Enttäuschung und Desillusionierung beim ersten Date
Beim Online-Dating kann folgendes Phänomen eintreten:
- Nach einem positiven Online-Austausch begegnen sich die Betreffenden hoffnungsvoll zum ersten Mal in der offline Welt – und sie sind enttäuscht!
Mein heutiger Artikel untersucht, was diesem Phänomen zugrunde liegt. Der Artikel zeigt auf, was Partnersuchende tun können, um solche Enttäuschungen zu vermeiden. Hierfür können Partnersuchende tatsächlich viel selber tun.
Trotzdem wird dies nicht immer gelingen. Deshalb geht es in meinem Artikel ebenfalls um die Frage, was uns die Enttäuschung sagen will und wie wir am besten mit ihr umgehen können.
Mein Artikel stützt sich vorrangig auf einen aktuellen psychologischen Forschungsartikel von Zhao und Yan (2022). Ebenfalls berücksichtige ich eigene Daten aus Befragungen von Gleichklang-Paaren.
Abschließend fasse ich die Ergebnisse und Empfehlungen noch einmal in komprimierter Form zusammen.
Wenn Sie also keinen längeren Artikel lesen möchten – und auf die Begründungen und Belege verzichten – können Sie jetzt gleich per Klick zu den abschließenden Empfehlungen springen.
Bevor ich zum eigentlichen Thema der Enttäuschung beim ersten Treffen komme, möchte ich aber zunächst die Idealsituation schildern, bei der das Online-Dating einen dezidierten Vorteil gegenüber anderen Formen des Kennenlernens hat.
Aus der Kenntnis dieses idealtypischen Vorteils lassen sich nämlich Strategien ableiten, wie Partnersuchenden die Vorteile des Online-Dating maximieren und seine möglichen Nachteile minimieren können.
Vorteil des Online-Kennenlernen
Online-Dating hat einen wichtigen Vorteil gegenüber dem Offline-Kennenlernen:
- Partnersuchende erfahren viel mehr übereinander, bevor sie einander direkt begegnen.
Treffen sich Menschen demgegenüber ohne Online-Austausch das erste Mal, besteht eine andere Situation:
- Der Eindruck wird stark durch das Äußere und möglicherweise untypische Merkmale der unmittelbaren Situation dominiert.
- So entsteht bereits ein potentiell handlungsleitender Eindruck, bevor die Betreffenden irgendetwas relevantes übereinander wissen.
- Positive Gefühle können dadurch auftreten, die wiederum nachfolgend die Wahrnehmungen, Bewertungen und Gesprächsinhalte prägen.
- Oft zeigt sich jedoch später, dass es für eine Beziehung doch nicht passt.
- Nicht selten beginnen so Beziehungen, von denen bei rückblickender Betrachtung eigentlich von vornherein klar gewesen sein sollte, dass sie zum Scheitern verurteilt sind.
Idealtypisch sollte das beim Online-Dating weniger passieren:
- Partnersuchende tauschen sich online aus, erzählen sich voneinander, von ihrer Lebenssituation, ihren Beziehungsvorstellungen, ihren Sehnsüchten, Hoffnungen und Befürchtungen.
- Sie sind, wenn sie schreiben, allein und müssen sich nicht auf eine ggf. ablenkende, aufregende oder auch unsichere Situation einlassen und schnell reagieren. So können Sie Fragen stellen, die sie sonst vielleicht nicht stellen würden und sie können über die eigene Person schildern, was ihnen tatsächlich wichtig ist.
- Durch diesen Austausch kann eine mögliche Unvereinbarkeit der Lebensweisen besser deutlich werden, aber auch tatsächliche Passungen können eher erkannt werden. Auf diese Weise entsteht die Chance, dass die Prägung des Eindrucks durch rein äußerliche und situationale Aspekte reduziert wird und eine umfassendere, ganzheitliche Beurteilung möglich wird.
Online-Kommunikation kann also positive Wege bahnen und es muss keineswegs am Ende Enttäuschung stehen.
Gefühle beim Online-Dating
Online-Kennenlernen ist dabei kein rein kalter, neutraler Informationsaustausch. Im Gegenteil, Studien zeigen, dass ein textbasierter Austausch mit einer starken Gefühlsbeteiligung einhergehen kann. Wenn sich in den Texten nämlich immer mehr Kompatibilität zeigt, wenn deutlich wird, dass die Lebensweisen und die Lebensziele zueinander passen, entsteht Sympathie, die sich sogar online bereits zur Liebe vertiefen kann.
Wie stark der Online-Austausch bereits in Gefühle eingebettet sein kann, zeigt das negative Beispiel der sogenannten Love-Scammer:
- Love-Scammer spielen anderen Menschen online Liebe vor und geben in ihren Nachrichten viel Bestätigung und Aufmerksamkeit. Immer wieder gelingt es Ihnen, bei Betroffenen so starke Gefühle zu erzeugen, dass diese bereit sind, Geldzahlungen zu leisten, um ihren scheinbaren Geliebten aus einer Notlage heraus zu verhelfen oder ein baldiges Treffen zu ermöglichen.
Scammer sind internationale Banden, die sich immer wieder in Dating-Plattformen einschleichen. Bei Gleichklang sind sie glücklicherweise nicht das Hauptproblem:
- In aller Regel werden sie durch unsere Software oder durch unsere manuelle Prüfung jeden Profils bereits identifiziert, bevor sie vermittelt werden. Gelingt es ihnen, durchzukommen, melden unsere Mitglieder uns diese Fälle in aller kürzester Zeit, sodass wir die Profile sperren können. Wenn wir sehen, dass bereits E-Mail oder Telefonnummer ausgetauscht wurden, warnen wir die betreffenden Mitglieder.
Mehr zu Love-Scammern und anderen Arten von Betrug und Risiken beim Online-Dating können Sie in dem Blog-Artikel “Love-Scammer: So schützen Sie sich vor Betrug nachlesen”.
Einerseits zeigt dies negative Beispiel der Love-Scammer, wie auch online positive Gefühle entstehen können – online braucht also keineswegs trist und kalt zu sein. Andererseits zeigt das Beispiel der Love-Scammer aber leider auch, dass diese Gefühle auch beim Online-Dating nicht immer in die richtige Richtung gehen.
Lover-Scammer sind ein Extrembeispiel, das typische Beispiel ist demgegenüber die Enttäuschung beim ersten Date, auf die ich nunmehr zu sprechen komme.
Enttäuschung als Verletzung von Erwartungen
Zhao und Yan (2022) untersuchten den Zusammenhang zwischen nicht erfüllten Erwartungen, der eingeschätzten Ehrlichkeit des Gegenübers und einem negativen Ausgang eines ersten Treffens bei Personen, die Online nach Partnerschaft suchten:
- Die Autor:innen befragten 380 Online-Partnersuchende, die in den zurückliegenden drei Monaten ein erstes offline Treffen gehabt hatten. Die Betreffenden schätzten ein, inwiefern ihr Treffen ihre Erwartungen bezüglich des Äußeren und der Kommunikationsart ihrer Dating-Partner:innen erfüllt, übertroffen oder verletzt hatte. Sie gaben ebenfalls an, wie sehr sie ihre Dating-Partner:innen nach dem ersten Treffen mochten, wie zufrieden sie mit dem Treffen waren und ob sie gerne weitere Treffen mit den betreffenden Personen hätten. Außerdem schätzten die Befragten ein, als wie ehrlich sie ihre Dating-Partner:innen erlebten.
Zusammenfassend gelangten die Autor:innen zu folgenden Hauptbefunden:
- 16 % der Befragten schilderten eine verletzte Erwartung bezüglich des Äußeren im allgemeinen, 6 % bezüglich der Körpergröße, 5 % bezüglich des Gewichts, 9% bezüglich der Wortwahl, 9 % bezüglich der Ideenorganisation und 4 % bezüglich der Redegewandtheit von Dating-Partner:innen.
- Verletzte Erwartungen zum Äußeren und zum Kommunikationsverhalten von Dating-Partner:innen beim ersten Treffen erhöhten die Wahrscheinlichkeit eines negativen Ergebnisses mit geringerer Sympathie, Unzufriedenheit und fehlendem Interesse an einem weiteren Treffen. Die Verletzung von Erwartungen führte demnach also bei den Befragten unmittelbar dazu, dass die Dating-Partner:innen als unsympathischer erlebt wurden, eine Unzufriedenheit mit dem Treffen entstand und das Interesse an weiteren Begegnungen sank.
- Zusätzlich erhöhten verletzte Erwartungen die Wahrscheinlichkeit eines negativen Ergebnisses indirekt über den Umweg der Erzeugung des Eindrucks, dass Dating-Partner:innen nicht ehrlich seien. Die Verletzung von Erwartungen führte demnach bei den Befragten dazu, dass Dating-Partner:innen als unehrlich wahrgenommen wurden. Wahrgenommene Unehrlichkeit führte wiederum dazu, dass die Dating-Partner:innen als unsympathischer erlebt wurden, Unzufriedenheit mit dem Treffen entstand und das Interesse an weiteren Begegnungen sank.
Diese Ergebnissen zeigen folgendes auf:
- Enttäuschungen beim ersten Treffen beim Online-Dating sind nicht die Regel, sondern die Ausnahme. Dennoch treten sie aber bei ungefähr jedem sechsten Treffen auf – oft genug, um damit zu rechnen und sich Gedanken zu machen, wie Enttäuschungen vermieden oder mit ihnen umgegangen werden kann.
- Enttäuschungen beim ersten Treffen entstehen, wenn unsere Erwartungen von der anderen Person beim ersten Treffen nicht erfüllt werden. In dieser Studie wurden Erwartungen zum Äußeren und zur Kommunikation erfasst, tatsächlich können aber viele andere Erwartungen ebenfalls potentiell enttäuscht werden, wie Erwartungen zum Lebensstil, zu den Werthaltungen, zu den Beziehungsvorstellungen, zur Persönlichkeit, zum Beruf, zu den Lebenszielen – die Liste ließe sich fortsetzen.
- Sobald Erwartungen in die negative Richtung verletzt werden, sinkt unsere Sympathie, steigt unsere Unzufriedenheit und vermindert sich unser Interesse, die andere Person erneut zu treffen. Umgekehrt bedeutet dies natürlich ebenso, dass wir die Sympathie, die Zufriedenheit und das Interesse an einem erneuten Treffen der anderen Person vermindern, wenn wir selbst es sind, die die Erwartungen unseres Gegenübers verletzen.
- Ein weiterer – und zunächst unabhängiger Faktor – ist die wahrgenommene Ehrlichkeit unseres Gegenübers. Nehmen wir die andere Person als unehrlich wahr, sinkt unsere Sympathie, steigt unsere Unzufriedenheit mit dem Treffen und wir wollen die andere Person nicht erneut wiedersehen. Unehrlichkeit ist also ein dezidierter abschreckender Faktor beim Kennenlernen. Treten wir selbst unehrlich auf oder erzeugen diesen Eindruck, müssen wir insofern ebenfalls mit Ablehnung rechnen. Umgekehrt bedeutet dies, dass Offenheit ein Faktor ist, der unseren Dating-Erfolg verbessern kann.
- Als unehrlich bewerten wir zudem spezifisch solche Personen, die unsere Erwartungen verletzen. Jemand, der sich beispielsweise online mit geschönten Foto darstellte, wird nicht nur aufgrund des tatsächlich weniger attraktiven Äußeren abgelehnt, sondern zusätzlich auch deshalb, weil diese Person nunmehr als unehrlich wahrgenommen wird. Wenn sich Teilnehmende beim Online-Dating verzerrt darstellen, anstatt sich so vorzustellen, wie sie sind, werden sie beim ersten Treffen als unehrlich erlebt und eher abgewiesen.
Enttäuschung beim ersten Treffen vermeiden
Die Online-Kommunikation liegt an beiden Seiten. Einzelne können das Geschehen also nicht gänzlich, aber doch erheblich mit gestalten. Wenn Sie sich an den folgenden Leitlinien orientieren, verbessern Sie die Aussichten, dass Ihr erstes Treffen positiv verlaufen wird:
Beziehung ist kein Job
Leider wird Online-Dating in der Gesellschaft viel zu oft als eine Art Bewerbung angesehen. Es geht vor allem darum, einen guten Eindruck zu machen. Demnach wäre die Online-Partnersuche ein vorwiegend egoistisches Geschehen, wo es nur um den eigenen Vorteil geht. Die potentiellen Beziehungspartner:innen werden so zu einer Art Opponenten, die wir allein aufgrund unseres eigenen Vorteilstrebens für uns gewinnen oder gegebenenfalls sogar täuschen wollen.
Bei Bewerbungen zeigen sich alle in ihren besten Seiten und Ehrlichkeit wird vorwiegend strategisch eingesetzt – wenn es keinen Grund zur Unehrlichkeit gibt oder wenn Ehrlichkeit nicht vermeidbar ist.
Das Ziel der Bewerbung ist ein Vorteil für die eigene Person, kaum jemand denkt bei einer Bewerbung an die Interessen der Chef:innen.
Eine romantische Beziehung ist jedoch etwas ganz anderes als ein Job oder irgendein sonstiger Vorteil:
- Eine romantische Beziehung wird nur wechselseitig glücklich. Das gemeinsame Interesse ist es, dass die betreffenden Personen zueinander passen und so eine tragfähige Beziehung miteinander aufbauen können.
- Das Ziel sollte nicht sein, unbedingt miteinander eine Beziehung zu führen, sondern herauszufinden, ob eine Beziehung für beide Seiten möglich und wünschenswert ist.
- Für beide Seiten ist es daher wichtig, authentische Informationen zu geben, um gemeinsam herausfinden zu können, ob eine Passung besteht oder nicht.
Das Bild der Partnersuche als Bewerbung ist ungeeignet und öffnet Tür und Tor für Täuschung. Eine Beziehung ist kein Job, den jemand unbedingt aus Gründen von Einkommen und/oder Prestige ausüben möchte und dafür alle seine Darstellungsfertigkeiten in die Waagschale wirft. Vielmehr ist eine partnerschaftliche Beziehung eine freiwillige, von beiden Seiten emotional und geistig gewollte Verbindung zweier Menschen auf der Grundlage einer miteinander beidseitig tatsächlich erlebten Kompatibilität.
Vorstellen statt darstellen
Wird Online-Dating als Bewerbung angesehen, dreht sich alles um das perfekte Dating-Profil. Die betreffenden Personen wollen sich so positiv wie möglich darstellen, um ein Maximum an Aufmerksamkeit und Resonanz zu erhalten.
Tatsächlich zeigt die Forschungsliteratur, dass Partnersuchende dazu neigen, besonders attraktive, veraltete oder geschönte Fotos einzustellen und gegebenenfalls auch bei Körpergröße, Gewicht und Lebensalter zu schummeln.
Dies Verhalten kann tatsächlich durch mehr Aufmerksamkeit und Resonanz belohnt werden. Das Problem besteht jedoch darin, dass Aufmerksamkeit und Resonanz als Dating-Ziele nicht mit dem Ziel des Findens einer tragfähigen Beziehung korreliert sind und unter Umständen sogar im Gegenteil diesem Ziel zuwiderlaufen können.
Ein Extrembeispiel macht dies deutlich:
- Ein gleichgeschlechtlich interessierter Mann begibt sich mit dem Bild einer attraktiven jungen Frau auf eine Dating-Plattform. Er wird zweifelsohne viel Aufmerksamkeit und Resonanz erhalten. Aber ein Treffen muss er unter allen Umständen vermeiden, denn die Ablehnung wäre ihm gewiss.
Zwar nicht ganz so drastisch, aber im Grunde das Gleiche ist es, wenn Partnersuchende in ihrem Profil geschönte oder falsche Informationen zur Verfügung stellen:
- Sie mögen damit Aufmerksamkeit und Resonanz erhöhen, aber je stärker ihr Profil von der Wirklichkeit abweicht, desto stärker wird die Ablehnung sein, die ihnen beim ersten Daten entgegenschlagen wird.
Tatsächlich können selbst geringe Abweichungen bereits zur Verletzung von Erwartungen, zur Einstufung als unehrlich und zum Verlust des weiteren Interesses führen.
Stellen Sie sich also in Ihrem Dating-Profil vor, so wie sie sind. Stellen Sie sich nicht dar, wie Sie gerne erscheinen wollen oder wie Sie glauben, dass es für andere interessant oder attraktiv wäre.
Tauschen Sie Ihre Bilder in Ihrem Profil aus, wenn diese bereits veraltet sein sollten und ändern Sie alle Angaben und Texte, die eigentlich nicht oder nicht ganz dem entsprechen, was Sie eigentlich sind.
Selbstverständlich können Sie aber Veränderungsziele benennen – das erzeugt oft nicht allein an einen falschen Schein gekoppelte Sympathie und macht deutlich, dass Sie Ziele haben. Es sollten freilich Ihre wirklichen Ziele sein.
Je authentischer Sie sich in Ihrer ganzen Person vorstellen, desto geringer ist die Wahrscheinlichkeit, dass die andere Person beim ersten Treffen mit Enttäuschung und Desillusionierung reagieren wird.
Umfangreich kommunizieren
Stellen Sie bereits online alle Fragen, die Sie interessieren, und geben Sie Auskunft über die eigene Person. Nutzen Sie die Online-Ebene dazu, einen umfangreichen Eindruck von der anderen Person zu gewinnen und einen ebenso umfangreichen Eindruck von der eigenen Person zu vermitteln.
Je besser Sie sich bereits online kennenlernen, desto seltener wird das erste Treffen in einer Enttäuschung enden.
Weitere Tipps dazu, wie Sie Online kommunizieren, finden Sie auch in meinem vorherigen Artikel “Was ist die richtige Erstnachricht?”.
Telefon und Video-Chats nutzen
Verschiedene Kommunikationsmedien vermitteln unterschiedliche Eindrücke. Lernen Sie sich vor dem ersten Treffen über verschiedene Kommunikations-Kanäle kennen, wächst die Wahrscheinlichkeit, dass das erste Treffen ein ganz natürlicher Übergang in ein weiteres vertieftes Kennenlernen sein wird.
Heute sind Video-Chat-Plattformen immer beliebter – während Covid hat diese Form des Kennenlernens stark zugenommen. In der Tat bietet die Video-Modalität eine gute Möglichkeit, einen Kontakt weiter zu generalisieren und sich noch einmal auf einer anderen Ebene zu begegnen.
Sollte Video also den vorherigen schriftlichen Austausch ersetzen?
Eine Studie von Antheunis et al (2019) spricht klar gegen diesen Ansatz:
- Untersucht wurde der Übergang von der Online-Ebene zur Offline-Ebene und wie dieser am besten gestaltet werden kann. Die Teilnehmenden an diesem Dating-Experiment wurden per Zufall durch eine Video-Konferenz oder einen schriftlichem Austausch miteinander verbunden, bevor sie sich in einem nachfolgenden Treffen offline kennenlernten.
Welche Form der initialen Austausches zeigte nun die besseren Auswirkungen bezüglich des Verlaufs des ersten Treffens?
Der schriftliche Austausch!
Die Teilnehmenden erlebten nach dem ersten Treffen außerhalb des Internets eine größere soziale Anziehung zueinander, wenn Sie schriftlich miteinander kommuniziert hatten, als wenn sie sich im Video begegnet waren.
Woran mag dies liegen?
Der reflektierte Zugang zueinander in einem schriftlichen Austausch mag bessere und vertiefte Anknüpfungspunkte für ein Treffen schaffen als eine Video-Begegnung, die womöglich eher zu einem „Geplänkel“ wird. Gerade weil sich die Betreffenden am Anfang nicht sehen, können sie tiefer, offener und ganz offensichtlich sogar wertvoller miteinander kommunizieren.
Solange solche Befunde bestehen bleiben, werden wir daher auch bei Gleichklang bei der schriftlichen Modalität bleiben.
Warum raten wir trotzdem zum Übergang auf andere Modalitäten als Zwischenschritt vor dem Treffen?
Wenn über den schriftlichen Zugang bereits ein werthaltiger Austausch stattgefunden hat, sinkt die Gefahr, dass über Zwischenschritte, wie Video, hieraus nur noch ein Geplänkel wird. Gleichzeitig sinkt durch die Zwischenschritte die Gefahr, dass bei einem realen Treffen Enttäuschung und Desillusionierung eintreten.
Interessant wäre gewesen, wenn die obige Studie auch noch weitere Gruppen einbezogen hätten, wie zuerst schriftlich, im Anschluss Video und umgekehrt. Aktuell gibt es hierzu keine Forschungsbefunde. Befragte Paare haben uns aber oft von positiven Auswirkungen von Telefonaten und Videos-Chats als Zwischenstufe berichtet.
Ehrlichkeit vereinbaren
Es gibt keinen 100 % Schutz gegen Täuschung und Unehrlichkeit. Sprechen Sie es miteinander an, dass Ihnen an Ehrlichkeit, Offenheit und Authentizität liegt. Machen Sie deutlich, dass es in ihrem gemeinsamen Interesse liegt, sich wechselseitig so kennenlernen, wie sie sind und sich nichts vorzuspielen.
Solch eine direkte Ansprache kann durchaus helfen, aus dem Modus der gesellschaftlich auf allen Ebenen verstärkten Selbstdarstellung herauszukommen und offen miteinander umzugehen. Denn oft beruht ein Mangel an Authentizität nicht auf einer echten Neigung zum Lügen, sondern auf Ängsten, Hemmungen, Bestrafungserwartungen etc., die sich aus gesellschaftlichen Konditionierungen zu Rollenverhalten und Selbstdarstellung ergeben.
Mit diesen Tipps werden Sie in vielen Fällen Enttäuschungen beim ersten Treffen vermeiden können.
Was aber tun, wenn Enttäuschung trotzdem eintritt?
Mit Enttäuschung richtig umgehen
Desillusionierung muss nicht das Ende einer Beziehungsentstehung sein. So mögen neue, mit dem vorherigen Online-Erleben inkonsistente oder unerwartete Aspekte zu Tage treten, die womöglich nur auf den ersten Blick irritierend wirken.
Die Leitfrage sollte lauten:
- Ist die neue Information tatsächlich mit einer Beziehung unvereinbar?
Ist dies nicht der Fall, können Irritationen miteinander geklärt, integriert und Erwartungen angepasst werden.
Tatsächlich nehmen Irritationen in der Phase des sich vertiefenden Kennenlernens sogar oft zu. Hintergrund ist, dass mit wachsender Vertrautheit weitere Informationen ausgetauscht werden und gleichzeitig die Vertrautheit aber noch nicht so hoch ist, dass diese zwanglos in eine neue Gemeinsamkeit integriert werden könnten. So können Unklarheiten oder Irritationen auftreten, die gegebenenfalls störenden Charakter haben.
Wichtig ist, diesen normalen Prozess der Klärung und Integration von Irritationen nicht zu katastrophisieren, sondern ihn wiederum offen und gemeinsam anzugehen – siehe zu dieser Thematik auch den vorherigen Blog-Artikel “Richtig umgehen mit Turbulenzen in der Kennenlerphase”.
Ist die Enttäuschung beträchtlich, muss auch dies noch kein Beziehungs-Ende sein. Erlauben Sie sich einen zweiten Blick und prüfen Sie, ob in weiteren Treffen womöglich die Enttäuschung wieder ausgeglichen werden und eine neue Sicht entstehen kann.
Besteht die Enttäuschung darin, dass keine intensive Verliebtheit entsteht, so sollten Sie berücksichtigen, dass gerade im mittleren und höheren Alter viele Beziehungen nicht ihren Anfang in intensiver Verliebtheit nehmen, sondern in einer Sympathie, die sich erst schrittweise zur Liebe vertieft.
Interessanterweise beobachteten wir in unserer laufenden Umfrage zu toxischen Beziehungen, dass genau solche Anfangs-Konstellationen mit einer besonders geringen Wahrscheinlichkeit für spätere toxische Beziehungsmuster verbunden ist.
Zudem ergaben sich in einer Befragung von 473 Mitgliedern, die Partner:innen bei Gleichklang fanden, folgende Ergebnisse:
- 53,76 % : Beim ersten Treffen hat es sofort gefunkt
- 36,85 % : Erst war es nur Sympathie
- 29,34 %: Ich war erst unschlüssig
- 24,18 %: Ich war sofort verliebt
- 15,02 %: War nicht überzeugt, sagte mir: “Ich gebe ihm/ihr eine zweite Chance”
Aus diesen Ergebnissen wird deutlich, dass die Befragten den späteren Partner:innen tatsächlich mehrheitlich gleich beim ersten Treffen sehr zugetan waren, aber es war nur eine knappe Mehrheit von 53,76 %.
Dezidierte Verliebtheit wurde nur von ungefähr einem Viertel der Befragten gleich beim ersten Treffen erlebt.
Bei mehr als einem Drittel war es beim ersten Treffen nur Sympathie und bei nur ein wenig weniger als einem Drittel herrschte beim ersten Treffen sogar noch Unschlüssigkeit.
Fast jede sechste der befragten Personen gab an, nicht überzeugt gewesen zu sein, aber der anderen Person – eigentlich besser formuliert der Beziehung – eine zweite Chance gegeben zu haben.
In allen diesen Fällen bildete sich schließlich eine Beziehung.
Um Enttäuschung zu vermeiden, ist es insofern hilfreich, die richtigen Erwartungen zu bilden:
- Liebe kann schnell oder langsam entstehen, Sie mögen sofort überzeugt sein, oder noch Zweifel haben. Alle diese Wege können in einer glücklichen Beziehung münden.
Natürlich ist es ebenfalls möglich, dass beim ersten Treffen eine berechtigte Enttäuschung entsteht, die so stark ist, dass ein Schlusspunkt gesetzt wird.
Bereiten Sie sich auf alle diese Möglichkeiten vor und immunisieren Sie sich so vor Resignation, Frustration oder der Aufgabe der Partnersuche. Dies gilt auch, wenn es womöglich nicht Sie sind, sondern es die andere Person ist, die den Schlusspunkt setzen möchte:
- Lassen Sie den Schmerz zu, aber geben Sie ihm keinen überwertigen Raum, sondern richten Sie sich inhaltlich bereits bald wieder auf die Fortsetzung der Suche aus, um den Menschen zu finden, der zu Ihnen passt.
- Sollten Sie aber falsche Erwartungen erzeugt haben, lernen Sie hieraus und ändern Sie Ihr Profil oder Ihr Kommunikationsverhalten.
Chance zum Einüben von Authentizität
In einer durch Rollenerwartungen, ökonomische Strukturen und Machtverhältnisse geprägten Gesellschaft ist das Online-Dating einer der wenigen Bereiche, wo die Teilnehmenden die Chance haben, auf Darstellungstendenzen zu verzichten und nur sich selbst als authentische Personen einzubringen.
Mit einer solchen Haltung der Authentizität wird Ihnen die Online-Partnersuche am ehesten gelingen, wenn es Ihnen um wechselseitige Kompatibilität und eben nicht nur um Eroberung und Schein geht.
Resümee
Zusammenfassende Empfehlungen
- Online-Dating eröffnet die Chance, bereits vor dem ersten direkten Treffen sehr viel übereinander zu erfahren und so im Eindruck weniger beeinflusst zu sein allein durch den äußeren Eindruck, die Situation oder sogar den Schein.
- Trotzdem kann Enttäuschung beim ersten Treffen auftreten, wenn Erwartungen, die während der Online-Kommunikation gebildet wurden, verletzt oder enttäuscht wurden. Dies geschieht insbesondere dann, wenn eine oder beide Personen nicht authentisch kommunizierten, sich eher selbst präsentierten als sich realitätsgetreu vorzustellen, geschönte oder veraltete Fotos verwendeten etc.
- Solche Verletzungen von Erwartungen erhöhen direkt die Wahrscheinlichkeit eines negativen Ergebnisses des ersten Treffens, beispielsweise, weil die Person als weniger attraktiv erlebt wird oder auch weil ein erwartetes geteiltes Weltbild sich plötzlich anders darstellt.
- Verletzte Erwartungen können zusätzlich zu dem Eindruck führen, dass eine Person nicht ehrlich ist, wobei wahrgenommene Unehrlichkeit wiederum die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass die Sympathie sinkt, Unzufriedenheit entsteht und sich das Interesse an künftigen Begegnungen vermindert.
- Solche Enttäuschungen oder Desillusionierungen beim ersten Treffen betreffen nach Studienbefunden ca. jedes sechste Treffen. Sie brauchen aber nicht immer das Ende der Beziehungs-Entstehung zu sein. Es kann gelingen, Irritationen miteinander zu klären. Bewertungen können sich im Kennenlernprozess auch nach dem ersten Treffen noch einmal verändern.
- Ebenso ist es aber möglich, dass die Verletzung von Erwartungen so schwerwiegend ist und/oder die wahrgenommene Unehrlichkeit so stark ausgeprägt ist, dass hierdurch ein Schlusspunkt im Prozess der Beziehungs-Entstehung erreicht wird. Das Interesse einer oder beider Personen kann in diesem Fall nicht mehr wiederhergestellt werden.
- Enttäuschungen im Verlauf des ersten Treffens lassen sich am besten verhindern, wenn Partnersuche nicht wie eine Bewerbung gesehen wird, in der mit positiver Selbstdarstellung gearbeitet wird, sondern als eine authentische wechselseitige Vorstellung zweier Menschen, um gemeinsam auszuloten, ob eine Beziehung miteinander möglich ist.
- Vorstellen statt darstellen, bedeutet, auf geschönte oder veraltete Bilder zu verzichten, und auch in allen anderen Bereichen zum eigenen Lebensstil, den Lebenszielen, den Werthaltungen und den Beziehungsmodellen authentische und korrekte Angaben zu machen. Diese dürfen Ambivalenzen und Veränderungsziele miteinbeziehen.
- Die Nutzung der Online-Ebene zum umfassenden Austausch ermöglicht es, wechselseitig einen umfangreichen Eindruck voneinander zu gewinnen und so das Risiko von Enttäuschung beim ersten Treffen Offline-Treffen zu mindern. Je besser sich Beteiligte online kennenlernen, desto seltener wird das erste Treffen tatsächlich in einer Desillusionierung enden.
- Verschiedene Kommunikationsmedien vermitteln unterschiedliche Eindrücke. Über verschiedene Modalitäten Eindrücke werden daher stabiler sein und sich eher dann auch in einem ersten Offline-Treffen bestätigen. Es kann daher sehr hilfreich sein, zu Telefon und Video-Chat zu greifen, bevor das erste Treffen stattfindet.
- Telefon und Video können allerdings den initialen schriftlichen Austausch nicht ersetzen. Studien zeigen, dass gerade der initiale schriftliche Austausch zu einer erhöhten sozialen Anziehung selbst nach dem ersten Treffen führt, der nicht durch ein reines Video-Kennenlernen erreicht werden kann. Der reflektierte Zugang zueinander in einem schriftlichen Austausch scheint bessere und vertiefte Anknüpfungspunkte für ein Treffen schaffen als eine alleinige Video-Begegnung, die womöglich eher zu einem „Geplänkel“ wird. Gerade weil sich die Betreffenden am Anfang nicht sehen, können sie tiefer, offener und wertvoller miteinander kommunizieren. Die Empfehlung ist daher, miteinander aussagekräftig schriftlich zu kommunizieren, bevor zu Telefon oder Video übergegangen wird.
- Unehrlichkeit kann leider nicht ausgeschlossen werden. Oft beruht aber ein Mangel an Authentizität nicht auf einer echten Neigung zum Lügen, sondern auf Ängsten, Hemmungen, Bestrafungserwartungen etc., die sich aus gesellschaftlichen Konditionierungen zu Rollenverhalten und Selbstdarstellung ergeben. Es kann helfen, dies direkt anzusprechen und Authentizität miteinander zu vereinbaren, um so aus der gesellschaftlich auf allen Ebenen verstärkten Tendenz zur Selbstdarstellung gemeinsam herauszukommen und offen miteinander umzugehen.
- Zwar kann die erhaltene Aufmerksamkeit durch nicht-authentische Kommunikationsmuster womöglich gesteigert werden, die Tragfähigkeit auf dieser Basis entstehender Begegnungen sinkt aber ab. Online-Dating stellt so auch eine Chance dar zur Einübung von Authentizität in einer Gesellschaft, in der die zwischenmenschliche Kommunikation zu einem erhebliche größeren Anteil durch Rollenerwartungen, ökonomische Strukturen und Machtverhältnisse geprägt ist als viele dies unmittelbar wahrnehmen. Beim Online-Dating wachsen die Chancen für eine tragfähige Beziehungsentscheidung, wenn die Betreffenden, auf Darstellungstendenzen verzichten und nur sich selbst als authentische Personen einzubringen.
- Der übergeordnete Rat lautet, an das Online-Dating mit einer Haltung der Authentizität heranzugehen, bei der es nicht um Täuschung und Schein, sondern um wechselseitige Kompatibilität geht. Auf diesem Weg mag es dennoch zu Enttäuschungen und Desillusionierungen kommen, auf die sich die Betreffenden aber vorbereiten und innerhalb einstellen können, um im Sinne einer Immunisierung sich hierdurch ihre positiven Haltung zu einem offenen Online-Dating nicht nehmen zu lassen.
Sicherlich werden unsere Empfehlungen zu offener und authentischer Kommunikation nicht von von allen Mitgliedern und in jeder einzelnen Kommunikation eingehalten.
Trotzdem liegen nach allem, was wir wissen und was uns Mitglieder berichten, Welten zwischen der Kommunikation unter den Mitgliedern von Gleichklang und den Chats bei den Dating-Apps, wo nicht nur Einzeiler (“hallo“, “hi“) und reiner Bilderaustausch, sondern auch Lügen, Betrug, Beleidigungen, Sexismus und Misogynie zum Alltag gehören.
Mit Gleichklang stellen wir Partnersuchenden und Freundschaftssuchenden eine Plattform zur Verfügung, wo alle Teilnehmenden aufgerufen sind, sich an den Grundsätzen der Authentizität, Offenheit und dem Streben nach der Auslotung und wechselseitiger Kompatibilität zu orientieren.
Alle, die hierzu bereit sind, sind herzlich willkommen, bei uns ihr Glück zu suchen!