Kommentare (4)

  1. Gertrud says:

    Nischenbildung ist meines Erachtens keine integrative und nachhaltige gesellschaftliche Lösung – ich sehe dadurch die herrschende Isolation und Fraktionsbildung nur noch verstärkt. Sich gezielt abzugrenzen von den Mitmenschen, die man als “unakzeptabel” abkanzelt, nur weil sie eine andere Partei, eine andere Ernährung oder eine andere Lebensführung wählen, führt zur weiteren Spaltung und Entmenschlichung.

      1. Ich denke, es kommt auf die Definition von Nischen an. Die von mir referenzierten psychologischen Studien zeigen, dass Mehrheiten sich eher ändern, also offen gegenüber der Minderheitenposition werden, wenn die Minderheiten ihre Position in aller Klarheit und ohne Anpassung an die Mehrheiten formulieren. Gehen Minderheiten in ihren Positionen auf die Mehrheit zu, wird die Mehrheit demgegenüber nicht beeinflusst und die Minderheit wird in Wirklichkeit zur Mehrheit. Im politischen Bereich sehen wir dies bei den Grünen – jedenfalls meiner Ansicht nach – die heute Positionen vertreten, die wir vor 15 Jahren als CDU-Positionen bezeichnet hätten. Was aber hat ihre Anpassung gesellschaftlich gebracht? In ihren Regierungszeiten ist die gesamte Gesellschaft mit ihnen nach rechts gerückt. Auch wenn ich Deine Überlegungen zunächst einmal gut nachvollziehen kann, nehme ich hier eine andere Perspektive ein. Das von Dir beschriebene „Abgrenzen“ bezieht sich nur auf unmenschliche Praktiken und bedeutet gerade nicht, nun die anderen ebenso zu behandeln, sondern an die Stelle von Brutalität, Umweltzerstörung etc. Nachhaltigkeit und Mitmenschlichkeit zu stellen. Da wir als Menschen aber soziale Wesen sind, brauchen wir Menschen, mit denen wir unsere Lebensmodelle leben und mit denen wir uns auch für unsere Werte einsetzen können. Damit entstehen automatisch Nischen, auch wenn Du ihnen gerne einen anderen Namen geben kannst. Eine Nische ist in unserer Gesellschaft jeder Ort, in dem Natur erhalten und nicht zerstört wird, in dem Tiere wertgeschätzt und nicht getötet werden, indem wir uns für unsere Mitmenschen einsetzen, anstatt sie zu dämonisieren und zu Sündenböcken zu erklären. Die Modellfunktion solcher Nischen kann sich gesamtgesellschaftlich auswirken und das erhalten, was gerade verloren geht. Ich habe Deinen Kommentar im Text aufgegriffen, da Du auf einen Punkt hinweist, der sicherlich vielen am Herzen liegt.

        1. Michael says:

          Was ist an den CDU-Positionen von vor 10 bis15 Jahren, die Sie in Ihrem Kommentar indirekt in Verruf bringen, so schlecht? Zur Erinnerung: Atomausstieg, Aussetzen der Wehrpflicht, erstmals Mindestlohn, „Wir schaffen das!“, Ehe für Alle. Nicht, dass ich für die aktuelle Merz-CDU wäre, aber wir sollten bei den historischen Fakten bleiben, finde ich. Zudem sind die Grünen doch schon seit Joschka Fischer & Co. eine Partei, die auch Bombardements für gerechtfertigt hält, spätestens seit 1999 also. Es wird also langsam Zeit aus Ihrer Nische der grünen Enttäuschung herauszukommen, Herr Gebauer. 😉

            1. Bei der CDU/CSU war es damals eher der umgekehrte Anpassungsprozess, sie ist auf eine Mehrheit zugegangen und hat sich dann auch zeitweise tatsächlich verändert. Sie hat aber leider immer den Weg in die Klimakatastrophe mit angeführt und eben die Voraussetzungen aktiv geschaffen für die Situation, in der wir uns befinden. Das Problem ist, dass wenn linke Parteien nach rechts rücken, die Parteien, die rechts von ihnen stehen, natürlich auch nach rechts rücken. Ich denke, dies erklärt den aktuellen Amoklauf der CDU/CSU, die nun bedauerlicherweise in einer ganzen Reihe von Aspekten wirklich da ist, wo die AfD bis vor Kurzem war. Das macht noch einmal deutlich, wie wichtig es ist, dass Positionen, die sich für Umweltschutz, Menschenrechte, Tierrechte einsetzen, eben nicht aufgegeben oder relativiert werden sollten, weil es einem scheinbaren Zeitgeist entspricht. Im Ergebnis treibt dies nur die gesamte Gesellschaft weiter nach rechts.

              Die Nischen, von denen ich schreibe, sind übrigens keine spezifisch parteibezogenen Nischen, sondern kennzeichnen sich durch Inhalte. Im Grunde durch die Inhalte, die jedenfalls nach unserer letzten Umfrage eine überwältigende Mehrheit der Gleichklang-Mitglieder vertreten – Umweltbezug, Orientierung auf sozialen Ausgleich etc. Die Nischen sind offen, weil sie sich nicht von der Gesellschaft abkapseln, sondern in sie hineinwirken. Irgendwo sind alle Menschen in einer Nische, nur leider vergessen wir dies oft, weil es eben auch eine Neigung gibt, im Gleichschritt marschieren zu wollen.

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      Guido F. Gebauer

      Geschrieben von

      Guido F. Gebauer studierte Psychologie an den Universitäten, Trier, Humboldt-Universität zu Berlin und Cambridge (Großbritannien). Promotion an der Universität Cambridge bei Prof. N. J. Mackintosh zu den Zusammenhängen zwischen unbewusstem Lernen und Intelligenz. Im Anschluss rechtspsychologische Ausbildung, Tätigkeit in der forensischen Psychiatrie und 10-jährige Tätigkeit als Gerichtsgutachter. Gründung der psychologischen Kennenlern-Plattform Gleichklang 2006. Schreibt für diesen Blog und für vegan.eu und Hochsensible,.eu. Buchveröffentlichung "A Perfect Match? Online-Partnersuche aus psychologischer Sicht" im Mai 2022 im Edigo Verlag. Gebauer lebt und arbeitet in Kambodscha, wohin er Ende 2015 gemeinsam mit dem Geschäftsführer von Gleichklang Seksan Ammawat ausgewandert ist. Termine für ein ⇒ COACHING (Telefon, Video-Chat) können vereinbart werden. Direkter Kontakt für Anmerkungen zu Artikeln hier: gebauer@gleichklang.de