Ausgangsbasis des Artikels
Dieser Artikel handelt vom umsichtigen Denken und Handeln. Er spannt den Bogen von der Corona-Krise, Ökologie und Nachhaltigkeit bis zu unserer individuellen Lebensgestaltung und der Partnersuche. Es geht auch darum, wie wir durch diese besondere Zeit nicht verlieren, sondern gewinnen können. Der entscheidende Schlüssel hierzu lautet nach meiner Ansicht “Entschleunigung“.
Die Idee zu diesem Thema kam mir ganz spontan, als ich hier von Kambodscha aus, wo ich lebe, die Bilder und Videos aus Deutschland von den neuen Demonstrationen für die Wiedereröffnung des Wirtschaftslebens kam. Deshalb bilden diese Demonstrationen und Bilder auch den Ausgangspunkt des Artikels.
Vertrauende Vorsicht
Umsicht ist für mich eine Haltung der vertrauenden Vorsicht (nicht des Misstrauens!), der sozialen Achtsamkeit und der Bereitschaft zur Entschleunigung
Bei Umsicht tritt also an die Stelle des „sofortigen Ergebnis“ die Bemühung um einen nachhaltigen Entwicklungsprozess
Ich glaube in diesen Demonstrationen einen Mangel an Umsicht zu erkennen, was ich unten und auch unter Rückgriff auf die Erfahrungen andere Länder begründen werde.
So ein Mangel kann in vielen Bereichen auftreten. Wir können ihn bei gesellschaftlichen und individuellen Prozessen finden und entsprechend auch bei der Partnersuche. Auf diesen Aspekt gehe ich weiter unten ein.
Die Konsequenzen eines Mangels an Umsicht sind jedenfalls in der Regel nicht positiv und das Gegenteil von Nachhaltigkeit. Deshalb ist es wichtig, einen solchen Mangel an Umsicht zu erkennen und zu korrigieren, wenn es möglich ist. Denn letztlich kann es uns allen passieren, in nicht umsichtige Denk- und Handlungsmuster zu verfallen.
Bei den Demonstranten sehe ich jedenfalls eine Empörung, die auf mich egozentrisch wirkt. Sie scheint sich in meiner Wahrnehmung nicht aus mitfühlender Anteilnahme zu speisen, sondern aus einem Mangel an Geduld, Gelassenheit und Achtsamkeit.
- Umsicht ist demgegenüber nicht egozentrisch, sondern in eine soziale Fürsorglichkeit eingebunden. Bei umsichtigen Handeln geht es nicht um das Recht oder vermeintliche Recht des Stärkeren, des Gesunden oder des sich – berechtigt oder unberechtigt – unverwundbar Fühlenden.
„Mein Immunsystem ist gut“, „Ich habe keine Angst“, „Ich lasse mir nicht verbieten, ins Restaurant zu gehen“, „ich verteidige mein Bürgerrecht“: ich, ich und nochmals ich.
Dies ist nach meinem Dafürhalten kein umsichtiger Umgang mit denjenigen, die eben sehr wohl Angst haben – und oft aus gutem Grund – deren Immunsystem nicht gut ist, die an Vorerkrankungen leiden, die sich verwundbar fühlen oder es sind.
Sachlage ist, dass von den Handlungen der Demonstranten alle mitbetroffen sind – mindestens potentiell – bis hin zu den Bewohnern von Altenheimen, wohin Virusübertragung ausgehend von einer solchen Demonstration ebenfalls durchaus gelangen mag.
Diejenigen, die jetzt laut und mit erhobener Faust im Einklang rufen „Wir sind das Volk“ (so sah ich es auf Videomaterial) scheinen zu vergessen, dass es tatsächlich auch diese anderen Menschen gibt und dass sie mit ihrem Verhalten auch in deren Leben eingreifen, ohne dass diese sich wehren könnten.
So wundert es mich nicht, dass auch beispielsweise der AfD-Landesvorsitzende in Berlin fleißig mitdemonstriert und dazu ein Exemplar des Grundgesetzes instrumentalisiert.
Corona-Verschwörung als Ausfall von Umsicht
Umsicht ist vorsichtige Prüfung und Sorgfalt. Halten wir uns an Umsicht überprüfen wir uns kontinuierlich selbst und behaupten nicht, was wir nicht belegen können.
Sind wir umsichtig, erheben wir nicht gegen einzelne Menschen oder Menschengruppen schwerste Vorwürfe, wenn hierfür keine Beweise vorliegen. Stattdessen denken wir an die alte, aber richtige Volksweisheit:
- „Was Du selbst nicht wünschst, das tue keinem anderen an“.
Hiergegen verstoßen aber die Protagonisten der Corona-Verschwörung:
- Unterstellt werden einzelnen Personen (z.B. Bill Gates oder auch dem Virologen Drosten) oder Gruppen (z.B. Freimaurer, Homosexuelle, Organisationen, die sich für Familienplanung einsetzen, Ärzte, die impfen etc.) schwerste Verbrechen, ja sogar die Absicht, die gesamte Welt zerstören und uns alle chippen und versklaven zu wollen.
Treffen solche Behauptungen auf Menschen, die dies wirklich glauben, mögen sich Einzelne gar berufen führen zur scheinbaren Selbstverteidigng zu greifen – wie zuvor unter anderem der rechtsterroristische Attentäter Anders Behring Breivik, der tatsächlich an eine internationale Verschwörung glaubte.
Für mich ist daher diese postulierte Corona-Verschwörung ein weiteres Extrembeispiel für mangelnde Umsicht und übrigens auch für Lieblosigkeit.
Denn denken und handeln wir liebevoll, werden wir andere nicht mit Hass verfolgen und werden uns hüten, Vorwürfe zu erheben, die wir nicht belegen können.
- das Böse der Verschwörungstheorien liegt in der Regel in denjenigen selbst, die diese Theorien vertreten, und damit anderen Menschen alles mögliche Böse in dieser Welt unterstellen, ohne das rechtstaatlich und moralisch gebotene „in dubio pro reo“ zu berücksichtigen, wonach Vorwürfe bewiesen werden müssen, bevor ein Urteil gefällt wird.
Es handelt sich bei solchen Verschwörungstheorien um Misstrauen, aber nicht um Vorsicht, sondern um das Gegenteil:
- leichtfertig werden Vorwürfe erhoben, ohne zu erkennen, dass das Misstrauen in der eigenen Person liegt und nur in die Außenwelt projiziert wird.
Verschwörungstheorien im Alltag
Wer zu Verschwörungstheorien neigt, muss sich nicht nur mit den ganz großen Verschwörungen beschäftigen, sondern mag diese Neigung überall im Alltag ausleben. Ergebnis eines solchen Mangels an Umsicht können völlig unberechtigte Unterstellungen sein, mit denen wir dann an andere herantreten.
Wir sind auch betroffen
Gerade der Bereich des Dating eignet sich offenbar ebenfalls als Projektionsfläche, um Böses zu vermuten. Dies erleben wir jedenfalls bei Gleichklang von Anbeginn an.
Über die Jahre erhalte ich immer wieder Zuschriften, bei denen Menschen erbost über ihre Erfahrungen bei Gleichklang, sich „betrogen“, „belogen“ oder wie sie schreiben „verarscht“ fühlen.
Viele dieser Zuschriften sind voller Vorwürfe, einige sind voll Hass und manche vermuten im wahrsten Sinne des Wortes das Schlimmste.
Unsere Dateien seien voll von Fake-Profilen, Mitglieder würden gar nicht existieren, Vorschläge würden wir bewusst vorenthalten oder aber zu ganz bestimmten Zeiten (z.B. vor Auslaufen der Teilnahme) gezielt senden.
Wir seien „Betrüger“ und „Verbrecher“, „Abzocker“, „Abschaum“, würden nicht halten, was wir versprechen.
Andere bezeichnen wiederum unsere Mitgieder als „unmöglich“, „unvermittelbar“, „potthässlich“, „abschreckende Sammlung von Spacken“, um ein paar eher noch milde Äußerungen zu zitieren.
Einige erregen sich darüber, dass keine sofortige „Lieferung“ erfolge – ein wörtliches Zitat. Dies sei wiederum “Betrug“. Wir hätten ihm „transsexuelle Frauen versprochen“, meinte ein männliches (mittlerweile) Ex-Mitglied neulich und überschüttete uns mit E-Mails und Vorwürfen.
Mehrfach beschwerten sich AfD-Anhänger, sie würden hier „diskriminiert“, und zwar durch meine Artikel oder durch andere Mitglieder, die mit ihnen als AfD-Mitglied keine Partnerschaft eingehen wollten. Dies sei ein “Angriff auf die Meinungsfreiheit”. Man werde das bekannt machen.
Manche sehen sich berufen, tätig zu werden. Man wolle „andere vor uns schützen“, die „Misstände öffentlich machen“, „gegen uns vorgehen“. Es gingen „ganz komische Sache hier ab“ oder „wir seien eine Sekte“.
Selbstverständlich ist dies nur ein verschwindend kleiner Anteil an Zuschriften, die wir erhalten und über die Jahre.
Nahezu alle diese Mitglieder sind auch längst Ex-Mitglieder und niemand hat bei Gleichklang Partnerschaft gefunden. Oft verbinden sie ihre Schreiben sowieso mit der Kündigung.
Ich verweise auf diese Beispiele als Extrembeispiele, um deutlich machen zu können, zu welchen Ergebnissen ein Mangel an Umsicht führen kann und wie schnell Verschwörungsgedanken entstehen können.
Blitzschnell scheint bei manchen Menschen das Bild eines bösen Monsters zu entstehen, dem alles zuzutrauen ist. An die Stelle der Realität treten die eigenen Fantasien.
Natürlich wissen wir selbst als Betroffene, dass diese Vorwürfe unberechtigt sind. Aber in der Fantasie der Verschwörungstheoretiker werden sie zur Realität und sind nur schwer korrigierbar.
Wie sollte man widerlegen, was offensichtlich nicht wahr ist, aber dennoch als wahr behauptet wird?
Offenbar können wir alle also schneller als wir denken zu Objekten einer Verschwörungstheorie werden, selbst dann, wenn wir dazu keine Beiträge leisten und uns keiner Schuld bewusst sind.
Die mangelnde Umsicht, die hinter diesen Verschwörungstheorien steckt, gefährdet somit schlussendlich uns alle.
Sie schadet jedoch letztlich auch denen, die sie vertreten. Sie verbauen sich durch ihr Misstrauen, den Tunnelblick, die durch Fakten nicht begründete Empörung viele Möglichkeiten im Leben und setzen sich unnötig unter Stress.
Partnersuche: Umsicht hilft – Mangel an Umsicht schadet
Verschwörungstheorien sind nur ein Beispiel für einen extremen Mangel an Umsicht. Aber auch weit unterhalb dieser Schwelle kann mangelnde Umsicht Chancen behindern.
So kann die Partnersuche und der Aufbau einer Liebesbeziehung durch Zynismus, Unverträglichkeit, Kurzschlüsse oder mangelnde Entschleunigung blockiert werden und nicht selten wir dieser eigenen Anteil nicht erkannt und nicht korrigiert.
Entschleunigung, Nachhaltigkeit, Geduld, Vertrauensbereitschaft erleichtern es, bei der Partnersuche dabei zu bleiben, nicht zu schnell ungeduldig oder ärgerlich zu werden, in einen wertschätzenden und auf Verständigung ausgerichteten Kontakt zu treten, Möglicheiten von Passung auszuloten, Missverständnisse zu klären, zueinander zu finden und eine gemeinsame Lebensbasis zu gestalten.
Beispiele für Umsicht sind:
- Warten können, freundlich nachfragen, nicht fordern oder vorwürfig werden, sondern den Prozess der Partnersuche klar, aber mit Behutsamkeit angehen.
- Nicht empört sein, wenn kein Bild vorhanden ist, sondern verstehen, dass manche Menschen Bilder erst im Verlauf eines sich entwickelnden Kommunikationsprozesses austauschen möchten
- Vorschläge machen, aber das Gegenüber nicht unter Druck setzen. Das Kennenlernen und die Vertiefung der Beziehung darf durchaus ein längerer Prozess sein
Beispiele für nicht umsichtiges Handeln sind:
- anderen nach wenigen Tagen ärgerlich schreiben, warum sie nicht antworteten oder ihnen Vorhaltungen machen. Dies erweckt keine Sympathie und erzeugt keine Anziehung
- sich sofort in der ersten Zuschrift mit Kritik am Profil oder dem Lebensstil des anderen Menschen zu melden, ohne überhaupt gemeinsam geklärt zu haben, wo Divergenzen oder Passungen sind
- die Erstnachricht auf die Anforderung eines Fotos zu beschränken
- jede Form von als Beleidigung, Verletzung oder Zynismus zu verstehenden Inhaltes von Nachrichten
Umsicht heißt auch, in den Phasen von Beziehungsaufbau und Partnerschaft den anderen Menschen verstehen und annehmen zu können, die eigenen Interessen nicht um jeden Preis durchzusetzen, sondern nach einem gemeinsamen Weg zu suchen, wenn man zusammen sein und bleiben möchte.
Erfreulicherweise sehen wir, dass all dies mehrheitlich von den Mitgliedern von Gleichklang praktiziert wird und der Aufbau von Partnerschaften und Freundschaften tatsächlich oft gelingt.
Aber immer wieder stoßen wir auch auf Haltungen mit unzureichender Umsicht, die die Partnersuche unnötig erschweren:
- Vorwürfe an uns, dass es nicht schnell genug gehe
- Aufregung darüber, dass Menschen nicht antworten
- Angriffe, Verletzungen und Beleidigungen gegenüber anderen Mitgliedern
- unfreundliche Einstellungen und Vorerwartungen bezüglich der Mitglieder (z.B. „beziehungsunfähige Langzeitsingles“)
- negative Einstellungen zu Frauen (negative Einstellungen zu Männern kommen übrigens viel seltener vor)
- Behauptungen, es sei sowieso Zeit- und Geldverschwendung, sinnlos und aussichtslos
- Vermutungen, Datung-Agenturen seien immer Abzocke
Glücklicherweise lassen sich Beispiele solcher mangenden Umsicht – anders als im Fall der oben zitierten Extremhaltungen – recht oft reflektieren und verändern. Umsicht als Haltung bei der Partnersuche und Freundschaftssuche lässt sich entwickeln und kultivieren.
- jemand, der doch in Wirklichkeit eine Frau für eine Liebesbeziehung sucht, mag erkennen, dass seine frauenfeindlichen Haltungen nicht zielführend sind. Er mag seine individuellen Enttäuschungen reflektieren und zu einer neuen Haltung gelangen
- jemand, der alles zur Zeit- und Geldverschwendng erklärt, mag durch Erfolgsgeschichten eines Besseren belehrt werden, oder weli sich doch ein Kontakt anbahnt und so mag er beginnen, sich einzulassen
- wer zu einem überkritischen und verletztenden Ton in seinen Nachrichten neigt, es aber womöglich gar nicht zu meint, kann herausfinden, dass auch hier das Motto gilt „der Ton macht die Musik“ oder “wie es in den Wald hineinschallt, schallt es raus“.
Sachlage ist, dass auch bei Gleichklang Strukturen und Vorgehensweise nicht immer leicht verständlich sind und dass rasch Missverständnisse oder Schwierigkeiten entstehen können.
Dies kann an vielen Gründen liegen, wie dem komplexen Themenbereich, der Individualität von Menschen, bestimmten Erwartungen, aber sicherlich auch an so manchem technisch noch nicht ausreichend benutzterfreundlichen Feature unserer fraglos imperfekten Plattform, die wir versuchen, zu verbessern.
Genau deshalb bitten wir alle unsere Mitgieder immer wieder herzlich, mit Problemen, Fragen oder Schwierigkeiten direkt an uns heranzutreten, damit wir sie gemeinsam besprechen und gemeinsam nach Lösungsmöglichkeiten suchen können. Sehr oft gelingt dies.
Wir betrachten nämlich Gleichklang nicht nur als eine rein technische Plattform, sondern auch als Begleiterin unserer Mitglieder bei ihrer Partnersuche und Freundschaftssuche.
Gleichklang-Community in Corona-Zeiten
So komme ich zum Ausgangspunkt meines Artikels zurück:
- den Demonstrationen gegen die Corona-Schutzmaßnahmen
Ich sehe die Gleichklang Kennenlern-Gemeinschaft als eine Begegnungs-Community sozial und ökologisch sensitiver Menschen, die für Umsicht im individellen und gesellschaftichen Miteinander plädieren.
Mit Umsicht auf andere Länder blicken
Die aktuellen Demonstrationen und ihre Forderungen sehe ich zu dieser Umsicht im Gegensatz:
- In Europa gibt es je nach Land tausende bis hunderttausende (jemals) Infizierte und nach wie vor jeden Tag hunderte bis tausende neue Infektionen. In manchen Ländern sind tausende oder zehntausende Menschen gestorben
- Nicht ausgewertet wird bisher das Leid schwerer Verläufe ohne tötlichen Ausgang, noch nicht ausgewertet sind die möglichen Spätfolgen. Es geht eben nicht nur um Leben oder Tod, sondern es gibt viele Zwischenstufen, wie ein Trauma, welches durch einen Aufenthalt auf der Intensivstation unter Beatmung und ohne Angehörigenbesuche entstehen kann
Richten wir den Blick auf andere Gebiete und Länder ist diese Situation weder sebstverständlich noch alternativlos – dabei ist der Blick auf andere, um von diesen zu lernen, ebenfalls ein Zeichen von Umsicht:
- Vietnam, Südkorea, Hongkong, Taiwan, Kambodscha, Thailand – und viele weitere Länder – haben bei oftmals schlechteren Ausgangsvoraussetzungen mit ein wenig mehr Geduld, mehr Entschleunigung bei Lockerungen und mehr Umsicht weitaus bessere Ergebnisse erzielen können als sie in Europa zu beobachten sind
- Die Gesamt-Fallanzahl jemals Infizierter lag dort am 15.05.2020 je nach Land bei wenigen hundert (Kambodscha: 122, Vietnam: 312, Taiwan: 440), etwas über tausend (Hongkong: 1052), mehrere tausend (Thailand: 3018) bis allerhöchstens gut zehntausend (Süd-Korea: 10991). Alle diese Länder haben also eine Explosion der Infektionszahlen von Anfang an nicht zugelassen
- Die Gesamt-Totenzahl in diesen Ländern lag am 15.05.2020 bei 0 (Vietnam, Kambodscha), 4 (Hongkong), 7 (Taiwan), 56 (Thailand), und 260 (Südkorea)
- Die Zahl der Neuinfektionen pro Tag lag am 15.05.2020 je nach Land bei 0 (Kambodscha, Vietnam, Taiwan), 1 (Hongkong, Thailand) oder 29 (Südkorea). Die Situation mit 8000 Toten in Deutschland oder gar 40000 Toten in Großbritannien ist eine komplett andere
Dies sind großartige Erfolge, die viele Menschenleben gerettet und viel Leid erspart haben. Dies ermöglicht im Gegenzug seit geraumer Zeit den Menschen in diesen Ländern ein jedenfalls weitgehend angstfreies Leben – auch wenn eine zweite aus Europa und den USA importierte Welle für die Zukunft leider befürchtet wird und befürchtet werden muss. Denn Europa und die USA bringen bisher ihre Fallzahlen nicht so weit runter, dass ein Import und eine dadurch verursachte zweite Welle unwahrscheinlich wäre. Die Demonstranten leisten hierfür leider einen aktiven Beitrag.
- obwohl bereits gelockert wird, geht ihn alles nicht schnell genug
Die entscheidende Voraussetzung für die Erfolge der genannten Länder in Asien waren und sind, Geduld und Konsequenz bei der Umsetzung der notwendigen Schutzmaßnahmen.
Die Menschen verstehen, dass es darum geht, eine mögliche größere Gefahr abzwenden und man sieht dies als eine gemeinsame Aufgabe an, deren Erfolg die Solidarität aller verlangt.
Gleichzeitig sind Respekt und Wertschätzung älterer Menschen so hoch, dass die Mitteilung, dass vorwiegend Ältere betroffen seien, in diesen Ländern nicht als eine Beruhigung oder gar Entwarnung erlebt werden würde.
Dass die Fallzahlen so gering gehalten wurden, wird nicht als Beleg für die Ungefährlichkeit der Epidemie (“alles übertrieben“, “nicht verhältnismäßig”) angesehen, sondern als Ergebnis der gemeinsamen Maßnahmen begrüßt.
Fallbeispiel Vietnam
Vietnam hatte Mitte Januar noch vor dem ersten Fall unter anderem alle Schulen und Bildungseinrichtungen des Landes geschlossen und auf Internet basiertes Lernen umgestellt. Erst vor Kurzem und nachdem kein neuer Fall innerhalb des Landes seit mehreren Wochen zu verzeichnen war, hat Vietnam seine Schulen wieder geöffnet. Mundschutz wird landesweit seit Beginn der Epidemie getragen. Es wurde eine intensive Kontaktnachverfolgung durchgeführt und Quarantänemaßnahmen wurden implementiert.
Fallbeispiel Kambodscha
Kambodscha hatte seine Schulen und Bildungseinrichtungen nach dem dritten Fall landesweit geschlossen. Seit 30 Tagen ist keine bekannte Neuinfektion mehr aufgetreten.
Soeben wurden in Kambodscha die letzten Covid-19 Fälle entlassen.
Erst vor einigen Tagen begann die Diskussion, ob und wann die Schulen wieder geöffnet werden können. Ergebnis ist, dass es keinen Zeitdruck gibt und in Anbetracht der weltweiten Situation zunächst weiter abgewartet werden kann.
Kambodscha ist eines der ärmsten Länder Südostasiens. Es gibt hier im gesamten Land insgesamt 200 Beatmungsmaschinen, von denen eine erhebliche Anzahl erst in diesen Zeiten besorgt wurde.
Viele europäische und US-amerikanische Einwanderer verließen deshalb das Land fluchtartig.
Kambodscha kann sich keinen größeren Ausbruch leisten. Weil Europa und die USA vorwiegend an ihr eigenes Gesundheitssystem denken, müssen daher Kambodscha und andere ärmere Länder besonders vorsichtig sein und einen besonders hohen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Preis zahlen.
Südkoreas Erfolg
Südkorea hat mehr Ressourcen und hat sich daher auf die konsequente Nachverfolgung der Infektionsketten bis ins weitest entfernte Glied (selbst bei tausenden Betroffenen), Maskenschutz, Einsatz einer App zur Erkennung eigener Gefährdung und Quarantäne aller Einreisenden mit App-gestützter Überprüfung ausgerichtet.
Südkorea musste so seine Grenzen nicht schließen und konnte vieles offen halten wegen der konsequenten Aufrechterhaltung der rigorosen Nachverfolgung aller Infektionsketten.
Maßnahmen der Wiedereröffnung von Diskotheken und Clubs wurden am gleichen Tag wieder ausgesetzt, als erneut Infektionsfälle auftraten.
Ich würde mir auch für Europa und die USA diesen Weg der Umsicht wünschen, den die genannten Länder gegangen sind und weiterhin gehen.
Ökologische Umsicht und Nachhaltigkeit
Aber es gibt auch noch einen ökologischen Aspekt, der mir immens wichtig scheint:
Der Himmel klart auf, die Flüsse werden wieder durchsichtig, Delphine kehren zurück. In Indien können einige Städter erstmals wieder die Berge des Himalayas sehen. Weltweit geht die Luftverschmutzung zurück. Wildtiere werden gesehen, wo sie längst verschwunden waren.
Die Corona-Epidemie macht uns also dreierlei deutlich:
- das Ausmaß, in dem unsere Produktion die Umwelt zerstört
- die Geschwindigkeit, mit der wir gegensteuern können, mit der sich die Umwelt erholen kann und mit der wir daher auch den Klimawandel stoppen können
- wir können auf unnötige Produktion verzichten und weder die Versorgung noch die Gesellschaft brechen zusammen
Mit Umsicht könnten wir aus Corona lernen und uns gegen einen Rückfall in das alte „weiter so!“ entscheiden. Dadurch könnten wir eine nachhaltigere Wirtschaft und Gesellschaft schaffen und den Klimawandel aufhalten.
Den Demonstranten scheint es jedoch an dieser Umsicht zu mangeln. Sie wollen zurück zu dem, was vorher da war und dies so schnell als möglich. Obwohl Lockerungen eintreten, setzen sie ihre Demonstrationen erst recht fort – alles, schnell, am besten sofort, nach mir die Sintflut.
Freiheit verstehen sie letztlich als Recht auf uneingeschränkten Konsum. Vielleicht machen Sie sich dies nicht bewusst, aber setzen sie sich durch (wonach es durchaus aussieht), werden die Flüsse schnell wieder trüben, die Delphine werden verschwinden, der Himalaya wird sich wieder den Blicken der Menschen entziehen.
Ich denke für die Gleichklang-Community als einer Kennenlern-Gemeinschaft ökologisch und sozial sensitiver Menschen ist dies ein zentrales Thema. Es geht darum, einander kennenzulernen und gemeinsam verantwortbar zu leben.
Die Wiedereröffnung der Wirtschaft – wie sie vorher war, und dies so schnell wie möglich – ist auf der gesellschaftlichen Ebene kein umsichtiger Weg. Im Gegenteil, diese Öffnung ohne Änderung könnte alles vergessen machen, was wir aus Corona-Krise eigentlich hätten lernen könnten.
- die Folgen – vergiftete Flüsse, verpestete Luft, sterbende Tiere
Andere Prioritäten finden
Es geht aber nicht nur um Infektionszahlen und Ökologie, es geht bei Umsicht um die eigene Person.
Wie können wir mit Umsicht durch diese Krisenzeit gehen und wie können wir aus dieser Krise lernen?
- wir können noch einmal neu billanzieren, zu uns kommen, nachdenken darüber, was wirklich wichtig für uns ist und was weniger wichtig ist
- wir können erkennen, dass nichts selbstverständlich ist und dass es nie zu früh, aber auch nicht zu spät ist, mit der richtigen Prioritätensetzung für das eigene Leben zu beginnen
- wir können diese Zeit zum Anlass nehmen, um uns zu verändern und nicht nach-haltige Lebensstile durch Nachhaltigkeit ersetzen. Wir können zu Entschleunigung, Achtsamkeit, Geduld, Selbstfindung gelangen
Es schrieb jemand als Kommentar auf einen Artikel von mir bei vegan.eu, es trete durch die Corona-Maßnahmen gerade der “gesellschaftliche Tod” ein. Ich sehe diesen Tód nicht, sondern die Chance für ein neues Leben. Es liegt auch in unseren eigenen Händen, dies zu gestalten.
Wir brauchen in dieser Zeit als Mensch – innerpsychisch und in unseren Beziehungen – nicht zu verlieren, wir können sogar gewinnen und ich höre von vielen, dass ihnen dies gelingt.
In diesem Sinne wünsche ich allen Leserinnen und Lesern Umsicht bei Ihrer Partnersuche und Umsicht in ihrem Umgang mit Corona, den Mitmenschen, der Umwelt und den Tieren.