Mein Beobachtereindruck
Nach 14 Jahren als Betreiber einer Dating-Plattform und Beobachter der Dating-App-Szene besteht für mich kein Zweifel daran, dass ein Großteil aller Schwierigkeiten bei der Partnersuche selbstgemacht ist.
Es sind unsere eigenen Begrenzungen und unser Unvermögen, über unseren Horizont hinauszugehen, die wir allzu oft nicht erkennen und nicht korrigieren, wodurch wir uns selbst blockieren.
Mein heutiger Artikel entstammt meinem eigenen interkulturellen Lernprozess und er möchte aufzeigen, wie wir lernen können, unsere Selbstbegrenzungen zu überwinden.
Seit Ende 2015 lebe ich in Kambodscha. Nie hätte ich erwartet, dass ich mich in Zeiten einer Pandemie wie auf einem anderen Planeten wiederfinden würde:
- seit Januar hat es in Kambodscha insgesamt 362 Infizierte und 0 Tote gegeben.
Dass den Menschen in Kambodscha bisher das Schicksal der Menschen in vielen anderen Erdteilen erspart blieb, ist weder ein Zufall noch ein Geschenk.
Es ist nach meiner Überzeugung das Ergebnis einer Geisteshaltung, die es der kambodschanischen Gesellschaft möglich machte, schnell und richtig zu handeln, während andere sich selbst blockierten bis es zu spät war.
Mein heutiger Artikel geht nicht um die Covid-19-Pandemie, aber ich werde das Thema immer wieder exemplarisch und zur Verdeutlichung streifen.
Es geht mir um eine Geisteshaltung, in der nach meiner Einschätzung nicht nur das Potenzial liegt, wie wir als Gesellschaft Krisen bewältigen können, sondern in der nach meiner Ansicht ebenso das Potenzial liegt, wie wir lernen können, Liebe zu finden, Liebe zu geben und Liebe zu erhalten.
Ich charakterisiere im Folgende diese Geisteshaltung, von der ich uns allen wünsche, dass wir mehr von ihr erwerben und annehmen können:
Das Unausweichliche akzeptieren
Als die Welt erkannte, dass sich eine Virus-Pandemie begann, rasant auszubreiten, hat sich Kambodscha sofort in diese Sachlage gefügt. Anstatt abzuwarten, zu hoffen, zu leugnen, waren nach dem dritten Fall alle Schulen und Bildungseinrichtungen landesweit geschlossen. Ein hochgradig professionelles System der Nachverfolgung aller Kontakte wurde unmittelbar etabliert. Sportstätten und Clubs machten landesweit dicht.
Das höchste Fest des Jahres ist das kambodschanische Neue Jahr vom 13 bis 16 April. Millionen Menschen reisen, treffen ihre Familien und besuchen die Tempel.
Vor dem neuen Jahr wurden im April nur neun neue Infektionsfälle in Kambodscha entdeckt.
Die Diskussionen hier in Kambodscha gingen aber nicht darum, dass nun alles getan werden müsse, um dies höchste Fest des Jahres trotz Virus-Pandemie zu gewährleisten.
Die Diskussion ging darum, dass durch Reisetätigkeit, Familientreffen und Versammlungen unentdeckt gebliebene Infektions-Fälle sich über das ganze Land verbreiten könnten.
Das Neue Jahr wurde abgesagt und die Reisen zwischen den Provinzen für 8 Tage unterbunden.
Erst ein halbes Jahr später wurde das neue Jahr bei damals null Infektionen im ganzen Land nachgefeiert.
Die Maßnahmen wurden von der überwältigenden Mehrheit der Bevölkerung nicht nur passiv, sondern mit dezidierter Zustimmung getragen – auch wenn die wirtschaftlichen Verluste für die Menschen in Kambodscha wesentlich schmerzvoller waren als sie es nach wie vor für die Bevölkerung beispielsweise in Deutschland sind.
Die Menschen waren bereit, das Unausweichliche und Notwendige anzunehmen, anstatt zu leugnen, schönzureden, zu relativieren oder abzuwarten.
30000 Infektionsfälle in Deutschland pro Tag sprechen eine deutliche Sprache:
- Schönrednerei, Leugnen oder den Kopf in den Sand zu stecken, kann kurzfristig belohnend sein, aber die langfristigen Folgen sind oft verheerend.
Der Wahrheit ins Gesicht zu schauen, mag unangenehm sein. Aber es ist notwendig, wenn wir effektiv handeln und das Beste aus einer Situation und aus unserem Leben machen wollen.
So auch bei der Partnersuche …
Das Unausweichliche nicht akzeptieren wollen, das sehen wir beim Online-Dating jeden Tag und dies seit 14 Jahren:
- Menschen schauen sich Profile nicht an, schreiben keine Nachricht, antworten nicht, sagen Verabredungen ab, der Funke springt nicht über
- die eigenen Suchkriterien reduzieren die mögliche Anzahl an Vorschlägen, Wartezeiten auf Vorschläge treten auf, Vorschläge begeistern nicht, der andere löscht das Profil
- Langeweile tritt ein oder es kommt gar zu Verletzungen, Enttäuschungen und Zurücksetzungen
- der Erfolg ist nicht nach Wochen, Monaten oder noch nicht nach einem Jahr eingetreten
All dies kann beim Online-Dating auftreten und es tut es auch oft.
Doch manche können und wollen dies nicht akzeptieren, beschweren sich am laufenden Meter, leugnen das Unausweichliche und ziehen daraus die falschen Konsequenzen:
- Online-Dating funktioniert nicht
- Gleichklang hält nicht, was es verspricht
Das kann bis zu regelrechten Aggressionsausfällen gegen andere Mitglieder oder uns gehen oder umgekehrt bis zu depressiver Resignation.
Tatsächlich liegt die richtige Geisteshaltung darin, all dies als Möglichkeit zu akzeptieren.
Wichtig ist, sich nicht erschüttern zu lassen und solange dranzubleiben, bis ein Mensch gefunden worden ist, mit dem eine Liebesbeziehung beginnt.
Belohnungen aufschieben können
Wir alle – und dies teilen wir übrigens mit anderen Tierarten – leben dafür, positive Erlebnisse und Gefühle zu maximieren und negative Erlebnisse und Gefühle zu minimieren.
Am liebsten tun wird das, was schnell zu einer Belohnung führt.
Auf eine Belohnung zu verzichten, um einen Schaden für später zu vermeiden oder eine größere Belohnung später zu erhalten, fällt uns schwer.
In Deutschland begannen die Diskussionen um Lockerungen noch vor dem ersten Shutdown. Diese wurden dann zu einem Selbstläufer.
So schnell als möglich und möglichst sofort.
So mag fraglos so manche spannende Europatour oder internationale Fernreise unternommen worden und so manche Party im Sommer gefeiert worden sein – 30000 Infektionen pro Tag und der jetzige Lockdown sind die Langzeitkonsequenz.
Kambodscha handelte anders und erlaubt allen (eigenen Staatsangehörigen, Ausländern) die Einreise, aber nur unter einer Bedingung:
- Test am Flughafen, 14 Tage Quarantäne und zweiter Test nach 14 Tagen
Als Konsequenz gibt es bis heute kaum Vergnügungsreisen über die Grenzen, was sicherlich sofort zu Spaßverlust führt, aber dafür wird allen Menschen in Kambodscha ein Gefühl von Sicherheit ermöglicht. Auch musste bisher eben niemand in Kambodscha an Covid-19 verstorbene Angehörige betrauern.
Ähnlich läuft es beim Dating …
Im Dating-Bereich sehen wir die Tendenz zur sofortigen Belohnung ebenfalls stark.
Der Boom der Dating-Apps ist dafür der beste Beweis:
- Profile sind sofort in direkter Wohnortnähe verfügbar. Sekundenschnelle Reaktionen sind möglich. Spannend, abenteuerlich, interessant, ablenkend, sich selbst bestätigend – sofortige Belohnungen fließen reichlich. Forschungsarbeiten diskutieren bereits eine neue Dating-Sucht.
- eine langfristige Partnerschaft entsteht so aber nur selten. Bei manchen leidet stattdessen die Bindungsfähigkeit und sie bleiben als Singles den Dating-Apps dauerhaft erhalten.
Sicherlich gibt es auch in Kambodscha Dating-Apps und Facebook wird ohnehin reichlich verwendet.
Aber drei wesentliche Unterschiede fallen mir doch auf:
- ich bin noch niemanden hier begegnet, der es als ein Problem ansehen würde, wenn ein künftiger Partner oder eine künftige Partnerin in einer weiter entfernten Provinz leben würde, obwohl die Anreise bei gleicher Entfernung ein mehrfaches der Zeit verursacht als in Deutschland.
- selbst monatelange Wartezeiten bis zum ersten Treffen werden kaum als Hindernis erlebt.
- Fernbeziehungen werden typischerweise als unproblematisch erlebt, meistens allerdings nicht als Dauerlösung, sondern als gegebenfalls auch langandauernder Übergang.
Es scheint mir – wie ich in einem vorherigen Artikel schrieb – in einer Reihe von wohlhabenden Ländern eine Kultur der Bequemlichkeit entstanden zu sein, in der die sofortige Verfügbarkeit von allem und jedem erwartet wird. Bei materiellen Produkten mag dies gewährleistet werden können, bei Liebe ist dieser Anspruch nicht einlösbar.
Anstrengung und Verzicht
- ein mir bekannter Rechtsanwalt in Phnom Penh, der sich auf Auslandsbezüge spezialisiert hat, hat seit April diesen Jahres einen Verlust von ca. 95 % seiner Aufträge zu verzeichnen. Er meinte, der Vorteil sei, dass seine Familie und er jetzt nur noch sehr wenig Geld ausgeben müssten, weil sie nichts mehr unternähmen und an allen Enden und Ecken sparen würden.
- eine Kokosnussverkäuferin auf der Straße hat ihre umsatzstärksten Sorten rausnehmen müssen, da die Menschen jetzt nicht mehr beim Vorbeigehen auf der Straße Kokossaft trinken. Ab und zu verkauft sie noch einige Kokosnüsse, die nach Hause mitgenommen werden. Sie kommt so gerade eben mit dem zum Leben notwendigen über die Runden und freut sich auf bessere Zeiten. Sie ist dankbar, dass Kambodscha bisher die Covid-Pandemie erspart werden konnte.
- der Besitzer eines kleinen Reisebüros sitzt jeden Tag in seinem kundenleeren Laden, um die ein bis zweimal die Woche noch auftretenden Visa-Angelegenheiten abzuwickeln. Er zeigt keine Spur von Verbitterung und ist froh, dass die Gesellschaft sich vor Covid schützt.
- ein Kellner in einer Sky-Bar beendete seine Tätigkeit noch vor der damaligen Regierungsanweisung zur Schließung und ging aufs Dorf zurück, wo er seither minimal bezahlte Bauarbeiten durchführt. Online lernt er jetzt Koreanisch, um später sein Einkommen erhöhen zu können.
Was mir bei all diesen und vielen weiteren Beispielen so eindrucksvoll immer wieder auffiel, war die authentische, ja selbstverständliche Bereitschaft, zu verzichten und sich umzustellen, wenn es nun einmal notwendig ist. Anstrengungsbereitschaft wird nicht gescheut.
Es brechen in dieser Situation nicht Verzweiflung und auch nicht Empörung wie bei den Querdenkern aus, sondern die Menschen nehmen ihr Leben in die Hand und bemühen sich, das Beste aus den bestehenden Möglichkeiten zu machen.
ohne Anstrengung bleibt die Liebe auch oft fern …
Demgegenüber habe ich schon so oft E-Mails von Gleichklang-Mitgliedern erhalten, dass die Partnersuche zu anstrengend sei:
- das Einstellen eines freien Textes, das Antworten und die Kommunikation, das Planen, wie es weitergehen solle, ggf. das Verabreden und Anreisen, all dies sei einfach zu viel.
- die Plattform sei nicht einfach und schnell genug, es klappe nicht auf jedem Handy, das sei nervig und verderbe den Spaß
Immer wieder sehen wir auch in unseren Umfragen, dass es eine beträchtliche Anzahl an partnersuchenden Singles gibt, die auf rein gar nichts ihrer Alltagsroutine für eine Partnerschaft verzichten möchten. Alles soll so weitergehen wie bisher, nur dass auch noch ein Partnerglück dabei sein soll.
Aber selbst bei der besten Passung ist ein neuer Mensch im Leben niemals nur ein Anhängsel, den man mit sich führt, sondern jede neue Beziehung heißt nicht nur Gewinn, sondern auch Verlust und Einstellung aufeinander.
Positive Einstellung und Optimismus
Mit positiver Einstellung und Optimismus durchs Leben gehen in Anbetracht all seiner Anforderungen und Verwerfungen – genau dies hat Menschen bereits schlimmste Not überleben lassen.
Dies ist nicht gleich bedeutend mit “Unrecht hinzunehmen“. Es geht nicht um Fatalismus und sicher nicht um Schönfärberei.
Es geht vielmehr darum, in jeder Situation immer die Möglichkeiten zu ihrer Verbesserung zu erkennen, an sie zu glauben und sie anzugehen.
Genau dies ist es, was es den Menschen in Kambodscha erlaubt, die aktuelle Krise, die sie ökonomisch stärker trifft als die Menschen in Deutschland, durchzustehen, dem Schutz des Lebens den absoluten Vorrang einzuräumen, sich in allen erdenklichen Art und Weisen zu unterstützen und bereits jetzt über eine bessere Zukunft nachzudenken und für diese einzustehen.
Optimismus hilft dem Partnerglück
Diese positive Einstellung ermöglicht es ebenso einer großen Zahl an Liebespaaren in Kambodscha, die durch Landesgrenzen monatelang und oft jahrelang getrennt sind, trotzdem miteinander glücklich zu sein und eine gemeinsame Zukunft optimistisch zu planen und aufzubauen – ich spreche von hunderttausenden Kambodschanern, die in Thailand, Südkorea, Japan oder Vietnam arbeiten und dabei oftmals den Partner oder die Partnerin in dieser Zeit nicht an ihrer Seite haben.
Leider mangelt es aber so manchen Partnersuchenden bei Gleichklang an der Fertigkeit zu positiver Einstellung und Optimismus in Anbetracht einer oftmals herausfordernden Lebenssituation. Ich schreibe “bei Gleichklang“, weil wir es hier direkt sehen können, tatsächlich ist dies natürlich ein allgemeineres gesellschaftliches Problem.
Gehen wir aber schon mit Verbitterung, negativer Erwartungshaltung und Pessimismus an die Partnersuche heran (oder entwickeln diese bei den ersten Enttäuschungen), wie wollen wir die Energie für eine erfolgreiche Partnersuche aufbringen? Wie wollen wir unsere Fähigkeit und Bereitschaft zum Partnerglück vermitteln und ausstrahlen?
Resümee
Der Realität ins Gesicht schauen, nicht vorwiegend auf den sofortigen Kick setzen, sondern zukunftsorientiert denken und handeln, Anstrengung für Partnersuche, Beziehungsaufbau und Beziehungsführung investieren und auch gewisse Verluste in Kauf nehmen, und (ganz wichtig!) mit positiver Einstellung und Optimismus an Beziehung und Partnerglück herangehen:
- dies ist die Essenz der Liebe, die uns befähigt, mit einem Menschen zusammenzukommen, zusammenzusein und gemeinsam füreinander einzustehen in guten und in schlechten Zeiten.
- genau so charakterisieren sich auch die Einstellungen, die Ihnen dazu verhelfen können, bei Gleichklang oder anderswo Ihre Partnersuche zu beflügeln und eines Tages zum gewünschten Erfolg bringen werden.
In unserer auf schnelle Erfolge, Konsum und Nicht-Nachhaltigkeit orientierten Gesellschaft ist diese Essenz der Liebe gefährdet. Jeder einzelne kann dies aber reflektieren und für sich selbst korrigieren.
Der Lockdown schadet der Beziehungsthematik nicht, denn schnelle Treffen sind weder für die Pflege bestehender Beziehungen noch für ein vertieftes Kennenlernen und eine nachhaltige Partnersuche oder Freundschaftssuche notwendig.
Wichtig ist die Basis, die auch bei räumlicher Trennung verbindet. Diese kann auch und gerade im Lockdown geschaffen und gefestigt werden.
Anmerkung: Womöglich mögen einige Leserinnen und Leser meinen, ich würde hier ein zu idealisierendes Bild von Geisteshaltungen zeichnen, die wir nach meiner Ansicht von anderen lernen können. Dies ist aber durchaus gewollt. Natürlich ist jede Gesellschaft komplex mit vielen individuellen Unterschieden zwischen den Menschen und wir sollten uns vor Stereotypisierungen hüten. Aber in Europa sind wir nach meinem Eindruck so sehr gewohnt, andere zu belehren und bloß nicht von anderen zu lernen, dass ich mich hier bewusst auf die positiven Aspekte konzentriert habe, ohne in diesem Artikel auf natürlich ebenso vorhandene Probleme und Missstände einzugehen.