Psychologie von Meditation und Beziehungen
In einem vorherigen Artikel hatte ich bereits einige Studienbefunde dargestellt, dass Meditation, insbesondere gemeinsame Meditation zu einem mehr an Verbundenheit in partnerschaftlichen Beziehungen führen kann.
Entsprechend haben wir bei Gleichklang nunmehr auch den Wunsch nach gemeinsamer meditativer Praxis als weiteres Vermittlungskriterium eingeführt:
- Dies soll denjenigen die Suche nach einer Partnerschaft oder einer Freundschaft erleichtern, die gemeinsame Meditation zu einer zentralen Komponente, zu einem einem Grundpfeiler für ihre Beziehung machen möchten.
In meinem heutigen Artikel geht es um differentielle Effekte meditativer Praktiken auf die soziale Verbundenheit:
- Der Forschungsstand steht hier allerdings noch ganz am Anfang und ist teilweise widersprüchlich. Aber zwei neuerliche Studien weisen beide darauf hin, dass spezifisch meditative Praktiken, die auf Mitgefühl, Liebe und Güte für sich selbst und andere zielen (compassion meditation, loving-kindness meditation) unsere sozialen Bezüge positiv beeinflussen können.
Diese aus der buddhistischen Tradition stammende Meditationsart, die auch ohne Bezug zur buddhistischen Religion auf psychologischer Grundlage praktiziert werden kann, besteht in der bewussten Kultivierung von Mitgefühl, Liebe und Güte für sich selbst, andere Personen und alle leidensfähigen Wesen.
Das Besondere dieser Meditationsart ist also ihr direkter sozialer Bezug, während viele andere Meditationsarten den Bezug zu anderen Personen oder Wesen nicht direkt mit einbeziehen.
Was ist zu erwarten von einer Meditationspraxis, die auf die Kultivierung von Mitgefühl, Liebe und Güte ausgerichtet ist?
Wissenschaftliche Studien
Ich stelle heute zwei Studien vor:
- Brighid Malloy Kleinman legte in den Hypothesen für ihre Doktorarbeit die Annahme zugrunde, dass sich mit einer solchen Meditationspraxis die Beziehungsqualität verbessern sollte.
- Brian P. Don, Sara B. Algoe und Barbara Fredrickson vermuteten als Ausgangsbasis ihrer Studie, dass eine auf Mitgefühl, Liebe und Güte ausgerichtete Meditationspraxis dazu geeignet sein könnte, soziale Vermeidungstendenzen zu reduzieren und eine positive menschliche Annäherung zu fördern.
Studie zu Meditationsarten und Beziehungsqualität
Student:innen wurden von Brighid Malloy Kleinman per Zufall in drei Gruppen eingeteilt:
- Achtsamkeitsmeditation
- Meditation zur Anregung von Mitgefühl, Liebe und Güte
- Nicht-meditative Psychoedukation und Gesprächsrunden
Alle Teilnehmenden befanden sich in Beziehungen und nach sechswöchiger Praxis wurde ihre Beziehungsqualität in Form der Komponenten Beziehungszufriedenheit, Vertrautheit (Intimität), Verbindlichkeit (Bindung), Leidenschaft, Vertrauen und Liebe erhoben. Ebenfalls wurde außerdem u. a. der Bindungsstil.
Ergebnisse
- Die Teilnehmenden der auf die Kultivierung von Mitgefühl, Liebe und Güte zielenden Meditation zeigten eine signifikante Zunahme der Gesamt-Beziehungsqualität, der Beziehungszufriedenheit, Vertrautheit (Intimität) und der Verbindlichkeit (Bindung).
- Leidenschaft, Vertrauen und Liebe nahmen ebenfalls zu, wobei diese Zunahme aber die statistische Signifikanz verfehlte. Zusätzlich nahm die Bindungsvermeidung signifikant ab.
- Unerwarteterweise nahmen demgegenüber in der Gruppe der Achtsamkeitsmeditation die Gesamt-Beziehungsqualität und die Beziehungszufriedenheit ab. Die anderen Komponenten zeigten ebenfalls eine Abnahme, die aber die statistische Signifikanz verfehlte. In dieser Gruppe zeigte sich kein Einfluss auf die Bindungsvermeidung.
- Keinerlei Veränderungen zeigten sich in der Kontrollgruppe, die nicht meditierte.
Wie erwartet ging also die auf Mitgefühl, Liebe und Güte orientierte Meditation mit einer Verbesserung der Beziehungsqualität einher. Zudem führte diese Form der Meditation zu einer Abnahme eines vermeidenden Bindungs-Stils, der der sozialen Bezogenheit aus dem Weg geht.
Wieso aber führte die Achtsamkeitsmeditation zu einer Abnahme von Beziehungsqualität und Beziehungszufriedenheit?
- Der Befund sollte nicht überinterpretiert werden, auch weil er nicht erwartet war und vorliegende Beobachtungsstudien für einen positiven Zusammenhang zwischen Achtsamkeit als Persönlichkeits-Merkmal und Beziehungszufriedenheit sprechen.
Womöglich kommen hier individuelle Faktoren ins Spiel, die noch nicht ausreichend klar und untersucht sind.
Trotzdem weist der Befund auf die Möglichkeit hin, dass eine rein auf das eigene Erleben ausgerichtete Meditation in Isolation und ohne Bezug zum Anderen womöglich die soziale Verbundenheit auch reduzieren kann.
Ob dies tatsächlich so ist und welche Kontextfaktoren hier relevant sind, bedarf der weiteren Untersuchung.
Studie zu Meditationsarten und sozialer Annäherung und Vermeidung
Teilnehmende wurden von Brian P. Don, Sara B. Algoe und Barbara Fredrickson per Zufall in drei Gruppen eingeteilt:
- Achtsamkeitsmeditation
- Meditation ausgerichtet auf Mitgefühl, Liebe und Güte
- Wartegruppe, die nicht meditierte
Erhoben wurden soziale Annäherung (sich mit anderen verbinden und Positives erleben wollen), soziale Vermeidung (Gefahren entgehen wollen), sowie positive und negative Gefühle.
Die Studie lief über einen Zeitraum von drei Wochen. In der dritten Woche wurden soziale Annäherung und soziale Vermeidung erfasst. Zudem wurden in der zweiten Woche aus den durch die Teilnehmenden geführten Tagebüchern positive und negative Gefühle identifiziert, um zu untersuchen, inwiefern diese den möglichen Einfluss auf soziale Annäherung und Vermeidung vermitteln.
Ergebnisse
- Auf liebevolle Güte ausgelegte Meditation führte direkt zu einer Abnahme von sozialer Vermeidung.
- Es zeigte sich zunächst kein direkter Effekt auf soziale Annäherung, wobei eine genauere Analyse dann aber zeigte, dass die auf liebevolle Güte ausgerichtete Meditation das Ausmaß positiver Gefühle erhöhte und dieses Mehr an positiven Gefühlen dann auch zu einem Mehr an sozialer Annäherung führte.
- Die Achtsamkeitsmeditation zeigte keine von der Wartegruppe unterscheidbaren Auswirkungen.
Auch diese Studie weist also auf beziehungsförderliche Auswirkungen einer auf Mitgefühl, Liebe und Güte ausgerichteten Meditation auf, während eine reine Achtsamkeitsmeditation keine Auswirkungen zeigte – somit aber (anders als in der vorherigen Studie) auch keine negativen Auswirkungen zeigt.
Interpretation
Es gibt noch zu wenige Studien und bezüglich der Achtsamkeitsmeditation zeigen sich in beiden Studien Inkonsistenzen.
Gemeinsamer Befund beider Studien ist aber, dass eine auf die Kultivierung von Mitgefühl, Liebe und Güte ausgerichtete Meditation sich positiv auf Beziehungen auswirken kann.
Auch wenn weitere Studien notwendig sind, legen diese Befunde bereits jetzt nahe, in meditative Praktiken grundsätzlich auch als ein Element die Ausrichtung auf Mitgefühl, Liebe und Güte mit einzubeziehen.
Ein förderlicher Kontextfaktor kann übrigens die gemeinsame Meditation sein:
- Die gemeinsame Meditation stellt Verbundenheit bereits durch ihr Setting her. Damit dürfte jeder mögliche, die Verbundenheit mindernde Effekt von einer reinen Achtsamkeitsmeditation bereits aufgehoben und durch das gemeinsame Erleben von achtsamer Wahrnehmung ersetzt werden.
Diese Annahme ist jedenfalls konsistent mit der Beobachtung von Justin P. Laplante (2019) in seiner Doktorarbeit, dass gemeinsame Meditation als in besonders hohem Ausmaß verbindend erlebt wird.
Resümee und Empfehlungen
- Eine auf die Kultivierung von Mitgefühl, Liebe und Güte für sich selbst und andere ausgerichtete Meditation wirkt sich positiv auf Beziehungen aus.
- Mithilfe dieser Meditation kann eine Verbesserung der Gesamt-Beziehungsqualität, der Beziehungszufriedenheit, sowie der Vertrautheit (Intimität) und der Bindung erreicht werden.
- Allein auf Achtsamkeit ausgerichtete Verfahren – ohne Bezug auf Liebe und Güte für den anderen – scheinen diese Effekte nicht zu erreichen, sodass eine Ergänzung durch den Einbezug von auf Mitgefühl, Liebe und Güte ausgerichtete Meditationstechniken sinnvoll ist.
Es liegen außerdem Hinweise dafür vor, dass der Kontext der gemeinsamen Meditation Verbundenheit in besonders hohem Ausmaß fördern kann:
- Die Qualität von Beziehungen kann verbessert werden durch das gemeinsame Meditieren unter Einbezug der Kultivierung von Mitgefühl, Liebe und Güte für sich selbst und andere. Beziehungspartner:innen zu finden, mit denen dies möglich ist, mag Ihnen helfen, eine glückliche Beziehung aufzubauen und zu erhalten.