Häufigkeit, Intensität und Konsequenzen von Streit unterscheiden sich in Beziehungen. Die Folgen von Streit können sehr unterschiedlich sein: Streit kann eine Beziehung zerbrechen lassen, kann zu innerer Emigration und Sprachlosigkeit führen, kann eine Beziehung aber auch erhalten und emotional intensivieren. Eine Beziehung ohne Streit gibt es nicht. Aber wann schadet und wann hilft Streit der Liebe? Dieser Artikel gibt Antworten.
Wann schadet Streit und wie lässt sich dies verhindern?
Eine Serie von Experimenten, die im Journal of Personality and Social Psychology veröffentlicht wurde, erlaubt eine klare Antwort:
- Streit schadet, wenn sich der Beziehungspartner durch den anderen nicht verstanden fühlt
- wenn sich aber ein Beziehungspartner verstanden fühlt, schadet selbst intensiver Streit der Beziehungsqualität nicht
In einer Beziehung brauchen Paare also keineswegs jeden Streit vermeiden. Jeder sollte sich aber bemühen, den anderen zu verstehen und ihm dies auch zu vermitteln. Ist dies der Fall, wird Streit die Beziehung nicht beschädigen.
Es gibt einen weiteren Faktor, der negative Folgen von Streit verhindern kann und für das dauerhafte Beziehungsglück wichtig ist:
- Verzeihen
Hierzu wurde 2016 ein interessantes Buchkapitel veröffentlicht, dessen Titel lautet:
Expressing and suppressing conditional forgiveness in serious romantic relationships
Die Autoren gelangen zu dem Ergebnis, dass Verzeihen einen positiven und oftmals entscheidenden Einfluss auf die Beziehungsqualität haben kann. Wirksamer als implizites Verzeihen, über das nicht gesprochen wird, ist das explizite, direkt kommunizierte und an sinnvolle Voraussetzungen gebundene Verzeihen.
Schädlich: Streitvermeidung und destruktiver Streit
Vermiedener Streit löst bestehende Probleme nicht. Unzufriedenheiten bleiben aufrechterhalten und können zu dauerhafter Frustration führen. Es ist nicht selten, dass Paare aufhören, zu streiten, aber auch überhaupt aufhören, miteinander über ihre Gefühle, Bedürfnisse und was sie gerne verändern möchten zu kommunizieren. Am Ende kann Leere, Verbitterung oder der Verlust der Liebe stehen.
Destruktiver Streit ist allerdings mindestens ebenso schlimm. Er kann zu dauerhaften Verletzungen oder gar Beziehungs-Gewalt führen.
Oftmals ungünstig ist es auch, wenn am Beziehungs-Partner eigene Unzufriedenheit und Belastungen ausagiert werden, für die er oder sie eigentlich gar keine Verantwortung trägt. Wenn jemand wütend ist und dann die Wut an jemandem ausagiert, der an ihrer Entstehung völlig unbeteiligt war, spricht man von Erregungsübertragung. Dem wird oft mit Unverständnis durch das Gegenüber begegnet. Folge ist nicht selten destruktiver Streit.
Psychische Belastungen, für die eine Partner nichts kann, sollten tatsächlich kein Grund zum Streit sein. Wohl aber sollten Sie Anlass sein, die eigenen Gefühle und das eigene Erleben gegenüber dem Partner zum Ausdruck zu bringen und gemeinsam nach Möglichkeiten von Bewältigung und emotionale Unterstützung zu suchen.
“Ich bin so wütend und weiß selbst, dass Du gar nichts dafür kannst“, mit solchen Äußerungen kann destruktiver Streit von Anfang abgefangen und stattdessen partnerschaftliche Unterstützung in die Wege geleitet werden.
Passiert es, dass eine Wut durchbricht, für die der Partner oder die Partnerin tatsächlich nichts kann, lassen sich häufig durch eine einfache und ehrliche Entschuldigung negative Auswirkungen auf die Beziehung vermeiden.
Wann hilft Streit?
Es geht aber nicht nur darum, Schäden durch Streit zu vermeiden. Konstruktiver Streit kann vielmehr auch hilfreich sein. Konstruktiver Streit macht deutlich, dass ein Interesse an der Beziehung und eine emotionale Verbindung besteht. Wird konstruktiver Streit genutzt, um Probleme zu lösen, aufeinander zuzugehen, die andere Seite zu verstehen und ihr dies auch zu signalisieren, sowie zu verzeihen, kann er helfen, dass die Liebe fortbesteht.
Tatsächlich berichten oft gerade Paare, die bereits jahrzehntelang und glücklich zusammen sind, dass Streit ihre Verbundenheit nicht reduzierte, sondern förderte.
Allerdings geht es nicht darum gehen, zu streiten, um zu streiten. Streit tritt bei Enttäuschung und Unzufriedenheit über den Beziehungspartner ein. Streit tritt deshalb in jeder Beziehung auf, weil – allerdings in unterschiedlicher Häufigkeit und Intensität – solche Enttäuschungen und Unzufriedenheit nicht immer verhindert werden können.
Gut vorbereitet in die neue Partnerschaft
Bereits während der Partnersuche ist es wichtig, zu verstehen, wie Streit eine Beziehung beeinflusst.
Wie haben Sie es in der Vergangenheit gehandhabt? Erkennen Sie Fehler, aus denen Sie etwas lernen können? Gab es Eskalationen, die unnötig waren und die Sie künftig vermeiden wollen? Haben Sie mit dem Partner oder der Partnerin darüber gesprochen, wie Sie Streit austragen und wie sie zu einem gegenseitigem Verständnis gelangen möchten? Wie ist Ihre eigene Vorstellung, wie Sie in Ihrer neuen Beziehung mit Streit solidarisch gemeinsam umgehen und ihn zu einem für beide und damit für die Beziehung gutem Ergebnis bringen wollen?
Natürlich müssen wir einiges im Leben auf uns zukommen lassen. Aber auf vieles können wir uns auch vorbereiten. Nutzen Sie auch zum Umgang mit Streit die Möglichkeit der Vorbereitung, damit Ihre Beziehung, die Sie bei Gleichklang sicherlich finden werden, unter einem gutem Stern beginnt und auch dauerhaft verbleibt.