treffen beim Online-Dating häufiger als künstlich erleben, da es sich hier um eine beidseits geplante Begegnung und keine “spontane Eroberung” handelt. Umgekehrt mögen Männer im Dating-Kontext stärker unter Selbstunsicherheit leiden aufgrund der von ihnen erwarteten “Eroberer-Rolle”, die mit der Ausstrahlung von Selbstsicherheit einhergehen sollte.
In einer abstrakteren Analyse lassen sich die 18 Einzelgründe für unangenehme Gefühle bezüglich des ersten Treffens drei breiteren Kategorien zuweisen:
- Ablehnungssensitivität und Selbstunsicherheit beziehen sich auf innere Befürchtungen und innerpsychische Blockaden der einzelnen Personen. Hier besteht ein deutlicher Zusammenhang zur Persönlichkeit, deren Merkmale durch Situation der Partnersuche zutage treten.
- Die Angst vor dem Übergang in die Offline-Welt bezieht sich auf verschiedene mögliche negativen Ereignisse, die auftreten können, wenn der Schritt aus dem Internet in die Realität gemacht wird, einschließlich der Sorge vor Übergriffen, einer Entscheidungsunsicherheit oder dem, nunmehr entstehenden Druck zur Verbindlichkeit. Entsprechen ist hier auch der Wunsch vorhanden, lieber erst einmal auf der Online-Ebene zu verbleiben.
- Die Kategorie der Belastung beschreibt die Anstrengung und die Enttäuschung, die mit einem ersten Treffen verbunden sein können. Es geht hier weder um eine tiefe Selbstunsicherheit noch um echte Angst vor negativen Konsequenzen, sondern vorwiegend um das Gefühl der Anstrengung und Frustration, was durch das erste Treffen eintreten kann.
Gänzlich herausfällt aus dieser übergreifenden Analyse aber der Grund “Schuldgefühle wegen Fremdgehens“, der als (jedenfalls in dieser Umfrage) seltener Einzelgrund für sich stehenbleibt.
Empfehlungen zur Lösung der Blockaden
Es ist wichtig, die eigenen Gründe für negative Gefühle in Erwartung eines ersten Treffens zu erkennen, weil nur über eine Bewusstmachung dieser Gründe es möglich ist, die sich aus ihnen ergebenen Blockaden zu lösen. Dabei lassen sich aus psychologischer Sichtweise für die einzelnen 18 Gründe folgende allgemeinen Hinweise und Ratschläge geben:
- Ängste vor Bewertung, stockender Kommunikation, Aufregung oder Selbstunsicherheit lassen sich durch eine gelassenere Einstellung und durch die Einübung von Gesprächsverhalten in Rollenspielen, mit Freunden oder vor dem Spiegel überwinden.
- Bei einem negativen Körperselbstbild ist es wichtig, sich klarzumachen, dass Schönheit immer im Auge der Betrachter liegt und Menschen mit den unterschiedlichsten Körpertypen Partnerschaft finden können und dies auch ständig tun.
- Angst vor Enttäuschung kann durch eine positive Sichtweise ersetzt werden, bei der auch negative Informationen als erwünschte Klärung betrachtet wird, die es einfacher macht, loszulassen und sich auf einen anderen Kontakt zu konzentrieren. Das gleiche gilt bezüglich der Angst, einen guten Online-Kontakt zu verlieren. Zudem besteht die Möglichkeit, freundschaftlich selbst dann verbunden zu bleiben, wenn eine Partnerschaft nicht in Frage kommt.
- Ängste vor Übergriffen sind berechtigt, auch wenn es keinen Beleg dafür gibt, dass Übergriffe beim Online-Dating häufiger vorkommen als bei anderen Formen des Kennenlernens. Wichtig ist es, sich selbst die eigenen Grenzen bewusst zu machen und diese klar zum Ausdruck zu bringen. Die erste Begegnung sollte immer an einem öffentlichen Ort stattfinden. Dadurch sinkt die Gefahr von Übergriffen erheblich.
- Es ist nachvollziehbar, dass manche die ersten Begegnungen beim Online-Dating als künstlich erleben. Andererseits gehört es eben auch zur Natur des Menschen, soziale Begegnungen zu planen und sich zu verabreden. In Wirklichkeit ist dies also nicht unnatürlich. Wird Online-Dating als ein ergebnisoffener Kennenlernprozess gesehen, ist es möglich, der ersten Begegnung den Druck zu nehmen und die Kommunikation natürlicher zu gestalten.
- Hilfreich ist es ebenfalls, internalisierte Geschlechter-Rollenerwartungen kritisch zu reflektieren und sich von ihnen zu distanzieren. Frau und Mann wollen in einer heterosexuellen Partnersuche einander begegnen und es sollte nicht darum gehen, zu erobern oder erobert zu werden. In einer ergebnisoffenen Begegnung ohne Geschlechterrollen-Erwartungen ist ein natürlicher Umgang ohne zur Schau gestellte vermeintliche geschlechtstypische Verhaltensweisen leichter möglich.
- Es ist richtig, dass eine erste Verabredung mit all den Planungen als anstrengend erlebt werden kann. Dies gilt aber für alle menschlichen Aktivitäten. Wer sich dadurch abschrecken lasst, sollte über seine Prioritäten nachdenken und gegebenenfalls den eigenen Alltag umstrukturieren. Partnerschaft soll möglichst dauerhaft halten und es lohnt sich für sie, auch einen gewissen Aufwand zu treiben. Zudem können erste Begegnungen auch in angenehmen Umgebungen stattfinden und in angenehme Aktivitäten eingebettet sein. Zudem wird die erlebte Anstrengung erneut bei einer lockeren Betrachtung der ersten Begegnung als ergebnisoffenes Kennenlernen abnehmen.
- Fraglos ist es sinnvoll, sich bereits vor dem ersten Treffen Online auszutauschen und dies auch über Telefonate oder Video-Chats zu vertiefen. Aber ein solches Kennenlernen ist tatsächlich innerhalb relativ kurzer Zeit möglich und sollte nicht den Grund darstellen, Treffen immer wieder aufzuschieben, da ansonsten Kontakte oft einschlafen. Auch Ängste vor einer Entscheidungsunsicherheit sind verständlich. Umso wichtiger sei es, dass ein erstes Treffen bald stattfindet, da ansonsten die Entscheidungsunsicherheit nur zunimmt und damit die Ängste vor dem ersten Treffen ebenfalls weiter anwachsen.
- Bei negativen Vorerfahrungen ist es entscheidend, diese nicht zu selbsterfüllenden Prophezeiung werden zu lassen, sondern sich dennoch weiterhin auf andere Menschen einzulassen. Wer sich durch negative Vorerfahrungen hemmen lässt, nimmt sich die Möglichkeit, korrigierende positive Erfahrungen zu machen. Gerade beim Online-Dating geht es letztlich nur darum, dass eines Tages der eine Mensch kennengelernt wird, mit dem eine tragfähige Beziehung entsteht. Werden vorher andere Personen getroffen, wo diese Voraussetzung nicht erfüllt ist, reduziert dies nicht die Wahrscheinlichkeit, dass in der Zukunft der passende Mensch doch noch getroffen wird.
- Auch nicht bestehende Erfahrungen mit dem Online-Dating sollten gerade kein Argument sein, einer Verabredung aus dem Weg zu gehen, sondern sollten den Anreiz geben, nunmehr ein erstes Treffen bald anzugehen. Es ist normal, dass Menschen vor Neuem Angst haben. Aber die Betreffenden können sich mithilfe von Erfahrungsberichten aus dem Internet, Berichten von Freunden oder Ratgeberliteratur auf ihr erstes Treffen vorbereiten. Vermeidung führt nur zum Fortbestehen der Angst. Ängste werden überwunden, indem wir uns mit ihnen konfrontieren und ihnen ins Gesicht blicken.
- Die Angst vor dem eigenen Outing kann am besten durch Offenheit überwunden werden. Es ist längst kein Stigma mehr und kein Grund zur Scham, am Online-Dating teilzunehmen. Desto offener die Betroffenen gegenüber ihren Freunden und Bekannten über ihr Online-Dating berichten, desto mehr wird ihre Angst vor einem Outing gegenstandslos werden.
Was aber können diejenigen tun, die an Schuldgefühlen leiden, weil sie in Wirklichkeit gar keine Partnerschaft suchen, sondern nur fremdgehen wollen?
- Hier lautet der Rat, die Schuldgefühle als Signale für Veränderung zu betrachten. Die Betreffenden sollten über ihr Beziehungsmodell nachzudenken. Ihre Schuldgefühle sind nämlich berechtigt, da sie Unehrlichkeit in ihre vorhandene Beziehung bringen und anderen Menschen unberechtigt Hoffnungen machen. Die Betreffenden sollten sich entweder für die Fortsetzung ihrer bestehenden monogamen Beziehung ohne Fremdgehen entscheiden oder eine Vereinbarung für eine offene Beziehung, eine polyamore Beziehung oder eine Swinger-Beziehung treffen. Tatsächlich zeigen psychologische Studien, dass solche nicht-monogamen Beziehungen glücklich und stabil sein können, wenn mit offenen Karten gespielt wird. Demgegenüber führt Fremdgehen oft zu großer psychischer Belastung, seelischen Schmerzen und dem Scheitern partnerschaftlicher Beziehungen.
Wie können sich diejenigen verhalten, die selbst keine emotionalen Vorbehalte gegen ein erstes Treffen haben, aber indirekt dennoch durch diese betroffen sind, weil eine andere Person Treffen vermiedet, aufschiebt oder absagt?
- Teilnehmende am Online-Dating sollten sich zunächst darüber bewusst sein, dass eine Verzögerung eines Treffens kein Desinteresse bedeuten müsse. Sie sollten versuchen, mögliche Ängste vor einem ersten Treffen offen mit der anderen Person anzusprechen und so den Druck aus dem Kennenlernen zu nehmen. Ein verständnisvoller, zugewandte und lockerer Umgangsstil ist hilfreich, um den Betroffenen eine Brücke zu bauen, sodass eine erste Begegnung möglich wird. Erklärt aber jemand dezidiert sein Desinteresse, sollte dies selbstverständlich akzeptiert werden.
Unangenehme Gefühle, Blockade und Vermeidung beim Online-Dating sind also eine zentrale Thematik. Lassen Sie mich wissen, ob dieser Artikel für Sie hilfreich war oder welche zusätzlichen Beobachtungen und Anregungen Sie geben können!
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