“Mehr wollen” kann zu weniger führen
Soeben habe ich diese Zuschrift eines sehr unzufriedenen Mitgliedes von Gleichklang erhalten.
Weil diese Zuschrift nach meiner Einschätzung exemplarisch aufzeigt, wie der Wunsch nach “mehr Vorschlägen” zu “weniger Ergebnis” führen kann, möchte ich die Zuschrift und meine Antwort gerne mit allen Mitgliedern teilen:
Zuschrift eines Mitgliedes
” Wieso muss ich eigentlich über Ihre Blog-Artikel immer lachen?
Ich bin seit 1,5 Jahren bei Gleichklang, habe diverse Male die Beratung konsultiert und Einstellungen so lange geändert, bis sie quasi nicht mehr zu mir passen.
Körpergröße, Alter, Wohnort, Bildungsstand, Religion, Veganer oder nicht – egal.
Aber ich habe eben _ein_ „seltenes Merkmal“, und obwohl Sie ja kürzlich behauptet haben, „seltene Merkmale“ seien ja eigentlich auch kein Problem – nun ja. Sie haben kürzlich auch gesagt, nach zwei Jahren haben 35 % oder so einen Partner gefunden.
Hurra.
Also haben 65 % KEINEN Partner gefunden.
Nachdem ich mal wieder bemängeln musste, dass mir Profile, die ich bereits angesehen bzw. zum Teil sogar schon angeschrieben habe, beim nächsten Öffnen wieder als „neu“ präsentiert werden, habe ich weder neue Vorschläge noch eine Antwort bekommen.
Inzwischen ist mir aber auch klar, dass es irreführende Werbung ist. 21 000 Mitglieder, davon nicht mal 1000 mit demselben „seltenen Merkmal“ und davon wahrscheinlich 95 % weiblich.
Na ja.
Und wenn Sie dann auch noch Blog-Artikel darüber schreiben, dass eine Beziehung ohne Sex quasi unmöglich ist, dann muss ich eben alle Vorschläge, die auf keinen Fall eine „platonische Beziehung“ wollen, direkt löschen, und das sind nunmal 99,8 %. Der Rest hat schwere Depressionen.
Noch eine Anmerkung: ich würde ja _auch_einen bisexuellen Partner akzeptieren, aber man kann anscheinend nur entweder/oder wählen und das Beraterteam hat es geändert. Meine Sexualität ist jetzt „andere“.
Ich würde _auch_ einen Partner im Rollstuhl akzeptieren, dito. Vielleicht mal neue Einstellungen programmieren lassen?
Jedenfalls gehe ich nicht davon aus, dass ich bei Gleichklang einen Partner finde. Auch nicht in 3 oder 5 Jahren. “
Meine Antwort
In der Tat hatten Sie bereits ausführlichen Kontakt mit dem Gleichklang-Team. Insgesamt hat das Team Ihnen 41-mal geantwortet, ich selbst habe Ihnen 9-mal geschrieben.
Leider scheint da aber nun etwas herausgekommen zu sein, was nicht unseren Intentionen entsprach und was wir Ihnen übrigens auch nicht empfohlen hatten:
- Sie haben Ihre Suchkriterien quasi ins Gegenteil dessen verändert, was Sie möchten. Sie suchen nun solche Personen, die Sie eigentlich nicht finden wollen.
Nach meiner Einschätzung unterliegen Sie einem Irrtum:
- Sie scheinen überzeugt zu sein, dass die Lösung der Partnersuche in der Vorschlagsanzahl liegt.
- mit allen Kräften, selbst mit völlig unsinnigen Einstellungen, wollen Sie nun die Vorschlagsanzahl erhöhen.
Das ist aber der falsche Weg:
- bei seltenen Merkmalen kann es auch nur selten Vorschläge geben.
- der Schlüssel zum Erfolg liegt darin, diese Sachlage zu akzeptieren.
Stattdessen haben Sie Ihr Profil so verändert, dass Sie sich selbst nicht wiedererkennen.
Tatsächlich ist aus dem Streben nach “mehr Vorschlägen” in Ihrem Fall dann sogar letztlich ein unsinniges Einstellungsmuster geworden, welches die Vorschlagsanzahl wieder reduziert!
Um ein Beispiel zu geben:
- Sie sind religionskritisch eingestellt. Aber nun haben Sie bei allen Einstellungen zu Religionen, die der Partner haben sollte, eine +2 (Partner sollte unbedingt positive Einstellung zu dieser Religion haben) eingegeben. Damit fällt also jeder Vorschlag weg, wo eine entsprechende Religion oder Einstellung zur Religion mit -2 (starke Ablehnung) durch den potenziellen Beziehungspartner bewertet wurde. Dabei sollte so ein Vorschlag eigentlich in Ihrem Interesse liegen.
Unsere Empfehlung in den Beratungen war nicht, die Vorschlagsanzahl auf Teufel komm raus erhöhen zu wollen, sondern die Suche anhand der wichtigen Merkmale zu gestalten.
Ihre besondere Suche
Nun zu dem entscheidenden seltenen Merkmal:
- Sie suchen eine platonische/asexuelle Beziehung.
Bei Gleichklang unterstützen wir die platonische und asexuelle Partnersuche, wobei asexuelle Mitglieder eine kleine Minderheit unter unseren Mitgliedern sind.
Weil Asexualität so selten ist und die große Mehrheit der Partnersuchenden sich eine sexuelle Beziehung wünscht, folgt hieraus die Empfehlung, in anderen, weniger wichtigen Bereichen gegebenenfalls großzügiger zu suchen.
Großzügig bedeutet allerdings nicht wahllos und schon gar nicht kontraproduktiv.
Wie wir Ihnen auch in den Beratungen mehrfach geschildert haben, haben Sie zwei Möglichkeiten für eine platonische Partnersuche:
- Sie können nach allen Mitgliedern suchen, die mindestens auch an einer platonischen Beziehung interessiert sind. Es gibt nämlich Mitglieder, die zwar grundsätzlich sexuelle Interessen haben, jedoch der Ansicht sind, dass sie sich auf eine platonische Beziehung ebenfalls durchaus einlassen können.
- Sie können nur nach Mitgliedern suchen, die ebenfalls nur nach einer platonischen Beziehung suchen.
Beide Einstellungen sind grundsätzlich erfolgversprechend. Bei der Sucheinstellung, dass Sie nur Menschen kennenlernen wollen, die ausschließlich platonisch suchen, kommt es zu sehr wenigen Vorschlägen, die über die Zeit verteilt werden.
Das Interessante, was wir beobachten, ist jedoch, dass aus diesen sehr seltenen und sehr wenigen Vorschlägen trotzdem oft Beziehungen entstehen.
Wer also die Geduld und die Bereitschaft zum Abwarten und zur Kontaktaufnahme (in dem Moment, wo es möglich ist), mitbringt, hat mit dieser Sucheinstellung eine gute Chance. Gerade weil die Merkmale so selten sind, wird oft ein Vorschlag wechselseitig sehr ernst genommen und aufgrund der seltenen Passung der Kontakt vertieft mit dem Ergebnis einer Beziehungsentstehung.
Allerdings scheinen Sie an die ganze Angelegenheit sehr pessimistisch heranzugehen. So haben Sie auch unseren Artikel zu den Erfolgsraten von Menschen mit seltenen Merkmalen nicht ganz richtig gelesen.
Die Erfolgsraten für Menschen mit platonischen Beziehungswünschen sind folgende:
- 44 % der asexuellen Mitglieder fanden eine Beziehung, wenn sie mindestens ein Jahr nicht aufgegeben hatten. 66 % fanden eine Beziehung, wenn sie mindestens zwei Jahre nicht aufgegeben hatten.
Aus diesen Erfolgsraten machen Sie in Ihrer Zuschrift eine 65 % Misserfolgsrate.
Es besteht die Gefahr, dass Sie in eine negative Grundauffassung geraten, die sich als selbsterfüllende Prophezeiung auf Ihre Partnersuche ungünstig auswirken kann. Tatsächlich entsteht der Eindruck, dass Sie Ihre Partnersuche bei uns nicht effektiv gestalten.
Uns wurde aus Ihren Zuschriften deutlich, dass Sie doch großen Wert legen auf mehr Vorschläge und sich ein längeres Abwarten ohne Vorschläge nicht vorstellen können. Daraus ergab sich die Empfehlung, nach allen potenziellen infrage kommenden Mitgliedern zu suchen, die sich mindestens auch eine platonische Beziehung vorstellen können. Dies sind nämlich mehr Mitglieder als es Mitglieder gibt, die ausschließlich platonisch suchen.
Selbstverständlich hat diese Suche jedoch einen Nebeneffekt:
Die meisten Mitglieder, die sich gegebenenfalls auch eine platonische Beziehung vorstellen können, sind selbst nicht unbedingt asexuell. Sie können sich zwar eine Beziehung ohne Sexualität vorstellen, haben aber grundsätzlich dennoch durchaus sexuelle Interessen.
Aus unseren Umfragen wissen wir, dass solche Beziehungen funktionieren können und dass es eine ganze Reihe von asexuellen Menschen gibt, die in einer Beziehung mit sexuellen Menschen leben, die entweder selbst nur ein geringes Interesse an Sexualität haben oder wo gemeinsam andere Möglichkeiten gefunden werden, die den Bedürfnissen beider Seiten gerecht werden.
Die Grundfrage ist also, ob Sie sich nur eine Beziehung mit einem asexuellen Menschen vorstellen können (in diesem Fall sollten Sie die strengere Suchoption wählen) oder sich auch eine Beziehung mit einem sexuellen Menschen vorstellen können, der wiederum zu einer platonischen Beziehung bereit ist?
Ihre Einstellungen
Zunächst hatten Sie die Einstellung dann auch entsprechend gesetzt, beschwerten sich bei uns aber darüber, dass Ihnen auch sexuelle Menschen vorgeschlagen werden würden. In der Tat wurden sie dies, weil Sie selbst die entsprechende Sucheinstellung angegeben hatten!
In der Folgezeit haben Sie dann völlig gegen unsere Empfehlungen gehandelt und mittlerweile suchen Sie nach Ihren Angaben selbst nur noch auch eine platonische Beziehung, was im Umkehrschluss bedeutet, dass Sie durchaus an einer sexuellen Beziehung interessiert sind.
Mit dieser Einstellung können Sie zwar die Vorschlagsanzahl stark erhöhen, aber die überwältigende Mehrheit der vorgeschlagenen Person ist dann natürlich an einer platonischen Beziehung gar nicht interessiert.
Diese Einstellung macht daher schlichtweg keinen Sinn. Es ergibt keinen Sinn, nur um die Vorschlagsanzahl zu erhöhen, auch nach Menschen zu suchen, die gar keine platonische Beziehung suchen.
Sie haben zusätzlich angegeben, die Geschwindigkeit des Beginns von Sexualität hänge vom Partner ab. Nach alles, was Sie uns geschrieben haben und wie Sie sich schildern hätten Sie angeben müssen: “Ich will keine Sexualität, weder schnell noch langsam“.
Gleichzeitig haben Sie nun aber ebenfalls angekreuzt, dass Sie an einer polyamorösen Beziehung interessiert sind, ja diese sogar unbedingt wollen (+2).
Sachlage ist nun aber, dass nahezu 100 % derjenigen, die angeben, eine polyamoröse Beziehung zu suchen, eine sexuelle Beziehung suchen. Zudem haben wir in den ganzen Beratungs-Prozessen nicht aus Ihren Schilderungen entnehmen können, dass Sie vorwiegend oder auch nach einer Beziehung mit mehr als zwei Personen suchen würden.
Warum geben Sie dies nun also an?
Ergebnis dieser Einstellung (ähnlich wie bei den Religionen) ist, dass die Vorschlagsanzahl wieder erniedrigt wird und die Passung der Vorschläge gleichzeitig sinkt.
Das, was ich aus all dem entnehmen kann, ist letztendlich, dass ein dringender Wunsch nach mehr Vorschlägen bei Ihnen zu einer Art “Amoklauf” bei der Einstellung Ihrer Suchkriterien führte – mit nunmehr völlig unsinnigen und widersprüchlichen Sucheinstellungen als Ergebnis, die die Vorschlagsanzahl gemäß Ihrer Intention teilweise erhöhen, gegen Ihre Intention teilweise erniedrigen, aber auf jeden Fall die Passung (massiv!) reduzieren.
So kann Ihre Partnersuche nicht zum Erfolg führen.
Zu Ihren anderen, weniger zentralen Anmerkungen ebenfalls ein paar Hinweise:
- Wir haben nie einen mehrfach erbrachten Vorschlag bei Ihnen gesehen. Wir hatten Sie gebeten, uns deshalb diese Vorschläge zu benennen bzw. einen Screenshot zu senden, aus dem sichtbar ist, dass Sie das Profil öffnen und es danach trotzdem als NEU markiert wird. So einen Screenshot haben Sie uns nicht gesandt.
- Sie haben bereits angegeben, dass Sie Bisexualität akzeptieren, sodass Bisexuelle Ihnen bereits jetzt grundsätzlich vorgeschlagen werden können. Nahezu alle Bisexuellen suchen allerdings eine (mindestens auch) sexuelle Beziehung.
- Menschen im Rollstuhl können Ihnen ebenfalls bereits jetzt vorgeschlagen werden. Sie haben die Akzeptanz bejaht. Die Einstellung bedeutet nicht, dass Ihnen ausschließlich Menschen Rollstuhl vorgeschlagen werden würden, sondern sie bedeutet, dass die Akzeptanz bei Ihnen vorhanden ist. Es ist also genau das “auch” bereits implementiert, welches Sie sich wünschen und welches ja auch sinnvoll ist.
- In meinem Artikel habe ich nicht dargelegt, dass es in jeder Beziehung Sexualität geben muss. In asexuellen Beziehungen ist das offensichtlich nicht der Fall. Aber für die meisten sexuelle Menschen ist dies wichtig und hier kommt der sexuellen Zufriedenheit in einer Beziehung hohes Gewicht zu.
Was also nun tun?
Mein Vorschlag wäre, dass Sie auf die direkte Optimierung der Suchkriterien durch uns zurückgreifen, die wir allen Mitgliedern als Serviceleistung anbieten.
Wir haben durchaus verstanden, was Sie tatsächlich suchen. Sie bringen dies auch in Ihrem freien Text gut zum Ausdruck. In Ihren Suchkriterien spiegelt sich dies jedoch derzeit nicht wider.
Ich schlage also vor, dass wir Ihre Suchkriterien einmal für Sie so einstellen, wie sie dem entsprechen, was Sie offensichtlich auch suchen.
Aber stellen Sie sich bitte in diesem Fall von vornherein auf eine starke Reduktion der Vorschlagsanzahl und lange Wartezeiten ohne Vorschläge ein.
Beides zusammen geht leider nicht:
- Sie können bei einem so seltenen Merkmal nicht gleichzeitig viele Vorschläge und passende Vorschläge erhalten.
- bei einem sehr seltenen Merkmal kann es auch nur sehr selten passende Vorschläge geben. Es hilft nichts, dagegen zu protestieren oder sich darüber zu beschweren.
Wir können keine Vorschläge zaubern und wir raten davon ab, unpassende Vorschläge durch unpassende Suchkriterien zu erzwingen.
Wenn wir Ihnen passende Vorschläge unterbreiten sollen, führt kein Weg daran vorbei, es in Kauf zu nehmen, dass Vorschläge nur noch selten oder sogar sehr selten erfolgen werden.
Andererseits werden sie mit einer entsprechend sinnvollen Einstellung gute Möglichkeiten haben, Ihre Partnersuche bei Gleichklang doch noch zum Erfolg zu führen. Schließlich wollen Sie Partnerschaft finden und nicht Vorschläge ansammeln.
Wenn ein Vorschlag passt und zu einer Beziehung führt, selbst wenn er erst in einem halben Jahr offeriert werden sollte, wäre dies für Sie bereits der Volltreffer.
Wir raten zur korrekten und authentischen Einstellung der Suchkriterien, Kompromisse sollte und darf es nur bei weniger wichtigen Merkmalen geben, nicht bei den zentralen Merkmalen.
Die positive Botschaft lautet, dass wir in unseren Daten sehen können, dass es asexuellen Menschen sehr oft gelingt, mithilfe dieser nur sehr selten offerierten Vorschläge eine Beziehung zu finden. So bitter die langen Wartezeiten auf Vorschläge auch sein mögen.
Sie haben derzeit Ihre Suche so eingestellt, dass die Wahrscheinlichkeit für einen unpassenden Vorschlag maximiert wird. Sie suchen also derzeit gemäß Ihrer Einstellungen vorwiegend nach Menschen, die möglichst von vornherein nicht zu Ihnen passen. Das ist nicht sinnvoll.
Bei Beibehaltung Ihres jetzigen Vorgehens würden Sie sicher Recht behalten und Sie würden auch in fünf Jahren bei Gleichklang noch keine Partnerschaft gefunden haben.
Wir raten Ihnen stattdessen vor, die Wahrscheinlichkeit für einen passenden Vorschlag zu maximieren.
Sollen wir dies für Sie tun?