Ist die Persönlichkeits-Übereinstimmung wichtig?
Unter einem Persönlichkeitsmerkmal wird eine relativ stabile und entsprechend überdauernde Tendenz verstanden, über eine Reihe von verschiedenen Situationen ähnliche oder vergleichbare Verhaltens- oder Erlebensmuster zu zeigen. Dabei geht es nicht um ein ganz konkretes situationsspezifisches Einzelverhalten, sondern um eine deutlich abstraktere Verhaltens-Tendenz.
Beispiel für ein solches Persönlichkeitsmerkmal ist Extraversion:
- Menschen mit erhöhter Extraversion haben ein erhöhtes Stimulationsbedürfnis und mögen daher auch eher gesellige Anlässe, während introvertierte Person schneller mit Reizüberlastung reagieren und daher ruhigere, intimere Situationen oder Tätigkeit geselligen Anlässen vorziehen.
Lange Zeit galt in der Psychologie die Einschätzung, dass eine Ähnlichkeit der Persönlichkeit die Zufriedenheit und die Dauerhaftigkeit einer partnerschaftlichen Beziehung fördern könne.
Neuere Forschungsbefunde (siehe hier, hier, hier und hier) stellen diese Annahme aber infrage.
- Der aktuelle Forschungsstand spricht letztlich dafür, dass die Übereinstimmung in den Persönlichkeiten eine nur minimale, ja wahrscheinlich sogar eine zu vernachlässigende Rolle für die Beziehungszufriedenheit in Partnerschaften spielt.
Bei Gleichklang haben wir auf erste Befunde in diese Richtung übrigens bereits 2008 reagiert und das ursprünglich auf die Übereinstimmung der Persönlichkeiten ausgerichtete Matching dahingehend verändert, dass die Übereinstimmung der Persönlichkeiten für das Matching seither kaum noch eine Rolle spielt.
Vielmehr bezieht sich unsere Vermittlung mittlerweile nahezu vollständig auf die Übereinstimmung in grundlegenden Werten, Lebens- und Partnerschafts-Modellen.
Der Fragebogen zum Fünf-Faktoren-Modell der Persönlichkeit (Big Five), der aktuell noch in der Abfrage, aber bereits nicht mehr im Matching enthalten ist, wird daher demnächst wegfallen.
Die Logik dieses Vorgehens ist folgendermaßen:
- introvertierte und extravertierte Beziehungspartner mögen beispielsweise eine erfüllende Partnerschaft miteinander führen, wenn sie zentrale Werte der Lebensgestaltung und grundlegende Modelle von Partnerschaft-Gestaltung miteinander teilen.
- aus einem erhöhten Bedürfnis nach Ruhe und Rückzug (Introversion) und einem erhöhten Bedürfnis nach Geselligkeit und Trubel (Extraversion) brauchen keine grundlegenden Konflikte entstehen, sondern es sind zahlreiche Möglichkeiten erkennbar, dies in einer Beziehung für beide Seiten befriedigend auszugleichen.
- so mögen sich introvertierte Beziehungspartner bei Festlichkeiten eher im Hintergrund halten, oder extravertierte Beziehungs-Partners verabreden sich häufiger für gesellige Anlässe mit ihren Freunden. Wenn die Basis der Beziehung stimmt, sind solche kleineren Kompromisse keine Schwierigkeit.
Anders ist die Situation jedoch bei einem Wertkonflikt:
- legt ein Beziehungspartner beispielsweise Wert auf Tierschutz und eine ökologisch-vegane Lebensweise, während der andere Beziehungs-Partner ein passionierter Fleischesser ist, dem Konsum wichtiger ist als Tierschutz und Umweltschutz, sind Konflikte und Unzufriedenheit vorprogrammiert.
Ebenso stellt sich die Situation bei einem widersprüchlichen Partnerschafts-Modell dar:
- möchte ein Beziehungspartner eine monogame Beziehung mit sexueller Treue, während der andere Beziehungs-Partner nach einer offenen Beziehung mit polyamorösen sexuellen und romantischen Kontakten strebt, wird die Beziehungszufriedenheit mit hoher Wahrscheinlichkeit leiden. Eine Seite verzichtet oder passt sich widerstrebend an oder Heimlichkeit zieht in die Beziehung ein.
Ähnliches gilt für Lebens-Modelle:
- möchte ein Beziehungspartner in einer Gemeinschaft mit verschiedenen Menschen oder Familien leben, während der andere Beziehungspartner ein solches Gemeinschaftsmodell genau nicht will, mögen erneut Verzicht oder widerstrebende Anpassung resultieren, die für die beidseitige Beziehungszufriedenheit nicht hilfreich sind.
Hieraus folgt die Empfehlung, bei der Partnersuche mögliche Unterschiede in der allgemeinen Persönlichkeit nicht als Hindernis zu betrachten, sondern die Partnersuche auf eine Passung der Werthaltungen, Lebens- und Partnerschafts-Modelle auszurichten.
Persönlichkeitsähnlichkeit als Illusion
Wenn Profile in die Irre führen
Kürzlich wurde eine sehr interessante Doktorarbeit publiziert zu der Fragestellung, inwiefern aus freien Texten in Profilen Informationen zur Persönlichkeit ableitbar sind und inwiefern diese Informationen zur Persönlichkeit mit dazu beitragen, ob ein Profil als attraktiv oder unattraktiv bewertet wird?
Der Titel der Arbeit lautet im englischen Original: Linguistic expression and perception of personality in online dating texts and their effect on attraction (freie Übersetzung: Sprachlicher Ausdruck und Wahrnehmung der Persönlichkeit in Online-Dating-Texten und ihre Wirkung auf die Anziehungskraft).
Die Ergebnisse sind ebenso klar wie ernüchternd:
- Profile in Dating-Plattform vermitteln gewisse Informationen zur Persönlichkeit, beispielsweise zu Extraversion und emotionaler Labilität
- die in den Profilen zum Ausdruck gebrachten Informationen zur Persönlichkeit und die tatsächliche Persönlichkeit der betreffenden Personen haben jedoch kaum etwas miteinander zu tun
- die tatsächliche Persönlichkeit einer Person korreliert nicht mit der Anziehungskraft, die ihr Profil auf andere Personen ausübt
- die subjektiv wahrgenommene Persönlichkeit bzw. deren Übereinstimmung mit der eigenen Persönlichkeit kann die Anziehungskraft beeinflussen, wobei Ähnlichkeiten mit der eigenen Persönlichkeit als positiv bewertet werden.
Kurzum zusammengefasst, bedeuten diese Befunde, dass typischerweise Profile in Dating-Plattformen keinen Einblick in die tatsächliche Persönlichkeit einer Person ermöglichen. Mit der wahrgenommenen Persönlichkeit assoziierte Anziehungs-Effekte beruhen nicht auf der Realität, sondern sind eine Illusion.
Die Sichtung eines Profil-Textes erlaubt (auch wenn der gegenteilige Eindruck entstehen mag) keine gültige Aussage über die Persönlichkeit der betreffenden Person. Da die allgemeine Persönlichkeits-Ãhnlichkeit aber ohnehin für die Beziehungszufriedenheit kaum eine Rolle zu spielen scheint, ist dies auch nicht wichtig.
Hieraus folgt die Empfehlung, sich nicht durch direkte oder indirekte Persönlichkeits-Beschreibungen bei der Online-Partnersuche beeindrucken zu lassen, weder in die positive noch in die negative Richtung.
In einem Profil benannte oder aus diesem (scheinbar) sichtbar werdende Persönlichkeit-Merkmale sind für die Beziehungszufriedenheit unwichtig und sollten die Entscheidung zur Kontaktaufnahme nicht beeinflussen, zumal die durch das Profil vermittelte Persönlichkeitseinschätzung ohnehin unzuverlässig ist.
Wieso sind Werte und Lebensmodelle wichtiger?
Aus psychologisch unmittelbar nachvollziehbaren Gründen geht eine Übereinstimmung in grundlegenden Werten mit wechselseitiger Sympathie und der verbesserten Möglichkeit einher, eine gemeinsame positive Lebensgestaltung aufzubauen.
Mit dem Begriff des Wertes ist psychologisch tatsächlich eine Bewertung gemeint. Wir alle bewerten permanent – bewusst oder unbewusst – die Dinge um uns herum auf einer Skala von gut bis schlecht, wobei es natürlich zahlreiche Zwischenstufen gibt.
Solche Bewertungen sind bedeutsam, denn sie geben uns Informationen darüber, in welche Situationen wir uns begeben wollen und wie wir handeln möchten – oder umgekehrt, in welche Situationen wir uns eben nicht begeben wollen und in welcher Art und Weise wir nicht handeln möchten.
Wenn also beispielsweise “ökologische Nachhaltigkeit” für jemanden ein wichtiger Wert ist, dann bewertet diese Person Situationen und Handlungsweisen, die ökologisch nachhaltig sind, als positiv. Umgekehrt bewertet diese Person Situationen und Handlungsweisen, die die Prinzipien der ökologischen Nachhaltigkeit verletzen, als negativ.
Dies ist nicht nur ein rein geistig-kognitiver Prozess, sondern Bewertungen sind mit Gefühlen verbunden. Wenn jemand also den Wert der ökologischen Nachhaltigkeit in hohem Ausmaß verinnerlicht hat, werden ökologisch nachhaltige Situationen und Handlungsweisen zu positiven Gefühlen führen, während nicht nachhaltige Situationen und Handlungsweisen zu negativen Gefühlen führen.
Begegnen sich zwei Menschen, die beide großen Wert auf ökologische Nachhaltigkeit legen, werden beide Personen ökologisch-nachhaltig handeln und dadurch werden zahlreiche Situationen entstehen, in denen beide Personen gemeinsam positive Gefühle erleben.
Trifft demgegenüber jemand, der großen Wert auf ökologische Nachhaltigkeit legt, auf eine andere Person, die ökologisch nachhaltiges Handeln für irrelevant hält, werden zahlreiche Situationen mit negativen Gefühlen aufseiten des ökologisch-nachhaltigen Parts entstehen, weil die andere Person nicht ökologisch nachhaltig handelt.
Vermutlich werden ebenfalls negative Gefühle bei der nicht ökologisch nachhaltig handelnden Person entstehen, weil diese gegebenenfalls verärgert auf Hinweise auf ihr nicht nachhaltiges Verhaltensmuster reagiert.
Zusätzlich wird es zwei Menschen, die beide den Wert der ökologischen Nachhaltigkeit miteinander teilen, wesentlich leichter fallen, ein gemeinsames, für beide Seiten zufriedenstellendes Lebensmodell aufzubauen, woraus wiederum weitere positive Gefühle folgen.
Bei Werte-Diskrepanz wird es demgegenüber schwerfallen, herauszuarbeiten, wie man gemeinsam zusammen leben möchte. Vermutlich werden Konflikte, Streitereien und Unzufriedenheit entstehen.
Gemeinsame Werte führen also zu einer gemeinsamen positiven Emotionalität und zur erleichterten Möglichkeit, ein gemeinsames Lebensmodell zu finden und aufzubauen. Ein gemeinsames Lebensmodell ist wiederum von zentraler Bedeutsamkeit für die Dauerhaftigkeit und die Zufriedenheit in einer partnerschaftlichen Beziehung.
Fehlt ein gemeinsames Lebensmodell, lebt man aneinander vorbei, streitet sich oder eine Seite stellt ihre eigenen Bedürfnisse zurück. Alles drei ist keine gute Basis für das Partnerglück.
Lebensmodelle werden von allgemeinen moralischen Werten tangiert (z. B. ökologische Nachhaltigkeit, vegane Lebensweise), sie können aber ebenfalls durch sehr individuelle Vorstellungen geprägt sein, die nicht für sich zu beanspruchen brauchen, einen allgemeinen moralischen Wert darzustellen. Auch die Übereinstimmung in solchen Lebensmodellen ist für das Partnerglück wesentlich.
- ein Beispiel hierfür ist der Wunsch, auszuwandern. Es gibt Menschen, die den innigen Wunsch erleben, auszuwandern und noch einmal woanders neu anzufangen. Ein weiteres Beispiel ist der Wunsch nach einer polyamorösen Beziehungs-Gestaltung. Menschen können den Wunsch verspüren, eine Liebesbeziehung mit mehr als zwei Personen aufzubauen. Ein drittes Beispiel wäre der Wunsch nach Selbsterfahrung oder gemeinsamer Spiritualität. Manche Menschen legen auf gemeinsame Spiritualität in einer Beziehung höchsten Wert.
Warum ist Übereinstimmung in solchen Lebens- und Partner-Modellen für eine Beziehung förderlich?
- die Antwort ist im Grunde ganz einfach und besteht darin, dass die Passung wichtig ist, weil ansonsten das angestrebte Lebensmodell nicht umsetzbar ist oder (falls sich ein Beziehungspartner unterordnet oder nachgibt) nicht zu wechselseitigen Glück und Zufriedenheit führt.
- Verzicht und Unzufriedenheit sind die Folgen, wenn die individuellen Lebens- und Partnerschafts-Modelle nicht miteinander vereinbar sind.
Ganz anders ist es demgegenüber bei der allgemeinen Persönlichkeit:
- Unterscheiden sich Menschen in ihrer allgemeinen Persönlichkeit, können sie dennoch übereinstimmende Werte, Lebens- und Partnerschafts-Modelle miteinander finden und aufrechterhalten.
Auf das Richtige achten
Worauf also achten, wenn Sie sich ein Dating-Profil eines Ihnen vorgeschlagenen Menschen anschauen?
- Spricht die Person im Profil von ihren eigenen Lebens- und Partnerschaftsvorstellungen mag dies tatsächlich etwas darüber aussagen, wie glücklich sie miteinander werden können.
- Zeigen sich hier tiefe und vermutlich schwer auflösbar Widersprüche und Konflikte, mag dies ein Hinweis dafür sein, dass eine Passung als Beziehungspartner nicht gegeben ist.
- Umgekehrt kann die Übereinstimmung in zentralen Werten und der Lebensgestaltung Anlass für verstärktes Interesse und Optimismus bezüglich einer möglichen Beziehung miteinander geben.
Allerdings unterscheiden sich Profile stark voneinander im Hinblick auf das Ausmaß an tatsächlich aussagekräftigen Informationen:
- während manche einen ausführlichen und authentischen Einblick in ihre eigenen Lebens- und Partnerschafts-Modelle im Profil-Text geben, halten sich andere eher knapp und geben einen nur sehr begrenzten Einblick in die eigenen Lebensprinzipien – dies bedeutet jedoch nicht, dass eine Passung nicht vorliegen würde, es bedeutet lediglich, dass die Informationsbasis nicht ausreichend ist.
Überbewerten Sie es bitte nicht, wenn jemand ein nur sehr knappes und wenig aussagekräftiges Profil hat. Tatsächlich sagt dies kaum etwas aus und Sie wissen über diesen Menschen noch gar nichts.
Die Person hinter dem Profil mag für eine Beziehung mit Ihnen nicht geeignet sein, ebenso mag sich hinter diesem Profil jedoch unerkannt Ihr Traumpartner oder Ihre Traumpartnerin verbergen.
Die Basis zeigt sich im Verlauf
- die Basis für eine mögliche gemeinsame Beziehung ist aus Profil-Texten höchstens eingeschränkt zu erkennen, Fehlschlüsse sind sehr schnell möglich.
- erst im Verlauf eines Austausches über die eigenen Vorstellungen vom Leben und von Beziehung kann und wird sich zeigen, ob die Basis für eine Beziehung besteht, also ob sich Sympathie und Liebe entwickeln und eine gemeinsame Lebensgestaltung gefunden werden kann.
Wir haben bei Gleichklang übrigens bewusst keine Wegwischfunktion wie bei den Dating-Apps, die dazu einladen, in Sekundenschnelle potenzielle Beziehungspartner aus dem Kreis möglicher künftiger Beziehungspartner endgültig zu entfernen.
Der beste Weg ist, miteinander in Kontakt zu treten, um herauszufinden, ob ein gemeinsames Leben möglich ist.
So manche Mitglieder, die dieser Empfehlung folgten, haben sich bereits gefunden, ohne dass sie dies bei Sichtung des Profils auch nur ahnten.