Was unterscheidet Mann und Frau?
Wenig sagte die Psychologin Janet Shibley Hyde, die vor 18 Jahren die Geschlechter-Ähnlichkeits-Hypothese begründete:
- In einer umfassenden Meta-Analyse aller wissenschaftlich untersuchten Unterschiede zwischen Männern und Frauen in psychologischen Merkmalen fand sie, dass Unterschiede entweder nicht existierten oder in überwäligender Mehrheit geringfügig waren. Geringfügig bedeutete dabei, dass der Überlappungsbereich zwischen Männern und Frauen durchschnittlich bei ca. 85 % lag.
10 Jahre später wandten sich die Psychologen Ethan Zell, Zlatan Krizan und Sabrina R Teeter noch einmal der Überprüfung dieser Hypothese zu. Mit neueren Daten und einer ca. dreifachen Anzahl an Meta-Analysen als Ausgangsbasis gelangten sie zu einer im wesentlichen gleichen Schlussfolgerung:
- Typischerweise sind bestehende Unterschiede zwischen Männern und Frauen nur geringsfügig oder höchstens moderat.
Die Forscher:innen beobachteten über alle Merkmale gemittelt einen durchschnittlichen Unterschied von 0,14 Standard-Abweichungen. Plastisch bedeutet diesauf einer IQ-Skala mit einem Mittelwert von 100 und einer Standardabweicung von 15 einen Punkteunterschied von ca 2 Punkten zwischen Männern und Frauen. Das wären Ergebnisse, wie 99 zu 101 Punkten.
Bedeutung der Unterschiede
Was bedeuten die gefundenen Unterschiede zwischen Männern und Frauen nun inhaltlich im Allgemeinen?
Dies möchte anhand eines Beispiels verdeutlichen:
Floor Bakker und Ine Vanwesenbeeck beobachteten, dass sexuelle Dysfunktionen von Frauen häufiger berichtet wurden als von Männern. 20 % der Frauen, aber nur 17 % der Männer gaben das Bestehen einer sexuellen Dysfunktion an. Der Unterschied war statistisch signifikant. Wir könnten auch sagen:
- Statistisch interessant, inhaltlich irrelevant.
Ein Großteil der Aussagen, die wir allgemein über Unterschiede zwischen Männern und Frauen machen, beruhen auf genau solchen Unterschieden:
- Es gibt in Studien einen gewissen Mittelwertunterschied und der ist auch statistisch signifikant.
Die Darstellung in der öffentlichen Diskussion lautet dann:
- Frauen möchten dies, Männer jenes.
Ein weltweit hochgradig populäres Buch wurde gänzlich nach diesem Motto geschrieben:
- Männer sind vom Mars, Frauen von der Venus.
Größere Unterschiede in der Sexualität
Sexualität ist eines der Felder, wo es allerdings tatsächlich mitunter stärkere Unterschiede zwischen Männern und Frauen gibt:
- So beobachteten Floor Bakker und Ine Vanwesenbeeck in der bereits zitierten Studie, dass 80 % aller Männer manchmal Pornographie anschauen, 66 % mindestens einmal im Monat. Bei den Frauen schauten sich lediglich 40 % gelegentlich Pornographie an und 18 % taten dies mindestens einmal im Monat.
Jedoch selbst bei einem so großen Unterschied wäre die umgangssprachliche Übersetzung “Männer schauen Pornographie, Frauen nicht” falsch:
- Denn immerhin schauen 4 von 10 Frauen schauten ebenfalls Pornographie und 2 von 10 Männern taten dies nicht.
Zudem beobachteten due Autorinnen auch, dass der Unterschied zwischen Männern und Frauen bei den älteren Generationen höher war als bei den jüngeren Generationen. Sie gelangten zu dem Schluss, dass sich die Geschlechter-Lücke schließe. Auch dies ist ein allgemein beobachtetes Phänomen:
- Geschlechter-Unterschiede nehmen seit Jahrzehnten ab!
Kategorisierungen führen zu Übertreibungen
Kategorisierungen können uns helfen, uns in der komplexen Welt, in der wir leben, zu orientieren. Ihr Risiko ist jedoch, dass sie uns dazu verleiten, die Unterschiede zwischen Individuen zu übertreiben, sodass plötzlich Welten zwischen denjenigen zu liegen scheinen, die in Wirklichkeit aufs engste benachbart sind. So ist es auch bei Männern und Frauen, die weitaus mehr verbindet als trennt.
Bezüglich der eigenen Person haben wir (je nach Introspektionsfähigkeit mehr oder weniger) direkten Zugriff auf unsere eigene Komplexität und Widersprüchlichkeit.
Bei anderen Personen fehlt aber dieser direkte Zugriff. Dadurch können wir schnell der Versuchung anheimfallen, die Lücke zu schließen, indem wir die Individualität der Person durch einen pauschalen Platzhalter für eine ganze Kategorie ersetzen.
Selbstblockaden durch dichotomes Denken
Solch ein dichotomes Denken in den Kästchen Männer versus Frauen kann bei der Partnersuche oder auch allgemein bei der Beziehungssuche zu Selbstblockaden führen.
So traf ich eine Klientin im ➤ Coaching, die davon überzeugt war, dass Männer nur “schlanke und schöne” Frauen suchten. Männer lehnten sie alle wegen ihrer fülligen Figur ab. Sie hatte auch den Eindruck, von Männer zum “Objekt gemacht” zu werden. Aussichten für die Partnersuche sah sie nicht mehr – und brach ab, jedenfalls zunächst.
Ihre Erfahrungen spiegelten das wieder, was wir regelmäßig über Männer lesen und hören. Umgekehrt hören wir über Frauen, diese schauten bei der Partnersuche nach Einkommen und Status.
Statistisch sind beide Effekte tatsächlich gesichert:
- Männer achten stärker auf die Figur und Frauen stärker auf das Einkommen.
2017 hatten wir auch unter Gleichkang-Mitgliedern eine Umfrage zu einer ähnlichen Fragestellung gemacht, wobei wir statt „Figur“ das “Aussehen” und statt „Einkommen“ den “sozialen Status” erfragten.
Dies waren damals die Ergebnisse:
- Von den 19252 befragten Frauen gaben etwas mehr als 15% an, dass für sie nur ein Partner in Frage komme, der gut aussehe. Mit fast 30% lag dieser Prozentsatz bei den befragten Männern doppelt so hoch. Demgegenüber gaben etwas über 20% der Frauen an, bei der Partnersuche nach einer Person mit möglichst hohem sozialem Status zu suchen, während lediglich 10% der Männer dies bejahten.
Wir sehen auch hier also einen starken Unterschied zwischen den Geschlechtern.
Anderseits lässt sich das auch anders lesen, nämlich so:
- Für 70 % der Männer und 85 % der Frauen kommen auch Partner:innen in Frage, die nicht gut aussehen.
- 80 % der Frauen und 90 % der Männer suchen nicht vorrangig nach einer Person mit hohem sozialen Status bei ihrer Partnersuche.
Die Überlappung zwischen den Geschlechtern ist auch hier höher als der Unterschied.
Eigene Kategorisierungen hinterfragen
Ich frage mich also, ob meine Klientin nur Pech hatte, oder woher ihre ausnahmslos negativen Erfahrungen kamen. Dazu sprachen wir ihre konkreten Dating-Erfahrungen miteinander durch.
Und dabei ergab sich für uns beide plötzlich eine doch deutlich andere Sichtweise:
- Meine Klientin hatte mehrere Männer getroffen, die sich durchaus für sie interessierten. Aus verschiedenen – und völlig nachvollziehbaren Gründen – war sie es selbst, die diese Kontakte beendete.
- Es gab in der Tat durch eine Person einen ablehnenden Hinweis auf ihre Körperfigur. Damals hatte meine Klientin vor dem Treffen noch nicht vorab ein Foto eingestellt, welches einen Eindruck von ihrer Figur vermittelte.
Letztlich blieb aber in der Wahrnehmung hängen “alle Männer lehnen mich wegen meine Figur ab“, “alle Männer wollen nur schlanke Frauen“. Und so ist völlig verständlich, dass die Motivation für eine weitere Partnersuche sank.
Natürlich bevorzugen viele Männer schlanke Frauen, aber ebenso gibt es viele Männer, die offen für eine Beziehung mit einer fülligen Frau sind oder diese sogar präferieren.
Wir können uns alle davon leicht überzeugen. Denn auf der Straße gehen unzählige solcher Liebespaare spazieren.
Wie aber war es mit dem zweiten Vorbehalt, der Objektifizierung?
Hier berichtete meine Klientin, dass ein verheirateter Mann ihr seine Visitenkarte zugeschoben habe.
Letztlich entdeckten wir etwas ganz anderes:
- Meine Klientin selbst sehnte sich nach Sexualität, aber dann war da auch noch eine innere Stimme aus ihrer Erziehung, die ihre einbläute, wie verwerflich das sei.
Ich hoffe und glaube aber, dass ihr ein Neubeginn gelingen wird.
Die einzelne Person sehen
Gerade für die Partnersuche gilt, dass wir uns hüten sollten, in ein Kästchendenken zu verfallen. Es gibt weder den Mann noch die Frau. Es ist falsch, dass die Männer dies und die Frauen jenes wollen. Ebenso wenig stimmt es übrigens, dass Männer werben und Frauen sich umwerben lassen.
Glauben wir dies aber, laufen wir Gefahr, durch unser eigenes Verhalten eine selbsterfüllende Prophezeiung zu erzeugen, die unsere Ansichten bestärkt, aber unseren Zielen schadet.
Menschen – alle Menschen – haben unglaublich viel gemeinsam an Strebungen und den Grundvoraussetzungen ihrer Existenz.
Gleichzeitig gibt es eine ebenso enorme Individualität, die sich jedoch viel stärker zwischen Individuen als zwischen Gruppen widerspiegelt. So sind die reinen Mittelwertunterschiede zwischen Männern und Frauen oder zwischen verschiedenen Kulturen bei weitem geringer als die Variabilität, die innerhalb der jeweiligen Gruppen besteht.
Für unsere Partnersuche ist es wichtig, uns über unsere Grundbedürfnisse bewusst zu werden und diese zum Tragen zu bringen. Dabei suchen wir nicht nach einem Gruppenmitglied, sondern nach einem Individuum, mit welchem wir kompatibel sind.
Wir neigen dazu, um die komplizierte Welt leichter verstehen zu können, schnell zu pauschalisieren. So bekommen plötzlich die verschiedensten Erfahrungen ein uniformes Gewand. Dies erschwert es uns leider, unsere Erfahrungen differenziert zu betrachten und die richtigen Schlüsse aus ihnen zu ziehen.
In dem Moment, wo wir anfangen, das Hauptproblem bei den anderen als Mitglied einer Gruppe zu sehen, werden unsere Urteile meistens verzerrt.
In extremen Ausmaß fällt mir dies auch bei den gelegentlichen misogynen Zuschriften auf, die ich erhalte. Das sind Männer, die voller Wut, Hass und Neid auf Frauen sind – und doch sich in Wirklichkeit eine Liebesbeziehung mit einer Frau wünschen.
Bei diesen Männern gehen persönliche Erfahrungen, die sie selektiv erinnern und unstatthaft generalisieren, mit scheinbarem Allgemeinwissen über Frauen („schauen nur auf Geld“ etc.) einher. Hieraus bildet sich eine explosive Mischung, die den Betreffenden die Chance auf eine Liebesbeziehung raubt.
Frauen und Männer bei der Partnersuche
Es gibt tatsächlich durchschnittliche Unterschiede zwischen Frauen und Männern. Diese haben aber für unsere Partnersuche keine Relevanz, weil es einen großen Überlappungsbereich gibt. Wir suchen schließlich keine Gruppe und keinen Gruppenmittelwert, sondern eine einzelne Person und eine individuelle Erfahrung.
Damit ergibt sich eine klare Strategie, wie Sie mit sich selbst zufrieden und bei der Partnersuche erfolgreich werden können:
- Machen Sie sich von negativen Voreinstellungen frei. Gehen Sie mit ihren Erfahrungen reflektiert um. Seien Sie sich Ihrer wirklichen Bedürfnisse im Klaren. Gehen Sie mit offenen Augen durch die Welt und unternehmen Sie von dieser Basis aus die Schritte, die nötig und möglich sind, um den richtigen Menschen zu finden.
Wir stehen Ihnen bei Gleichklang auf diesem Weg gerne zur Seite: