Partnerwahl als Kompatibilitäts-Entscheidung
Für eine Partnerschaft suchen wir nach kompatiblen Personen. Auf keinen Fall wollen wir jedenfalls in eine toxische Beziehung geraten mit einer komplett inkompatiblen Person. Eine ganz neue ▶ psychologische Studie zeigt, dass ein klares und differenziertes Selbstkonzept wertvolle Dienste für eine richtige Partnerwahl Auswahlentscheidung leistet.
Leser:innen, die nicht viel lesen möchten, können mit einem Klick zu den ▶ Kernpunkten springen.
Kompatibilität und Partnerglück
Das Ziel der Partnersuche ist es, eine kompatible Person für eine Beziehung zu finden. Kompatibel bedeutet, dass zwei oder mehr Menschen miteinander eine Beziehung aufbauen können, in der alle Beteiligten zufrieden werden.
Essenziell ist Kompatibilität auch für eine erfüllende Sexualität, worüber ▶ dies Video mehr erzählt.
Kompatibilität ist allerdings eine sehr komplexe Variable, für die es keine eindeutige oder einfache Bestimmung gibt:
- Sind zwei Personen miteinander kompatibel, weil beide sehr intelligent sind? Vielleicht.
- Sind zwei Personen miteinander kompatibel, weil beide beim Sex eine aktive oder dominante Rolle und keine passive oder submissive Rolle einnehmen wollen? Sicherlich nicht.
- Sind zwei Personen miteinander kompatibel, weil beide eine minimalistische Lebensweise führen wollen, in der sie nur das konsumieren, was unbedingt für ihren Lebenserhalt notwendig ist? Ganz sicher.
Kompatibilität ist mehr als Ähnlichkeit
Kompatibilität ist also nicht einfach nur Ähnlichkeit:
- Ähnlichkeit kann Personen vielmehr kompatibel, aber auch inkompatibel füreinander machen. Es kommt darauf an, was durch die Kombination der mitgebrachten Merkmale erreichbar ist.
Im ersten Beispiel mögen beide aufgrund ihrer Intelligenz ihren beruflichen Erfolg und infolgedessen das gemeinsame Einkommen. Andererseits ist Intelligenz und Einkommen nicht alles und hätte sich die Kombination anderer Eigenschaften, z. B. Intelligenz und Disziplin, womöglich noch positiver ausgewirkt.
Im zweiten Beispiel wird eine befriedigende Sexualität schwerlich miteinander erreichbar sein. Denn beide wollen gerne das beim Sex tun, was die andere Person gerade nicht will. Wie sollten sie da zusammenfinden?
Im dritten Beispiel können wir demgegenüber nahezu sicher sein, dass eine Kompatibilität besteht. Denn wenn beide minimalistisch leben wollen, können sie dies nun zusammen tun und es ist keineswegs einfach, Partner:innen zu finden, die hierzu bereit ist. Gerade wenn wichtige, aber ▶ seltene Merkmale miteinander geteilt werden, steigt dadurch die Kompatibilität besonders an.
Toxische Inkompatibilität
Tatsächlich gibt es überwältigende Belege dafür, dass uns bei der Partnersuche oft die rechtzeitige Identifikation komplett inkompatibler Personen nicht gelingt:
- Schließlich lösen sich 70 % der Beziehungen im ersten Jahr auf – offensichtlich passte es nicht.
- Selbst die Mehrheit der verheirateten Paare geht eines Tages auseinander.
- Die Beziehungszufriedenheit nimmt mit der Beziehungsdauer meistens ab. Nur ganz wenige werden sagen, noch nach 30 Jahren Beziehung genauso glücklich zu sein wie am ersten Tag.
- Schließlich zeigen uns die vielen toxischen Beziehungen, wie katastrophal unsere Partnerwahl oft ist. In einer ▶ Umfrage mit 2073 Gleichklang-Mitgliedern gaben 36 % an, bereits in einer toxischen Beziehung gelebt zu haben. Toxizität in Beziehungen ist also keineswegs selten.
Erneut sehen wir aber viele individuelle Unterschiede:
- Manche geraten nur einmal in eine toxische Beziehung und dann ist Schluss. Andere wiederum geraten von einer toxischen Beziehung in die nächste, immer wieder vom Regen in die Traufe. Und natürlich gibt es auch diejenigen, die niemals eine toxische Beziehung erleben.
Glück, Unglück oder Zufall mögen eine Rolle spielen. Meistens berufen wir uns auf sie, wenn wir die tatsächlichen Gründe nicht kennen. Nun aber bringt eine Studie ein wenig mehr Licht in das Dunkel.
Studie: Kompatibilität-Erkennung und Selbstkonzept
Die Psycholog:innen Dita Kubin, Jens Kreitewolf und John E. Lydon beschäftigten sich in einer ▶ Serie aus Untersuchungen mit der, ob und wann wir Inkompatibilität beim Online-Dating erkennen können:
- Gibt es Unterschiede im Ausmaß, in dem Partnersuchende sich für inkompatible Personen unterscheiden und wenn ja, woran liegt dies?
Ausgangshypothese
Dabei gingen die Autor:innen von einer hochinteressanten Hypothese aus:
- Je besser wir uns selbst kennen, desto leichter sollte es uns fallen, zu erkennen, ob eine andere Person mit uns kompatibel ist oder nicht.
Entsprechend stellten die Autor:innen die folgende spezifische Hypothese auf:
- Personen mit einem unklaren oder undifferenzierten Selbstkonzept werden bei der Partnerwahl sich häufiger für inkompatible Personen entscheiden als Personen, die ein klares und differenziertes Selbstkonzept haben.
Methodisches Vorgehen
Um diese Hypothese zu prüfen, gingen die Autor:innen folgendermaßen vor:
- Sie luden Teilnehmende zu einem Online-Dating-Experiment, bei dem Ihnen Profile gezeigt wurden und sie im Anschluss einschätzen sollten, wie passend sie die entsprechenden Personen erlebten.
- Bevor den Teilnehmenden Profile gezeigt wurden, füllten sie umfangreiche Informationen zu ihrer eigenen Persönlichkeit und zu ihren Einstellungen/Werten aus. Außerdem wurde die Klarheit/Differenziert ihres Selbstkonzeptes erfasst durch Fragen, wie „Im Allgemeinen habe ich ein klares Gefühl dafür, wer ich bin und was ich bin“.
- Auf der Grundlage der Angaben zur eigenen Person, wurden nun Dating-Profile kreiert, die bezüglich Persönlichkeit und Einstellungen/Werten unähnlich, moderat ähnlich oder ähnlich waren.
- Nach der Einschätzung, wie gut ein Profil passte, wurde überdies noch gefragt, wie schwer die Entscheidung war oder wie sicher sich die Betreffenden bezüglich ihrer Einschätzung waren.
Hauptbefunde der Studie
Die Autor:innen vermuteten nun gemäß ihrer Hypothese, dass es Personen mit einem unklaren/undifferenzierten Selbstkonzept seltener gelingen würde, die unähnlichen Profile als inkompatibel zu erkennen. Auch vermuteten sie, dass sie die Aufgabe als schwerer erleben und eine geringere Sicherheit bezüglich ihrer Entscheidungen angeben würden.
Und genau so kam es auch:
- Personen, die wenig über die eigene Person wussten, bewerteten Dating-Profile, die sich durch eine starke Unähnlichkeit zur eigenen Person kennzeichneten, häufiger als passend. Demgegenüber bewerteten Personen, die über ein klares und differenziertes Selbstkonzept verfügten, solche Personen öfter als unpassend.
- Zudem erlebten die entsprechenden Personen mit unklarem/undifferenziertem Selbstkonzept die Aufgabe als schwerer und waren sich ihrer Entscheidungen zudem weniger sicher.
Partnersuche braucht Selbstkenntnis
Ich möchte vorwiegend eine Implikation dieser Befunde herausheben, auf der ich seit Jahren herumreite, weil sie so immens wichtig ist:
- Für eine gute Partnerwahl benötigen wir eine gute Selbstkenntnis!
Bitte hoffen Sie nicht einfach nur, dass mit der nächsten Beziehung alles besser wird. Gehen Sie in sich, untersuchen Sie die eigene Person und erkennen Sie zunächst, was für eine glückliche Beziehung für Sie bei einer anderen Person tatsächlich wichtig ist.
Oder auf andere Art formuliert in der Terminologie der Autor:innen:
- Arbeiten Sie an einem klaren und differenzierten Selbstkonzept, bevor Sie eine Partnerwahl treffen.
Im ▶ Coaching begegne ich recht oft Menschen, die in der Vergangenheit immer wieder falsche Partnerwahlen trafen. Ihr Hauptfehler war, dass sie nicht erkannten, wenn eine andere Person – so nett, sympathisch oder attraktiv sie auch gewesen sein mag – für eine Beziehung mit ihnen inkompatibel war. So landeten sie wiederholt in unbefriedigenden und manche gar in toxischen Beziehungen.
„Schuster bleibt bei Deinen Leisten“, teilen mir manche Schreiber:innen mit. Denn Sie wollen nicht darüber lesen oder hören, wie Sie sich selbst besser kennenlernen können, sondern einfach (!) passende Partnervorschläge erhalten.
In Wirklichkeit ist das eine ohne das andere nicht möglich und viele von ihnen werden so lange erfolglos bleiben, bis sie dies erkannt haben.
Werte wichtiger als Persönlichkeit
Womöglich ist manchen Leser:innen, die meinen ▶ letzten Artikel zur Rolle der Persönlichkeit für die Beziehungszufriedenheit gelesen haben, ein kleiner Widerspruch zu meinem heutigen Artikel aufgefallen:
- Die allgemeine Persönlichkeits-Ähnlichkeit ist tatsächlich nach neueren Forschungsbefunden für die Beziehungszufriedenheit weitgehend unwesentlich. Viel wichtiger ist die Rolle der Persönlichkeiten an sich. Sozial verträgliche Persönlichkeiten erhöhen die Beziehungszufriedenheit. Sozial unverträgliche Persönlichkeiten erniedrigen die Beziehungszufriedenheit. Es hilft nicht, sich eine ähnlich sozial unverträgliche Person zu suchen, im Gegenteil richtet es nur weiteren Schaden an.
In der hier vorgestellten Studie war aber die Inkompatibilität einer Auswahlentscheidung durch die Unähnlichkeit der Profile in Persönlichkeit und Werten/Einstellungen definiert.
Was macht das für einen Sinn, wenn die Persönlichkeit an sich gar nicht die entscheidende Rolle spielt?
Es ergibt wenig Sinn und ist auch eine Schwäche der Studie, die aber glücklicherweise dennoch die Bedeutung der Studie nicht schmälert:
- Die unähnlichen Profile waren immer sowohl in der Persönlichkeit als auch in den Werten/Einstellungen unähnlich. Werte und Einstellungen sind aber für die Kompatibilität wichtig, jedenfalls dann, wenn es sich um zentrale Werte und Einstellungen handelt.
Die Autor:innen haben zwar nicht erfasst, was für die Teilnehmenden nun wirklich individuell bedeutsame/zentrale Werte/Einstellungen waren. Dass sie aber dennoch einen ungünstigen Effekt eines unklaren Selbstkonzeptes auf die Dating-Entscheidungen fanden, macht den Effekt umso bedeutsamer:
- Hätten Sie zusätzlich noch nach den wirklich individuell zentralen Einstellungen/Werten gefragt und nur diese berücksichtigt, wäre der Effekt vermutlich deutlich stärker gewesen.
Dating-Plattformen beeinflussen Selbstkonzept
Übrigens tragen auch Dating-Plattformen dazu bei, ob ihre Nutzer:innen ein klares Selbstkonzept aufbauen oder nicht:
- Wenn Dating-Plattformen die Eröffnung von Profilen in 1–2 Minuten mit strikter Begrenzung des freien Textes ermöglichen, regen Sie Ihre Nutzer:innen jedenfalls sicherlich nicht dazu an, ihr Selbstkonzept zu reflektieren.
- Deshalb versuchen wir bei Gleichklang, unsere Mitglieder bereits in der Phase der Profilerstellung zu Selbstreflexion und damit zur Klärung ihres Selbstkonzeptes anzuregen.
Was also tun?
Die Take Home Message ist die Folgende:
- Nutzen Sie die Zeit der Partnersuche, um sich selbst über Ihre eigene Person im Klaren zu werden. Was sind die Wünsche, Sehnsüchte und Möglichkeiten, die Sie in eine Beziehung einbringen und welche Merkmale sollten bei der anderen Person vorhanden oder gerade nicht vorhanden sein?
- Setzen Sie richtige Prioritäten und unterscheiden Sie zwischen Wichtigem und Unwichtigem. Gehen Sie hierfür noch einmal alle Ihre Beziehungen durch, um diejenigen Faktoren zu identifizieren, die zu einer Inkompatibilität führten oder die Kompatibilität förderten.
- Tun Sie dies reflektiert und starten Sie so den Prozess, ein klares und differenziertes Selbstkonzept aufzubauen. Genau dadurch erhöhen Sie Ihre Chance, nicht noch einmal eine inkompatible Person als Partner:in zu wählen.
Resümee
Eine Studie der Psycholog:innen Dita Kubin, Jens Kreitewolf und John E. Lydon hat gezeigt, dass Personen, die ein unklares und undifferenziertes Selbstkonzept haben, häufiger bei Dating-Entscheidungen falsche Personen wählen. Außerdem waren sich Personen mit einem unklaren und undifferenzierten Selbstkonzept ihrer Entscheidungen oft unsicher und erlebten die Partnerwahl als besonders schwierig.
- Die Ergebnisse zeigen, dass die Kenntnis der eigenen Person eine zentrale Voraussetzung für eine erfolgreiche Partnerfindung ist.
- Betrachten Sie daher die Phase der Partnersuche immer auch als eine Phase in Ihrer Persönlichkeitsentwicklung, um zu einem klaren und differenzierten Selbstkonzept zu gelangen. Das Geheimnis besteht darin, zu erkennen, was Ihnen wirklich wichtig ist und welche Merkmale einer anderen Person inkompatibel oder kompatibel sind.
- Erarbeiten Sie in diesem Sinne ein klares Selbstkonzept, sinkt das Risiko, dass Sie sich in einer unbefriedigenden oder gar toxischen Beziehung wiederfinden werden, und die Aussicht steigt, dass Ihre nächste Beziehung glücklich und tragfähig werden wird.
Gerne laden wir Sie ein, diesen Weg zu einer tragfähigen Beziehung mit uns gemeinsam zu gehen:
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