Umfrage unter Gleichklang-Mitgliedern
Wie letzte Woche das Thema Beziehung braucht Balance bezieht sich der heutige Artikel auf unsere Umfrage unter Gleichklang-Mitgliedern, die über Gleichklang Beziehungspartner:innen fanden.
Diesmal geht es darum, ob und wenn ja, welchen, Einfluss Vereinbarungen zur Gestaltung partnerschaftlicher Sexualität und die resultierende Praxis auf das Trennungsrisiko ausüben.
Konkret lautet die Frage:
- Monogamie, offene Beziehung und Fremdgehen – was trennt und was verbindet?
Um diese Frage zu beantworten, haben wir Beziehungen verglichen, die fortbestehen oder sich auflösten.
Angaben zur Stichprobe
Unter den Befragten befanden sich 151 Männer, 247 Frauen und 2 non-binäre Personen. Das durchschnittliche Alter der Befragten betrug 50,2 Jahre und schwankte zwischen minimal 23 Jahren bis maximal 75 Jahren.
Bei 330 Befragten (82,5 %) bestand die Beziehung fort, während es bei 70 Befragten (17,5 %) zu einer Trennung gekommen war.
Bei denjenigen, wo die Beziehung zum Umfragezeitpunkt weiterhin bestand, dauerte die Beziehung im Durchschnitt 27 Monate an.
Bei den Beziehungen, die sich aufgelöst hatten, betrug die durchschnittliche Beziehungsdauer bis zur Trennung 22 Monate.
Die minimale Beziehungsdauer betrug bei beiden Gruppe einen Monat (unterste mögliche Grenze in der Umfrage) und maximal 159 Monate bei den fortbestehenden Beziehungen und 116 Monate bei den getrennten Beziehungen.
Fragestellungen
Welche Vereinbarungen hatten die Paare über ihr Sexleben getroffen und wie war ihre Praxis?
Untersucht wurden Monogamie, konsensuelle Nicht-Monogamie (offene Beziehungen), Fremdgehen und der komplette Verzicht auf Sexualität.
Kurz zur Definition der Konstrukte:
- Monogamie: Bei einer monogamen Beziehung wird sexuelle Treue zwischen Beziehungspartnern vereinbart und eingehalten. Sexuelle Kontakte zu anderen Personen sind nicht erlaubt. Es handelt sich hier um das traditionelle Modell der Zweier-Beziehung mit sexueller Treue.
- Konsensuelle Nicht-Monogamie (offene Beziehungen): Bei konsensueller Nicht-Monogamie sind sexuelle Kontakte zu anderen Personen erlaubt. Es gibt verschiedene Gestaltungsmöglichkeiten von konsensueller Nicht-Monogamie, je nach dem, ob sexuelle Kontakte mit anderen Personen zusammen als Paar oder getrennt voneinander stattfinden. Eine Differenzierung zwischen den verschiedenen Varianten der konsensuellen Nicht-Monogamie war in dieser Untersuchung nicht möglich, da diese zu selten auftraten. Die verschiedenen Varianten der konsensuellen Nicht-Monogamie wurden daher in eine Kategorie zusammengefasst.
- Fremdgehen: Von Fremdgehen wird gesprochen, wenn eine Vereinbarung zur Monogamie besteht, aber Beziehungspartner diese Vereinbarung brechen. Fremdgehen kann in Beziehungen von einer Person oder von beiden Personen ausgehen. Diese verschiedenen Möglichkeiten wurden wegen der geringen Fallanzahl aus statistischen Gründen in die eine Kategorie “Fremdgehen” zusammengefasst.
- Kein Sex: In diesen Beziehungen fand kein Sex statt, weder zwischen den Beziehungspartner:innen noch mit anderen Personen. Ursache hierfür können Asexualität, sexuelle Funktionsstörungen oder eine geringes sexuelles Interessse der Beziehungspartner:innen aneinander sein, wobei aber Kontakte zu anderen Personen nicht gewünscht sind. Wegen der statistischen Seltenheit fand keine weitergehende Differenzierung statt, sondern die verschiedenen Möglicheiten wurden in die eine Kategorie der Beziehungen ohne Sex zusammengefasst.
Die spezifischen Fragestellungen der Untersuchung waren:
- Wie wirkt sich eine Vereinbarung zur sexuellen Treue auf die Trennungshäufigkeit aus?
- Wie wirkt sich eine Vereinbarung zur Nicht-Monogamie (offene Beziehung) auf die Trennungshäufigkeit aus?
- Wie wirkt sich der komplette Verzicht auf Sex auf die Trennungshäufigkeit aus?
- Wie wirkt sich der Bruch einer Vereinbarung zur sexuellen Treue auf die Trennungshäufigkeit?
Unsere Hypothesen waren, dass der Bruch einer Vereinbarung zur sexuellen Treue und der Verzicht auf Sexualität mit einer erhöhten Trennungshäufigkeit verbunden sein würden, während sich Vereinbarungen zur sexuellen Treue oder zur Nicht-Monogamie nicht auf die Trennungshäufigkeit auswirken würden.
Ergebnisse der Untersuchung
Vereinbarte Monogamie
Bei 285 von 330 Befragten (86,4 %) mit fortbestehenden Beziehungen gaben die Befragten an, dass Monogamie vereinbart worden sei. Bei den getrennten Beziehungen mit Sex in der Beziehung war diese Vereinbarung bei 59 von 70 Beziehungen (84,3 % ) getroffen worden.
Wurden diejenigen einbezogen, die keinen Sex in der Beziehung, aber auch keinen Sex mit anderen hatten, stieg die Anzahl derjenigen mit vereinbarter Monogamie auf 300 (90,9 %) bei den fortbestehenden Beziehungen und auf 64 (91,4 %) bei den getrennten Beziehungen.
Alle diese Unterschiede zwischen fortbestehenden und getrennten Beziehungen waren statistisch nicht signifikant.
Konsensuelle Nicht-Monogamie
30 von 330 Befragten (9,1 %) in einer fortbestehenden Beziehung gaben an, dass die Beziehung eine offene Beziehung sei, wo vereinbarungsgemäß auch Sex mit anderen Personen außerhalb der Beziehung stattfinde. Bei den getrennten Beziehungen war dies bei 6 von 70 Befragten (8,6 %) der Fall.
Dieser Unterschied zwischen fortbestehenden und getrennten Beziehungen war statistisch nicht signifikant.
Kein Sex
In den forbestehenden Beziehungen gaben 15 von 330 Befragten an (4,5 %), dass es in ihrer Beziehung keinen Sex gebe, aber auch keine sexuellen Kontakte zu anderen Personen stattfänden. Bei den getrennten Beziehungen wurde diese Angabe von 5 von 70 Befragten (7,1 %) getätigt.
Dieser Unterschied zwischen fortbestehenden und getrennten Beziehungen war statistisch nicht signifikant.
Fremdgehen
Vier von 330 Befragten (1,2 %) in einer fortbestehenden Beziehung berichteten von Fremdgehen in ihrer Beziehung durch sie selbst, den Beziehungspartner oder beide. Bei den getrennten Beziehungen gaben demgegenüber 10 von 70 Befragten (14,3 %) Fremdgehen an.
Dieser Unterschied zwischen fortbestehenden und getrennten Beziehungen war statistisch signifikant.
Trennungsraten im Vergleich
Dies sind die absteigend sortierten direkten Trennungsraten für die unterschiedlichen Konstellationen:
Nicht eingehaltene Monogamie (Fremdgehen): 71,42 %
Kein Sex: 25 %
Konsensuelle Nicht-Monogamie (offene Beziehung): 16,66 %
Eingehaltene Monogamie: 14,84 %
Die Trennungsrate bei Fremdgehen war signifikant höher als die Trennungsraten aller anderen Konstellationen. Weitere signifikante Unterschiede zwischen den anderen Konstellationen gab es nicht.
Schlussfolgerungen
Die große Mehrheit der Befragten in dieser Untersuchung hatten mit ihren Beziehungspartner:innen das traditionelle Modell der Zweierbeziehung mit sexueller Treue vereinbart.
Die Ergebnisse der Befragung zeigen, dass dieses Modell der vereinbarten Monogamie gut funktionieren kann, wenn es eingehalten wird.
- vereinbarte Monogamie zeigte sich in dieser Untersuchung weder als Risikofaktor noch als Schutzfaktor für die Stabilität einer partnerschaftlichen Beziehung.
Das gleiche Ergebnis wurde für offene Beziehungen auf der Basis konsensueller Nicht-Monogamie erzielt:
- wenn Paare vereinbarten, dass sexuelle Kontakte zu anderen Personen außerhalb der Beziehung erlaubt waren, verminderte dies gemäß der Befunde dieser Befragung nicht die Stabilität ihrer partnerschaftlichen Beziehung.
Mögliche Befürchtungen, dass sich offene Beziehungen durch den Einfluss Dritter destabilisierend auf den Fortbestand von Beziehungen auswirken könnten, konnten in dieser Untersuchung nicht bestätigt werden.
Vereinbarte Monogamie und konsensuelle Nicht-Monogamie zeigten sich in dieser Untersuchung als zwei alternative Beziehungsmodelle, die beide in gleichem Ausmaß zu einer stabilen Beziehung führen können.
- der komplette Verzicht auf Sex ging in dieser Untersuchung demgegenüber tendenziell mit einer häufigeren Trennung von Paaren einher.
Allerdings war dieser Effekt nur moderat ausgeprägt und verfehlte die statistische Signifikanz, was auch mit der geringen Anzahl der Beziehungen ohne Sex in dieser Stichprobe zusammenhängen mag.
Verzicht auf Sex ließ sich also letztlich nicht als Risikofaktor für eine reduzierte Beziehungsstabilität identifizieren.
Vermutlich spielen hier weitere individuelle Faktoren eine Rolle, die aber in dieser Befragung nicht erhoben wurden und wegen der geringen Anzahl der Fälle ohne Sexualität auch nicht hätten statistisch ausgewertet werden können.
Psychologisch ist zu vermuten, dass Beziehungen, wo der Verzicht auf Sex beidseitig gewünscht ist, sich stabiler entwickeln als Beziehungen, wo der Verzicht auf Sex lediglich von einer Person ausgeht. Um diese Hypothese zu überprüfen, bedarf es aber weiterer Untersuchungen mit einer größeren Anzahl an Beziehungen ohne Sex.
Den eigentlichen Einfluss auf die Trennungswahrscheinlichkeit übte aber das Fremdgehen aus:
- Fremdgehen ist der entscheidende Risikofaktor für eine Trennung – dies ist der Hauptbefund dieser Untersuchung:
- Fremdgehen trat in den getrennten Beziehungen mehr als 10-fach häufiger auf als in den fortbestehenden Beziehungen.
Damit bedarf aber auch die Aussage, dass vereinbarte Monogamie weder ein Schutzfaktor noch ein Risikofaktor sei, einer psychologischen Einschränkung:
- vereinbarte Monogamie ist weder ein Schutzfaktor noch ein Risikofaktor, wenn sie beidseitig eingehalten wird.
- wird vereinbarte Monogamie aber nicht eingehalten, wird sie zum Risikofaktor und erhöht das Trennungsrisiko.
Die Sicherheit all dieser Ergebnisse würde natürlich anwachsen, wenn wir sie auch auf die Zukunft gerichtet beobachten könnten.
Deshalb werden wir die gleichen Mitglieder, bei der die Beziehung fortdauert, künftig erneut befragen.
Auch mag es eine Dunkelziffer des Fremdgehens in fortdauernden Beziehungen geben. Jedoch ist der Unterschied in der Trennungsrate in den Auswertungen dieser Untersuchung so hoch, dass es unwahrscheinlich ist, dass die Aufdeckung dieses Dunkelfeldes zu einem gravierend anderen Ergebnis führen würde.
Zudem war die Befragung anonym und es wurde neben dem Fremdgehen des Partners auch das eigene Fremdgehen erfasst, welches in einer anonymen Befragung typischerweise eingestanden wird. Dies dürfte die Dunkelziffer weiter gesenkt haben.
Psychologische Empfehlungen
Psychologische Studien zeigen, dass Paare in Beziehungen mit konsensueller Nicht-Monogamie eine gute Beziehungsqualität mit einem hohen Ausmaß an Intimität, Vertrauen und sexueller Zufriedenheit erreichen können. Die Befunde hierzu können in diesem vorherigen Artikel im Blog nachgelesen werden.
Personen, die aufgrund ihrer vorherigen Beziehungserfahrungen und ihrer sexuellen Neigungen von vornherein wissen, dass sie nicht in der Lage oder nicht bereit sind, sich an eine Vereinbarung zur sexuellen Treue in einer Beziehung tatsächlich dauerhaft zu halten, sollten daher keine Vereinbarung zur Monogamie treffen.
Für diese Personen ist vielmehr das Modell einer offenen Beziehung auf der Basis konsensueller Nicht-Monogamie das geeignete Beziehungsmodell.
Hat Fremdgehen in Beziehungen aber bereits stattgefunden, besteht durchaus noch die Möglichkeit zu einem offenen Gespräch der Beziehungspartner untereinander, um gegebenenfalls von einer Beziehung mit nicht eingehaltener Monogamie zu einem sexuell offenen Beziehungsmodell zu wechseln.
Die Angst, dass solch eine offene Beziehung mit erhöhter Wahrscheinlichkeit instabil sein würde, ist empirisch unbegründet.
Fremdgehen ist ein Vertrauensbruch und kann tiefgreifend die Tragfähigkeit von Beziehungen erschüttern. Beziehungen mit konsensueller Nicht-Monogamie beruhen demgegenüber auf Offenheit, Ehrlichkeit und Transparenz und mögen daher sogar zur Heilung eines bereits stattgefundenen Vertrauensbruchs beitragen.
Für Personen und Paare, die bereit und fähig zur Monogamie sind und in einer monogamen Beziehung sexuell ausgefüllt und glücklich sind, besteht kein Grund, ihr Beziehungsmodell zu wechseln.
Wer dem Anspruch der dauerhaften sexuellen Treue aber nicht genügen kann oder will, sollte ernsthaft über ein offenes Beziehungsmodell nachdenken, bei dem Offenheit und erweiterte sexuelle Erlebnismöglichkeiten an die Stelle von Verheimlichung und Vertrauensbruch treten.
Vor und während der Partnersuche ist eine selbstreflexive Auseinandersetzung mit den eigenen sexuellen Bedürfnissen und Beziehungswünschen anzuraten, um von Anfang an das geeignete Beziehungsmodell zu wählen. So kann die Voraussetzung für eine hohe Stabilität einer künftigen Beziehung verbessert werden, anstatt immer wieder die alten Fehler zu wiederholen.
Die meisten Online-Partnervermittlungen erlauben leider keine differenzierte Suche nach monogamen oder nicht-monogamen Beziehungsformen. Implizit wird dadurch vereinbarte Monogamie als einzig mögliche Beziehungsform festgeschrieben.
Diese einseitige Fokussierung auf vereinbarter Monogamie entspricht nicht der Vielgestaltigkeit und Diversität menschlicher Sexualitäts- und Beziehungsbedürfnisse.
Das Beharren auf sexueller Monogamie für jeden trägt im Gegenteil letztlich zu schmerzhaften Zerwürfnissen, Vertrauensbruch und Trennungen aufgrund von Fremdgehen bei.
Vermutlich ist es nach wie vor der gesellschaftliche Druck zur Monogamie, der viele Menschen zur vorgespielten Monogamie verleitet und damit oftmals zum Beziehungsbruch führt.
Bei den großen Partnervermittlungen im Internet zeigt sich dabei eine verblüffende konservative Grundhaltung, der übrigens nicht nur konsensuelle Nicht-Monogamie unbekannt zu sein scheint. Ignoriert werden ebenso Bisexualität und non-binäre geschlechtliche Identitäten.
Gut dokumentiert wird dies beispielsweise von Nina Horcher im Standard unter dem vielsagenden Titel:
Optionen bei Gleichklang
Bei Gleichklang haben wir die Möglichkeit geschaffen, sowohl nach einer monogamen als auch nach einer nicht-monogamen oder polyamorösen Beziehung zu suchen.
Bei klarer Präferenz für eines dieser Beziehungsmodelle raten wir Ihnen zu einer entsprechend eindeutigen Angabe in den jeweiligen Suchkriterien mit +2 (auf jeden Fall) oder -2 (auf keinen Fall).
Wenn verschiedene Beziehungsmodelle für Sie vorstelbar sind, sind die mittleren Antwortkategorien für Sie geeignet – je nach Präferenzrichtung eine +1 oder -1 oder bei gleichstarker Präferenz für das eine oder das andere Modell eine Null.
Das wichtigste für Sie selbst und die Stabilität Ihrer künftigen Beziehung ist aber, ehrlich zu sein mit sich selbst und den Beziehungspartner:innen.