Dieser Text ist auf unserem YouTube-Kanal als Video zur Dating-Psychologie erschienen. Hier kann er noch einmal nachgelesen werden für die, die lieber lesen, als sich ein Video anzuschauen.
Hast Du gehört von Anastasia Biefang, der Bundeswehr Bataillonskommandeurin, die in ihrem Tinder-Profil schrieb, dass sie in einer offenen Beziehung sei, nach Sex suche und alle Gender willkommen seien? Aktuell wird mit Spannung die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts erwartet, ob sie für dieses Dating-Profil sanktioniert werden darf.
Ich spreche heute darüber, dass Anastasia Biefang in ihrem Profil alles richtig gemacht hat. Wären alle so offen und klar, ließen sich nämlich viele Probleme beim Online-Dating vermeiden.
Es geht in meinem heutigen Video auch um die verschiedenen Beziehungsformen, von der Monogamie bis zur Polyamorie, über den Zusammenhang zwischen konservativer Moral, Verheimlichung und Fremdgehen, sowie über den Zusammenhang zwischen sexueller Zufriedenheit und Lebenszufriedenheit.
- 45 Spontan, lustvoll, trans*, offene Beziehung und auf der Suche nach Sex. All genders welcome.
Warum verkörpert dies Dating-Profil von Ananstasie Biefang das, was wir uns beim Online-Dating nur wünschen können?
Es ist die klare, direkte und ehrliche Benennung der angestrebten Beziehungskonstellation, die in vielen Dating-Profilen leider fehlt.
Den Leser:innen dieses meines Wissens bereits gelöschten Profils wurden alle Informationen gegeben, die sie brauchen, um entscheiden zu können, ob sie in Kontakt treten möchten.
Den Leser:innen wurde mitgeteilt, dass die Person in einer offenen Beziehung lebt. Es gab sich hier also niemand als Single aus, der schon verheiratet war. Dies ist ein großes Problem beim Online-Dating.
Den Leser:innen wurde ebenfalls gesagt, dass die Profilinhaberin erotische Kontakte sucht. Sie sagte von sich, Trans zu sein und dass alle Gender willkommen seien.
So wussten die Leser:innen von vornherein, worauf sie sich einstellen konnten. Das ist aus Dating-Sicht sehr gut. Denn die Klärung der Motive beim Online-Dating kann viel Zeit und Energie kosten.
Nicht selten begegnen sich unvereinbare Wünsche und Erwartungen. Die eine Person sucht nach Sex, die andere nach Liebe. Manche verschwinden dann durch Ghosting und lassen die andere Person verletzt und irritiert zurück.
Andere greifen auf sogenanntes Cushioning zurück. Obwohl die Betreffenden bereits in einer Beziehung sind, suchen sie dennoch weitere Dating-Kontakte. Denn auf diese wollen sie in dem Fall zurückgreifen können, dass aus der Beziehung nichts wird. Den Betroffenen sagen tun Sie dies allerdings nicht.
Leser:innen des Profils von Anastasia Biefang konnte all dies nicht passieren. Und noch etwas anderes konnte ihnen nicht passieren:
- Die Angst vor einer Zurückweisung aufgrund ihres Genders!
Personen mit Transidentität sehen sich beim Online-Dating nicht selten mit verletzenden Ablehnungen konfrontiert. Diese können sogar bis hin zu beleidigenden und transphoben Beschimpfungen gehen.
Studien zeigen, dass die Offenlegung der eigenen Transidentität durch die Erwartung negativer und entwertender Reaktionen erschwert wird.
Tristen Kade führte Interviews mit 20 Transmännern durch, aus denen deutlich wurde, dass die Offenlegung der eigenen Trans-Identität für die Betreffenden ein zentrales und gleichzeitig schwieriges und hochgradig ambivalentes Thema ist, welches immer wieder mit berechtigen Befürchtungen einhergeht. Die befragten Transmänner wollten ihre Transindentität offenlegen, sichtbar und in ihrer Identität anerkannt werden, sie befürchteten aber Gewalt, Diskriminierung und Stigmatisierung.
Anastasia Biefang hat ihr eigene Transidentität sofort offengelegt. In Anbetracht der zitierten Forschungsbefunde ist der offene Umgang mit der eigenen Identität durchaus mutig.
Ihr Dating-Profil wandte sich explizit an alle Gender. Die Formulierung all Genders welcome macht deutlich, wer eingeladen ist, sodass ein Kontakt zustande kommen kann.
Für das Online-Dating gelten folgende Empfehlungen:
- Wer in einer Beziehung lebt, sollte dies im Profil bereits benennen. Niemand möchte erst später herausfinden möchten, dass die vermeintliche Beziehungshoffnung tatsächlich bereits in einer Beziehung lebt.
- Wer nach Sex sucht, sollte dies ebenfalls im Profil direkt sagen. So werden sich nur solche Personen angesprochen fühlen, die ebenfalls an Sex interessiert sind. Dies hilft, unglückliche Konstellationen zu vermeiden, wo eine Person sich eine Partnerschaft erhofft und die andere den Kontakt unverbindlich halten will.
- Aus einem Profil sollte ebenfalls deutlich werden, an wen es sich wendet. Das Ziel beim Online-Dating ist, gezielt mit denjenigen Personen den Kontakt zu treten, die dem eigenen Suchanliegen entsprechen. Voraussetzung für solch eine passgenau Suche sind transparente Dating-Profile.
Was aber haben dann die Bundeswehr und die Gerichte an dem Dating-Profil von Anastasia Biefang zu kritisieren?
Hierzu habe ich mir den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 25. Mai 2022 von der Internetseite des Gerichts heruntergeladen. Ich selbst bin juristischer Laie. Im Folgenden geht es mir nicht um die juristische Ebene. Mir geht es allein darum, was aus diesem Beschluss aus psychologischer Sicht für das Online-Dating folgt oder folgen würde, sollte dieser Beschluss tatsächlich gültig bleiben.
Der Ausgangspunkt des ganzen Verfahrens war, dass Anastasia Biefang ein Profil bei Tinder mit einem wieder erkennbarem Foto und dem eingangs zitiertem Text erstellte. Laut Gericht habe sie dabei davon ausgehen müssen, dass sie wegen ihrer Stellung in der Bundeswehr erkannt werden könnte.
Das ganze Verfahren wäre also niemals zustande gekommen, hätte Anastasia Biefang ein gesichtsloses Profil veröffentlicht.
Ich finde es durchaus frappierend, dass ihr dies letztlich zum Nachteil wird. Beim Online-Dating haben wir nämlich eigentlich genau das umgekehrte Problem:
Nutzer:innen beklagen immer wieder, dass sie andere Nutzer:innen anhand ihrer Fotos bei einem Treffen nicht wiedererkennen können. Ebenso negativ werden Fotos bewertet, die so undeutlich sind, dass sie ein Erkennen ebenfalls unmöglich machen.
Der Vorwurf gegen Anastasia Biefang ist also, dass sie sich so verhalten hat, wie dies von den Dating-Portalen empfohlen und von den Nutzer:innen erhofft wird. Sie hat ein wieder erkennbares Profilfoto zusammen mit einem aussagekräftigen Text eingestellt.
Vorbild für das Online-Dating, aber Dienstvergehen für die Bundeswehr – wie kann das sein?
Hierzu führt das Gericht aus, dass Bataillonskommandeure Untergebene nicht selten an das Verbot sexueller Belästigung oder sexistischer Bemerkungen erinnern oder sie dafür sanktionieren müssten. Dies könnten sie aber nur glaubhaft tun, wenn sie sich selbst nichts zu schulden kommen ließen und auf ihren guten Ruf achteten.
Moment, warum spricht das Bundesverwaltungsgericht hier plötzlich über sexuelle Belästigung und sexistische Äußerungen, die Bataillonskommmandeur:innen zu sanktionieren haben?
Was hat das eine – also jemanden zu belästigen oder sich sexistisch herabwürdigend zu äußern – mit dem anderen zu tun, nämlich beim Online-Dating offen, transparent, wahrheitsgemäß und mit eigenem Gesicht aufzutreten?
Empirisch und psychologisch gar nichts.
Im Gegenteil:
Offenheit und Transparenz sind der beste Schutz gegen sexuelle Belästigung und sexistische Herabwürdigungen.
In Wirklichkeit ist es nämlich folgendermaßen:
- Dort, wo eine enge Sexualmoral gepredigt wird, sowie dort, wo Geheimhaltung, Anonymität und Verschweigen herrschen, genau dort kommt es am häufigsten zu sexuellen Übergriffen. Erinnert sei an die katholische Kirche, deren Moral und Abstinenzgebote für Priester genau keinen Schutz vor sexuellen Übergriffen bieten.
- Wo Heimlichkeit herrscht, ist zudem die Ahndung von echten Übergriffen schwerer als dort, wo offen miteinander umgegangen wird. Erneut ist die katholische Kirche hierfür ein gutes Beispiel.
Das Gericht führt weiter aus: :
- Die Praxis wechselnder Sexualpartner:innen werde zwar toleriert, widerspreche aber nach wie vor den Wertvorstellungen breiter Bevölkerungskreise, die an der Einehe, der ehelichen Treue und der Familie als Keimzelle der Gesellschaft festhielten. Das Werben um Sexualkontakte außerhalb ihrer eigenen Ehe durch Anastasia Biefang könne sich nachteilig auf ihr Ansehen in der regionalen Öffentlichkeit und vor allem in der ihr unterstellten Truppe auswirken. Dass ihre Partnerin damit einverstanden gewesen sei, ändere daran nichts.
Wir erkennen hier ein konservatives Sexualverständnis, welches ein transparentes Dating-Profil im Jahr 2022 zum moralischen Anstoß macht. Genau solch ein Sexualverständnis hat eine bemerkenswerte Eigenart:
Alles ist in Ordnung, solange es nicht sichtbar ist.
Ein Beispiel hierfür:
Eine Studie zeigte, dass auf dem Seitensprungportal Ashley Madison signifikant mehr Anhänger:innen der Republikaner aktiv waren als Anhänger:innen der Demokraten. Es interessierten sich also gerade Anhänger:innen derjenigen politischen Kraft für Seitensprünge, die sich wie keine andere für Einehe und Treue als Keimzelle der Gesellschaft einsetzt.
Eine zweite Studie zu einem anderen, aber tatsächlich verwandten Thema:
Die Psychologen Adams und Lohr untersuchten, wie homophobe und nicht-homophobe heterosexuelle Männer auf homoerotisches Material mit Männern reagierten. Als Maß der sexuellen Erregung wurde die durch Betrachtung des Materials ausgelöste Penisdurchblutung erfasst. Es zeigte sich ein bemerkenswerter Effekt: Die homophoben Teilnehmer wurden durch homoerotisches Material mit Männern sexuell erregt, nicht aber diejenigen, die keine Vorbehalte gegenüber Homosexuellen hatten.
Dies erinnert an die bekannten Beispiele evangelikaler Fundamentalisten und Prediger in den USA und anderswo, die bei Callboys erwischt wurden.
Das Gericht findet, es sei egal, ob die Partner:in von Anastasia Biefang zugestimmt habe oder nicht.
Tatsächlich aber ist Fremdgehen etwas ganz anderes als das, was Anastasia Biefang mit ihrem Dating-Profil suchte. Wer fremdgeht, hintergeht seine Partner:innen.
Untreue in offiziell monogamen Beziehungen ist nicht selten. Die Psychologen Martins und Kolleg:innen befragten verheiratete Paare über eine Vielzahl von außerehelichen Verhaltensweisen, wie Küssen, romantische Verabredung, Oralverkehr, vaginaler Geschlechtsverkehr, Zeit online mit romantischem Interesse verbracht, sexuell aufreizende Bilder geteilt, Telefonsex. Lediglich 36,9 % der Männer und 42,2 % der Frauen verneinten alle entsprechenden Offline-Kontakte. 52,7 % der Männer und 59,4 % der Frauen gaben an, Online keine derartige außer-partnerschaftliche Kontakte gepflegt zu haben.
Untreue in offiziell monogamen Beziehungen ist jedoch für viele Betroffene ein Problem. In Studien werden als Reaktionen berichtet über Ärger, Ängstlichkeit, Demütigung und Eifersucht.
Die eheliche Treue als Keimzelle der Gesellschaft, sie wird also oft nicht eingehalten. Könnte es womöglich sein, dass nicht Sexkontakte in offenen Beziehungen, sondern Fremdgehen in monogamen Beziehungen sich destabilisierend auf partnerschaftliche Beziehungen auswirkt?
Hierfür sprechen Befunde einer eigenen Befragung von 400 Personen, die über Gleichklang eine Partnerschaft fanden. Bei nicht eingehaltener Monogamie (also bekannt gewordenem Fremdgehen) betrugt die Trennungsrate über 71 %, bei eingehaltener Monogamie betrug sie 15 % und bei offenen Beziehungen betrug sie 17 %.
Fraglos können glückliche monogame Beziehungen entstehen, wenn beide die Monogamie wollen und einhalten. Genauso aber können – dies zeigen mittlerweile mehrere Studien – offene Beziehungen, Swinger-Beziehungen und polyamore Beziehungen zu einem hohen Beziehungsglück führen.
Kurz zur Begriffsklärung:
- Offene Beziehungen sind übrigens Beziehungen, bei denen Partner:innen sexuelle Kontakte zu Dritten haben dürfen. Sex kann also mit anderen Personen geteilt werden, nicht aber die Liebe.
- Swinger Beziehungen sind Beziehungen, wo Partner:innen gemeinsam miteinander Sex mit Dritten haben. Die Anwesenheit der Partner:innen kann Eifersucht mindern und die sexuelle Gemeinsamkeit erhöhen.
- Polyamore Beziehungen sind Beziehungen, wo Personen eine Partnerschaft mit mehr als einer Person führen auf der Basis kompletter Offenheit. Viele aber nicht alle polyamore Beziehungen unterscheiden zwischen Primärpartner:innen und Sekundärpartner:innen. Primärpartner:innen werden meistens früher kennengelernt und zu ihnen besteht eine hohe räumliche Nähe und Alltagsnähe. Sekundärpartner:innen werden oft später kennengelernt und die räumliche Nähe und Alltagsnähe ist geringer als zu den Primärpartner:innen. Es kann auch gesagt werden, dass Beziehungen zu Sekundärpartner:innen eine stärkere Unabhängigkeit aufweisen.
Was sagen die Forschungsbefunde zu diesen verschiedenen Beziehungsformen?
- Hangen und Kolleg:innen verglichen monogame Beziehungen, in denen die Monogamie eingehalten wurde, monogame Beziehungen, wo die Monogamie nicht eingehalten wurde und konsensuell nicht-monogame Beziehungen der verschiedenen Art. Monogame Beziehungen, wo die Monogamie eingehalten wurde, und konsensuell nicht-monogame Beziehungen erreichten eine hohe Beziehungszufriedenheit und sexuelle Zufriedenheit. Die durchschnittliche Beziehungsdauer war in konsensuell nicht-monogamen Beziehungen am längsten. Monogame Beziehungen, wo fremdgegangen wurden, kennzeichneten sich durch die geringste Dauer, die geringe Zuneigung, die geringste Beziehungszufriedenheit und die geringste sexuelle Zufriedenheit.
- Rubel und Boegart verglichen ebenfalls monogame und nicht-monogame Beziehungen. Beider erreichten eine vergleichbare Beziehungsqualität. Jedoch fanden die Autoren ebenfalls Anzeigen dafür, dass Swinger-Beziehungen sich durch eine besonders hohe Spannung, Aufregung und Begeisterung kennzeichneten.
- Balzarini und Kolleg:innen verglichen erhaltene emotionale Fürsorge und sexuelle Leidenschaft in polyamoren Beziehungen mit Primär- und Sekundärpartner:innen und in monogamen Beziehungen. Personen in polyamoren Beziehungen erhielten im Durchschnitt mehr emotionale Fürsorge von ihren Primärpartner:innen als von ihren Sekundärpartner:innen. Sie erlebten aber mehr sexuelle Leidenschaft mit ihren Sekundärpartner:innen als mit ihren Primärpartner:innen. Das Gesamtausmaß an erhaltener emotionaler Fürsorge und sexueller Leidenschaft war in den polyamoren Beziehungen höher als in den monogamen Beziehungen.
Was sich aus diesen Befunden und weiteren mit Sicherheit saqen lässt ist, dass konsensuell nicht monogame Beziehungen im Durchschnitt mindestens eine ebenso hohe Beziehungsqualität erreichen wie monogame Beziehungen.
Am unglücklichsten werden demgegenüber offiziell monogame Beziehungen, in denen aber tatsächlich fremdgegangen wird.
Im übrigen bilden auch in offenen und polyamoren Beziehungen lebende Personen einen wichtigen Teil der Gesellschaft. So gelangt beispielsweise Agostino Mazziotta in seinem Übersichtsartikel „Mehr als einen Menschen lieben“ zu dem Ergebnis, dass bereits ca. 20 % der erwachsenen Bevölkerung persönlich in konsensuell nicht-monogamen Beziehungen gelebt haben. In der LGBTQ*Community – zu der auch Anastasia Biefang zählt – sind solche alternativen Beziehungs-Modelle sogar viel verbreiteter, besonders bei schwulen Männern, bisexuellen Männern und Frauen sowie bei nicht binären Personen.
So verwundert es nicht gänzlich, dass die Psychologen Wlodarski und Kolleg:innen in einer Untersuchung herausfanden, dass sich unter den Teilnehmenden ein monogamer Typ und ein nicht-monogamen Typ unterscheiden ließ, wobei ca. 57 % der Männer, aber auch 47 % der Frauen dem nicht-monogamen Typus zugewiesen werden konnten.
Das Gericht hat hier nach meiner Einschätzung eines übersehen:
- Die Orientierung des öffentlich sichtbaren Verhaltens an einer restriktiven Sexualmoral kann Fremdgehen fördern.
Fremdgehen wird gesellschaftlich gefördert, wenn wir diejenigen Menschen in monogame Beziehungen drängen, die eigentlich nicht zum monogamen Typus gehören und daher fremdgehen. Für diese Personen sind offene oder polyamore Beziehungen ein besser geeignete Alternative.
Müssen Menschen aber davon ausgehen, dass eine solche Offenheit zu beruflichen Schwierigkeiten führt, werden sie eher den Weg der Verheimlichung und des Fremdgehens wählen.
Wir sollten dem Gericht nicht Unrecht tun. Es bejaht das Recht, von der Moral breiter Bevölkerungskreise abzuweichen. Es sei ebenfalls dem Einzelnen erlaubt, auf einem Internetportal mittels eines Accounts und Profilbild nach Sexualpartner:innen zu suchen.
Entscheidend sei aber, ob bei der äußeren Gestaltung und Formulierung entsprechender Internetauftritte auf die mit der dienstlichen Stellung verbundenen Integritätserwartungen Rücksicht genommen werde.
Dies aber habe Anastasia Biefang nicht getan.
Die Betonung der Lust , die Suche nach Sex und der Nachklapp “all Genders welcome” könne beim ersten Durchlesen den falschen Anschein erwecken, es gehe um möglichst schnellen Sex mit Partner:innen gleich welchen Geschlechts. Diese Überspitzung sei aber für die Werbewirkung der Annonce nicht nötig gewesen und hätte vermieden werden können.
Damit sei dies dies Profil ein Verstoß gegen die Wohlverhaltenspflicht, was mit einem Verweis sanktioniert werden könne.
Hier irrt das Gericht:
All genders welcome – längst ist es wissenschaftlich anerkannt, dass es nicht nur monosexuelle Orientierungen gibt, wie Heterosexualität oder Homosexualität. Es gibt ebenfalls Bisexualität, bi+ und Pansexualität, wo sich Menschen für alle Gendern interessieren. Wie aber soll das Interesse an Begegnungen mit Menschen jedem möglichen Genders zum Ausdruck gebracht werden, wenn eine freundlich-einladende Formulierung wie „All genders welcome“ anstößig sein soll? Wie sollte Anastasia Biefang den Leser:innen mitteilen, dass sie willkommen sind, wenn sie es nicht sagen darf?
Auf der Suche nach Sex – das Gericht gesteht Soldat:innen ausdrücklich ihr sexuelles Privatleben zu, sie dürfen sich sexuell betätigen und sie dürfen auch bei einer Internetplattform nach Sex suchen. Es stellt sich jetzt aber die gleiche Frage: Wie soll eine Person nach Sex suchen, wenn sie nicht erwähnen darf, das sie nach Sex sucht? Will es hier das Bundesverwaltungsgericht ernsthaft fördern, dass Teilnehmende beim Online-Dating ihre Motive verschweigen, woraus sich viel Zeitaufwand, Frustration, Enttäuschung und Ärger ergeben kann? Offensichtlich wollte Anastasia Biefang genau all dies für sich und andere vermeiden und deshalb hat sie gesagt, was sie sucht.
Lustvoll – was Anastasia Biefang hier vermutlich zum Ausdruck bringen wollte ist, dass sie sexpositiv ist, Sex also in ihrem Wertesystem keine Sünde darstellt. Die Sexualwissenschaftlich und daraus abgeleitete Empfehlungen, lehren uns, wie wir als Menschen lustvoll miteinander Sexualität erleben können. Über Sex reden ist eine der zentralen Empfehlungen. Studien zeigen dabei, dass eine hohe sexuelle Zufriedenheit mit einer höheren Lebenszufriedenheit einhergeht. Nach den Ausführungen des Gerichts ist lustvolle Sexualität auch Soldat:innen durchaus erlaubt, nur sagen sollen sie es offenbar nicht. Aber genau dies macht lustvolle Sexualität schwierig, insbesondere dann, wenn Partner:innen hierfür erst gefunden werden sollen.
Ich denke, die beteiligten Richter sind zu weit entfernt von der Realität des Online-Dating. Das Profil von Anastasia Biefang ist im Kontext des Online-Dating absolut nicht anstößig gewesen, sondern es war im Gegenteil bezüglich seiner Transparenz vorbildlich.
Würde sich diese Rechtsprechung durchsetzen, wäre das Online-Dating erschwert und ein Mehr an Heimlichkeit zöge in die Gesellschaft ein – mit allen seinen negativen Folgen für Beziehungen und die Gesellschaft.
Ich hoffe daher für Anastasia Biefang und für uns alle, dass das Bundesverfassungsgericht diese Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts korrigieren wird.
Was können wir aus all dem nun für das Online-Dating lernen?
Einer der wichtigsten Faktoren für Deinen Dating-Erfolg und den Erfolg aller Teilnehmenden beim Online-Dating ist die Erstellung eines transparenten Profils, in dem Du dich als Person so vorstellst, wie du bist und in dem das benennst, was Du suchst. Dies hat Anastasia Biefang getan und hieran kannst Du Dir ein Beispiel nehmen, wenn Du Dein Online-Dating zum Erfolg bringen willst.
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