Bindungsstile und Ihre Folgen
Meine letzten beiden Blog-Artikel hatten jeweils den vermeidenden Bindungsstil und den ängstlichen Bindungsstil zum Thema, einschließlich von zwei Testverfahren zur Erfassung beider Bindungsstile.
In diesem dritten und zunächst abschließenden Blog-Artikel zum Thema Bindung geht es hauptsächlich um den sicheren Bindungsstil, einen Bindungsstil, der für eine dauerhaft bestehen bleibende und glückliche Beziehung das Optimum ist.
Ebenfalls werde ich aber kurz auf den ängstlich-vermeidenden Bindungsstil, auch desorganisierter Bindungsstil genannt, eingehen. Diese stellt eine Mischform zwischen dem ängstlichen und dem vermeidenden Bindungsstil dar.
Der Artikel zeigt außerdem auf, wie Sie mit den beiden Tests “Bin ich bindungsvermeidend?” und “Bin ich ein ängstlich-abhängiger Bindungs-Typ?” alle vier Bindungsstile – vermeidend, ängstlich, ängstlich-vermeidend und sicher für sich selbst abklären können.
In aller Kürze werde ich auch auf Ursachen für die Bindungsstile in der Kindheit und im späteren Leben sowie auf die Auswirkungen auf Beziehungen und andere Lebensbereiche eingehen.
Der Schwerpunkt des Artikels liegt aber darauf, was Sie tun können, um einen sicheren Bindungsstil zu entwickeln oder aufrechtzuerhalten.
Ebenfalls wird es darum gehen, wie Sie mit Beziehungspartnern umgehen können, die womöglich einen ängstlichen, vermeidenden oder kombiniert ängstlich-vermeidenden Bindungsstil aufweisen?
Nach Abschluss der kleinen Serie zu den Bindungsstilen gehe ich in der nächsten Woche auf das Thema ein “Warum bin ich Single?”.
In diesem Artikel in der nächsten Woche werde die Ergebnisse unserer aktuell laufenden Umfrage “Warum bin ich Single?” vorstellen und der Frage nachgehen, wie die entsprechenden Gründe verändert werden können.
Alle Leser und Leserinnen, die noch Single sind, seien daher gebeten, sich an der laufenden Umfrage zu beteiligen, wenn sie es noch nicht getan haben!
Die Umfrage dauert nur 10 – 15 Minuten, wird aber viele interessante und auch potenziell handlungssteuernde Ergebnisse liefern, die ich mich freue, im nächsten Blog-Artikel zu behandeln:
▶ Hier zur Umfrage “Warum bin ich Single?”
Was ist sichere Bindung?
Sichere Bindung ist, wenn Beziehungspartner gerne gemeinsam Zeit verbringen, durch die Gemeinsamkeit Erleichterung und verbesserte Effizienz beim Umgang mit Problemen erleben, sich vertrauen und offen miteinander reden.
Sichere Bindung beinhalt aber ebenfalls, dass Beziehungspartner gelassen mit räumlicher Distanz umgehen können, ohne Verlustängste zu entwickeln, massiv unter Einsamkeit zu leiden, eifersüchtig zu werden, dem Beziehungspartner zu misstrauen oder zu Kontrollen zu greifen.
In einer sicheren Bindung wird also die Zeit miteinander genossen und gleichzeitig werden Zeiten der räumlichen Trennung mit Gelassenheit überbrückt, ohne dass die Beziehung dadurch destabilisieren würde oder hohes seelisches Leid entstünde.
Selbstverständlich vermisse sich Beziehungspartner mit sicherer Bindung, aber das Bewusstsein der Sicherheit ihrer Bindung ermöglicht es ihnen, gut mit temporärer Trennung umzugehen, weiterhin Nähe und wechselseitige Unterstützung zu erleben und das Beste aus Zeiten einer temporären Distanz zu machen.
Beziehungspartner mit sicherer Bindung geben einander Sicherheit und Freiheit. Freiheit ermöglicht wechselseitige Freiräume, ohne Nebenfolgen aus Verlustangst oder Eifersucht.
So erleben sich Beziehungspartner mit sicherer Bindung als frei und gebunden zur gleichen Zeit. Sie bejahen die Bindung, die sie als Bereicherung und nicht als Einschränkung erleben. Weder Verlustangst noch Einengung stehen im Fokus des Beziehungserlebens.
Beziehungspartner mit sicherer Bindung werden Zeit gemeinsam verbringen, wenn es sinnvoll und möglich ist, ebenso können sie sich aber dafür entscheiden, temporär getrennte Wege zu gehen, beispielsweise, wenn sich Hobbys und Interessen unterscheiden oder wenn die Lebenssituation eher für eine momentane räumliche Distanz spricht.
Beziehungspartner mit sicherer Bindung sprechen offen miteinander und lernen sich so in einer angstfreien und vorwurfsfreien Atmosphäre kennen. Dies verbessert das wechselseitige Verstehen, reduziert Konflikte und kann dem Entstehen von Missverständnissen vorbeugen.
Mit sicherer Bindung und offenem wechselseitigen Gefühls- und Bedürfnisausdruck können verschiedene Modelle von Beziehung als erfüllend und befriedigend erlebt werden:
Nahbeziehungen mit zusammen wohnen ebenso wie Fernbeziehungen mit regelmäßigen Begegnungen.
Bei sicherer Bindung können Veränderungen von Bedürfnissen der eigenen Person oder des Beziehungspartners besser wahrgenommen und ausgedrückt werden. So sind effizientere Adaptations-Prozesse möglich, die die Beziehungszufriedenheit schützen und aufrechterhalten können.
Bei Divergenzen in Wünschen, Bedürfnissen und Zielen können leichter Lösungsmöglichkeiten gefunden werden, die beiden Seiten gerecht werden.
Sichere Bindung ist insofern immer dann, wenn eine partnerschaftliche Beziehung gewollt wird, das optimale Bindungsmodell und insofern das Ziel.
Wieso ist sichere Bindung das Ziel?
Menschen unterscheiden sich.
Warum sollte für eine Beziehung ein für alle Menschen einheitliches Ziel einer sicheren Bindung vorgegeben werden?
Die Frage ist berechtigt, aber der Grund ist einfach:
- in einer Beziehung machen alle anderen Bindungsstile weniger glücklich. Abgesehen von der sicheren Bindung führen alle anderen Bindungs-Möglichkeiten zu seelischem Leid und geringerer Zufriedenheit auf einer Seite oder aufseiten beider Beziehungspartner.
Da in einer Beziehung das maximale Glück aller Beteiligten angestrebt wird, ist die sichere Bindung der Bindungs-Typ der Wahl:
- der ängstliche Bindungsstil kennzeichnet sich durch ein heraufreguliertes Bindungssystem mit ausgeprägter Verlassensangst, Unruhe, Nervosität, übermäßiger Suche nach Nähe und Klammern. Bei (scheinbarer) Distanzierung können Ärger, Wut, Eifersucht und Kontrollverhalten hinzutreten. Der ängstliche Part leidet in jedem Fall, aber auch der andere Beziehungspart mag sich eingeengt, bedrängt oder hilflos fühlen.
- der vermeidende Bindungsstil kennzeichnet sich durch eine Herabregulation des Bindungssystems. Bei jeder Form von Annäherung kommt es zum Erleben von Einengung, Bedrängung, Freiheitsverlust. Sehr schnell wird eine Beziehung eher als Gefängnis denn als solidarischer Raum zu wechselseitiger Freiheit und Weiterentwicklung erlebt. Das Interesse an Beziehungen erlischt oft rasch. Dies wiederum kann bei dem anderen Part ebenfalls zu Verletzungen und Unzufriedenheit führen. Oft werden Beziehungen so letztlich als Frustration erlebt und gehen auseinander.
- der ängstlich-vermeidende oder desorganisierte Bindungsstil geht mit einem zur gleichen Zeit heraufregulierten und herabregulierten Bindungssystem einher. Es werden also gleichzeitig völlig widersprüchliche Erlebensweisen und Handlungsimpulse aktiviert. Dies kann zu hohem seelischen Leid der betreffenden Seite und zu einer hohen Instabilität in einer Beziehung führen. Überforderung und Ratlosigkeit können beim Beziehungspartner resultieren. Einerseits wird Nähe gesucht und Verlustängste treten auf, andererseits wird Nähe als Einengung erlebt und Angst vor der Angst wird durch Nähe aktiviert. So entsteht ein widersprüchliches inneres Erleben und Beziehungsverhalten, was sich auch in Hassliebe, On-off-Beziehungen und in einem hoch und runter der Gefühle zeigen kann.
Wenn Sie Partnerschaft wünschen, ist also die Etablierung einer sicheren Bindung das offensichtlich anzustrebende Ziel.
Unterschied zwischen Bindung und Bindungsstil
Bindung beschreibt das aktuelle Bindungsverhalten, was in einer bestehenden Beziehungs-Konstellation beobachtbar ist.
Bindungsstil ist die relativ überdauernde Tendenz einer Person, in verschiedenen Beziehungs-Konstellationen immer wieder ähnliche Formen von Bindung zu entwickeln.
Bindung und Bindungsstil müssen also nicht immer gleich sein:
- so mag sich jemand in einer ängstlichen Bindung zu einer tatsächlich nicht vertrauenswürdigen und insofern angsterzeugenden Person befinden. In diesem Fall sind auftretende Ängste Realängste, die die Realität widerspiegeln. Die gleiche Person mag aber in der Vergangenheit in bindungssicheren Beziehungen gelebt haben, sodass die aktuelle Beziehung offenbar eher eine Ausnahme darstellt, die nicht dem typischen Bindungsstil entspricht.
Wer mit sicherem Bindungsstil in eine ängstliche Bindung hineingeraten ist, mag allerdings eher aktiv werden, um dies durch Beziehungs-Veränderung oder Trennung zu ändern als jemand, der ohnehin einen ängstlichen Bindungsstil hat.
Das Gleiche gilt für vermeidende Bindung und den vermeidenden Bindungsstil:
- eine Person, die eigentlich einen sicheren Bindungsstil hat, mag sich aktuell dennoch in einer vermeidenden Bindung befinden, beispielsweise weil der Beziehungspartner ein stark ängstliches Bindungsverhalten hat und mit Verlassenangst, Eifersucht und Kontrollen agiert. Das hierdurch (realitätsgerecht) ausgelöste Bedrängungserleben mag zu Vermeidungsverhalten in der aktuellen Bindung führen.
Erneut gilt aber, dass im Durchschnitt Personen mit vermeidendem Bindungsstil eher in vermeidende Bindungen geraten als Personen mit sicherem Bindungsstil.
Findet sich eine Person mit sicherem Bindungsstil in einer vermeidenden Bindung, wird sie wiederum eher aktiv werden, um Veränderungen der Beziehung zu erreichen oder sich zu trennen.
Divergenzen zwischen Bindung und Bindungsstil können also auftreten, im Durchschnitt ist es aber so, dass Menschen mit einem bestimmten Bindungsstil mit höherer Wahrscheinlichkeit auch künftig Bindungen entwickeln, die diesem Stil entsprechen.
Deshalb ist es wichtig, den eigenen Bindungsstil zu kennen und gegebenenfalls zu verändern.
Es ergeben sich hieraus einige wichtige Implikationen:
- oft neigen wir dazu, aufgrund unseres Bindungsstils ähnliche Bindungen in der Zukunft einzugehen wie in der Vergangenheit.
- bei sicherem Bindungsstil ist das Ergebnis durchaus erwünscht und mit erhöhter Wahrscheinlichkeit wird erneut eine Beziehung mit sicherer Bindung entstehen.
- bei ängstlichem, vermeidendem oder ängstlich-vermeidendem Bindungsstil ist das Ergebnis demgegenüber unerwünscht und es führt dazu, dass sich ungünstige Muster aus der Vergangenheit wiederholen.
Welchen Bindungsstil habe ich?
Die Unterscheidung zwischen vier Bindungsstilen ist tatsächlich eine Vereinfachung.
Unterschiede zwischen Menschen verweisen in der Regel nicht auf Unterschiede in Qualitäten, sondern in Quantitäten:
- so nennen wir einen Menschen intelligent, nicht weil er eine einzigartige Qualität namens Intelligenz hätte, die andere nicht haben, sondern weil er quantitativ intelligenter ist als andere. Vielleicht macht das Beispiel der Körpergröße den Punkt noch klarer: ein großer Mensch hat tatsächlich keine besondere Größe (ein Berg ist größer), sondern er ist lediglich größer als die meisten anderen Menschen.
In Wirklichkeit gibt es entsprechend auch keine vier Bindungsstile, sondern unendliche Unterschiede im Bindungsverhalten zwischen Menschen, die sich aber prägnant anhand der dargelegten Bindungsstile quasi als Prototypen beschreiben lassen.
Die Bindungsstile “sicher” und “ängstlich-vermeidend” lassen sich dabei als Kombination aus der Ausprägung in den Dimensionen “ängstlich” und “vermeidend” verstehen:
- ein sicherer Bindungsstil liegt vor, wenn jemand keinen ängstlichen Bindungsstil und auch keinen vermeidenden Bindungsstil hat. In diesem Fall bestehen weder (übermäßige) Tendenzen zu Verlassenangst und Eifersucht noch bestehen Tendenzen zu Bindungsdesinteresse, schnellem Rückzug und Beziehungslosigkeit. Die Kombination der Abwesenheit der ängstlichen und vermeidenden Stilmerkmale kennzeichnet den sicheren Bindungsstil.
- ein ängstlich-vermeidender Bindungsstil liegt vor, wenn jemand sowohl Merkmale eines ängstlichen Bindungsstils als auch eines vermeidenden Bindungsstils hat. Die Kombination der Anwesenheit beider Stilmerkmale kennzeichnet den ängstlich-vermeidenden Bindungsstil.
Es ist also möglich, mit nur zwei Maßen (ängstlicher Bindungsstil, vermeidender Bindungsstil) die vier Bindungsstile testpsychologisch zu erfassen.
Dies geschieht im Gleichklang-Testportal entsprechend über die beiden Testverfahren:
- Bin ich ein ängstlich-abhängiger Bindungstyp?
Bin ich bindungsvermeidend?
So gelangen Sie zu Ihrem Ergebnis
- machen Sie beide Tests und speichern Sie die Ergebnisse als PDF, um sie nicht zu vergessen
Identifizieren Sie nun Ihren eigenen Bindungsstil folgendermaßen:
- ängstlich-vermeidender Bindungsstil: überdurchschnittliche Werte im ängstlichen Bindungsstil und im vermeidenden Bindungsstil
- ängstlicher Bindungsstil: überdurchschnittliche Werte im ängstlichen Bindungsstil, aber keine überdurchschnittlichen Werte im vermeidenden Bindungsstil
- vermeidender Bindungsstil: überdurchschnittliche Werte im vermeidenden Bindungsstil, aber keine überdurchschnittlichen Werte im ängstlichen Bindungsstil
- sicherer Bindungsstil: keine überdurchschnittlichen Werte im vermeidenden Bindungsstil und keine überdurchschnittlichen Werte im ängstlichen Bindungsstil
Gerade beim sicheren Bindungsstil macht es noch einmal Sinn, zwischen einem ganz klaren und prägnanten sicheren Bindungsstil und einem eher oder ausreichend sicheren Bindungsstil zu unterscheiden:
- der klare und prägnante sichere Bindungsstil kennzeichnet sich durch unterdurchschnittliche Werte im vermeidenden Bindungsstil und unterdurchschnittlichen Werte im ängstlichen Bindungsstil.
- der eher sichere oder ausreichend sichere Bindungsstil kennzeichnet sich dadurch, dass zwar keine überdurchschnittlichen Ausprägungen im ängstlichen und vermeidenden Bindungsstil bestehen, dass aber mindestens eines oder beide dieser Maße auch nicht unterdurchschnittlich ausfallen, sondern lediglich durchschnittlich sind.
Auch hier gilt, dass letztlich alles eine Frage der Quantität ist:
- je stärker Sie sich gleichzeitig an eine unterdurchschnittliche Ausprägung im ängstlichen Bindungsstil und im vermeidenden Bindungsstil annähern, desto eher entspricht ihr Bindungsstil dem Optimum des prägnant sicheren Bindungsstiles.
Die richtige Herangehensweise an die Tests ist es übrigens, einfach nur erfahren zu wollen, welchen Bindungsstil Sie tatsächlich aufweisen und insofern die Fragen ganz spontan und zügig zu beantworten.
Über die Konsequenzen einer möglichen Antwort für das Ergebnis sollten Sie bei der Testbearbeitung nicht nachdenken.
Halten Sie sich hieran, werden Sie ein gültiges Testergebnis erhalten, welches entweder einen optimalen Bindungsstil bekräftigen wird (prägnant sicherer Bindungsstil) oder aber Ihnen Motivation geben kann, an einer weiteren Annäherung an den prägnant sicheren Bindungsstil zu arbeiten.
Ein eher oder ausreichend sicherer Bindungsstil ist dabei durchaus bereits eine gute Basis, um eine sichere Bindung zu erreichen.
Sollte bei Ihnen aber ein ängstlicher, ein vermeidender oder ein ängstlich-vermeidender Bindungsstil bestehen, lautet der Rat, an einer Veränderung zu arbeiten, um Ihre aktuelle oder Ihre nächste Beziehung glücklicher und stabiler zu gestalten. Tun Sie dies nicht, könnten sich sonst alte Muster wiederholen.
Ursachen der Bindungsstile
Ich halte diesen Abschnitt sehr knapp, weil der Hauptfokus des Artikels nicht auf der Vergangenheit, sondern auf der Gegenwart und der Zukunft liegt.
Zahlreiche wissenschaftliche Untersuchungen haben belegt, dass elterliches Verhalten in der Kindheit sich in Bindungsstilen im Erwachsenenalter widerspiegeln kann:
- sichere Bindung entsteht, wenn die wesentlichen Bedürfnisse eines Kindes durch Eltern erfüllt werden und die Eltern zur Stelle sind, wenn ein Kind sie ruft oder sie braucht. Die entsprechenden Kinder verbringen gerne Zeit in der Nähe der Eltern, können sich aber auch ohne Angst oder Panik beim Spiel entfernen. Es entsteht ein Sicherheitsgefühl, welches in späteren Bindungsmustern im Erwachsenenalter fortdauert.
- ängstliche Bindung entsteht, wenn Eltern ein widersprüchlich-inkonsistentes Erziehungsverhalten zeigen mit einerseits womöglich besonders liebevoller Zuwendung, aber auch mit Abwendung oder zu langsamer Zuwendung, wenn ein Kind sie braucht. Verlust von Elternteilen und Bezugspersonen in der Kindheit mag ebenfalls ein wesentlicher Faktor sein. So kann die Basis für Verlustängste im Erwachsenenalter geschaffen werden.
- vermeidende Bindung entsteht, wenn Eltern die Bedürfnisse von Kindern nicht erfüllen, sich nicht kümmern, sie unter Druck setzen oder sie bestrafen. Die Eltern reagieren nicht mit adäquater emotionaler Zuwendung, weisen das Kind zurück oder bringen dem Kind gar bei, über Gefühle nicht zu sprechen, Gefühle zu unterdrücken, sehr früh ein hohes Ausmaß an nicht kindgerechter Eigenständigkeit und Verantwortung zu übernehmen. Im Erwachsenenalter mag es solchen Kinder schwerfallen, emotionale Nähe herstellen und positiv erleben zu können.
Dies bedeutet aber keineswegs, dass wir mit unserem Bindungsstil in unseren kindlichen Erfahrungen verharren müssen.
Eben sowenig bedeutet es übrigens, dass alle Erwachsenen mit ängstlichem Bindungsstil in der Kindheit widersprüchlichem Verhalten der erwachsenen Bezugspersonen ausgesetzt waren oder dass alle Personen mit vermeidendem Bindungsverhalten in der Kindheit zurückgewiesen, gemaßregelt oder in ihren kindlichen emotionalen Bedürfnissen unterdrückt worden wären.
Bindungsstile können ebenfalls entstehen oder sich verändern durch spätere Erfahrungen mit Interaktionspartnern in der Schule, am Arbeitsplatz oder in partnerschaftlichen Beziehungen. Auch gravierende Lebensveränderungen oder kritische Lebensereignisse können zu einer Veränderung von Bindungsstilen führen.
Eine Partnerschaft mag so traumatisierend sein, dass ein ursprünglich sicherer Bindungsstil sich je nach Konstellation in einen ängstlichen Bindungsstil oder einen vermeidenden Bindungsstil verwandelt. Umgekehrt mag eine Person mit einem ursprünglich ängstlichen oder vermeidenden Bindungsstil im Rahmen einer sich dennoch sicher entwickelnden zentralen Beziehung diesen Bindungsstil ablegen und einen sicheren Bindungsstil annehmen.
Belegt ist die Möglichkeit zu lebenslangem Lernen:
- so prägend die Kindheit auch sein mag, gefangen sind wir in ihr nicht.
Veränderungen von Bindungsstilen können dabei sowohl in die positive als auch in die negative Richtung gehen. Wichtig ist, sich dies bewusst zu machen, den eigenen Bindungsstil zu kennen und – wenn er nicht dem sicheren Bindungsstil entspricht – aktiv an einer Veränderung zu arbeiten.
Bindungsstile verändern
In meinen vorherigen Artikeln zum ängstlichen und vermeidenden Bindungsstil hatte ich bereits über Veränderungsmöglichkeiten geschrieben, die ich hier noch einmal komprimiert zusammenfassen möchte:
- erkennen Sie Ihren Bindungsstil und nehmen Sie sich vor, einen sicheren Bindungsstil zu erreichen, wenn Sie diesen nicht bereits aufweisen.
- reflektieren Sie über Ihren Wunsch nach Gemeinsamkeit und Beziehung, horchen sie in sich hinein und achten Sie darauf, was Sie wirklich wünschen.
- üben Sie, offen über Ihre Gefühle zu sprechen, üben Sie ebenso zuzuhören und Ihr Gegenüber zu verstehen.
- sprechen Sie es an, wenn Sie an Verlassensängsten oder Eifersucht leiden, aber auch wenn Sie sich eingeengt fühlen und Fluchttendenzen verspüren.
- geben Sie weder den Ängsten durch Klammern oder Kontrollieren nach noch den Fluchttendenzen, indem Sie sich von Beziehung und Nähe zurückziehen.
- nehmen Sie sich vielmehr gemeinsam mit dem Partner vor, an einer Überwindung ihrer Verlustangst/Eifersucht zu arbeiten oder zu lernen, Nähe positiv erleben zu können.
- achten Sie dabei unbedingt auf ein Lebensmodell, in dem bei entsprechender Akzeptanz und Übung beide Beziehungspartner glücklich werden können, Nähe zulassen, aber dennoch Distanz erlauben, Freiheit geben und nehmen, dies sind wichtige Parameter, an denen Sie arbeiten können.
- Kommunikation ist das A und O – je besser sich Beziehungspartner verstehen, desto leichter fällt es, ein gemeinsames Lebensmodell zu entwickeln.
- erwarten Sie keine Perfektion, sondern arbeiten Sie an der Beziehungsqualität. Gerade vermeidende Bindungsstile mögen sich hinter Perfektionsansprüchen an den Beziehungspartner oder die Beziehung verbergen, die eine einfache Entschuldigung für erneute Flucht und Rückzug sind.
- ganz besonders für einen ängstlichen Bindungsstil gelten die Empfehlungen, sich mit der Angst in der Vorstellung zu konfrontieren und die schlimmsten Befürchtungen zu Ende zu denken (z.B. Verlassenwerden), jedes Kontrollverhalten zu unterlassen und konsequent immer wieder bewusst hergestellte und gemeinsam besprochene temporäre Distanz (zusätzlich zu Nähe) einzuüben. All dies führt zur Reduktion des ängstlichen Bindungsverhaltens.
- seien Sie nicht fatalistisch, sondern nehmen Sie die Möglichkeiten zu lebenslangen Lernen an und steigen Sie so aus aus der ansonsten tatsächlich recht oft zu beobachtenden ewigen Wiederholung ungünstiger Beziehungsmuster.
Wie umgehen mit ungünstigen Bindungsstilen beim Beziehungspartner?
Erneut gilt:
- machen Sie sich vor allem klar, dass es Perfektion niemals gibt.
- passen wichtige Werthaltungen zueinander, gibt es gemeinsame Lebensziele und Entwicklungsmöglichkeiten, braucht eine Beziehung an ungünstigen Bindungsstilen des Beziehungspartners nicht zu scheitern.
Es gelten die gleichen Empfehlungen wie bei der Veränderung des eigenen Stils:
- offene Kommunikation, wechselseitiges Verstehen und Annahme, sowie Vereinbarungen zum Umgang miteinander können getroffen und eingeübt werden unter der Prämisse, dass den Bedürfnissen beider Beziehungspartner Rechnung getragen werden soll.
Gelingt dies, können die Veränderungen automatisieren und eine sichere Bindung entsteht.
Allerdings ist die Bereitschaft beider Seiten für so ein Gelingen erforderlich. Ist dies nicht der Fall, können Abgrenzung und Trennung die durchaus berechtigten und notwendigen Folgen sein.
Ausblick
Es lohnt sich, den eigenen Bindungsstil zu kennen, um die Aussichten für eine sichere Bindung jetzt oder in der Zukunft zu verbessern.
Ebenso kann ein Wissen über Bindungsstile helfen, den Beziehungspartner besser zu verstehen und so gemeinsam an einer glücklicheren Beziehung zu arbeiten.
Gerade weil sich Muster aus der Vergangenheit ohne besondere Reflexion oft wiederholen, ist es wichtig, über die eigenen Muster nachzudenken, um so die Ressourcen für eine glückliche und stabile partnerschaftliche Beziehung entwickeln oder verbessern zu können.