Mitgefühl erfragt
In unserer laufenden Mega-Umfrage unter Gleichklang-Mitgliedern und Interessierten bitten wir die Teilnehmenden auch, Fragen zum Erleben von Mitgefühl zu beantworten. Zwei Beispielfragen lauten:
- wenn Sie vom Leid anderer hören oder damit konfrontiert werden, erleben Sie ein Gefühl von Mitleid?
- eine Flüchtlingsfamilie ertrinkt im Mittelmeer – haben Sie Mitleid?
Eine erste Auswertung zeigt bereits, dass das Erleben von Mitleid nicht unabhängig davon ist, wie wir Liebesbeziehungen erleben und bewerten und als wie friedfertig und offen oder gewaltbereit und manipulativ wir gegenüber anderen Menschen auftreten:
- je stärker die Befragten angaben, Mitgefühl zu erleben, desto stärker gaben sie an, dass man Menschen vertrauen könne, für eine Partnerschaft tiefe Gefühle von Liebe, Romantik und Zärtlichkeit wesentlich seien, eine Beziehung sich durch Freundschaft und Verbundenheit, Solidarität und wechselseitige Unterstützung, sowie durch gemeinsame Lebensziele kennzeichne.
- je weniger die Befragten angaben, Mitgefühl zu erleben, desto stärker betrachteten sie eine Beziehung als wechselseitige Ausbeutung, Hintergehen, Betrug und Manipulation, Besitzanspruch, Abhängigkeit, Eifersucht und Drama, oder auch als Ausdruck von gegenseitigen Vorteilen und Kosten-Nutzenüberlegungen.
- je weniger die Befragten angaben, Mitgefühl zu erleben, desto weniger zeigten sie Offenheit und desto mehr zeigten sie Bereitschaft zur Manipulation in Beziehungen durch Bejahung von Fragen, wie: “Es ist nicht klug, seine Geheimnisse preiszugeben.“, “Was immer es auch kostet, Sie müssen die wichtigen Leute auf Ihre Seite ziehen.“, “Vermeiden Sie direkte Konflikte mit anderen, denn sie könnten in der Zukunft nützlich sein.“, “Halten Sie sich bedeckt, wenn Sie Ihren Willen durchsetzen wollen.“, “Die Beeinflussung (Manipulation) einer Situation erfordert Planung.“ oder auch “Schmeicheleien sind eine gute Möglichkeit, die Leute auf Ihre Seite zu bringen.“
- je weniger die Befragten angaben, Mitgefühl zu erleben, desto häufiger und stärker bejahten sie Aussagen, die für eine gewisse Gewaltaffinität, Faszination für Gewalt, Gewaltbereitschaft oder gar Sadismus sprechen, wie: “Menschen, die sich mit mir anlegen, bereuen es immer.“, “Einen Faustkampf zu sehen, erregt mich.“, “Ich mag Gewaltfilme und Videospiele sehr gerne.“, “Es ist lustig, wenn Idioten auf ihr Gesicht fallen.“, “Ich sehe mir gerne gewalttätigen Sport an.“, “Manche Menschen verdienen es zu leiden.“, “Nur zum Spaß habe ich in den sozialen Medien gemeine Dinge gesagt.“ oder “Ich weiß, wie man jemanden allein mit Worten verletzt.“
Ursachen für die Rolle des Mitgefühls
Woran liegt es, dass das Erleben von Mitleid mit positiv-liebevollen Einstellungen zu partnerschaftlichen Beziehungen, Friedfertigkeit und Offenheit einhergeht?
Die Antwort dürfte sein, dass diejenigen, die Mitleid erleben, es als eigenes Leid erleben, wenn sie anderen Leid antun oder wenn andere aus anderen Gründen leiden. Dies wirkt als Anreiz, um Ursachen von Leid und Unzufriedenheit zu klären und zu verändern.
- Mitleiden hilft uns, uns so gegenüber anderen Menschen zu verhalten, wie wir auch selbst behandelt werden möchten. Mitleid dient uns als Anreiz, nach Lösungen zu suchen.
- wenn wir Leid erzeugen, leiden wir als mitleidender Mensch selbst.
- wer demgegenüber kein oder wenig Mitglied erlebt, für den mag es nebensächlich sein, ob gegebenenfalls sogar durch die eigenen Verhaltensweisen andere Leiden – ob ein Fremder oder der eigene Beziehungspartner.
Hierzu wiederum passt, dass der eng mit der Fähigkeit zu Mitleid verbundene Begriff der Empathie nachweislich mit einer höheren Beziehungszufriedenheit einhergeht.
Spezifisch zeigt eine neuere Studie, dass Menschen umso zufriedener mit ihrer Beziehung werden, je mehr bei ihnen Eindruck entsteht, dass der Beziehungspartner auf ihre Gefühle und ihr Erleben achtet.
Ein weiteres wesentliches Ergebnis dieser Studie gibt Anlass zum Optimismus:
- Empathie lässt sich von Paaren lernen und das Wachstum an Empathie geht mit einer wachsenden Beziehungszufriedenheit einher.
Wie lässt sich Empathie lernen?
Empathisches Erleben einüben
Ein entscheidender Faktor ist die Perspektivenübernahme:
- wir können lernen, uns nicht nur eingeengt auf das eigene Erleben zu fixieren, sondern zu versuchen, den anderen Menschen zu verstehen und uns einzufühlen.
- manchmal gelingt dies nicht, weil wir einen egozentrischen Aufmerksamkeitsfokus beibehalten, der uns daran hindert, den anderen wahrzunehmen. Diesen Fokus können wir aber verändern, wenn er uns bewusst wird.
Wesentliche Schritte sind:
- Lernen zuzuhören: Zuhören und dabei nicht nur auf die geäußerten Worte, sondern auch auf den Tonfall, Gestik und Mimik zu achten.
- Fragen zu stellen: Fragen, die sich auf das Befinden des anderen beziehen und dabei gleichzeitig lernen, sich hierfür mehr zu interessieren.
- Sich bewusst einfühlen: mithilfe von Imaginationsübungen, sich in den anderen hineinzuversetzen und nachzuvollziehen, was der andere wohl erleben oder fühlen könnte.
- Vergewisserung und Korrektur: sich vergewissern, ob der gewonnene eigene Eindruck auch tatsächlich dem Erleben des anderen entspricht und den eigenen Eindruck gegebenfalls korrigieren.
- Automatisierung: Was zunächst ganz bewusst und intentional geübt und erlernt wird, automatisiert zunehmend und wird dadurch zur selbstverständlichen Angewohnheit. Dadurch verschwindet dann auch der anfangs womöglich als etwas “künstlich” erlebte Eindruck.
Interessanterweise helfen nicht nur solche konkreten Kommunikationsübungen, die man übrigens mit jedem Gesprächspartner und ebenfalls in der Phase von Kennenlernen und Beziehungsaufbau durchführen kann.
Sich empathiefördernd stimulieren
Die Studien zeigen, dass auch die Lektüre von Dichtung oder gemeinsames Musizieren, aber offenbar auch das Hören gefühlsbetonter Musik zu einem Wachstum von Empathie führen kann. Einfühlungsvermögen ist demnach “positiv korreliert mit Präferenzen für emotionale, tiefe, reflexive, romantische und sanfte musikalische Attribute“ und es ist mindestens hochplausibel, dass solche Musik das Einfühlungsvermögen auch fördern kann.
Harte Einstellungen korrigieren
Ein weiterer wichtiger Faktor liegt daran, darauf zu achten, dass man oder frau selbst keine “Einstellungen der Härte“ vertritt.
- Einstellungen der Härte beziehen sich darauf, dass man für Maßnahmen plädiert, die bei den davon Betroffenen zu Leid führen – egal, wer diese Betroffenen sind – und dabei genau dies Leid in der eigenen inneren Verarbeitung abblockt, ausblendet, trivialisiert, überspielt oder beschönigt.
Auch hierzu gibt es in der laufenden Umfrage sehr interessante Ergebnisse:
- je weniger die Befragten angaben, Mitgefühl zu erleben, desto stärker bejahten sie gesellschaftliche Positionen der Härte, wie die Befürwortung der Todesstrafe oder Aussagen, wie:“Letztlich ist es völlig in Ordnung, dass sich jeder selbst der nächste ist“, “Gegen Außenseiter und Nichtstuer sollte in der Gesellschaft mit aller Härte vorgegangen werden“, “Gesellschaftliche Regeln sollten ohne Mitleid durchgesetzt werden“ oder auch “Was liegt Ihnen besonders am Herzen? Flüchtlinge fernhalten und abschieben“.
Es kann Menschen schneller passieren als sie womöglich denken, in Positionen der Härte abzurutschen.
Werden solche Positionen der Härte erst in einzelnen Bereichen vertreten, kann dies auf die ganze Person abfärben, wodurch (sonst durchaus vorhandene) Fähigkeiten zu Mitgefühl und Empathie blockiert oder beeinträchtigt werden können.
Im Übrigen sind Strategien der Härte übrigens auch generell in aller Regel kaum wirksam. Manchmal treten Scheinerfolge ein, langfristig ist meistens das Gegenteil der Fall.
Vor einigen Jahren veröffentlichte erstaunlicherweise die Konrad-Adenauer-Stiftung einen Artikel von mir zum Thema “Jugendkriminalität: Hart oder weich reagieren“. Auch in diesem Bereich wird die Dysfunktionalität von Härte sehr schnell deutlich, wenn man sich mit der relevanten Literatur beschäftigt.
Nach meiner Überzeugung fördern wir unsere Empathie, wenn wir weiche und mitfühlende Einstellungen in allen Lebensbereichen bei uns kultivieren und umgekehrt unempathischen Forderungen der Härte in unserem Denken nirgendwo Raum geben.
Beziehungsfähiger durch Empathie
Durch das Wachstum von Mitgefühl und Empathie werden wir nicht nur mitfühlender und helfen dadurch anderen, sondern wir helfen ebenso uns selbst – auch indem wir unsere Beziehungsfähigkeit verbessern und die Chance erhöhen, dass es uns gelingen wird, eine befriedigende partnerschaftliche Beziehung aufbauen und dauerhaft erhalten zu können.
So zeigt auch eine neuerliche Übersichtsarbeit, dass Mitgefühl allgemein mit prosozialem Verhalten in zwischenmenschlichen Beziehungen verbunden sind und Empathie und Mitgefühl mit günstigeren Einstellungen und einer höheren Versöhnungsbereitschaft in verschiedensten Beziehungskonstellationen einhergehen. Verzeihen können ist eine Stärke, von der wir wissen, dass sie gerade in jahrzehntelangen heute glücklichen Beziehungen immer wieder gefragt worden ist.
Mangel an Empathie
Immer wieder kann ich die schädlichen Folgen von unzureichendem Mitgefühl in einigen direkten Rückmeldungen oder Fragebogenangaben und Kommentaren einer kleinen Anzahl verbitterter Partnersuchender erkennen, bei denen sich Empathielosigkeit und Härte mit der Erfolglosigkeit ihrer Partnersuche kombinieren.
So schrieb mir ein Teilnehmer der aktuellen Umfrage u. a. Folgendes:
- “Ich setze mich ebenfalls für Veränderungen ein. Aber nicht die genannten. Ich setze mich z.B. für einen sofortigen Stopp von Import afrikanischer Armuts-Migranten ein.
Die genannten Themen sehe ich aber überhaupt nicht als Problem. Die Welt lebt von einer gewissen Verteilung zwischen Arm und Reich. Ihre Antwortmöglichkeiten sind also hochgradig manipulativ. … Ich habe aber in den letzten 6 Jahren niemanden getroffen. Weder über GK noch über eine andere Plattform“.
Das Mitglied – er hat uns mittlerweile verlassen – fiel auf seinem Profil übrigens u. a. auf durch Bekenntnisse zur AfD und die Aussage, er wolle keine “fetten Frauen“ kennenlernen.
Zum gegenwärtigen Zeitpunkt glaube ich, dass Empathielosigkeit es ihm nicht möglich macht, eine partnerschaftliche Beziehung aufzubauen. Dies muss aber noch lange nicht bedeuten, dass es ihm nicht doch noch später gelingen könnte, in sich zu gehen, Mitgefühl zu entwickeln und so auch beziehungsfähig zu werden. Es gibt viele Beispiele für solche Entwicklungen.
Mitgefühl ist übrigens keine Einbahnstraße. Es geht nicht darum, sich selbst einseitig aufzuopfern oder am Leid der Welt zu zerbrechen, sondern es geht darum, das eigene Erleben und das Erleben des anderen ernstzunehmen, wahrzunehmen und sich mitfühlend mit sich selbst und seiner Umwelt auseinanderzusetzen.
Dadurch wird nicht nur Leid geteilt, sondern ebenso Freude und hier gilt in der Tat die alte Volksweisheit: “Gemeinsames Leid ist halbes Leid, gemeinsame Freude ist doppelte Freude”.
Die Frage der Empathie bei Gleichklang
Damit komme ich auch zu der Fragestellung, was Gleichklang bei der Partnervermittlung und Freundschaftsvermittlung hierfür tun kann?
Die naheliegendste Antwort lautet zunächst sicherlich, Menschen mit hoher Empathie an Menschen mit hoher Empathie zu vermitteln – aber was geschieht dann mit den Menschen mit mittlerer oder geringer Empathie?
Sollen diese dann ebenfalls einander vermittelt werden, also Menschen mit geringer Empathie an Menschen mit geringer Empathie und Menschen mit mittlerer Empathie an Menschen mit mittlerer Empathie?
Das wäre kein sinnvoller Zugang, denn es gibt keinerlei Hinweise darauf, dass eine Übereinstimmung im Sinne “geringer Empathie“ die Beziehungszufriedenheit fördern würde.
Womöglich wäre es jedenfalls für Menschen mit geringer Empathie sogar hilfreicher, einen Beziehungspartner mit höherer Empathie kennenzulernen, jedoch müssten dann die Menschen mit höherer Empathie den Preis dafür zahlen.
Unsere Strategie aus diesem Dilemma heraus ist doppelgleisig:
- Empathische Mitglieder ansprechen: Wir versuchen durch unsere Außendarstellung und die Zielgruppe, auf die wir uns ausrichten, gerade solche Menschen für unsere Kennenlern-Community zu motivieren, die sich durch ein hohes Ausmaß an Empathie auszeichnen. Anhand einer Reihe von Indizien können wir erkennen, dass uns dies tatsächlich ziemlich gut gelingt. Die große Mehrheit der Gleichklang-Mitglieder schildert positive Einstellungen zur Liebe, ausgeprägtes Mitgefühl und eine klare Distanzierung von jeder Härte und Grausamkeit.
- Anregung von Empathie-Wachtum: Die zweite Strategie besteht darin, unseren Mitgliedern Hinweise zur weiteren Entwicklung und Kultivierung von empathischen und mitmenschlichen Denk-, Erlebens- und Kommunikationsweisen zu geben. Schließlich sind unsere Merkmale nicht unveränderbar, sondern wir können auch die Phase der Partnersuche und Beziehungssuche bewusst als eine Phase der Veränderung und Weiterentwicklung unserer Persönlichkeit nutzen. Für solche Prozesse der Selbsterfahrung und Selbstoptimierung sind viele Menschen bei Gleichklang aufgeschlossen, wie wir Umfragen immer wieder entnehmen können.
Corona-Liste erweitert Kontaktspektrum
Übrigens ist die neue Corona-Kontaktliste eine weitere Möglichkeit bei Gleichklang, mit Empathie aneinander heranzutreten und sich wechselseitig in dieser außergewöhnlichen Zeit zu unterstützen – und zwar durchaus unabhängig davon, welche möglichen anderen Suchparameter der Partnersuche oder Freundschaftssuche passen oder nicht.
Am Rande eine kleine Erläuterung zu einem technischen Nebenaspekt zu diesem Thema:
- die Ladedauer der Corona-Liste ist aktuell noch recht hoch, was wir auch als Hinweis einblenden, damit der Ladevorgang nicht vorzeitig abgebrochen wird. Es liegt an einem Programmierframework (Vaadin), welche sehr unflexibel bei bestimmten Sortierungen ist, wenn nicht alles komplett und aufwändig umgebaut werden soll.
- weil wir sowieso in den letzten Zügen der kompletten Neuaufsetzung unserer Anwendung sind (mit einem anderen, viel schnelleren und flexibleren Framework), haben wir uns entschieden, für diesen besonderen Zweck zunächst die längere Ladedauer der Corona-Liste in Kauf zu nehmen.
Den Ansatz der Corona-Liste werden wir dann in der neuen Anwendung demnächst ausdehnen und weitere Möglichkeiten schaffen – ob für die Arbeits-, Projekt- oder Gemeinschaftssuche oder den Austausch über zentrale andere Themen und Lebenssituationen. Dies soll auch den Community-Charakter unterstreichen und in den verschiedensten Situationen dabei unterstützen, eine passende soziale Vernetzung zu finden.
Allzu oft fehlt beispielsweise jeder empathische Zugang, wenn Menschen einen Arbeitsplatz oder umgekehrt einen Mitarbeiter*in suchen. Dies möchten wir ändern und die Corona-Liste ist für diese Erweiterung nur der erste Vorläufer.
Wir wünschen uns, dass alle Mitglieder unserer Kennenlern-Communnity mitfühlend und wertschätzend miteinander umgehen. Wir wissen, dass dieser hohe Anspruch nicht für alle einzelnen Kommunikationen eingelöst werden kann, die wir zudem nicht kontrollieren können.
Vergleichen wir aber das, was uns bei Gleichklang als Beschwerden erreicht (Häufigkeit und Ausmaß) mit dem, was in der Literatur beispielsweise für Tinder berichtet wird, dann befinden sich unsere Mitglieder bei Gleichklang doch in einer anderen und besseren Welt, die wir nicht nur aufrechterhalten, sondern weiter ausbauen möchten!